2009 hatte ich meinen Artikel Hamburg hört in Karlsruhe auf über die damals fragwürdige Rechtsprechung der Hamburger Pressekammer geschrieben. So war Karlsruhe denn auch der geeignete Ort, einmal die Entwicklung der Pressefreiheit nachzuzeichnen. Das habe ich im Rahmen der Gulaschprogrammiernacht in den Räumen der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe gemacht.
Anlass war die Änderung des Medienrechts, demzufolge Blogpostings seit November 2020 nicht mehr polizeifest sind.
Seit November 2020 sind Online-Medien nicht mehr polizeifest. Die seit 1949 verfassungsrechtlich garantierten Medienfreiheiten können nunmehr von Landesmedienanstalten durch Untersagungsverfügungen und Ordnungsgelder nach §§ 109, 19 MStV beschnitten werden. Diese faktisch staatlichen Behörden dürfen sogar selbst darüber befinden, was „Wahrheit“ ist, ein spezifisches Verfahrensrecht oder einen Richtervorbehalt gibt es nicht.
Wer sich Meinungsfreiheit nicht von einer Meinungspolizei definieren lassen möchte, dem bietet § 19 Abs. 3 MStV den Ausweg, sich gegenüber dem Trägerverein des Deutschen Presserats auf dessen Pressekodex zu verpflichten. Anders als die Behörden kann der Presserat nichts verbieten, sondern nur psychologische „Sanktionen“ wie Rügen usw. aussprechen (was er seltenst macht). Durch eine mehr oder weniger freiwillige Selbstverpflichtung endet nicht nur automatisch die Zuständigkeit vom Eumann & Co., sondern die Anbieter werden auch datenschutzrechtlich als Journalisten anerkannt und entsprechend privilegiert.
2021 verweigerte der Presserat allerdings einigen Interessenten mit unterschiedlichen Begründungen den Zutritt. Dies ist misslich, weil es absehbar keine Alternativen zum Presserat gibt. Eine Mandantin wollte sich weder staatliche Zensur noch Ungleichbehandlung bieten lassen und verklagte den Presserat auf Annahme ihrer Selbstverpflichtung.
Die Grundrechte wie Pressefreiheit usw. gelten zwar in erster Linie gegen den Staat, sie haben aber auch Ausstrahlungswirkung ins Privatrecht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine private Organisation ein Monopol hat, auf das alle angewiesen sind, etwa das einzige Fußballstadion am Ort oder eine marktbeherrschende Kommunikationsplattform betreibt.
Nach ca. einem halben Jahr kam der Presserat dann doch noch zur Vernunft und akzeptierte die Mandantin.
Wer noch Lesefutter für den Lockdown oder ein Weihnachtsgeschenk sucht, dem möchte ich meinen im Sommer erschienenen Thriller Innere Unsicherheit empfehlen, der in den Chefetagen der deutschen Geheimdienste spielt und aktuelle Themen aufgreift. In der Geschichte habe ich etliche Easter-Eggs versteckt. So schmiedet etwa die Security-Community Pläne, wie man die Verschärfung von sogenannten „Sicherheitsgesetzen“ politisch und populistisch durchsetzen könnte. In Wirklichkeit allerdings sind diese Sicherheitsgesetze, die einem unbedarften Leser gruselig erscheinen mögen, längst beschlossen und umgesetzt. Und gerade gestern hat man dem BND Überwachungsbefugnisse legalisiert, über die man geteilter Meinung sein kann.
Beim Bundeswehrgeheimdienst „Militärischer Abschirmdienst“ scheint man inzwischen meinen Roman nachzuspielen. So wurde dem scheidenden MAD-Präsident der Vorwurf zum Verhängnis, rechte Terrornetzwerke nicht erkannt zu haben. Seine Nachfolgerin Martina Rosenberg gleicht optisch und von Profession meiner Hauptfigur, der Karrierejuristin Dr. Ellen Strachwitz, die von der Spitze des Verfassungsschutzes zu der des BND wechseln will. Die neue (echte) MAD-Präsidentin ist bereits mit dem ersten hausgemachten Skandal konfrontiert. So wurde ein vormaliger BND- und nun MAD-Mitarbeiter (wie in meinem Roman …) dabei erwischt, wie er Soldaten vor einer Razzia warnte. Der Mann war in einer fragwürdigen Pressemitteilung leicht erkennbar und erschoss sich kurz darauf. Auch dazu gibt es in meinem Buch Parallelen.
Inzwischen habe ich auch spannende Rückmeldungen aus der Insiderszene erhalten, wo der Stoff auf positive Resonanz stieß. Der Verlag hat bereits die Fortsetzung beauftragt, und ich habe eine originelle wie spannende Idee. Allerdings war bereits das aktuelle Buch nur schwer mit meiner Belastung im Hauptberuf zu vereinbaren und benötigte alles in allem vier Jahre. Mal sehen, …
Vor drei Jahren hatte ich im Auftrag von Digitalcourage die REAL-Supermarkt-Kette sowie die Post AG auf Unterlassung abgemahnt, die Kunden heimlich mit versteckter intelligenter Kamera auszuspähen, um ihnen auf Werbemonitoren spezifische Reklame auszuspielen. Wir sind der Meinung, dass diese verdeckte Nutzung nicht von dem allgemeinen Hinweis auf Kameraüberwachung gedeckt ist.
Nunmehr hat das Verwaltungsgericht Mainz einen ähnlichen Fall entschieden. Dort ging es um zwei Sicherheitskameras, die einen ca. 200.000,- € teuren Monitor schützen sollte. Das Gericht urteilte zur Reichweite des Hinweises:
„Die von der Videoüberwachung betroffenen Personen haben weder schriftlich noch mündlich in die Datenverarbeitung eingewilligt, wenn sie überhaupt zur Kenntnis genommen haben, dass eine Kameraüberwachung stattfindet. Eine (konkludente) Willenserklärung ist auch nicht in dem Lesen des Hinweisschildes (Piktogramm) an der Werbetafel zu erkennen. Auch bei deutlich sichtbar angebrachten Hinweisen ist nicht von einem Einverständnis mit der Überwachung auszugehen, wenn die betroffenen Personen den überwachten Bereich betreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2019 a.a.O., juris, Rn. 23; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 – 1 BvR 2368/06 –, juris, Rn. 40). Darüber hinaus kann es bei Betroffenen an der erforderlichen Einwilligungsfähigkeit fehlen, etwa bei Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (vgl. OVG Nds, Urteil vom 29. September 2014 a.a.O., juris, Rn. 33).“
Im konkreten Fall am Verwaltungsgericht Mainz allerdings war eine der Kameras zulässig, weil das Überwachungsinteresse überwog.
Letzte Woche fand in den Berliner Räumen der Mozilla-Foundation ein zweitäiges Treffen von internationalen Anwälten, Aktivisten und Forschern statt, die den Einfluss von Algorythmen auf die Gesellschaft kritisch beobachten.
Der Digital Freedom Fund hatte mich eingeladen, um über das von mir für einen Mandanten gegen den Google-Konzern erstrittene Urteil Oberlandesgericht Köln, 15 U 56/17 zu referrieren. Damals war durch ein irreführendes Suchergebnis ein Mensch sozial und geschäftlich erledigt worden. Mir war nicht bewusst gewesen, dass dieser Fall sogar im Ausland registriert wurde.
Die Geschichten der anderen Vortragenden waren ähnlich krass. So kürzte ein Programm mit mäßigem Sachverstand mal eben die Zuteilung von Pflegekräften für extrem hilfsbedürftige Menschen. In einem anderen Fall gerieten Hunderte von Menschen durch einen EDV-Fehler in Misskredit, was eine Kaskade an weiteren Problemen auslöste. Wir leben in spannenden Zeiten.
Die Lektüre von Rezensionen über juristische Fachliteratur kann man sich im Regelfall sparen, da diese „Kritik“ wegen Interessenkonflikten praktisch immer positiv ausfällt.
Denn die Rezensenten sind meist selbst Buchautoren, die keinen Liebesentzug der Branche riskieren und außerdem weiterhin kostenfreie Rezensionsexemplare beziehen möchten. Zudem erscheinen die meisten Rezensionen in Fachzeitschriften der wenigen Verlage, welche die besprochenen Bücher anbieten. Alles muss man also selber machen …!
Presse- und Medienrecht
Soehring/Hoene, neben dem Wenzel DER Klassiker im Presse- und Medienrecht, hat nach nunmehr sechs Jahren eine überfällige Neuauflage erfahren. Die Überarbeitung war schon wegen etlichen neuen Gesetzen überfällig. Jan Böhmermann hat es sogar ins Vorwort geschafft! Zweifellos sind die 119,- € gut angelegt, aber es bestehen Zweifel, ob den Verfassern bei Redaktionsschluss April alle bis dahin wichtigen Urteile bekannt waren. Irritiert hat mich das Versprechen auf dem Cover, das Werk behandele auch das Recht der sogenannten Neuen Medien, denn die werden allenfalls gestreift.
Korte, der einst in der berüchtigten Hamburger Pressekammer wirkte, hat eine zweite Auflage seines Skripts „Praxis des Presserechts“ (2014) vorgelegt. Dessen praktischen Wert schmälert Kortes Perspektive als Richter, denn einen praktizierenden Rechtsanwalt werden vor allem spezifisch-prozessrechtliche Fragen interessieren, bei denen das Werk Lücken lässt. Für 59,- € OK, aber dafür, dass das Buch aus Kortes Fachanwaltskurs hervorgegangen ist und „Praxis“ im Titel trägt, wäre da noch Luft nach oben.
Urheberrecht
Im Urheberrecht im engen Sinn erscheinen in dieser Saison keine Titel. Zum einen waren die ganzen UrhG-Kommentare letztes Jahr aktualisiert worden, zum andern weiß nach der seltsamen Europäischen Urheberrechtsrichtlinie („Artikel 13“) niemand so genau, wo insoweit die Reise denn jetzt hingehen soll. Die Umsetzung der Richtlinie ins deutsche Recht steht ja bekanntlich noch aus, und da hat der Gesetzgeber noch ausgiebig Gelegenheit zum weiteren Dilletieren.
Um genau zu sein, müsste man noch den Anfang des Jahres aktualisierten Wandtke/Bullinger erwähnen, der als „Praxiskommentar“ vermarktet wird. Meine Stichproben im Bereich Abmahnunrecht ergaben allerdings den Eindruck, dass die Bearbeitung oberflächlicher als anderswo ausfällt. Für 249,- € wird man bei Schricker, Dreier und Möhring besser bedient.
IT- und UWG
Im IT- und UWG-Recht sind gerade zwei Wälzer erschienen, die natürlich wieder als „unverzichtbar“ angepriesen werden. Beide Bücher haben mir im Prinzip gut gefallen, hielten aber meinen (subjektiven) Stichproben nicht stand.
Die soeben erschienene Neuauflage von Auer-Reinsdorff / Conrad: „Handbuch IT- und Datenschutzrecht“ erweckt den Eindruck einer eierlegenden Wollmilchsau. Laut Vorwort deckt das Werk alle Bereiche der Fachanwaltsordnung für IT-Recht ab. Die Autoren des Ende Oktober erschienenen Werks versprechen den redaktionellen Stand von Februar 2019, was mir im IT-Recht als ziemlich großzügig erscheint. Erstaunlicherweise fehlt allerdings manch höchst relevantes Urteil aus Mitte 2018, obwohl das Thema behandelt war. Bei einem Preis von 349,- € dürfte man eine sorgfältigere Endredaktion erwarten.
Nach einem Jahrzehnt Pause erfuhr das „Handbuch des Wettbewerbsrechts“ von Gloy/Loschelder/Danckwerts eine fünfte Auflage. Bei Werbung für ein Buch über unlautere Werbung darf man wohl die Werbung etwas genauer prüfen … Das Werk ist gut, aber der versprochene Praxisbezug bedeutet nicht, dass alle für Praktiker alltagsrelevanten Aspekte abgebildet werden, etwa bei der Abwehr von Abmahnungen. Insbesondere erspart der Kauf dieses 269,- € teuren Handbuchs nicht die jährliche Anschaffung einer Neuauflage des Köhler/Bornkamm/Federsen (185,- €), wo ich die vermissten praxisrelevanten Antworten fand.
Nachtrag: Die vierte Auflage des Spindler/Schuster „Recht der elektronischen Medien“ hatte ich zu erwähnen vergessen. Die 299,- € sind gut angelegt.
Hier in der Kanzlei nehmen noch Vorauflagen von Soehring/Hoene, Korte, Zöller und Fischer Platz weg, die ich gerne verschenke (Selbstabholer).
Zum Fall des Pegidioten von Dresden haben sich bereits die geschätzten Kollegen Herr Stadler, Herr Dr. Sajuntz und Frau Bölke (am Ende des obigen Videos) qualifiziert und der nicht geschätzte Kollege Herr Dr. Bittner unqualifiziert geäußert. Hier mal eine systematische Darstellung:
Grundsätzlich hat man einen Unterlassungsanspruch aus § 22 KunstUrhG gegen das Verbreiten oder öffentlich-zur-Schau-stellen identifizierender Abbildungen. Das Anfertigen und Speichern der Aufnahme selbst ist zwar eigentlich keine Tathandlung im Sinne des Gesetzes, allerdings wenden Gerichte ergänzend das allgemeine Persönlichkeitsrecht an, etwa dann, wenn man nicht mit Aufnahmen rechnen muss oder aufgrund Social Media zu erwarten ist, dass die Bilder sofort online gehen und dann irrevisible Fakten geschaffen werden. Gerichte haben auch Polizisten das Recht zugestanden, vor Ort Löschung zu verlangen.
Anders als die Kollegin Frau Bölke im obigen Video meint, hat der Hutbürger das Filmen allerdings gerade nicht „billigend“ inkauf genommen, sondern missbilligend. Damit fehlt es eindeutig an einer Einwilligung nach § 22 KunstUrhG. Der Mann handelt auch (insoweit) nicht widersprüchlich, denn er hat ein berechtigtes Interesse, seinen Widerspruch dokumentiert zu sehen.
Theoretisch wäre ein Verstoß gegen § 22 KunstUrhG tatsächlich eine „Strofdood“, denn § 33 KunstUrhG sieht eine Strafe von bis zu einem Jahr vor. Ein Anwendungsfall dieser historischen Vorschrift wäre mir allerdings nicht bekannt und würde auch das Filmen selbst gar nicht erfassen, sondern erst die Veröffentlichung (§ 22 KunstUrhG).
Vorliegend allerdings hatte das Kamerateam die Absicht, eine Demonstration und deren unmittelbares Umfeld zu filmen. Für Versammlungen, Aufzügen und ähnliche Vorgänge, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, sieht § 23 Abs. 1 KunstUrhG eine Ausnahme vor. Bei einer Demonstration dürfen Personenmehrheiten also auch dann gezeigt werden, wenn die einzelnen Teilnehmer dabei identifiziert werden können. Zu den Teilnehmern zählen die Gerichte übrigens auch Polizisten, welche dort beruflich wirken und zum Anliegen der Demonstranten keinen Bezug haben. Es ist auch nicht erforderlich, dass man die Versammlung vollständig zeigen muss, ein repräsentativer Ausschnitt reicht. Und genau das hatten die ZDF-Leute ursprünglich auch gemacht, bis der gute Mann plötzlich ausfallend wurde.
Von der Abbildung einer Personenmehrheit kann dann keine Rede mehr sein, wenn man aus einem Gruppenfoto gezielt jemanden ausschneidet oder an eine Person heranzoomed. Anders liegt der Fall aber, wenn jemand aus dieser Personenmehrheit zum Protagonist wird und besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht, etwa ein Steinewerfer, jubelnder Fan oder eine Busenherzeigerin. Es ist umstritten, ob Einzelaufnahmen dann zulässig sind, wenn sie für die Veranstaltung repräsentativ bzw. charakteristisch sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das beim Hutbürger für eine Pegida-Demo der Fall war …
Weitere Einschränkung ist nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG, dass kein berechtigtes Interesse des Abgebildten verletzt wird, etwa wenn in die Privatsphäre einegriffen oder der Mensch einer Gefährdung ausgesetzt würde. Tja, Freunde, also das muss man sich halt vorher überlegen, wenn man auf eine Demo geht, bei der Vermummungsverbot gilt. Denn da geht es halt darum, für eine Sache sein Gesicht zu zeigen, und da muss man halt damit rechnen, dass Medienvertreter filmen. (Ein berechtigtes Interesse wäre allerdings dann verletzt, wenn jemand die Abbildung kommerziell vermarktet, etwa auf T-Shirts aufbringt.)
Kommt man zum Ergebnis, dass die erste Einschränkung greift, wäre eine weitere Ausnahme zu prüfen: Eine Einwilligung ist auch dann entbehrlich, wenn Ereignis des Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG berichtet wird und hieran ein besonderes Berichtsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Das Anpöbeln des Kamerateams und die Polizeischikane, die zur Feststellung der Personalien eine Dreiviertelstunde gebraucht haben will, dürften ein solches Ereignis darstellen, denn die sächsischen Politiker meldeten sich zu Wort und immerhin die Bundeskanzlerin persönlich hat den Vorfall kommentiert (und sich dabei für Pressefreiheit ausgesprochen). Inzwischen hat es der Skandal bundesweit in die Medien geschafft, hier in NRW beginnt der WDR heute sogar die stündliche Nachrichtensendung mit dem Thema. Inzwischen wurde auch noch bekannt, dass der Hutbürger ein LKA-Mann ist und ausgerechnet Zugriff auf sensible Daten wie die Ausländerdatenbank hat – bei einem Pegida-Demonstrant drängt sich da der Verdacht eines Interessenkonflikts auf.
Das dürfte für ein Berichtsinteresse der Öffentlichkeit locker reichen.
Streng genommen müsste man an dieser Stelle nun die Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung auf die Meinungs- und Pressefreiheit diskutieren. Denn das Anfertigen und Speichern von Bildnissen ist ein personenbezogenes Datum und damit auch nach der DSGVO prinzipiell zustimmungsbedürftig. Der deutsche Gesetzgeber hat leider bislang verpasst, den Ausnahmenkatalog des § 23 KunstUrhG auf die Verbote der DSGVO gemäß der Öffnungsklausel Art. 85 DSGVO auszuweiten. Die Fachdiskussion ist in vollem Gange, allerdings hat kaum jemand Zweifel daran, dass Gerichte – mit welchem juristischen Kunstgriff auch immer – künftig zu gleichen Ergebnissen kommen werden wie schon zur bislang geltenden Rechtslage. Da es sich vorliegend um ein Kamerateam des ZDF handelt, greift in diesem Fall die Privilegierung aus § 9c des Rundfunkstaatsvertrags.
Ergebnis: Das Filmen des Hutbürgers ist weder eine Straftat noch wäre ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch sonderlich aussichtsreich.
Update: Zum gleichen Ergebnis gelangt der geschätzte Kollege Solmecke, der es bereits für ausreichend hält, dass der Mann auf die Kamera zugegangen ist und hierdurch Aufmerksamkeit provoziert hat. Ob das alleine ausreicht, habe ich so meine Zweifel. Vorliegend allerdings rechtfertigen die konkreten Umstände und die politischen Reaktionen jedenfalls vorliegend die Annahme eines Berichtsinteresses der Öffentlichkeit.
Das gegen den Google-Konzern erstrittene Urteil Oberlandesgericht Köln, 15 U 56/17 ist nunmehr rechtskräftig. Mein Mandant war durch ein zusammengepuzzletes Suchergebnis in den falschen Anschein geraten, ein nicht-therapiefähiger Sexualstraftäter zu sein, der sich an kleinen Mädchen vergehe. Diese an erster Stelle erscheinende Verleumdung hatte den Mann als Unternehmer und Privatmann praktisch erledigt.
Google hat nun entschieden, eine Revision doch nicht weiter zu verfolgen. Für den Mandanten endet nun eine schreckliche Zeit und ein ca. drei Jahre andauernder harter Prozess. Beharrlichkeit führt zum Ziel.
Das Urteil erschloss nicht nur eine bislang unbekannte Fallgruppe, sondern hat auch auf der Rechtsfolgenseite Neuland betreten. So muss Google auch Suchergebnisse unterlassen, wenn solche nicht über google.de sondern auch über google.com initiiert wurden.
Künftig setze ich zur Mandantenkommunikation primär die Online-Akte ein. Während manche vermutlich reflexartig „online“ mit „unsicher“ assoziieren, ist bei der Online-Akte tatsächlich das genaue Gegenteil der Fall:
Sicherheitsrisiko E-Mail
Bereits heute erfolgt nahezu 100% des Dokumentenaustauschs digital. Wie die Erfahrung jedoch zeigt, beherrschen nur wenige Mandanten die Kunst verschlüsselter E-Mails, sodass die meisten ein Mitlesen, Ausleiten und Speichern im Klartext riskieren. Mailboxen und ganze Provider können zudem gehackt werden, Notebooks und Smartphones geraten schon mal in falsche Hände, auch EFail wirkte nicht gerade vertrauensfördernd. Wie der Skandal um das besondere elektronische Anwaltspostfach beA gezeigt hat, ist auch vermeintlichen Experten noch immer nicht klar, was eine echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist.
E-Mails bergen auch andere Risiken wie etwa von Spamfiltern verschluckte E-Mails, Viren und diversen Schadcode. Ein weiterer Risikofaktor ist der Mensch: So ist es im hektischen Büroalltag nur eine Frage der Zeit, bis versehentlich ein falscher Anhang versandt wird. Auch Mandanten mit gleichen Nachnamen leben mit dem Risiko, dass ein E-Mail-Client dem Versender die falsche E-Mail-Adresse vorschlägt und dann der falsche Herr Müller das sensible Dokument in seinem Postfach findet.
Lösung: Verschlüsselte Online-Akte
Im Zeitalter der ab heute vollwirksam gewordenen DSGVO bleibt jedoch kein Raum für Kompromisse: Künftig werden hier per E-Mail an Mandanten gar keine Dokumente mehr verschickt. Stattdessen bekommt jeder Mandant einen stark verschlüsselten Online-Zugang zu seiner Akte. Der Server ist stark verschlüsselt, das Passwort ist zufällig und anspruchsvoll gebildet und damit vermutlich deutlich sicherer als das Ihres E-Mail-Postfachs, das sich wahrscheinlich auch noch problemlos aus Ihrem Browser und dem Ihres Handys auslesen lässt.
Künftig erhalten Mandanten bei jedem Dokument, das zur Online-Akte genommen wird, eine automatische Benachrichtigungsmail. Wegen des ständigen Online-Zugangs entfällt für die Mandanten eine Notwendigkeit, die Dokumente auf dem eigenen Rechner oder in der Mailbox zu speichern, was ohnehin unübersichlich wird. Außerdem gibt es die Möglichkeit, über die Online-Akte Nachrichten auszutauschen.
Selbstzerstörung
Auch das Prinzip der Risikominimierung und Datensparsamkeit wird beachtet: Die Passwortzugänge haben ein automatisches Verfallsdatum. Nach Beendigung des Mandats wird zudem der Fernzugriff auf die Akte gesperrt, diese wird dann nach Ablauf der für Anwälte vorgeschriebenen Aufbewahrungsfrist automatisch gelöscht. Auf meinem Notebook sind nicht etwa sämtliche Akten des letzten Jahrzehnts verewigt, vielmehr erfolgt der Zugriff auf nicht aktuelle Sachen über ein stark verschlüsseltes VPN auf dem Kanzleiserver.
Service
Auch das Zusammensuchen von nicht archivierten Dokumenten aus einer Vielzahl an E-Mails entfällt, da alles übersichtlich in der Akte liegt. Außerdem können Mandanten online auch Termine, Fristen, den Stand etwa einer Zwangsvollstreckung beim Gegner sowie das gegenseitige Forderungskonto einsehen.
Sichererer
Während in der IT vieles riskant ist, vor allem etwa Hardware, hat sich jedenfalls die Kryptographie im Großen und Ganzen bewährt: Anspruchsvoll verschlüsselte Dokumente sind nach wie vor selbst für Geheimdienste ein ernsthaftes Problem. Mandanten, die sich trotzdem mit einer Online-Akte unbehaglich fühlen, biete ich natürlich zusätzliche Verschlüsselungsverfahren, postalischen Versandt – und meinetwegen auch herkömmliche E-Mail an, wenn diese ernsthaft jemand für sicherer hält.
In besonders sensiblen Fällen – und das kommt hier durchaus vor – bespreche ich die Dinge auch rein mündlich beim Spaziergang im Park und notiere mit Bleistift auf Papier …
In nicht einmal mehr zwei Wochen tritt die Datenschutzgrundverordnung inkraft. Während insbesondere Fotografen wegen der noch ungelösten Rechtsfragen den Weltuntergang heraufbeschwören, lassen es andere vielleicht eine Spur zu ruhig angehen.
Das Bundesministerium des Inneren hat nun eine Informationsseite eingerichtet, welche der Bevölkerung Orientierung bieten soll. In einem Tweet kommentiert man dort zum Recht am eigenen Bild, das Kunsturhebergesetz werde durch die DSGVO nicht verdrängt! (Ausrufezeichen im Original.) Schon die erste Stichprobe stellt allerdings die Kompetenz der Autoren infrage. So steht da allen Ernstes:
Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine – wie bislang schon – jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) stützen können.
Offenbar glaubt man im Bundesinnenministerium, eine Einwilligung nach § 22 KunstUrhG in das Verbreiten oder Zur-Schau-Stellen von Aufnahmen, die ein Gesicht erkennen lassen, sei jederzeit widerrufbar.
Ähm … Nein. Wer seine Einwilligung für das Nutzen eines Fotos rechtswirksam erklärt hat, muss sich daran festhalten lassen. Sonst könnte man sich das nämlich gleich ganz sparen. Man nennt so etwas in Fachkreisen „Rechtssicherheit“. Nur in dramatischen Ausnahmen, wenn etwa ein Nacktmodel nach Jahren zur Tugend gefunden hat und eine Jugendsünde bereut, kann eine entsprechende Einwilligung nachträglich angegriffen werden, allerdings verbunden mit dem Risiko, dem Rechteinhaber den Vertrauensschaden ersetzen zu müssen.
So jedenfalls die bis zum 25.05.2018 geltende Rechtslage. Der Gesetzgeber hat es bislang leider verpasst, die im KunstUrhG verbliebenen Paragraphen gemäß Art. 85 DSGVO anzupassen. Das wäre aber eine ganz gute Idee gewesen, denn bereits das Anfertigen einer Fotografie ist eine Datenverarbeitung, für die dann eben die DSGVO gilt. Nach Meinung des Bundesinnenministeriums soll das Posieren dann also jederzeit wirderruflich sein.
Neulich frotzelte übrigens jemand in einer juristischen Zeitschrift über den Umstand, dass der neue Bundesinnenminister erstmals kein Jurist ist, sondern sich als „Erfahrungsjurist“ bezeichnet. Ich bin mal gespannt, welche Erfahrungen wir mit den Rechtstipps des BMI sammeln werden.
UPDATE: Der Kollege Härting hat gerade zum Thema gebloggt.