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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


18. Februar 2022

Bundesgerichtshof erteilt Lizenzabzocke bei Fotos unter kostenloser Creative Commons-Lizenz eine Absage

Speicherstadt abends von der Poggenmühlenbrücke von Thomas Wolf, www.foto-tw.de, CC BY-SA 3.0, gefunden bei Commons.wikimedia

2018 hatte ich am OLG Köln das inzwischen als „Speicherstadt“ bekannte Urteil herbeigeführt, demzufolge der „Lizenzschaden“ für rechtswidrig genutzte Lichtbilder, die unter einer kostenfreien Creative Commons-Lizenz verbreitet werden, grundsätzlich 0,- € beträgt. Fotografen müssen demnach beweisen, dass sie in einem solchen Fall tatsächlich einen Vermögensausfall gehabt hätten. Solches ist nach meiner Kenntnis keinem einzigen dieser „Profifotografen“ wie den Herren Thomas Wolf, Dirk Vorderstraße, Wladislaw Sojka, Christoph Scholz, Ralf Roltschek und Marco Verch gelungen, denn sie waren mit diesen Fotos im regulären Absatz nicht bzw. nicht nennenswert ins Geschäft gekommen.

Der Fotograf war dann damals (in einem Parallelfall) in Revision gegangen, hatte diese allerdings in letzter Minute zurückgezogen, wohl um die Rechtsunsicherheit zu erhalten und damit sein nach wie vor verfolgtes Geschäftsmodell zu schützen.

Nun konnte der Bundesgerichtshof sich doch noch zu dieser Rechtsfrage äußern, wenn auch nur indirekt in einem obiter dictum:

Die Marken-Inhaberin von „ÖKO-TEST“ hatte den Hersteller einer Zahncreme verklagt, dessen Lizenz zur Werbung mit Wort-Bild-Marke Werbung weggefallen war. Die Hersteller der von ihr getesteten Produkte dürfen das „ÖKO-TEST“-Zeichen nutzen, wenn diese mit ihr einen unentgeltlichen Lizenzvertrag abschließen, der die Nutzungsbedingungen regelt.

Zwar muss der Hersteller nun unterlassen und vielleicht konkret erlangte Vermögensvorteile herausgeben, einer Berechnung nach sogenannter Lizenzanalogie erteilte der BGH jedoch eine Absage:

Der Markeninhaber kann seinen durch eine Markenverletzung entstandenen Schaden nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen, wenn er in ständiger Lizenzierungspraxis ausschließlich unentgeltliche Lizenzen an der verletzten Marke erteilt.

(…) Die Schadensberechnung anhand einer fiktiven Lizenz ist zulässig, wenn die Überlassung eines Ausschließlichkeitsrechts der in Rede stehenden Art zur entgeltlichen Benutzung durch Dritte rechtlich möglich und verkehrsüblich ist. Entscheidend ist, dass der Verletzte die Nutzung üblicherweise nicht ohne Gegenleistung gestattet hätte (BGH, GRUR 1995, 349, 351 [juris Rn. 25 und 28] – Objektive Schadensberechnung; BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 – I ZR 263/02, GRUR 2006, 143, 145 [juris Rn. 22] = WRP 2006, 117 – Catwalk; BGH, GRUR 2010, 239 Rn. 23 – BTK).

Der Schadensermittlung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie liegt die Überlegung zugrunde, dass derjenige, der durch die unerlaubte Nutzung des Ausschließlichkeitsrechts eines anderen einen geldwerten Vermögensvorteil erlangt hat, nicht besser dastehen soll, als wenn er dieses Recht erlaubtermaßen benutzt hätte (BGH, GRUR 1990, 1008, 1009 [juris Rn. 16] – Lizenzanalogie; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rn. 42 = WRP 2016, 66 – Tauschbörse II). Da der Verletzer in einem solchen Fall die Gestattung des Rechtsinhabers hätte einholen müssen, die dieser üblicherweise nur gegen Zahlung einer Lizenzgebühr erteilt hätte, ist der Verletzer so zu behandeln, als sei durch seinen rechtswidrigen Eingriff dem Rechtsinhaber diese angemessene Lizenzgebühr entgangen (BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 – I ZR 148/91, GRUR 1993, 899, 901 [juris Rn. 17] – Dia-Duplikate). Insoweit ist mit Blick auf die normative Zielrichtung der Schadensberechnungsmethode eine abstrakte Betrachtungsweise geboten. Es ist deshalb unerheblich, ob es bei korrektem Verhalten des Verletzers im konkreten Fall tatsächlich zum Abschluss eines Lizenzvertrags gekommen wäre (BGH, GRUR 2006, 143, 145 [juris Rn. 22] – Catwalk; GRUR 2010, 239 Rn. 36 und 49 – BTK; BGH, Urteil vom 10. Juni 2010 – I ZR 45/09, juris Rn. 18; BGH, ZUM 2013, 406 Rn. 30).

Für die Bemessung der als Schadensersatz zu zahlenden angemessenen Lizenzgebühr müssen hingegen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 Rn. 25 = WRP 2009, 319 – Whistling for a train; BGH, ZUM 2013, 406 Rn. 30; BGH, Urteil vom 13. September 2018 – I ZR 187/17, GRUR 2019, 292 Rn. 18 = WRP 2019, 209 – Sportwagenfoto). Bei der Bestimmung des fiktiven Lizenzentgelts sind alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die auch bei freien Lizenzverhandlungen Einfluss auf die Höhe der Vergütung gehabt hätten (BGH, GRUR 2006, 143, 146 [juris Rn. 28] – Catwalk; GRUR 2010, 239 Rn. 49 – BTK). Maßgebliche Bedeutung kommt dabei einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu (BGH, GRUR 2019, 292 Rn. 19 – Sportwagenfoto; GRUR 2020, 990 Rn. 15 – Nachlizenzierung). Insofern kommt es nicht darauf an, ob die vom Rechtsinhaber geforderten Lizenzgebühren allgemein üblich und objektiv angemessen sind. Soweit der Rechtsinhaber die von ihm vorgesehenen Lizenzgebühren verlangt und auch erhält, rechtfertigt dieser Umstand die Feststellung, dass vernünftige Vertragsparteien bei Einräumung einer vertraglichen Lizenz eine entsprechende Vergütung vereinbart hätten (BGH, Urteil vom 26. März 2009 – I ZR 44/06, GRUR 2009, 660 Rn. 32 = WRP 2009, 847 – Resellervertrag; BGH, GRUR 2020, 990 Rn. 15 – Nachlizenzierung).

(2) Nach diesen Grundsätzen kann der Schaden, der der Klägerin durch die streitgegenständliche Nutzung des „ÖKO-TEST“-Zeichens seitens der Beklagten entstanden ist, nicht anhand einer fiktiven Lizenzgebühr bemessen werden.

Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts weist die Berechtigung zur Benutzung der Klagemarke 1 allerdings einen objektiven Vermögenswert auf, der einer Berechnung anhand einer Lizenzgebühr grundsätzlich zugänglich ist. Dass bei einer Marke die Erteilung von entgeltlichen Lizenzen rechtlich möglich (vgl. Art. 22 Abs. 1 GMV, Art. 25 Abs. 1 UMV, § 30 Abs. 1 MarkenG) und verkehrsüblich ist, zieht die Revisionserwiderung nicht in Zweifel. Ihr Einwand, die Klägerin habe nicht dargetan, dass eine entgeltliche Lizenz für die Verwendung von Testsiegeln wie dem „ÖKO-TEST“-Zeichen verkehrsüblich sei, ist rechtlich ohne Belang. Für die Beurteilung der Verkehrsüblichkeit einer Lizenzierung kommt es bei der insoweit gebotenen abstrakten Betrachtung nicht auf die Üblichkeit der Zeichenlizenzierung in der konkret in Rede stehenden Branche an, sondern darauf, ob bei einem Ausschließlichkeitsrecht dieser Art – vorliegend einer Marke – ganz allgemein die Erteilung von Lizenzen im Verkehr üblich ist (BGH, Urteil vom 16. Februar 1973 – I ZR 74/71, BGHZ 60, 206, 211 [juris Rn. 14] – Miss Petite; BGH, GRUR 2006, 143, 145 [juris Rn. 23] – Catwalk; GRUR 2010, 239 Rn. 49 – BTK). Dass die Klägerin davon abgesehen hat, sich den wirtschaftlichen Wert der Klagemarke 1 durch die Erteilung entgeltlicher Lizenzen tatsächlich zunutze zu machen, ist für die Annahme eines objektiven Werts der der Marke innewohnenden Nutzungsberechtigung ohne Bedeutung.

Mit Blick auf die Lizenzierungspraxis der Klägerin kann jedoch nicht angenommen werden, dass sie sich diesen Wert im Wege einer von der Beklagten zu zahlenden Lizenzgebühr zunutze gemacht hätte (für die Praxis unentgeltlicher Lizenzen vgl. auch OLG Köln, GRUR 2015, 167, 173 [juris Rn. 98]; WRP 2018, 873 Rn. 19 und 21 [juris Rn. 33 und 35]; OLG Hamm, GRUR-RR 2017, 421 Rn. 65 [juris Rn. 168]). Sofern die Klägerin den Herstellern der getesteten Produkte die Benutzung des „ÖKO-TEST“-Zeichens zur Bewerbung der Waren gestattet, geschieht dies stets unentgeltlich; so ist sie auch gegenüber der Beklagten verfahren. Daran muss sich die Klägerin festhalten lassen.

Die vom Rechtsinhaber geforderten und auf dem Markt durchgesetzten Lizenzsätze für die in Rede stehende Benutzungshandlung sind für die Bemessung der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr maßgeblich, auch wenn sie über dem Durchschnitt vergleichbarer Vergütungen liegen (BGH, GRUR 2009, 660 Rn. 32 – Resellervertrag; GRUR 2020, 990 Rn. 15 – Nachlizenzierung). Nichts Anderes kann gelten, wenn der Rechtsinhaber durchweg eine unter der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr liegende Vergütung verlangt oder – wie vorliegend die Klägerin – die Nutzung seines Ausschließlichkeitsrechts ausnahmslos unentgeltlich gestattet.

In solchen Fällen kann nicht davon ausgegangen werden, dass vernünftige Vertragsparteien ein von der Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers abweichendes Entgelt vereinbart hätten, wenn der Verletzer die Erlaubnis des Rechtsinhabers zur Nutzung seines Ausschließlichkeitsrechts eingeholt hätte. Bei der Berechnung des Schadens im Wege der Lizenzanalogie soll der Verletzer nicht schlechter, aber auch nicht besser als ein vertraglicher Lizenznehmer gestellt werden (BGHZ 119, 20, 27 [juris Rn. 32] – Tchibo/Rolex II). Es würde der Funktion des Schadensersatzrechts, den durch eine Rechtsverletzung erlittenen Vermögensnachteil auszugleichen, und dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot (vgl. dazu BGH, Urteil vom 4. April 2014 – V ZR 275/12, NJW 2015, 468 Rn. 20 [insoweit nicht in BGHZ 200, 350 abgedruckt]) zuwiderlaufen, wenn dem Rechtsinhaber im Wege des Schadensersatzes eine Lizenzgebühr zugebilligt würde, die er bei einer erlaubten Nutzung seines Ausschließlichkeitsrechts niemals erzielt hätte (vgl. OLG Köln, WRP 2018, 873 Rn. 25 f. [juris Rn. 40 f.]; vgl. auch BGH, GRUR 1995, 349, 352 [juris Rn. 35] – Objektive Schadensberechnung). Ansonsten würde der Ersatzanspruch in die Nähe eines dem deutschen Recht fremden Strafschadensersatzes gerückt (vgl. dazu BT-Drucks. 16/5048, S. 37 und 62; BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 62 – ORWI; BGHZ 225, 316 Rn. 67; BGH, GRUR 2020, 990 Rn. 26 – Nachlizenzierung).

Der Umstand, dass die Klägerin die Nutzung des „ÖKO-TEST“-Zeichens zur Bewerbung der getesteten Produkte nur unter bestimmten – im Streitfall von der Beklagten nicht eingehaltenen – Nutzungsbedingungen unentgeltlich gestattet, gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass (vgl. OLG Köln, WRP 2018, 873 Rn. 19 [juris Rn. 33]; aA OLG Frankfurt, ZUM-RD 2020, 443, 445 [juris Rn. 41]; LG München I, ZUM 2015, 827, 831 [juris Rn. 79]; Schaefer, MMR 2015, 470; Koreng, K&R 2015, 99, 102; BeckOK.Markenrecht/Goldmann, 27. Edition [Stand 1. Oktober 2021], § 14 MarkenG Rn. 725.1a). Die fehlende Beachtung von lizenzvertraglichen Vorgaben zur Nutzung eines Ausschließlichkeitsrechts kann bei der Bemessung einer zu zahlenden fiktiven Lizenzgebühr – etwa mit Blick auf einen dadurch eintretenden Marktverwirrungsschaden – Berücksichtigung finden (vgl. BGHZ 119, 20, 27 [juris Rn. 31] – Tchibo/Rolex II; BGH, GRUR 2010, 239 Rn. 29 – BTK; BGH, Urteil vom 22. September 2021 – I ZR 20/21, juris Rn. 30 – Layher) oder dazu führen, dass der Verletzer einen daraus resultierenden konkreten Schaden des Rechtsinhabers auszugleichen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1966 – Ib ZR 5/64, BGHZ 44, 372, 382 [juris Rn. 26] – Meßmer-Tee; BGH, GRUR 1973, 375, 378 – Miss Petite [insoweit nicht in BGHZ 60, 206 abgedruckt]; GRUR 2010, 239 Rn. 29 – BTK). Sie rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass ein Rechtsinhaber, der sein Ausschließlichkeitsrecht – wie die Klägerin das „ÖKO-TEST“-Zeichen – stets unentgeltlich lizenziert, für die betreffende Benutzungshandlung abweichend von seiner Lizenzierungspraxis eine Vergütung verlangt hätte.“

In einer zustimmenden Urteilsbesprechung weist Prof. Raue außerdem darauf hin, dass nach dem EuGH eine abstrakte Schadensberechnung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus Art. 3 II RL 2004/48/EG verstößt, wenn ein pauschalierter Schadensersatz „den tatsächlich erlittenen Schaden in Ausnahmefällen (…) eindeutig und beträchtlich überschreitet“ (EuGH GRUR 2017, 264 Rn. 31 – OTK/SFP; Raue ZUM 2017, 353 (354)).

Obwohl die Herren Thomas Wolf, Dirk Vorderstraße, Wladislaw Sojka, Christoph Scholz, Ralf Roltschek und Marco Verch ständig vor Gerichten scheitern, habe ich nach wie vor Lizenzforderungen für kostenlose Creative Commons-Fotos auf dem Tisch.

OLG Köln, Urteil vom 23.03.2018 – 6 U 131/17 – Speicherstadt

BGH, Urteil vom 16.12.2021 – I ZR 201/20 – ÖKO TEST III

1. August 2019

Millionenspiel

Eine Million Euro Schadensersatz wollte der US-Hersteller eines sehr populären Computerspiels von einem jungen Mann. Der 19-jährige hatte den Konzern geärgert, weil er eine unerwünschte Cheatsoftware anbot, die in einem Multi-Player-Online-Game dem Spieler gewisse Vorteile einbrachte. Die Forderung der forschen Klägerin hätte für den Mandanten mindestens die Insolvenz bedeutet.

Die wirtschaftlichen Interessen von Computerspiele-Herstellern sind nicht zu unterschätzen: Heute gibt es in Deutschland doppelt so viele Computerspieler wie Autofahrer; allein beim Spiel unseres Gegners werden jährlich Preisgelder iHv 100 Millionen Dollar verteilt. Die Größenordnung des konventionellen Sports haben die Gamer also längst hinter sich gelassen. Entsprechend wenig Spaß verstehen die Anwälte dieser Branche.

Wenn man als Anwalt solche Gegenstandswerte auf den Tisch bekommt, interessiert man sich auf einmal ganz intensiv für Themen wie „wirksamer Haftungsausschluss“ und „ausreichende Deckung des Berufshaftpflichtversicherers“. Die gesetzlich für Anwälte vorgschriebene Mindestdeckung beträgt nämlich „nur“ 250.000,- €.

Die urheberrechtliche Rechtsprechung bei Computerspielen geht absurd weit. In der BGH-Entscheidung World of Warcraft I hatte es der BGH sogar ausreichen lassen, dass für die Entwicklung einer Cheatsoftware irgendwann einmal eine unzulässige (weil vertragswidrige) Vervielfältigung einer fremden Software erfolgt sein muss. Das hieraus resultierende Produkt soll urheberrechtswidrig sein, obwohl es selbst keine audiovisuellen Bestandteile aufweist und fremde Software nicht verändert.

Ersichtlich ist Urheberrecht nicht dazu gemacht, dass ein Computerspiele-Konzern den Leuten verbieten darf, ergänzende Software zu bauen. Solange keine geschützten Inhalte kopiert oder das Originalwerk nicht verändert wird, hat der Fall herzlich wenig mit Urheberrecht zu tun. Wenn die Annahme ausreicht, dass ein Entwickler das fremde Programm irgendwann einmal habe testen müssen, erinnert das stark an das Konzept der Homöopathie, dem zufolge die Schwingungen eines Stoffes noch in subatomarer Größenordnung erhalten bleiben sollen.

Überzeugender als Urheberrecht wäre daher der Ansatz gewesen, Ansprüche aus dem Gesetz gegen unlauteren Wetbewerb heranzuziehen, wie man es bei World of Warcraft II tat. Das wäre in unserem Fall spannend geworden, weil in unserer Variante unlauterer Wettbewerb nämlich im Ergebnis wohl nicht einschlägig war.

Es hätte mich schon gereizt, diese Sache insgesamt noch einmal beim BGH durchzufechten. Der Mandant konnte solch akademischen Interessen natürlich wenig abgewinnen.

Ein halbes Jahr Nervenstärke zahlte sich nun vor Gericht aus. Mit dem nunmehr zustande gekommenen Vergleich, über dessen Details naturgemäß Stillschweigen vereinbart wurde, können beide Seiten gut leben. :)

23. April 2019

Ende einer Trolljagd – Compact-Magazin scheitert am BGH mit Nichtzulassungsbeschwerde

2017 musste ich mich nahezu full time mit Reichsbürgern, rechtspopulistischen Verlagen und deren Influencern herumschlagen. Diese Leute verbreiteten in den (a)sozialen Medien über meinen Mandanten eine hirnverbrannte Schnapsidee, die bei schlichten Gemütern erstaunlich große Resonanz fand.

Ein vergleichbarer Fall, in dem eine verblendete Meute ein schamloses und offensichtlich substanzloses Gerücht derart massiv und aufdringlich wiederkäute, ist mir zumindest in Deutschland nicht bekannt. Ich bin ja eher zurückhaltend mit dem politischen Kampfbegriff Verschwörungstheoretiker, aber für diese wirren Eiferer, die meinen Mandanten mit einem buchstäblichen Shit-Tsunami überzogen, trifft er die Sachlage brauchbar.

Zu den Internet-Trollen gesellte sich auch der Verlag des Compact-Magazins, den wir in zwei Instanzen erfolgreich verklagt hatten. Weil das OLG Köln hiergegen keine Revision zuließ, erhob der Verlag Beschwerde beim Bundesgerichtshof. Letzte Woche nun wies der 6. Zivilsenat des BGH die Beschwerde als unbegründet ab. Dieser Rechtsstreit kostet die Gegenseite damit rund 25.000,- €.

Mit dieser BGH-Entscheidung sind nunmehr alle von uns erstrittenen Unterlassungsurteile rechtskräftig. Lediglich ein seltsamer Autor des Kopp-Verlags, der offenbar als erster das Gerücht ausgebrütet hatte, war mit einer Berufung überraschend erfolgreich, weil das Oberlandesgericht Köln dessen spökenkieckerisches Raunen als gerade noch zulässig ansah.

Da der in diesem Prozess mitverklagte Verlag die Berufung im Gegensatz zum Autor aber zuvor zurückgenommen hatte, ist das Urteil gegen den Verlag trotzdem rechtskräftig. Der Kopp-Verlag muss daher ohne meinen Mandanten auskommen und wieder über Reichsflugscheiben, Echsenmenschen und Mondlandungslüge drucken.

Im Mai letzten Jahres hatte der Mandant bei einer Konferenz in Berlin einen Vortrag über seinen Kampf gegen die Hetzer gehalten und mich kurzfristig um fachliche Mitwirkung gebeten. Dafür, dass wir den vor 2.000 Anwesenden gehaltenen Vortrag nicht geprobt, sondern erst am Vorabend beim Griechen abgesprochen hatten, ist das Ergebnis eigentlich ganz brauchbar geworden.

Die letzten Jahre waren insbesondere für meinen Mandanten eine extrem harte Zeit, allerdings gab es trotz des bitteren Themas sogar auch lustige Momente, etwa die hysterischen Reaktionen auf die Pfändung der Rechte an der Domain des Compact-Magazins. Das Blatt bekam dann in einem Kölner Gerichtssaal auch noch einen Cameo-Auftritt in einem launigen Musikvideo


11. März 2019

Das Köln-Foto des Thomas Wolf – reloaded

Wer dieses Bild im Internet kostenlos nutzen will, soll in zuordbarer Weise die in der Wikimedia-Meta-Datei gewünschte Urheberbenennung

Thomas Wolf, www.foto-tw.de

leisten, sowie die Lizenzangabe CC BY-SA 3.0. Die wenigsten Leute verstehen, was von Ihnen überhaupt verlangt wird.

2015 hatte Herr Wolf einer Kölnerin gegenüber eine Forderung iHv ursprünglich 5.310,38 € behauptet, weil die Kölnerin das in der Wikipedia (die „freie Enzyklopädie“) gefundene Foto für gemeinfrei hielt. Vor drei Jahren hatte ich über die negative Feststellungsklage der Kölnerin berichtet: Das Köln-Foto des Thomas Wolf – negative Feststellungsklage gegen Abkassieren mit Creative Commons

Aus Gründen anwaltlicher Vorsicht hatten wir den Klageantrag so formuliert, dass festgestellt werden sollte, dass Wolf jedenfalls nicht mehr 100,- € verlangen darf. Das erwies sich dann auch als der Betrag, den das Amtsgericht Köln als angemessen erachtete. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Als Herr Wolf dann aber nach dem Prozess „seine 100,- €“ zzgl. Umsatzsteuer (!) einforderte, machte die Kölnerin Nägel mit Köpfen und erhob auch bzgl. der restlichen 100,- € eine negative Feststellungsklage. Diese schaffte es schließlich in die 3. Instanz zum Bundesgerichtshof, wo normalerweise nur Revisionen mit Streitwert ab 20.000,- € zugelassen sind.

Inzwischen hatte das OLG Köln in einem ebenfalls von mir betreuten Verfahren wegen eines Wolf-Fotos (Speicherstadt) geurteilt, dass bei Verletzung gegen eine kostenlose Creative Commons-Lizenz ein Fotograf das Vorliegen von Schadensersatz zu beweisen habe, was ihm in dem Fall allerdings nicht gelang. -> 2 x 0 € = 0 € – OLG Köln: Kein Schadensersatz für Verstoß gegen kostenlose Creative Commons-Lizenz für Thomas Wolf – TW Photomedia

Gegen Wolf und seine Mitbewerber wie Dirk Vorderstraße, Marco Verch und Christoph Scholz habe ich knapp 50 negative Feststellungsklagen wegen solcher Forderungen betreut. Während eine Vielzahl an Gerichten dem OLG Köln folgt und den „Schaden“ bei 0,- € sieht, gestehen etliche Gerichte mit diffusen Begründungen eine Zahlung iHv 100,- € zu.

Diese Rechtsunsicherheit hätte nun der BGH beenden können, was das Geschäftsmodell der Creative Commons-Fallensteller beseitigt hätte. „Leider“ hat Herr Wolf nunmehr überraschend die Klage anerkannt. Allein der Rechtsstreit um die „100,- €“ hat Herrn Wolf über 2.000,- € gekostet. Bereits der ursprüngliche Prozess war ähnlich teuer, so dass der Rechtsstreit um das Köln-Foto mit ca. 4.000,- € zu Buche schlägt.

Die Kölnerin hingegen muss nur den Sekt bezahlen, den wir nach drei Jahren Prozessen trinken werden. Den Sekt illustriere ich standesgemäß mit einem Foto von Marco Verch:

Mehrere Flaschen Sekt auf Eis

Foto: Marco Verch, Mehrere Flaschen Sekt auf Eis, flickr Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)

23. April 2018

2 x 0 € = 0 € – OLG Köln: Kein Schadensersatz für Verstoß gegen kostenlose Creative Commons-Lizenz für Thomas Wolf – TW Photomedia

Speicherstadt abends von der Poggenmühlenbrücke von Thomas Wolf, www.foto-tw.de, CC BY-SA 3.0, gefunden bei Commons.wikimedia

Wohl noch nie hatte das Oberlandesgericht Köln über einen Fall mit einem Streitwert von sagenhaften 100,- € zu entscheiden. Doch das Landgericht Köln hatte unsere Berufung zugelassen, weil eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geklärt werden sollte. Hat der Fotograf dieses unter eine kostenlose Creative Commons-Lizenz gestellten Lichtbilds der Hamburger Speicherstadt Anspruch auf Schadensersatz, wenn es jemand nicht rechtskonform nutzt? Nunmehr sprach das OLG Köln das erste obergerichtliche Urteil zu dieser spannenden Rechtsfrage.

Update: Einem Lizenzgeber sind bei Rechtsverletzung die Ansprüche auf Unterlassung, Urheberbenennung oder Erstz für Abmahnkosten unbenommen. Hier geht es einzig um die Frage, ob man bei kostenlos nutzbaren Werken einen finanziellen Schadensersatz geltend macht kann und in welcher Höhe. Der Lizenzinhaber wollte einen solchen in einer Höhe, die sogar über den MFM-Sätzen lag.

0,- €?

Herr Wolf, der jedenfalls im Zeitpunkt der Lizenzierung und Nutzung kein profesioneller Fotograf war, hatte etliche Fotos von bekannten Gebäuden bei Wikimedia unter einer Lizenz Attribution-ShareAlike 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0) eingestellt, die selbst kommerzielle Nutzung kostenlos zulässt, solange Namen und Lizenz korrekt genannt und ggf. verlinkt werden. Wer einen Fehler machte, etwa den werten Namen des Fotografen nicht angab, wurde bisweilen von Wolf oft sogar vierstellig zur Kasse gebeten.

100,- €?

Die Richter an Amts- und Landgericht Köln wiesen diese astronomischen Forderungen ganz überwiegend zurück, billigten Herrn Wolf jedoch – dogmatisch fragwürdig – einen „geschätzten“ Schadensersatz iHv 100,- € zu.

Das Köln-Foto des Thomas Wolf – negative Feststellungsklage gegen Abkassieren mit Creative Commons (01.04.2016)

0,- €!

Kurz nach diesem Urteil hatte ich für einen anderen Mandanten am OLG Köln einen inzwischen „berühmten“ Prozesskostenhilfebeschluss vom 29.06.2916 (6 W 72/18) erwirkt, demzufolge der Schadensersatzanspruch für das oben abgebildete Lichtbild nicht höher als 0,- € beträgt:

OLG Köln: Lizenzschaden bei Creative Commons-Lizenzverstoß bleibt bei 0,- € (01.07.2016)

Auch an den Gerichten in Düsseldorf, Hannover, München, Würzburg, Koblenz, Kempten, Nürnberg-Fürth, teilweise Berlin, teilweise Frankfurt am Main und anderen folgte man in den letzten beiden Jahren meiner Rechtsauffassung, dass ein Kostenlos-Bildverteiler denknotwendig keinen wirtschaftlichen und damit ersatzfähigen Schaden erleidet, wenn sein werter Name nicht genannt wird. So hatte Herr Wolf keinen Beweis erbringen können, dass er seine Bilder auf konventionelle Weise veräußert hatte.

100,- €!

Trotz des Kölner OLG-Beschlusses blieben Amts- und Landgericht Köln jedoch bei ihrer Rechtsauffassung und billigten Herrn Wolf weiterhin 100,- € zu. (Ein von Herrn Wolf ausgiebig kommunizierter Ausreißer des Amtsgerichts Köln nach oben beruhte auf einem Versehen des Richters, der in späteren Urteilen wieder auf 100,- € zurückschwenkte.) Andere Gerichte wie Landgericht München folgten dieser Schätzung, in Mannheim gab es sogar das doppelte.

In Rechtsprechung und Fachliteratur ist diese Rechtsfrage bislang ungeklärt, obwohl es seit Jahren etwa in München häufig Klagen gibt, die aber immer mit irgendwelchen Vergleichen endeten. Das Berliner Kammergericht hatte schon 2015 Zweifel angemeldet, ob eine solche Petitesse überhaupt Schadensersatzansprüche auslösen kan erlaubte es jedenfals, solche Anbieter „Abzocker“ zu nennen.

Kammergericht Berlin: Dirk Vorderstraße hat schon wieder verloren! (15.03.2015)

Allerdings hatte das Kammergericht in einem Hinweisbeschluss erkennen lassen, dass es ebenfalls einen Hunni als Lizenzschaden für angemessen hält, Kammergericht Berlin, Hinweisbeschluss v. 26.10.2015 – Az.: 24 U 111/15.

20,- €!

Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hingegen gab neulich zwar einen Anspruch, taxierte den Schaden aber auf gerade einmal 10,- € + Verletzerzuschlag von weiteren 10,- € – statt den üppigen 2.200,- €, die Herr Wolf gerne gehabt hatte.

Schaden ja, aber …

Die Frage, dass auch bei kostenlosen Lizenzen grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch denkbar ist, hatte auch der Bundesgerichtshof schon einmal behandelt, nämlich in den Entscheidungen „Motorradteile“ und „CT Paradis“. Ich halte das für falsch, weil man nicht mit der einen Hand geben und das dann mit der anderen Hand gleich wieder nehmen kann. Es ist nicht Sinn einer kostenlosen Lizenz, als Munition für „Tretminen“ herzuhalten. Aber gut, den BGH wird man erst einmal beachten müssen.

… nicht höher als 0,- €!

Eine andere Frage aber ist, in welcher Höhe ein solcher Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden kann. Das OLG Hamm, das ich in einem anderen Fall

Der lange Weg des Dirk Vorderstraße (15.01.2018)

ausgiebig über von mir erstrittene Urteile informiert hatte, sah letztes Jahr im Fall einer unter einer GNU General Public License, version 2 or any later version lizensierten Software, die für jegliche Nutzung kostenlos freigegeben war, den Schadensersatz bei 0,- €. (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 30.06.2017 – 4 U 72/16 , nicht rechtskräftig).

Endspiel am OLG Köln

Nach nunmehr ca. 30 negativen Feststellungsklagen trafen sich nun die Parteien vor dem OLG Köln zum Endspiel. (Ich hatte immer bedauert, dass Herr Wolf seine Kamera nie dabei hatte, denn er hätte die Wikipedia mit einer Menge Fotos von Gerichtsgebäuden bereichern können … ;) )

Das OLG bewertete die Lizenz als „allgemeine Geschäftsbedingung“, wollte aber nicht entscheiden, ob die sog. „Heimfallklausel“ nach § 7a möglicherweise wegen Unklarheit unwirksam oder möglicherweise auch keine auflösende Bedingung ist. Eine Entscheidung insoweit war in unserem Fall nicht erforderlich, weil der vermeintliche Anspruch bereits an der Tatsachenfrage scheiterte, ob dieser höher als 0,- € sei.

Denn insoweit trägt der Rechteinhaber nämlich die Darlegungs- und Beweislast. Herr Wolf allerdings konnte keinen wirtschaftlichen Wert der Null-Euro-Lizenz darstellen. Zwar kann eine solche Benennung und Verlinkung durchaus Werbung für einen professionellen Fotografen sein. Allerdings vermochte Herr Wolf jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum keine tatsächliche Lizenzierungspraxis nachweisen.

Damit bleibt es dabei, dass Geschäftsleute für eine Lizenz, die sie kostenlos nutzen dürfen, keinen anderen Marktpreis als 0,- € vereinbart hätten. Dem Verwender ist dementsprechend auch kein unmittelbarer Vermögensvorteil zugeflossen.

Allerdings schloss das Gericht nicht aus, dass Herr Wolf inzwischen professioneller Fotograf ist oder es einmal wird.

2 x 0 € = 0 €

Außerdem hat ein verletzter Lichtbild-Urheber, dessen Namen entgegen seinem Urheberpersönlichkeitsrecht aus § 13 UrhG nicht genannt wurde, nach (umstrittener) Meinung des BGH Anspruch auf Verdoppelung des Lizenzschadens. Aber wenn der halt bei „Null“ liegt, dann weiß man in Köln:

OLG Köln, Urteil vom 23.03.2018 – 6 U 131/17

5. April 2017

Die Abmahnungen und Lizenzforderungen von Thomas Wolf tw-photomedia wegen Creative Commons-Lizenzverstößen hören einfach nicht auf

Dieses Foto wurde von Thomas Wolf angefertigt und hier unter der Creative Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported“ (CC BY-SA 3.0) bereitgestellt. Das Bild kann weiterverwendet werden, solange der Urheber beim Bild in folgender Form genannt wird: Thomas Wolf, www.foto-tw.de

Obwohl die Gerichte dem geschäftstüchtigen Foto-Lizenzgeldeintreiber Thomas Wolf seit Jahren die Grenzen aufzeigen und einige inzwischen gar keine finanziellen Ansprüche für unter kostenfreien Creative-Commons lizenzierte Lichtbilder zubilligen, will Thomas Wolf einfach nicht von seinen Lizenzforderungen wegen unterlassener Namens- und Lizenznennung lassen.

Für das oben abgebildete Lichtbild berühmte sich Wolf mal eben eines Anspruchs über 2.250,- € (netto). Ein ausländischer Mitarbeiter meines Mandanten, der auf Wikipedia die oben genannte Lizenzbedingung missverstand, hatte dieses Bild im Online-Auftritt des Unternehmens verwendet und dabei nicht das kryptische Kürzel sowie den Namen des Lichtbildners (der sich für einen Urheber hält) genannt.

Bekanntlich fotografiert der ungelernte Hobbyfotograf Thomas Wolf berühmte Bauwerke, die aufgrund ihrer prominenten Bezeichnung und Platzierung etwa in der Wikipedia ein traumhaftes Google-Ranking erfahren. Die Motive sind also alles andere als originell und die Ausführung genügt auch in den seltensten Fällen professionellen Ansprüchen an Architekturfotografie, wie es vorletzte Woche das Landgericht München ausführte. Schon deshalb sind die astronomischen Honorarvorstellungen, die Wolf auf seiner Homepage präsentiert, unglaubhaft.

Der Mandant, ein mittelständische Verleger, war allerdings mit realistischen Marktpreisen vertraut. Er sah sich das von Wolf aufgetischte Lizenzmodell mal genauer an und verglich einzelne Motive mit professionellen Angeboten. So will Wolf dort für ein Lichtbild der Engelsburg 1.425,- € haben – im Monat … Ein vergleichbares Foto kann man bei dpa für 20,- € beziehen, und dieses dann zeitlich unbegrenzt nutzen. Der Mandant fand das Motiv auch bei einem Fotostockanbieter, dem er eine Jahrespauschale für ein Volumen von 350 Bildlizenzen bezahlt, die unter dem Wolfschen „Monatspreis“ einer einzigen Monatslizenz liegt. Die Bereicherung läge im Monat bei deutlich unter 50 Cent.

Wie etliche andere Mandanten auch lehnte er Wolfs Angebot dankend ab und beauftragte eine negative Feststellungsklage. Im Laufe der kommenden Monate stehen Urteile an, in denen die Gerichte Wolf Forderungen zwischen 0,- € und maximal 100,- € zubilligen werden. Gleiches gilt für das Inkasso-Unternehmen Inkasso Becker Wuppertal GmbH & Co. KG, an das Wolf einen Teil seiner vermeintlich werthaltigen „Forderungen“ abgetreten hat.

Seit Januar suggeriert Wolf in seinen Forderungsschreiben, das Amtsgericht Köln wäre seinen unverschämten Honorarvorstellungen in einem Urteil gefolgt. Richtig ist, dass ein Richter in Köln (anders als sein Kollege) in einem Urteil vom Januar 2017 Wolf 357,- € „zubilligte“ – gerade einmal die Hälfte seines „Anspruchs“. Die Umstände des nicht berufungsfähigen Fehlurteils sind allerdings alles andere als ruhmreich:

In der mündlichen Verhandlung vom Mai 2016 hatte der Richter erklärt, dem OLG Köln folgen zu wollen und einen Lizenzschaden von 0,- € anzuerkennen, einer Honorarforderung für eine anwaltliche Abmahnung jedoch statt zu geben. Der Richter erkrankte jedoch für ein halbes Jahr und entschied dann im Januar überraschend genau umgekehrt. Die Urteilsbegründung setzt sich weder mit der Creative Commons-Problematik noch mit dem Hinweisbeschluss des OLG Köln sowie der Rechtsprechung von Amts- und Landgericht Köln auseinander, die jeweils nur 100,- € zubilligen.

Der Richter hatte also aufgrund seiner Krankheit und des Arbeitsrückstaus schlicht und ergreifend den Überblick verloren. Ärgerlich, aber menschlich. Zum Mitschreiben: Bundesweit hat Wolf keine realistischen Chancen mehr, vor Gericht für einen Lizenzverstoß bzgl. seiner Creative Commons-Lichtbilder mehr als 100,- € zu erwirtschaften. Tendenz 0,- €.

Wolfs Forderungs-E-Mails sind allerdings nicht nur lästig, sondern insoweit ernst zu nehmen, als dass er seinen Unterlassungsanspruch anwaltlich abmahnen und entsprechende Forderungen einklagen lässt. Die Gerichte gehen bislang auch bei Creative Commons-Abmahnungen davon aus, dass für ein Knipsbild ein stolzer Gegenstandswert von 6.000,- € anzusetzen ist. Für eine Abmahnung kann daher ein Anwalt 480,20 € netto verlangen. Der „professionelle“ Fotograf Thomas Wolf bestreitet zudem, zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, sodass die Abmahnungen mit 571,44 € plus Zinsen zu Buche schlagen würden. Außerdem schlägt der Anwalt auf den Gegenstandswert noch die Lizenzforderung drauf.

Die Erfahrung zeigt, dass Wolf trotz anwatlicher Zurückweisung von Forderungen weiterhin seine „Mahnungen“ verschickt. Wer also nicht mehr von Wolf belästigt werden möchte, muss daher eine negative Feststellungsklage einreichen. Im realistischen Idealfall muss Wolf sämtliche Prozesskosten tragen. Die zahlt er allerdings lässig aus der Portokasse, denn der junge Mann hat mit seinem Geschäftsmodell beeindruckende Umsätze generiert.

22. März 2017

FischerIn im Unrecht

Eine feministische taz-Journalistin wollte über das Frauenbild des mächtigen Richters Thomas Fischer schreiben, der sich ihrer Wahrnehmung nach über Frauen despektierlicher äußere als über Männer. (Unstreitig schreibt er nicht durchgehend galant.) Sie nahm Fischers Gastfreundschaft in dessen Privathaus in Anspruch, änderte allerdings nachträglich das Format von Recherche zu O-Ton-Interview, das sie verschriftlichte und nach eigenen Vorstellungen kürzen wollte.

Da man das eigene Wort gegen sich gelten lassen muss, hat man jedoch Anspruch darauf, authentisch zitiert zu werden. Die Kürzungswünsche und neuen Textangebote Fischers harmonierten jedoch offenbar nicht mit der scripted reality der feministischen Enthüllungsjournalistin. Die wurde dann patzig und versuchte, ausgerechnet Fischer juristisch zu drohen. Als die naive Journalistin abgewiesen wurde, haute sie ihn mit einem schülerzeitungsmäßig geschriebenen offenen Brief endlich in die Pfanne, inklusive einer presserechtlich fragwürdigen Verdachtsberichterstattung.

Auch Richter Fischer griff zur Selbstjustiz und veröffentlichte nicht nur seine Wahrnehmung der Ereignisse, sondern eigenmächtig auch eine Entwurfsfassung für das Interview. Dies ist medienrechtlich auch nicht unspannend. So hatten Fischers Kollegen vom Landgericht Hamburg mal entschieden, dass Interviewfragen als Sprachwerk urheberrechtlich geschützt sein können und die ungenehmigte Veröffentlichung im Internet zu einem Unterlassungsanspruch des Urhebers führt (Landgericht Hamburg, Beschluss vom 08.11.2012, Az. 308 O 388/12).

Mal sehen, wie das weiter geht. Sicherheitshalber habe ich den lesenswerten wie amüsanten Text mal abgespeichert …

Fischers Erfahrung mit der feministischen Journalistin erinnert mich an einen Shitstorm, den ich mir 2013 mit einer Kritik an der Arbeitsweise einer ähnlich begabten Journalistin einhandelte. Meine ursprüngliche Sympathie für Feministinnen ist seit diesem Shitstorm nicht mehr zurückgekehrt. Allerdings habe ich damals beobachtet, dass der im öffentlichen und digitalen Leben sehr präsente Feminismus im Alltag genau keine Bedeutung hat. Niemand benutzt Binnen-I, und insbesondere Frauen wollen sich nicht vor einen ideologischen Karren spannen lassen.

Mir ist jeder sympathisch, der sich für Benachteiligte einsetzt, aber gewisse Themen überlasse ich gerne anderen. Während etwa die Emma dem Missy-Magazin den wahren Feminismus erklärte und umgekehrt, habe ich meine Freizeit lieber für Salsa-Tanzen genutzt.

10. Januar 2017

BGH zu Joffe und Bittner ./. ZDF („Die Anstalt“)

Der Bundesgerichtshof hat die Urteile des OLG Hamburg aufgehoben, mit denen die oberpeinlichen ZEIT-Journalisten Josef Joffe und Jochen Bittner dem ZDF angeblich getätigte Äußerungen in der Satire-Sendung „Die Anstalt“ verbieten ließen. Hier die Pressemitteilung des BGH:

Bundesgerichtshof zur Ermittlung des Aussagegehalts von Äußerungen in einer Satiresendung

Urteile vom 10. Januar 2017- VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15

Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 561/15 ist Mitherausgeber, der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist einer der Redakteure der Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Die Kläger machen gegen die Beklagte, das ZDF, Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend. Die Beklagte strahlte am 29. April 2014 das Satireformat „Die Anstalt“ aus. Gegenstand der Sendung war ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Die Kläger sind der Auffassung, im Rahmen dieses Dialogs sei die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, sie seien Mitglieder, Vorstände oder Beiräte in acht bzw. drei Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist darüber hinaus der Auffassung, es sei der Wahrheit zuwider behauptet worden, er habe an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten vor der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014, über die er später als Journalist wohlwollend berichtet hat, mitgewirkt.

Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der angegriffenen Äußerungen verurteilt. Die vom Senat zugelassenen Revisionen haben zur Aufhebung der Berufungsurteile und zur Abweisung der Klagen geführt, weil das Berufungsgericht den angegriffenen Äußerungen einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen hat. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Kabarettisten die oben genannten Aussagen nicht getätigt, so dass sie nicht verboten werden können. Zur Erfassung des Aussagegehalts muss eine Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags sind zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag ist in den Blick zu nehmen, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt. Dies zugrunde gelegt lässt sich dem Sendebeitrag im Wesentlichen nur die Aussage entnehmen, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage ist zutreffend.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – Entscheidungen vom 21. November 2014 – 324 O 443/14 und 324 O 448/14

Hanseatisches OLG – Entscheidungen vom 8. September 2015 – 7 U 121/14 und 7 U 120/14

Karlsruhe, den 10. Januar 2017

Mit dem Einzug in die Hall of Shame des BGH schließen Joffe und Bittner zu Prozesshansel Melmut Markwort auf. Dieser galt bislang als einziger prominenter Journalist, der sich nicht dafür zu schade war, Kollegen oder Kabarettisten zu verklagen. Zwischen den Zeilen hat der BGH übrigens auch signalisiert, wie er in Sachen Böhmermann entscheiden wird.

31. Mai 2016

Metall auf Metall – verfassungskonformes Urheberrecht

 

1977 klapperte das Düsseldorfer Musikgenie Ralf Hütter sämtliche Schrottplätze Düsseldorfs ab, um auf das richtige Blech zu hauen. Dann nahm der „Roboter“ im Tonstudio alle Kraft zusammen, um ein neues Kraftwerk zu intonieren: Metall auf Metall. Die puristischen Tonkünstler vom Rhein waren mit diesem Meilenstein elektronischer Musik ihrer Zeit um über ein Jahrzehnt voraus.

Zwei Jahrzehnte später wurde der Magier der Avantgardemusik ausgerechnet von einem Crétin der Tonkunst geschändet. Der gewalttätige Musikproduzent Moses Pelham, der als Rapper der niedersten Form der Musik frönt, benutzte 1997 den kraftwerkschen Metallsound und setzte ihn in Dauerschleife, um das fehlende Können der peinlichen Sängerin Sabrina „Schwester S“ Setlur zu kaschieren. Deren Titel nur mir ist einfach nur erbärmlich.

Diese Anmaßung erboste den prozessfreudigen Herrn Hütter, der zweimal vor den Bundesgerichtshof zog und Pelham/Setlur diesen Frevel verbieten ließ. So etwa machen Profis natürlich am Landgericht Hamburg. Der BGH tat sich mit dem Anliegen durchaus schwer. Für einen Urheberrechtsschutz war das kurze Gekloppe nämlich nicht schöpferisch genug, in Betracht kam nur Leistungsschutz nach § 85 UrhG. Andererseits wollte der BGH auch nicht den Fortschritt der Kunst, etwa des Samplings behindern. Und so sinnierte man über eine erlaubte freie Benutzung nach § 24 UrhG. Doch das zog nicht, denn der Originalsound schien durch.

Daher entschied der BGH salomonisch, dass grundsätzlich auch kurze Tonfetzen übernommen werden dürfen, wenn diese so einzigartig seien, dass ein Sampler auf diese angewiesen sei. Vorliegend aber hätte Herr Pelham selber auf Metall rumkloppen und einen gleichwertigen Sound erzielen können, statt wie eine Elster zu stehlen. Also war er nicht auf das Raubmordkopieren angewiesen und damit gut.

Herr Pelham nun erhob Verfassungsbeschwerde, da er sich in seiner künstlerischen Freiheit beinträchtigt sieht. Und so kam es, dass das ehrwürdige Bundesverfassungsgericht in seiner 65-jährigen Geschichte erstmals mit Urheberrecht befasste. Geistiges „Eigentum“ vs. „Kunst“.

Es tut einigermaßen weh, den Scheiß von Pelham unter Kunst zu subsumieren. Dennoch sprechen die besseren Argumente dafür, der Kunstfreiheit Vorrang vor den Eitelkeiten missgünstiger Avantgardisten einzuräumen. Heute wird das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung bekannt geben.

Anyhow: Kraftwerk gibt noch immer ausverkaufte Konzerte. Nach Pelham und Setlur kräht heute kein Hahn mehr.

5. März 2016

Eigenmächtige Werbung mit Prominenten – Sixt mal wieder …

Der Auotvermieter Sixt bleibt sich treu und nutzt mal wieder (vermutlich eigenmächtig) ein Politiker-Portrait, um Aufmerksamkeit für seine Werbung zur erheischen. Oskar Lafontaine hatte einst Unterlassungs- und Schadensersatzklage eingereicht und zunächst am Landgericht Hamburg 100.000,- € erwirtschaftet. Der BGH jedoch meinte, dass sich ein prominenter Politiker jedenfalls dann eine Nutzung gefallen lassen muss, wenn sich diese satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt. Denn das fällt unter Meinung- und Pressefreiheit, und die darf auch ein Unternehmen für sich in Anspruch nehmen.

Dieses Urteil sowie der schließlich am EGMR in Straßbourg verhandelte Fall Prinz Ernst August ./. Lucky Strike waren richtungsweisend, weil bis dahin im Werberecht ein sehr scharfer Wind wehte. In diesem Bereich gibt es kaum Rechtsprechung, so dass bei Unternehmen bis dahin große Unsicherheit herrschte, ob etwa in Unternehmenszeitungen Prominente honorarfrei abgebildet werden dürfen. Eine Grenze dürfte erreicht sein, wenn ein Promi so abgebildet wird, dass der Eindruck entsteht, er würde hierfür Geld bekommen oder sich aus anderen Gründen bewusst für das Unternehmen verwenden.

Sixt fühlte sich durch die Entscheidung bestätigt und machte heiter weiter. Inzwischen gehört es für Spitzenpolitiker beinahe schon zum guten Ton, von Sixt verspottet zu werden … ;)

(Bilder: Bilder: e-Sixt GmbH & Co. KG)