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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


19. Oktober 2010

„Die Wahrheit über die Lüge“ darf doch erscheinen

Der portugiesische Chefermittler Gonçalo Amaral, der im Fall „Maddie“ die Eltern des vermissten Mädchens verdächtigte und darauf hin von dem Fall abgezogen wurde, darf nun doch sein Buch veröffentlichen. Dies war ihm Anfang des Jahres verboten worden.

16. Oktober 2010

Sabotageseite zu Castor-Transport gesperrt

Die Billigung von Straftaten wie etwa dem Bereiten eines Hindernisses beim Bahnverkehr ist strafbar, vgl.  §§ 140, 138 in Verbidnung mit 315 StGB. Den „Schriften“ aus § 140 StGB stehen Datenspeicher gleich, vgl. § 11 Abs. 3 StGB, weshalb es keine wirklich clevere Idee ist, sich im Internet mit dem Vorhaben zu brüsten, man wolle Bahnstrecken sabotieren. Ggf. kann dadurch auch eine Anstiftung gesehen werden, was ebenfalls strafbar ist.

Die KriPo Rosenheim störte sich an einem Aufruf bzw. einer Ankündigung, Schotter unter Gleisen abtragen, um Castortransporte zu verhindern und bewirkte – offenbar durch gutes Zureden – beim Provider eine Sperrung, meldet Gulli.com. Ob das Zensur ist, oder eine nachvollziehbare Maßnahme zur Vermeidung von Straftaten, liegt im Auge des Betrachters.

Unstreitig hingegen dürfte sein, dass durch solches Vorgehen einmal mehr der Streisand-Effekt ausgelöst wurde – und dass wir langsam gewahr werden, dass der politische Wunsch nach Internetsperren nichts, aber auch gar nichts mit Kinderpornographie zu tun hat, sondern mit Kontrollbedürfnis. Gerne verweise ich immer wieder darauf, dass Frau von der Layen die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht ist – der Mann, in dessen Ägide der Verfassungsschutz das Celler Loch in eine Mauer sprengte, um Terrorismus vorzutäuschen. Die Angst vor Terrorismus ist das politische Brecheisen, um einen Rechtsstaat in einen Polizeistaat zu verwandeln.

UPDATE: Ein Leser wies auf folgendes hin:

§140 verweist nur auf § 138 Abs. 1 Nr. 1-4, also so nicht zu § 315. Und die Kette §§ 140, 126 verweist nur auf §315 Abs. 3 der hier m.E. auch nicht einschlägig ist.

11. Oktober 2010

Neues Buch von Petra Reski

Die Journalistin Petra Reski gehört noch zu den Autorinnen, die etwas mehr drauf haben, also zu googeln. Ihr Thema ist die Mafia, deren Präsenz hierzulande medial nur wahrgenommen wird, wenn es knallt. „Soziale Unsichtbarkeit“, wie das in der Kriminologie-Vorlesung hieß.

Auf der Buchmesse hat Reski ihr neues Buch vorgestellt. An einem ihrer früheren Werke habe irgendwelche ehrenwerten Herrschaften Stellen gefunden, die der Ehre hätten abträglich sein können, was ehrenwerte Juristen zu verhindern wussten.

Bei einem Vortrag machte sie auf die harmonische Beziehung zwischen der Mafia und einer anderen straffen Organisation aufmerksam, die sich historisch mit Zensur besser auskennen als jeder andere.

10. Oktober 2010

Geldscheinbündel-Trick

Es gibt doch noch Gangster alter Schule, die solides Handwerk ehren und die Kunst der Täuschung mit einer beeindruckenden Chuzpé durchziehen! Okay, sie haben sich erwischen lassen, aber immerhin, einen solchen Scam einzufädeln und durchzuziehen erfordert erhebliches Geschick. Das Hamburger Abendblatt beschreibt den Trick:

Der Ablauf: Zuerst verwickelt einer der Täter das Opfer in ein Gespräch. Dann geht der zweite an den beiden vorbei und lässt wie zufällig ein Geldbündel fallen. Das wiederum hebt der erste Täter auf und steckt es ein – offensichtlich hat er nicht vor, den Fund zu melden. Dann kommt der zweite Täter, der das Geldbündel fallen ließ, wieder und fragt nach dem vermeintlichen Verlust. Das Opfer soll das eigene Bargeld zeigen, um zu beweisen, dass es das Geld nicht eingesteckt hat. Der Täter gibt vor, die Seriennummer überprüfen zu wollen. Dabei tauscht er das ihm anvertraute Geld gegen ein anderes Bündel aus – außen Euroscheine, innen wertlose ausländische Währung.

Den Nachwuchs-Gangstern empfehle ich im Knast zum Zeitvertreib die Lektüre von David W. Maurers  „The Big Con“, in dem etliche solcher Scams beschrieben werden. Auf diesem Buch basiert übrigens das Drehbuch zu „The Sting“ („Der Clou“). Ich biete auch Nachhilfekurse an …

7. Oktober 2010

Respekt, Staatsanwaltschaft Bochum!

Als ich davon lass, dass jemand dem Middelhoff auf die Füße getreten ist, dachte ich sofort: „Bochum“.

Ich habe richtig gelegen. Die StA Bochum ist dafür bekannt, dass sie heiße Eisen anpackt, die anderen Staatsanwaltschaften lieber auslassen, und sich nicht beirren lässt. Nicht von rechts, und nicht von links. Die scheißen auf politische Einflussnehmer, sondern machen stur ihren Job.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hat übrigens auch ein interessantes Pressekonzept: Sie möchten gar nicht in der Zeitung stehen. Wenn sie gelobt werden, dann werden andere StAs, in deren Revieren die Bochumer mitunter „wildern“, schnell pampig. Wenn die StA Bochum kritisiert wird, sind natürlich auch nicht glücklich. Also machen die lieber einfach bescheiden und solide ihre Arbeit. Ich erinnere mich noch an meine Referendarzeit in Bochum, als wir dort häufig an Polizeikräften mit Maschinenpistolen vorbei mussten, weil halt gerne mal schwere Jungs in Bochum au dem Bereich OK angeklagt werden.

Die Leute der StA Bochum ecken bewusst an, ziehen ihre Sache jedoch durch und schielen nicht auf Promi-Glanz. Naja, der einzig prominente Bochumer wohnt ja eh in London. Egal: ihr habt meinen Respekt!

Stuttgart 21: Derselbe Planet, verschiedene Welten

Selbst Schuld, sagt Karin from Eddy Edwards on Vimeo.

5. Oktober 2010

Polizei in Stuttgart schoss Strafrichter a.D. mit Wasserwerfer ab

Der ehemalige Vorsitzende einer Strafkammer des Landgerichts Stuttgart, Dieter Reicherter, hatte von den Protesten gegen Stuttgart 21 im Radio gehört und wollte sich das mal ansehen. Er sah keine Straftaten bei den Demonstranten. Dann wurde er, obwohl außenstehend, vom Wasserwerfer abgeschossen. Der Kollege reagierte professionell.

„Gestatten Sie mir den Schlusssatz, dass ich einen derartigen Polizeieinsatz gegen friedliche Bürger bislang nur durch Berichte aus China und andere Diktaturen kannte.“

59 Jahre Haft für einen Witz

This Prison Where I Live · Trailer from Robin Haefs on Vimeo.

Comedian Michael Mittermeier hat einen Film über seinen Kollegen in Birma gemacht, dessen Namen nicht einmal genannt werden darf. -> Süddeutsche

3. Oktober 2010

200.000 Straftaten gegen die Ehre – Zensur?

Der Kollege Andreas Fischer weist in seinem Blog darauf hin, dass 2009

„laut Statistik des Bundeskriminalamts die statistisch wichtige Zahl 200.000 der wegen angeblicher “Straftaten gegen die Ehre” in Deutschland strafrechtlich verfolgten Personen klar überschritten“

wurde. Er stellt infrage, dass das Korrektiv “Wahrnehmung berechtigter Interessen” (§ 193 StGB) wirkungsvoll sei. In einem anderen Posting hält er die Beleidigungsgesetze für Zensur.

Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich die Gesetze sind, oder ob die Probleme nicht eher auf der Ebene der Rechtsanwendung liegen. Ich mache allerdings ganz überwiegend nur Zivilrecht, auch bei Beleidigungen, so dass ich seine Sicht auf den strafrechtlichen Ehrenschutz nicht beurteilen kann. Mein Eindruck ist der, dass bei strafrechtlichen Beleidigungen die Messlatte bedeutend höher liegt, so dass ich eher die Privatrechtsstreite (und die hiermit generierte Selbstzensur) als Zensur ansehe. Immerhin kann man ja Staatsanwälte, die nur ihren Job tun, ungestraft als „durchgeknallt“ bezeichnen.

1. Oktober 2010

Agents Provocateurs bei Stuttgart 21-Demo?

Die CDU hatte Kinder instrumentalisiert, um der Content-Industrie die Internetsperren zu geben. Und nun sagt ausgerechnet ein CDUler das hier:

Die Tagesschau wird ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht. Auch n-tv leistet solide Arbeit.

Nicht nur, dass Sanitäter und Journalisten nicht auf das Gelände gelassen wurden, die haben offenbar sogar Quarzhandschuhe eingesetzt. Schade, dass die Polizisten noch nicht nummeriert sind. Filesharer finden ist einfacherer. Neu ist allerdings, dass die Demonstranten nun zurückfilmen können und vor allem in Echtzeit twittern können.

Im Tagesspiegel sagt der Autor Wolfgang Schorlau:

Durch meine Arbeit als Krimiautor habe ich gute Kontakte zu Polizisten. Aus diesem Umfeld habe ich Hinweise erhalten, dass es im Innenministerium Überlegungen geben soll, Provokateure einzuschleusen, die Gewalttaten begehen, die man den Demonstranten in die Schuhe schieben kann. Möglicherweise eine Gewalttat an Bereitschaftspolizisten.

Das Foto des älteren Demonstranten, dessen rechtes Auge gestern heraushing, war heute in den Medien offenbar nicht zu sehen, es wurde über ihn auch nicht berichtet. Wir hatten es gestern bei einer kurzfristig organisierten Mahnwache am Rathaus in Münster ausgestellt. Im dort befindlichen Friedenssaal wurde seinerzeit der Westfälische Friede ausgehandelt. Gerne geben wir insoweit Know How an die Politiker in Stuttgart weiter. UPDATE: Foto.

Ein Kollege hat mich für den Vergleich zwischen S 21 und den Leipziger Montagsdemonstrationen gerügt. Tatsächlich gibt es Unterschiede: Mir ist nicht bekannt, dass es damals Schwerverletzte gab oder Kinder und Senioren zusammengeknüppelt wurden. Bemerkenswert, denn damals ging es immerhin um den Selbsterhalt eines Staates, während hier gerade mal ein Bahnhof verbuddelt werden soll. Die StaSi hatte etliche V-Leute in die Bürgerrechtsbewegung einzuschleusen versucht. Ob sie auch Agents Provocateurs einsetzte, ist mir zumindest nicht bekannt (müsste man mal recherchieren).

(Mit diversen Anregungen bei fefe.)

UPDATE: Erstaunliche Schwärzungen des Timecodes im Polizeivideo.