Im Dezember 2016 war für den „stern“ die Welt noch in Ordnung: Die Auflage betrug knapp 700.000 Exemplare und man hatte keine größeren Sorgen, als einen kritischen Blogger mit einer absurden Abmahnung mit sechsstelligem Gegenstandswert zu überziehen. Der Blogger hatte dem stern eine „offenkundige Lügengeschichte“ attestiert – weil es sich um eine solche handelte.
Der stern – das Magazin mit den Hitler-Tagebüchern – fürchtete um seine Autorität und beantragte am Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nach damaliger – inzwischen vom Bundesverfassungsgericht abgestellter – Unsitte konnte man gegen einen Antragsgegner einseitig im Geheimen verhandeln und einen Unterlassungstitel erwirken.
Die damalige Kammervorsitzende Frau Dr. Käfer hatte die Unterlassungen abgelehnt, weil sie die Äußerung vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sah. Doch der Senatsvorsitzende Richter Andreas Buske im OLG Hamburg bewertete den Großteil der Kritik als Tatsachenbehauptung. Dem Blogger, dem in Abwesenheit der Prozess gemacht worden war, präsentierte man die Rechnung von zwei Instanzen.
Dem Blogger wurde verboten,
a. den Antragsteller zu 1) als „Nachrichtenfälscher“ zu bezeichnen; und/oder b. der Antragsteller zu 1) produziere „Falschmeldungen zu Propagandazwecken“ und/oder c. den Antragsteller zu 1) als „Fake-News-Produzent“ zu bezeichnen und/oder d. der Antragsteller zu 1) verbreite eine „offenkundige Lügengeschichte“: und/oder
im Verhältnis zu beiden Antragstellern, die Äußerung, die Antragsteller verbreiteten ,,Lügen“, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen;
Dabei blieb man im Widerspruchsverfahren sowie dann in der Hauptsacheklage, der sich der Blogger in zwei Instanzen stellte.
Auch der vom Blogger angerufene Presserat – das überflüssigste Gremium, das man sich denken kann – war keine Hilfe.
Acht Jahre nach Beginn dieses absurden Medienprozesses nun hob der Bundesgerichtshof diese Posse auf ganzer Linie auf und erkannte auf Meinungsfreiheit.
Damit wurde vermutlich das letzte Fehlurteil von Andreas Buske neutralisiert. Hierzu beizutragen war mir Freude und Ehre zugleich.
Wer sich in den auf allen Ebenen absurden und politisch spannenden Fall einlesen möchte:
Acht Jahre später nun war für den stern der gesamte Prozessmarathon für die Katz. Wenn die Urteilsbegründung vorliegt, werde ich diese hier besprechen.
Die Auflage hat sich inzwischen mehr als halbiert und gehört inzwischen RTL. Richter Buske ist im Ruhestand. Diese Woche hatte des sterns einstiger Starreporter Gerd Heidemann das Zeitliche gesegnet. Ob Heidemann wirklich der allein Schuldige war, oder ob er nur das Bauernopfer gegeben hat, wird man wohl nie erfahren.
Journalist Herr Marc Drewello, der seine Leser zu verklagen pflegt, schreibt noch immer beim stern. Ein Scoop scheint ihm bislang nicht gelungen zu sein. Von Twitter/X, über das er einst sein Gebet für Bana verbreitete, hat er sich im November verabschiedet. Jetzt muss er sich seine Geschichten wohl selbst ausdenken.
Am Landgericht Hamburg arbeitet inzwischen eine neue Generation an Richtern, die durchweg zu sehr vernünftigen Urteilen finden. Diese Woche etwa war ich sehr zufrieden … ;-)
Eine weltbekannte Turnierreiterin ließ reihum Publikationen wegen böser Zungen abmahnen. So gelangten Lichtbilder von Pferden mit blauer Zunge in Umlauf, aus denen Fachleute schließen, die Tiere seien so hart an die Kandarre genommen worden, dass Blut abgedrückt worden sei. Der Berliner Anwalt der entrechteten Stars und Sternchen bestritt vehement die Echtheit der in renommierten Zeitungen von etablierten Fotografen geschossenen Lichtbilder, dozierte von Beweislast und warnte vor hohen Schadensersatzforderungen usw.
Nicht alle ließen sich einschüchtern. Die Abmahnung war wohl doch nicht so werth-haltig, denn hier hat bislang nichts gewiehert …
Ich selbst kannte blaue Zungen im Sport nur bei Asterix.
»Die zehn Grundsätze der Kriegspropaganda« von Lord Arthur Ponsonby, verfasst nach dem ersten Weltkrieg; »Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit«.
Wir wollen den Krieg nicht
Das gegenerische Lager trägt die Verantwortung
Der Führer des Gegners ist ein Teufel
Wir kämpfen für eine gute Sache
Der Gegener kämpft mit unerlaubten Waffen
Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich
Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm
Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache
Unsere Mission ist »heilig«
Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter
Als mein Mandant im Kriegsgebiet unter medialen Beschuss an der Heimatfront geriegt, sah er sich gezwungen, mit seinem Medienanwalt zu telefonieren – und damit den Nachrichtendiensten seine Position zu verraten. Ob die GPS-gesteuerte Granate, die kurz darauf in sein Hotel einschlug,
In den letzten Jahren fällt der Kollege Robert Fechner durch fragwürdige Abmahnungen auf, bei denen er nahezu nichts auslässt.
Der Kollege vertritt etliche Fotografen, die ihre Werke häufig unter kostenfreie Lizenzen gestellt haben, und dann plötzlich abkassieren wollen, wenn jemand den Namen des Urhebers nicht nennt.
Zunächst soll darauf hingeweisen werden, dass Herr Robert Fechner nicht mit einem Berliner Urheberrechtsanwalt mit gleichem Nachnamen verwechselt werden sollte. Das ist doppelt ärgerlich, denn der Kollege Robert Fechner praktiziert offenbar gar nicht wirklich in Berlin. An der repräsentativen Kanzleiadresse „Friedrichstraße 95, 10117 Berlin“ findet man vielmehr eine Firma, die auf das Simulieren renommierter Geschäftsadressen spezialisiert ist. Seine tatsächliche Anschrift will der Kollege auch vor Gericht nicht offenbaren. Ausweislich seiner Bankverbindung und einer seiner Anwaltskammern ist er wohl in Frankfurt/Oder ansässig.
Bemerkenswert an den Abmahnungen des Kollegen ist, dass er die Grenzen des Zulässigen strapaziert, obwohl ich ihm diese wiederholt vor Gericht aufgezeigt habe. Für seine Abmahnkünste beansprucht der Kollege stets eine stolze 1,5-Gebühr, verlangt üppigen „Lizenzschaden“ für die kostenfrei lizenzierten Werke und ruft hohe Streitwerte für die eigentlich kostenlos nutzbaren Bilder auf. In den vorgeschlagenen Unterlassungsverpflichtungserklärungen verlangt er hohe Mindestvertragsstrafen und beansprucht eine Gerichtsstandsvereinbarung für Deutschland, obwohl seine Mandanten häufig im Ausland sitzen.
Der Kollege lässt nichts aus. So berechnet er für den angeblich von seinen ausländischen Mandanten verlangten Aufwendungsersatz Umsatzsteuer, obwohl solche ja gar nicht angefallen sein kann. Er schlägt zudem jedes Mal angebliche „Dokumentationskosten“ drauf, für die er allenfalls fadenscheinige Nachweise aufbietet. Im Laufe eines Rechtsstreits präsentierte er nach eher dürftigen Beweisangeboten nun die Firma RightsPilot UG, die mit reichlich Verspätung Rechnungen dafür ausstellt, dass sie die Abrufbarkeit eines Lichtbilds dokumentiert habe. Ob die Beauftragung und Dokumentation vor Klageerhebung geschah, ist unklar …
Die von Herrn Fechner vorgeschlagenen Unterlassungsverpflichtungserklärungen sollte man so besser nicht unterschreiben, denn diese sehen eine hohe Mindestvertragsstrafe vor. Und wenn man typische Fehler macht, etwa das Löschen der Bilddatei auf dem Server vergisst, dann bittet der Kollege Fechner üppig zur Kasse.
Herr Alexander Pamen fällt seit Jahren mit fragwürdigen Abmahnungen wegen Verstößen auf, die oft Datenschutz betreffen. Meistens handelt es sich um Lappalien, in allen hier bekannten Fällen war er auch stets sein eigener Mandant. So bestellte er etwa Dinge im Internet, wenn die vorgeschriebene Bestätigungsmail aber etwas enthielt, was man als Werbung qualifizieren konnte, mahnte Pamen im eigenen Auftrag ab.
Pamen gab sich als Rechtsanwalt zu erkennen, dessen Kanzleisitz in Frankfurt sei, obwohl er eine Privatadresse in Berlin hatte. Später verlegte er den Kanzleisitz nach Berlin, dann aber sah er sich in der Schweiz um, verlegte seinen Kanzleisitz nach Zug und behauptet eine „Zweigstelle“ in Konstanz.
Bei sämtlichen vier mir bekannten Kanzleiadressen handelt es sich um Dienstleister, die Post entgegen nehmen usw. An Pamens Kanzleiadressen kann man daher nicht einmal den Briefkasten pfänden.
Auch seine wechselnden Bankverbindungen, soweit sie mir bekannt sind, waren mal in Finnland, mal in Litauen, was die Zwangsvollstreckung erschwert.
Wann er seinen privaten Wohnsitz in Berlin aufgab, ist unklar, seinen Social-Media-Aktivitäten zufolge war er schon etwas länger in der Schweiz, wo er inzwischen offiziell gemeldet ist.
Der datenschutzbewusste Herr Pamen wehrte sich meist gegen unverlangte E-Mails, sandte mir jedoch trotz digitalem Hausverbot über 250 E-Mails, in denen er mir drohte, im CC meist große Redaktionen, Staatsanwaltschaften usw. Er tauchte hier im Sommer auch eines Tages in Köln unangemeldet auf, um mich zu belästigen. Verhandlungen in Berlin fanden unter Polizeischutz statt (es waren jeweils zwei gut eingepackte Wachtmeister anwesend). Außerdem schickte mir Pamen ein Foto seiner Badehose.
Inzwischen hat Herr Pamen aus mir unbekannten Gründen seine deutsche Zulassung als Rechtsanwalt endgültig verloren.
Die von Pamen verursachten Prozesskosten können vermutlich kaum mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand vollstreckt werden, weil Pamen in die Schweiz ausgewandert ist und zudem einen konspirativen Lebensstil pflegt.
Falls Sie bei Herrn Pamen Schulden irgendwelcher Art haben sollten, etwa weil er gerichtliche Titel erstritten hat, bitte ich um Nachricht. In dem Fall können Sie ggf. schuldbefreiend an meine Mandanten leisten. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie denen Ihr Geld lieber geben werden als Herrn Pamen.
Herr Pamen hat mich neulich übrigens abgemahnt, weil ich ihn als Abmahnanwalt bezeichnet habe und preist die Schweizer Gerichte.
Offenbar ist deutschen Journalisten unbekannt, dass ein solches Gesetz hier seit dem 8. November 2020 geltendes Recht ist. Nach §§ 109, 19 Medienstaatsvertrag können die – faktisch staatsnah und politisch besetzten – Landesmedienanstalten im Internet „journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote“ (gemeint sind damit Blogger), denen sie „journalistische Sorgfalt“ absprechen, untersagen oder sperren.
Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings zugunsten konventioneller Medien oder solchen, die sich dem privaten Presserat e.V. angeschlossen haben. Die sind offenbar bereits ausreichend staatstragend …
Über das deutsche Gesetz hat meiner Wahrnemung nach nicht ein einziges journalistisches Medium berichtet. Zwar haben die Landesmedienanstalten von ihrer Macht bislang nahezu keinen Gebrauch gemacht, in Zeiten von Seuchen und Kriegen kann sich das aber schneller ändern, als Toni Hofreiter Militärexperte wurde.
Im April habe ich in der Zeitschrift für Mulitmediarecht einen Fachaufsatz zur bislang bekannten Behördenpraxis veröffentlicht. Mein Befund, dass es sich um ein verfassungswidriges Gesetzeswerk handelt, hat bislang keinerlei Widerspruch erfahren.
Radio Bremen hatte eine hochnotpeinliche „Dokumentation“ ausgestrahlt, deren Steilvorlagen ein bekannter Medienkritiker schwerlich übersehen konnte. Bei seiner Doku über die Pseudodoku machte der Kritiker ausgiebig von Videozitaten gebrauch und stellte seine Kritik auch auf YouTube.
Während Radio Bremen es hinnahm, dass andere YouTuber die gesamte Sendung (!) auf YouTube hochluden, hatte Radio Bremen nichts Besseres zu tun, als den Kritiker wegen Urheberrechtsverletzung zu attackieren. Die selektive Auswahl nur dieses Kritikers verrät, dass es Radio Bremen gar nicht um Urheberrecht, sondern einzig um gezielte Gängelung und Unterdrückung von Kritik geht.
Die Tatsache, dass hier Urheberrecht nur vorgeschoben wurde, wird auch deshalb augenscheinlich, weil für Abmahnung und Prozess kein wirtschaftliches Interesse erkennbar ist, das geschützt werden müsste. Denn für das zitierte Material aus der Radio Bremen-Sendung (das die Gebührenzahler bezahlt haben) gibt es keinerlei Zweitmarkt, es eignet sich einzig für die Ausstrahlung in einem öffentlich-rechtlichen Sender und war inzwischen nicht mehr aktuell, da eine darin thematisierte Landtagswahl inzwischen Jahre zurückliegt. In einem ähnlichen Fall, den Afghanistan Papers, hatten daher Gerichte entschieden, dass mangels Verwertbarkeit Urheberrecht gar nicht anwendbar sei.
Die Abmahnung selbst war formwidrig, so dass Radio Bremen auf den Abmahnkosten sitzen blieb, die Abmahnabwehr sowie entsprechende Kosten am Amtsgericht Bremen zahlen musste. Dass es dem Sender um Schikane des Kritikers ging, folgt auch aus der Tatsache, dass mit der Abmahnung überhaupt eine externe Kanzlei beauftragt wurde, also völlig überflüssig Kosten produziert werden sollten. Denn ein Sender mit eigener Rechtsabteilung, der mit der Abfassung einer lizenzrechtlichen Abmahnung überfordert ist und dazu externen Sachverstand benötigt, sollte sein Personal austauschen.
Bzgl. der Unterlassung tendierte das Landgericht Berlin zeitweise zu unserer Rechtsauffassung, nach Änderung der personellen Besetzung der Kammer sah man aber keinen Rechtsmissbrauch mehr. Die Parteien stritten bei einzelnen Szenen noch um die Frage, ob der Umfang der Zitate vom Zitatzweck gedeckt sei. Hierzu gibt es bislang nur sehr wenig Rechtsprechung, die Gerichte urteilen sehr unterschiedlich. Landgericht und dann Kammergericht billigten dem Kritiker einige Szene zu, bei den meisten vermissten sie einen tragfähigen Grund.
Andere Gerichte hätten es vermutlich anders gesehen. Denn im Zeitalter und Medium der YouTuber und Reaction-Videos dürften andere Maßstäbe anzulegen sein als zu den Zeiten des linearen Fernsehens. Zudem müsste auch Radio Bremen eigentlich ein Interesse daran haben, dass das Material möglichst authentisch und damit im zutreffenden Zusammenhang gezeigt und zitiert wird.
Ein schaler Beigeschmack verbleibt schon deshalb, weil sich Radio Bremen überflüssige Prozesse dieser Art eigentlich gar nicht leisten können sollte, denn nahezu alles an Radio Bremen ist unterfinanziert bzw. Gebührenverschwendung. Bremen liegt im Sendegebiet des NDR, der Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bespielt, so dass für Bremen ein Landesfunkhaus vollkommen ausreichend wäre. Stattdessen leistet man sich einen eigenen Sender, der ca. 300 hauseigene Mäuler plus das einer eigenen Intendantin stopft, sowie ca. 300 weitere der Tochtergesellschaft Bremedia. Bei ca. 680.000 Einwohnern lebt also knapp 0,1 % der Bevölkerung von Radio Bremen … Weil sich diese Gebührenverschwendung die Bremer nicht leisten könnten, wird die Sause von den anderen ARD-Anstalten quersubventioniert – obwohl gegenwärtig der Beitrag von Radio Bremen im ARD-Verbund nahezu unbedeutend ist.
Ein dünnhäutiger Sender, der nicht einmal derartige Kritik aushält, kann eigentlich weg.
Das Sommerloch-Thema 2022, an dem sich die Gemüter derzeit erregen, ist offenbar ein Song über eine gewissen Layla, die gar keine ist.
Eigentlich kann man es politisch kaum korrekter machen: Da wird ein (fiktiv so angelegter) cross-dressender Mensch mit dem Geltungsanspruch bzw. Fetisch einer Sexarbeiterin besungen. Diese Pointe, dass es sich um eine in einem männlichen Körper geborene Person handelt, wird im Video aber erst am Schluss kommuniziert. Das Werk erinnert ein wenig an die besungenen „Damen“ „Lola“ und „Leyla“:
Da also in dem Video praktisch nur Herren zu sehen sind, wird da zweifellos keine Frau herabgewürdigt. Ob die Darbietung Ansprüche an Musik und Esprit befriedigt, darf jeder selber entscheiden – so etwa die Konsumenten, die den Song derzeit an die Spitze der deutschen Single Charts platzierten.
Löst man den Song aus dem Kontext des Videos, wird jedoch für unbefangene Rezipienten die Ironie nicht mehr erkennbar. Diese müssen vielmehr annehmen, dass da mit »Ich hab ’nen Puff und meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler« tatsächlich eine Prostituierte Leyla distanzlos in primitiver Weise ohne Gesellschaftskritik und korrektes Gendern besungen wird. Dies rief natürlich die Tugendwächter und – innen auf den Plan.
Aktuell hatte die Stadt Würzburg bei einem von ihr veranstalteten Volksfest die Beschicker auf einen Verzicht des Titels gedrängt. Anders, als man es in einigen Medien erscheinen lässt, hatte sie das nicht hoheitlich als Sittenpolizei getan, sondern als Veranstalterin, die vertragliche Regelungen mit ihren Marktbeschickern hat, die üblicherweise den Verzicht auf nicht jugendfreie Werke und andere Anstößigkeiten vorsehen. Ein gewisser aktueller Tit(t)el von Ramstein etwa wäre klar deplatziert.
Im Versuch einer journalistischen Einordnung bemüht der SPIEGEL als Sachverständigen einen Akademiker (Promotionen in Kirchengeschichte und Literaturwissenschaft):
»Natürlich ist das Lied sexistisch«, sagt hingegen Musikfachmann Michael Fischer von der Universität Freiburg. Dass die Protagonistin des Videoclips offensichtlich ein Mann in High Heels, schwarzem Minirock und mit blonder Perücke ist, ändere nichts am Charakter des Liedes. Dies sei jenseits von Ironie oder Transaspekten.
Doch. Ändert. Der Zielgruppe dürfte der ironische Charakter des Lieds nunmehr bekannt sein – und nunmehr auch dem Rest der Republik. Dank dir und deinen talibanen Freundinnen und Freunden, lieber Michael! Und ironisch meine ich daran nur „Freund“.
Wir haben in Deutschland mit staatlichen und religiösen Eingriffen und Bewertungen von Kunst und Kultur extrem schlechte Erfahrungen gemacht. Das letzte, was mich interessiert, ist die Meinung humorbefreiter, puritanischer Moralapostel und -innen.
Daher kann es zur Auffassung unseres in dieser Sache eigens bemühten Bundesjustizministers keine Alternative geben:
Man muss Schlagertexte nicht mögen. Man kann sie sogar doof oder geschmacklos finden. Sie aber behördlich zu verbieten, finde ich, ist eins zuviel. #layla
Die bei Einführung der DSGVO befürchtete Abmahnwelle blieb ein Mythos. Lediglich ein Kollege eifert dem seligen Abmahnanwalt Gravenreuth nach und verlangt seit Jahren in Selbstbeauftragung von etlichen Unternehmen wegen angeblicher DSGVO-Verstöße Unterlassungserklärungen, Abmahnhonorare und Vertragstrafen. Die Rechtsunsicherheit und die wirren Schriftsätze scheinen tatsächlich etliche Unternehmen zu Zahlungen zu bewegen.
Vor Gerichten kommt der abmahnfreudige Kollege damit offenbar aber nur selten durch, und auch in solchen Fällen werden die von ihm aufgerufenen Streitwerte auf einen Bruchteil eingedampft. Produktiv ist der Kollege jedoch insoweit, als dass seine Querulanz zur Klärung diverser Rechtsfragen führt.
Vor zwei Jahren fanden der Kollege und ich gemeinsam heraus, dass man ungehörige gegnerische Anwaltsschriftsätze trotz DSGVO bei der Anwaltskammer einreichen darf, OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 19.2.2020.
Neulich wandte sich der Kollege gegen die Mitteilung eines gegen ihn im Zwangsvollstreckungsverfahren erwirkten Haftbefehls in einem Schriftsatz an das Landgericht Berlin. Den Bericht wertete der Kollege als Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, die DSGVO und das allgemeine Persönlichkeitsrecht und beantragte daher einstweiligen Rechtsschutz gegen mich und meine Mandanten. Das Landgericht Berlin ließ nun wissen, dass Anwälte beim Vortrag in Schriftsätzen wedere geschäftlichen Handlungen iSd UWG ausüben noch bei Vertretung ihrer Parteien Äußerungen tätigen, die ihnen selbst zuzurechnen sind. Auch die vom Kollegen gewähnten Verstöße vermochte das Gericht schon nicht zu erkennen.
Landgericht Berlin, Beschluss vom 30.06.2021 – 52 O 251/22.
Der Kollege wird, wie stets, Beschwerde einreichen. Das will ich auch schwer hoffen, denn dann verdiene ich eine weitere 1,2-Gebühr …
Der meinungsfreudige Wikipedia-Autor mit dem Pseudonym „Feliks“ durfte deanonymisiert werden. Nach dreieineinhalb Jahren ging auch dieser Rechtsstreit (hoffentlich) nun zu Ende. Wie bereits die Hamburg Gerichte im Verfügungsverfahren und das Landgericht München im Hauptsacheverfahren, hat nun auch das OLG München ein hinreichendes Interesse der Öffentlichkeit an Identität und Person des Wikipedia-Autors bestätigt, und die Berufung von Feliks verworfen.
Im Beschluss findet der Senat für Feliks, vertreten von Herrn Rechtsanwalt Dr. Achim Dörfer, deutliche Worte:
„Die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 11.03.2022, die in weiten Teilen juristische Fachkenntnisse, insbesondere auf dem Gebiet des Äußerungsrechts, vermissen lassen, geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.“
„Inhaltlich falsch – und im Ton vollkommen unangemessen – ist der Vorwurf, die in vorliegender Sache tätigen Gerichte würden sich „als Experten zur Beurteilung der richtigen Berichterstattung über die Person von Prof. Dr. R. V. ‚aufspielen‘ . In der Sache bestätigt der Beklagte mit seinen Ausführungen, dass er sich bei der selektiven Wiedergabe des Lebenslaufs von Prof. Dr. V. nicht um Objektivität bemüht hat, sondern dass es ihm vor allem darauf ankam, dessen „Außenseiterposition“ herauszustellen.“
„Der Beklagte erhebt den Anspruch, es sei Sache des einzelnen Wikipedia-Autors, zu entscheiden, in welchem Umfang er frühere Aktivitäten der beschriebenen Person darstelle. In diesem Zusammenhang verkennt er grundlegend, dass der Leser von einem biographischen Beitrag erwartet, über den Werdegang der beschriebenen Person im Wesentlichen vollständig und objektiv informiert zu werden, um sich ein eigenes Urteil bilden zu können. Gerade Brüche im Lebenslauf oder die Abwendung von früher vertretenen Ansichten sind für den kritischen Leser dabei von besonderem Interesse. Die einseitige Auswahl der über Prof. Dr. V. berichteten Tatsachen lässt dagegen das Bestreben des Beklagten erkennen, alles zu verschweigen, was zu dem von ihm gezeichneten Bild eines „Außenseiters“ nicht passt. Anstatt sich mit den von ihm kritisierten Positionen inhaltlich auseinanderzusetzen, was auch im Rahmen einer Kurzbiographie zulässig ist und dem Leser wertvolle Orientierungshilfen geben kann, verschweigt der Beklagte wesentliche Aspekte des Lebenslaufs von Prof. Dr. V., um dem Leser die gewünschte negative Beurteilung von dessen Person aufzudrängen.“
„Wie das Oberlandesgericht Hamburg in seinem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ergangenen Urteil vom 03.03.2020 (Az: 7 U 63/19, AfP 2020, 229) – in anderem Zusammenhang – zutreffend ausgeführt hat, kommt dem Medium „Wikipedia“ sowohl eine erhebliche Breitenwirkung als auch – aufgrund der ständigen Bearbeitung der Beiträge durch die Nutzer selbst – der „Nimbus besonderer Objektivität“ zu. Die Frage, wer die Einträge erstellt und bearbeitet, kann daher insbesondere dann von öffentlichem Interesse sein, wenn es um Beiträge zu zeitgeschichtlichen oder politischen Themen geht und der konkrete Bearbeiter einer bestimmten politischen oder religiösen Richtung zuzuordnen ist (OLG Hamburg a.a.O., Rn. 40). Entgegen der Ansicht des Beklagten erschöpft sich das Interesse der Öffentlichkeit an der Identität des Wikipedia-Autors „Feliks“ nicht darin, den Beklagten verklagen, über ihn weiteres Material herausfinden oder mit ihm in Kontakt treten zu können. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat der Beklagte jedenfalls bei der Bearbeitung der Einträge über Prof. Dr. V, N. S., K. M. und E.D. diejenige Objektivität der Darstellung vermissen lassen, welche der verständige und unvoreingenommene Leser von einer Kurzbiographie auf „Wikipedia“ erwarten darf. In den vorgenannten Fällen hat der Beklagte sich ersichtlich davon leiten lassen, dass er die von den Betroffenen vertretenen Personen zum Nahostkonflikt ablehnt. Eine Unterrichtung darüber, welcher politischen und religiösen Richtung der Beklagte zuzuordnen ist, liefert dem Leser deshalb wesentliche Hintergrundinformationen, die ihm das Verständnis der vom Beklagten verfassten oder bearbeiteten Wikipedia-Einträge erleichtern.“
OLG München, Beschluss vom 12.04.2022 – 18 U 2509/21 Pre. Nichtzulassungsbeschwerde möglich.
(Hinweis zum Video: Die darin enthaltene Rechtsmeinung, Wikimedia könne man nur in den USA mit einem US-Anwalt verklagen, ist unzutreffend. Man kann die in den USA ansässige Wikimedia-Foundation problemlos in Deutschland verklagen.)