Neulich habe ich im Rahmen eines Fachkongresses in Lübeck in meiner Eigenschaft als Vereinsjustiziar erstmals eine Mitgliederversammlung geleitet. War sehr lustig.
Der mit über 2.000 Mitgliedern in Europa größte Verein seiner Art akzeptiert ausschließlich Mitglieder, die falsche Tatsachen vortäuschen, etwa durch Manipulation von Wahlentscheidungen. Manche pflegen die Kunst des Falschspiels, klauen ihren Mitmenschen die Uhren oder sägen lebende Menschen auseinander. Gelächter gab es insbesondere, als ich vor einem Wahlgang dazu aufforderte, die Wahlurnen als leer vorzuzeigen – eine berufstypische Geste …
Vorab: Ich halte eine Behörde mit nachrichtendienstlichen Befugnissen, die den Staat als solchen vor Unterwanderung, Extremisten oder Spionage schützen soll und keine Polizeibefugnisse hat, grundsätzlich für sinnvoll. Mit Inlandsgeheimdiensten, die über den Beobachtungsauftrag hinaus aber auch eine erzieherische Aufgabe wahrnehmen und politische Gesinnung kontrollieren sollen, haben wir hierzulande allerdings keine sonderlich guten Erfahrungen gemacht.
Das ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit war von gestandenen Antifaschisten gegründet worden, entwickelte sich aber schnell selbst zum perversen Repressionsinstrument eines Staates mit Spitzelkultur. Auch die Geschichte der westdeutschen Inlandsgeheimdienste verlief nicht durchweg ruhmreich. Studenten, deren Autokennzeichen etwa bei Demos gegen Kernenergie gesehen wurde, mussten Jahre später mit Schwierigkeiten bei der Übernahme in den Staatsdienst rechnen usw. Bekannte Überwachungsopfer sind WinfriedKretschmann, Klaus Traube und Rolf Gössner.
Es ist auch international nahezu einmalig, dass ein Staat politische Parteien bespitzelt, obwohl die ja in einer Demokratie per Definition den Willen des Volkes artikulieren, von dem „alle Macht ausgehen“ soll. Über den Sinn hiervon kann man diskutieren.
Was aber derzeit unter dem Stichwort „Delegetimierer des Staates“ läuft, ist weder verfassungsjuristisch noch demokratisch irgendwie vertretbar. Kritik am Staat, auch polemische, hat hierzulande seit über zwei Jahrhunderten Tradition, Staaten und insbesondere Regierungspolitiker müssen etwas abkönnen. Politische Meinungen müssen auf dem Markt der Meinungen bestehen können. Geheimdienstliche Befugnisse sind in diesem Punkt creepy und schränken die vom Grundgesetz und der Europäischen Menschrechtscharta garantierte Meinungsfreiheit auf fragwürdige Weise ein.
Der Staat hat insbesondere den Stresstest der Corona-Pandemie nicht bestanden. So beobachtete der Inlandsgeheimdienst allen Ernstes Menschen, die sich ihre eigene Meinung über den Sinn der Corona-Politik gebildet hatten, und die aus heutiger, historischer Perspektive sogar kompetenter war als die Regierung. Obwohl derartiger Missbrauch staatlicher Sonderbefugnisse skandalträchtig ist, blieb es in den Medien auffällig still.
Bei Geheimdiensten stellt sich stets die Frage, wer die Wächter bewacht. Während Grünen-Politiker wie Konstantin von Notz in der Opposition wohl gute Arbeit leisteten, ist ihnen der Wechsel in die Regierung wohl zu Kopf gestiegen. Eine wegen ihrer Ansichten zu Corona vom Verfassungsschutz beobachtete Mandantin beobachtet nun zurück und informiert, wie man sich gegen die Gängelung der Schlapphüte wehren kann.
Wer einen totalitären Überwachungsstaat befürwortet, wird ihn auch dann akzeptieren müssen, wenn die Regierung eines Tages nicht von seiner Lieblingspartei gestellt wird. Etwas Besseres als unsere Verfassung hatten wir bislang nicht. Die Aushöhlung unseres Grundrechts auf Meinungsfreiheit sollten wir uns nicht ansatzweise bieten lassen – von niemandem.