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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


9. Juni 2021

Die Auserwählten

Heute zeigt die ARD „Die Auserwählten“. Der an Originalschauplätzen gedrehte Film thematisiert den sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule.

Ein Betroffener, der ein Buch hierüber geschrieben und sich insoweit der Öffentlichkeit geöffnet hatte, ist als Vorbild für die zentrale Filmfigur zu erkennen. Der Mann, der eine Zusammenarbeit mit dem Filmprojekt abgelehnt hatte, sah seine Persönlichkeitsrechte verletzt und klagte erfolglos an den Hamburger Gerichten. Auch der Bundesgerichtshof wies die Revision mit Urteil vom 18. Mai 2021 – VI ZR 441/19 ab:

Der Kläger kann sein Unterlassungsbegehren nicht auf sein Recht am eigenen Bild stützen. Der Senat hat eine insoweit in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Rechtsfrage dahin entschieden, dass eine als solche erkennbare bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler in einem Spielfilm kein Bildnis der dargestellten Person i.S.d. § 22 Satz 1 KUG ist. Dieser Schutz steht im Falle der als solche erkennbaren bloßen Darstellung einer Person durch einen Schauspieler dem Schauspieler zu, der in diesem Fall auch in seiner Rolle noch „eigenpersönlich“ und damit als er selbst erkennbar bleibt. Als Bildnis der dargestellten Person ist die Darstellung dagegen (erst) dann anzusehen, wenn der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst, wie dies etwa bei dem Einsatz eines Doppelgängers oder einer nachgestellten berühmten Szene oder Fotographie der Fall sein kann.

Der Anspruch ergibt sich bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtungsweise auch nicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Zwar ist der Kläger durch die ausgeprägten Übereinstimmungen zwischen seinem Schicksal und der Darstellung der entsprechenden zentralen Filmfigur in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen. Auch verstärkt die in der besonderen Intensität der visuellen Darstellung liegende suggestive Kraft eines Spielfilms diese Betroffenheit. Doch wiegt diese Betroffenheit im Ergebnis und unter maßgeblicher Berücksichtigung der von dem Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht so schwer, dass die zugunsten der Beklagten streitende Kunst- und Filmfreiheit zurücktreten müsste.

27. September 2018

Tops und Flops aktueller medienrechtlicher Fachliteratur

Buchdruckerfinder Johannes Gutenberg verlor in einem Rechtsstreit seinen Betrieb, vermutlich deshalb, weil er logischerweise noch keine juristische Fachliteratur besaß. Unserer Tage stellt sich eher die Frage, welche aktuellen Werke man denn wirklich braucht. Diesen Herbst erscheinen wieder viele Neuauflagen eingeführter Medienrechtsliteratur (siehe auch meine Stichproben vom Februar), die uns als „unentbehrlich“ angepriesen werden. Mindestens die Hälfte genügt jedenfalls meinen Ansprüchen nicht.

TOP: Wenzel: „Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung – Handbuch des Äußerungsrechts“, 6. neu bearbeitete Auflage, 2018, Otto-Schmidt-Verlag, 179 €

Der „Wenzel“ galt als die Bibel der Presserechtler, wurde aber seit 2003 nicht mehr aktualisiert. Das war insoweit tragisch, weil das Presserecht durch die Interpretation der Stolpe-Entscheidung von 2005 etwa durch das Landgericht Hamburg umgepflügt wurde. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hat sich zudem die einst von Gatekeepern geprägte Medienlandschaft durch Social Media grundlegend verändert.

Nun aber erschien – endlich – die vom Kollegen Prof. Burkhardt betreute 6. Auflage eines Wälzers, der so detailliert wie keine andere Publikation das Presserecht darstellt. Allerdings erweckt das Buch in fahrlässiger Weise den Eindruck, dass die etwa an Karlsruhe orientierte Auslegung des Presserechts etwa auch in Hamburg eine Rolle spielt. Dennoch: Klare Kaufempfehlung.

(Wohl) FLOP: Götting / Schertz / Seitz: „Handbuch des Persönlichkeitsrechts“, 2. Aufl. 2018, C.H. Beck-Verlag, 188,- €

Im Kontrast zum hohen Gebrauchswert des „Wenzel“ steht dieses in seiner Erstauflage eher akademisch geratene Werk, das ein „Handbuch“ sein will. Die nun erscheinende Zweitauflage werde ich auslassen, denn ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir die Erstauflage von 2008 jemals irgendwo eine Hilfe gewesen wäre. Vor allem die Besonderheiten des Prozessrechts, das im Persönlichkeitsrecht die eigentliche Kunst ist, werden allenfalls gestreift. Man konnte von Kollege Prof. Schertz ja auch nicht ernsthaft erwarten, dass er wirklich seine Geschfäftsmethoden breittreten würde. Wer Praktiker-Lektüre von Co-Autor und OLG-Richter a.D. Seitz lesen will, dem sei „Der Gegendarstellungsanspruch“ empfohlen. Wer ein allgemeines weiteres Handbuch zum Persönlichkeitsrecht lesen will, sollte auf die Zweitauflage des angekündigten Prinz/Peters/Perten: „Medienrecht – Die zivilrechtlichen Ansprüche“, 109,- €, warten (oder gleich zum Wenzel greifen).

UPDATE: Der Erscheinungstermin ist auf Dezember verschoben worden.

FLOP: Möhring/Nicolini: „Urheberrecht – Kommentar zum UrhG, KUG, VerlG, VGG„, 4. Aufl. 2018, C.H. Beck-Verlag, 189,- €

In diesen Wochen wollte der Beck-Verlag gleich drei (!) Kommentare zum Urheberrechtsgesetz auf den Markt werfen. Hat denn diese Konkurrenz im eigenen Haus einen Mehrwert, oder pflegt man hier fröhlich Zitierkartelle und kassiert für einen Bedarf gleich dreimal? Der verlegerische Sinn jedenfalls des Möhring/Nicolini erschließt sich mir nicht. Auch das knappe Vorwort verrät keinen Hinweis auf einen Unique Selling Point.

Beim UrhG besteht die Kommentierung des Möhring/Nicolini gefühlt aus Zitierung von Schulze/Dreier (2015) und Schricker/Loewenheim (2017) – warum dann nicht die Originale einfach direkt nehmen – zumal aus der nunmehr überholten Altauflage (!) des Schulze/Dreier zitiert wird? Wesentliches Kaufargument für mich war das bereits 2016 inkraft getretene Verwertungsgesellschaftengesetzes („GEMA-Gesetz“), das dieses Werk als wohl erstes  kommentierte. Damit überholte das Buch die ebenfalls eigentlich fürs Frühjahr angekündigten anderen UrhG-Kommentare aus dem Hause Beck.

UPDATE: Unter § 97 UrhG Rn. 33 ist zu lesen, dass sich der Schadensersatzanspruch einer Verwertungsgesellschaft auf § 13c WahrnG stützt. Ähm … Dieses WahrnG wurde vor zwei Jahren vom soeben genannten VVG ersetzt. Da stellt sich ernsthaft die Frage, wann denn für diese Kommentierung der Redaktionsschluss war.

Die Stichproben im Möhring/Nicolini, die ich zu aktuellen urheberrechtlichen Fragen machte, überzeugten mich allerdings nicht. Wurden § 44a und § 97a UrhG wirklich aktualisiert und lektoriert? Die praktisch wichtige Frage, wie eine Urheberbenennung bei einem im Internet genutzten Bild vorgenommen werden sollte (direkt am Bild, auch auf Unterseiten wie Vorschaubilder oder in Metadatei?) wird dort so beantwortet:

„Zur Urheberbenennung im Fall der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet vgl. Hofmann/Handschigl ZUM 2016, 25, Schneider CR 2016, 35“

Na, herzlichen Dank auch! Laut Sachregister kommt die Pixelio-Entscheidung nicht vor. Ach was, welcher Urheberrechtler braucht schon Infos zu diesem Internet? Randgebiet! Geht bestimmt wieder weg, dieses Internet!

Brauchbarer wird man etwa zu diesen Fragen im aktuellen Dreier/Schulze bedient – aber noch lange nicht brauchbar genug.

FLOP: Dreier/Schulze: „Urheberrechtsgesetz: UrhG, Verwertungsgesellschaftengesetz, Kunsturhebergesetz – Kommentar“, 6. Aufl. 2018, C.H. Beck-Verlag, 179,- €.

Dreier/Schulze hat sich als Praktiker-Kommentar einen Namen gemacht. Im Gegensatz zu den anderen Titeln, die in doppelter bis siebenfacher Mannschaftsstärke produziert werden, zeichnen für dieses Buch ganze drei Autoren (Prof. Dr. Dreier, RA Dr. Schulze und Prof. Dr. Specht) verantwortlich. Warum der Kommentar erst jetzt erscheint, obwohl das Vorwort und offenbar auch der Bearbeitungsstand auf März datieren, ist unverständlich.

Die meisten meiner Stichproben blieben leider unergiebig. Als Praktiker interessierte mich, was denn inzwischen die Rechtsprechung so mit dem 2013 geänderten § 97a UrhG zum Abmahnrecht gemacht hat. Viel schlauer als in der Vorauflage von 2015 (verschenke ich gerne, bitte E-Mail an mich) lässt mich Frau Prof. Specht leider nicht zurück. Naheliegende Praxisprobleme mit dem Aufwendungsersatzanspruch zu Unrecht abgemahnter Parteien scheinen nicht bekannt zu sein.

Nicht einmal einen Monat nach Erscheinen des also ein halbes Jahr abgelegenen Dreier/Schulze beschloss das EU-Parlament die Urheberrechtsreform. Damit ist die Neuauflage bereits schon wieder ein Dokument der Rechtsgeschichte.

(Vielleicht) TOP: Wandtke/Bullinger: „Urheberrechtsgesetz: UrhG, Verwertungsgesellschaftengesetz, Kunsturhebergesetz – Kommentar“, 5. Aufl. 2018 (angekündigt), C.H. Beck-Verlag, 215,- €

Die Neuauflage dieses meiner Erinnerung nach auch für Frühjahr angekündigten Klassikers war ebenfalls für September angesetzt, dann wurde sie auf Oktober verschoben und jetzt soll es offenbar Januar 2019 werden.

Mehrwert des Werks dürfte eine erstmals enthaltene Kommentierung der InfoSoc-Richtlinie (2001/29/EG) sein, die als „für die europarechtskonforme Interpretation des Urheberrechts von überragender Bedeutung“ beworben wird. Stimmt. Aber … Ähm … Wenn die so überragend wichtig ist … Warum fehlt eine solch wichtige Kommentierung dann bei den anderen Beck-Titeln in Möhring/Nicolini, Schulze/Dreier und Schricker/Loewenheim?

-> Vermutlich reicht einer dieser drei aktuellen Beck-Kommentare vollkommen aus, und schwächer als die beiden anderen Kommentare wird die angekündigte Neuauflage des Wandtke/Bullinger dann hoffentlich nicht sein.

UPDATE: Der Erscheinungstermin ist auf März 2019 verschoben.

FLOP: Alle aktuellen DSGVO-Kommentare

Aus berufenem Munde hörte ich, dass alle aktuellen DSGVO-Kommentare hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben, um es höflich zu formulieren. Nachvollziehbar, denn mit der (handwerklich grottenschlecht realisierten) DSGVO und dem (stellenweise sehr seltsam angepassten) BDSG hat man halt noch wenig Erfahrung und vor allem keine Urteile. Gerüchteweise soll die angekündigte Neuerscheinung von Simitis (200,- €) brauchbar sein, bis dahin sollte es der Kühling/Buchner (2. Aufl. 2018) tun.

Die gute Nachricht: Die Abmahner haben auch keine Ahnung!

UPDATE: Der für Ende September angekündigte Simitis ist auf 2019 verschoben worden.

FLOP: Moser / Scheuermann / Drücke: „Handbuch der Musikwirtschaft“, 7. Aufl. 2018, C.H. Beck-Verlag, 179,- €

Mit insgesamt 80 Autoren ist dieses zuletzt vor 15 Jahren aktualisierte Werk zum vertragsrechtlich bisweilen undurchsichtigen Musikrecht denkbar breit aufgestellt. Viel mehr wirklich praktizierende Musikrechtler dürfte es hierzulande auch kaum geben, da natives Musikrecht nach wie vor ein Orchideenfach ist. (Musiker haben eh kein Geld für Anwälte …)

Das Buch ist hochinteressant – aber ein juristisches „Handbuch“ ist es wohl eher nicht. Bei den praktischen musikrechtlichen Fragen, die ich in aktuellen Fällen gerade recherchiere, hat mir der Wälzer bislang nicht geholfen. Dafür sind alle 80 Autoren mit eigenem Porträt abgebildet – in juristischer Literatur eher ungewöhnlich – warum eigentlich nicht gleich als Centerfolds?

Was man unter einem brauchbaren Handbuch versteht, demonstrieren zwei bereits bereits im Frühjahr erschienene Werke zum IT-Recht:

TOP: Michael Intveen / Klaus Gennen / Michael Karger: „Handbuch des Softwarerechts“, 1. Aufl. 2018, Anwaltsverlag, 129,- €

Eine wirklich praxisfreundliche Neuerscheinung ist das von 35 Experten geschriebene Handbuch des Softwarevertragsrechts, in welchem die einzelnen Vertragstypen etc. systematisch behandelt werden. Interessant ist die Herangehensweise, in jedem Kapitel unterschiedliche Autoren sowohl für die Anbieter- als auch für die Anwendersicht zu bieten. Die Darstellung ist prägnant und hilfreich. Nicht erwarten darf man auch Vertragsmuster. Zwar gibt es ja reichlich Alternativen, allerdings wäre ein Formularbuch hilfreich, das bereits die hier vorgeschlagenen Klauseln enthält, denn die scheinen subtiler zu sein als die aktuellen Formulare vom Beck-Verlag für IT-Recht.

TOP: Schläger/Thode: „Handbuch Datenschutz und IT-Sicherheit“, 2018, Erich Schmidt Verlag, 94,- €

Auch diese Neuerscheinung, die von Mitarbeitern der Datenschutzgruppe Nord betreut wurde, hat auf mich einen kompetenten Eindruck gemacht und wird den Ansprüchen an ein prägnantes Handbuch voll gerecht. Wer irgendwie mit Datenschutz zu tun hat, sollte nicht nur den juristischen, sondern vor allem den organisatorischen Stand der Kunst kennen.

Technisch praktizierer Datenschutz ist ohnehin effizienter als DSGVO-Esoterik.

FLOP: Cepl/Voß: „Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz“, ZPO mit spezieller Berücksichtigung des Marken-, Patent-, Gebrauchsmuster-, Design-, Urheber- und Lauterkeitsrechts sowie des UKlaG, 2. Aufl. 2018, C.H. Beck-Verlag, 249,- €

Auch bereits im Juni erschienen ist die Neuauflage des Cepl/Voß, welche das Prozessrecht im Hinblick auf Immaterialgüterrecht kommentiert. Von dem Buch hatte ich mir deutlich mehr versprochen, etwa zu gewissen Tricks der Branche. Einen Gegenwert für den stolzen Preis habe ich für mich bislang noch nicht gefunden, ein herkömmlicher ZPO-Kommentar ist jedenfalls für meine Zwecke vollkommen ausreichend.

FLOP: Ipsen: ParteienG, 2. Aufl. 2018, C.H. Beck-Verlag, 109,- €

Als Medienrechtler hat man gelegentlich mit dem Parteiengesetz zu tun. Nachdem die letzte Kommentierung zum ParteienG auf 2012 datiert (Lenski) und inzwischen mit den Piraten und der AfD zwei neue Parteien für reichlich Rechtsstreite gesorgt hatten, wäre für eine juristische Kommentierung eigentlich neuer Stoff  zu erwarten gewesen.

Den Ipsen kann man sich jedoch sparen, Lenski ist noch aktuell. Zur praktisch wichtigen und von der Rechtsprechung nur unscharf behandelten Frage, wie lange man einen ggf. verschleppten parteiinternen Rechtsweg beschreiten muss, bevor man zu den ordentlichen Gerichten darf, findet man erstaunlicherweise nichts. Da Ipsen nur das ParteienG, nicht jedoch das Recht der Kandidatenaufstellung behandelt, sollte man besser zum Lenski greifen.

24. August 2018

Ist Fotografieren auf einer Demo eine „Strofdood“?

Zum Fall des Pegidioten von Dresden haben sich bereits die geschätzten Kollegen Herr Stadler, Herr Dr. Sajuntz und Frau Bölke (am Ende des obigen Videos) qualifiziert und der nicht geschätzte Kollege Herr Dr. Bittner unqualifiziert geäußert. Hier mal eine systematische Darstellung:

Grundsätzlich hat man einen Unterlassungsanspruch aus § 22 KunstUrhG gegen das Verbreiten oder öffentlich-zur-Schau-stellen identifizierender Abbildungen. Das Anfertigen und Speichern der Aufnahme selbst ist zwar eigentlich keine Tathandlung im Sinne des Gesetzes, allerdings wenden Gerichte ergänzend das allgemeine Persönlichkeitsrecht an, etwa dann, wenn man nicht mit Aufnahmen rechnen muss oder aufgrund Social Media zu erwarten ist, dass die Bilder sofort online gehen und dann irrevisible Fakten geschaffen werden. Gerichte haben auch Polizisten das Recht zugestanden, vor Ort Löschung zu verlangen.

Anders als die Kollegin Frau Bölke im obigen Video meint, hat der Hutbürger das Filmen allerdings gerade nicht „billigend“ inkauf genommen, sondern missbilligend. Damit fehlt es eindeutig an einer Einwilligung nach § 22 KunstUrhG. Der Mann handelt auch (insoweit) nicht widersprüchlich, denn er hat ein berechtigtes Interesse, seinen Widerspruch dokumentiert zu sehen.

Theoretisch wäre ein Verstoß gegen § 22 KunstUrhG tatsächlich eine „Strofdood“, denn § 33 KunstUrhG sieht eine Strafe von bis zu einem Jahr vor. Ein Anwendungsfall dieser historischen Vorschrift wäre mir allerdings nicht bekannt und würde auch das Filmen selbst gar nicht erfassen, sondern erst die Veröffentlichung (§ 22 KunstUrhG).

Vorliegend allerdings hatte das Kamerateam die Absicht, eine Demonstration und deren unmittelbares Umfeld zu filmen. Für Versammlungen, Aufzügen und ähnliche Vorgänge, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, sieht § 23 Abs. 1 KunstUrhG eine Ausnahme vor. Bei einer Demonstration dürfen Personenmehrheiten also auch dann gezeigt werden, wenn die einzelnen Teilnehmer dabei identifiziert werden können. Zu den Teilnehmern zählen die Gerichte übrigens auch Polizisten, welche dort beruflich wirken und zum Anliegen der Demonstranten keinen Bezug haben. Es ist auch nicht erforderlich, dass man die Versammlung vollständig zeigen muss, ein repräsentativer Ausschnitt reicht. Und genau das hatten die ZDF-Leute ursprünglich auch gemacht, bis der gute Mann plötzlich ausfallend wurde.

Bei dieser Ausnahme nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG gibt es aber zwei Einschränkungen:

Von der Abbildung einer Personenmehrheit kann dann keine Rede mehr sein, wenn man aus einem Gruppenfoto gezielt jemanden ausschneidet oder an eine Person heranzoomed. Anders liegt der Fall aber, wenn jemand aus dieser Personenmehrheit zum Protagonist wird und besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht, etwa ein Steinewerfer, jubelnder Fan oder eine Busenherzeigerin. Es ist umstritten, ob Einzelaufnahmen dann zulässig sind, wenn sie für die Veranstaltung repräsentativ bzw. charakteristisch sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das beim Hutbürger für eine Pegida-Demo der Fall war …

Weitere Einschränkung ist nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG, dass kein berechtigtes Interesse des Abgebildten verletzt wird, etwa wenn in die Privatsphäre einegriffen oder der Mensch einer Gefährdung ausgesetzt würde. Tja, Freunde, also das muss man sich halt vorher überlegen, wenn man auf eine Demo geht, bei der Vermummungsverbot gilt. Denn da geht es halt darum, für eine Sache sein Gesicht zu zeigen, und da muss man halt damit rechnen, dass Medienvertreter filmen. (Ein berechtigtes Interesse wäre allerdings dann verletzt, wenn jemand die Abbildung kommerziell vermarktet, etwa auf T-Shirts aufbringt.)

Kommt man zum Ergebnis, dass die erste Einschränkung greift, wäre eine weitere Ausnahme zu prüfen: Eine Einwilligung ist auch dann entbehrlich, wenn Ereignis des Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG berichtet wird und hieran ein besonderes Berichtsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Das Anpöbeln des Kamerateams und die Polizeischikane, die zur Feststellung der Personalien eine Dreiviertelstunde gebraucht haben will, dürften ein solches Ereignis darstellen, denn die sächsischen Politiker meldeten sich zu Wort und immerhin die Bundeskanzlerin persönlich hat den Vorfall kommentiert (und sich dabei für Pressefreiheit ausgesprochen). Inzwischen hat es der Skandal bundesweit in die Medien geschafft, hier in NRW beginnt der WDR heute sogar die stündliche Nachrichtensendung mit dem Thema. Inzwischen wurde auch noch bekannt, dass der Hutbürger ein LKA-Mann ist und ausgerechnet Zugriff auf sensible Daten wie die Ausländerdatenbank hat – bei einem Pegida-Demonstrant drängt sich da der Verdacht eines Interessenkonflikts auf.

Das dürfte für ein Berichtsinteresse der Öffentlichkeit locker reichen.

Streng genommen müsste man an dieser Stelle nun die Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung auf die Meinungs- und Pressefreiheit diskutieren. Denn das Anfertigen und Speichern von Bildnissen ist ein personenbezogenes Datum und damit auch nach der DSGVO prinzipiell zustimmungsbedürftig. Der deutsche Gesetzgeber hat leider bislang verpasst, den Ausnahmenkatalog des § 23 KunstUrhG auf die Verbote der DSGVO gemäß der Öffnungsklausel Art. 85 DSGVO auszuweiten. Die Fachdiskussion ist in vollem Gange, allerdings hat kaum jemand Zweifel daran, dass Gerichte – mit welchem juristischen Kunstgriff auch immer – künftig zu gleichen Ergebnissen kommen werden wie schon zur bislang geltenden Rechtslage. Da es sich vorliegend um ein Kamerateam des ZDF handelt, greift in diesem Fall die Privilegierung aus § 9c des Rundfunkstaatsvertrags.

Ergebnis: Das Filmen des Hutbürgers ist weder eine Straftat noch wäre ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch sonderlich aussichtsreich.

Update: Zum gleichen Ergebnis gelangt der geschätzte Kollege Solmecke, der es bereits für ausreichend hält, dass der Mann auf die Kamera zugegangen ist und hierdurch Aufmerksamkeit provoziert hat. Ob das alleine ausreicht, habe ich so meine Zweifel. Vorliegend allerdings rechtfertigen die konkreten Umstände und die politischen Reaktionen jedenfalls vorliegend die Annahme eines Berichtsinteresses der Öffentlichkeit.

12. Mai 2018

Recht am eigenen Bild – Einwilligung widerruflich?

In nicht einmal mehr zwei Wochen tritt die Datenschutzgrundverordnung inkraft. Während insbesondere Fotografen wegen der noch ungelösten Rechtsfragen den Weltuntergang heraufbeschwören, lassen es andere vielleicht eine Spur zu ruhig angehen.

Das Bundesministerium des Inneren hat nun eine Informationsseite eingerichtet, welche der Bevölkerung Orientierung bieten soll. In einem Tweet kommentiert man dort zum Recht am eigenen Bild, das Kunsturhebergesetz werde durch die DSGVO nicht verdrängt! (Ausrufezeichen im Original.) Schon die erste Stichprobe stellt allerdings die Kompetenz der Autoren infrage. So steht da allen Ernstes:

Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine – wie bislang schon – jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) stützen können.

Offenbar glaubt man im Bundesinnenministerium, eine Einwilligung nach § 22 KunstUrhG in das Verbreiten oder Zur-Schau-Stellen von Aufnahmen, die ein Gesicht erkennen lassen, sei jederzeit widerrufbar.

Ähm … Nein. Wer seine Einwilligung für das Nutzen eines Fotos rechtswirksam erklärt hat, muss sich daran festhalten lassen. Sonst könnte man sich das nämlich gleich ganz sparen. Man nennt so etwas in Fachkreisen „Rechtssicherheit“. Nur in dramatischen Ausnahmen, wenn etwa ein Nacktmodel nach Jahren zur Tugend gefunden hat und eine Jugendsünde bereut, kann eine entsprechende Einwilligung nachträglich angegriffen werden, allerdings verbunden mit dem Risiko, dem Rechteinhaber den Vertrauensschaden ersetzen zu müssen.

So jedenfalls die bis zum 25.05.2018 geltende Rechtslage. Der Gesetzgeber hat es bislang leider verpasst, die im KunstUrhG verbliebenen Paragraphen gemäß Art. 85 DSGVO anzupassen. Das wäre aber eine ganz gute Idee gewesen, denn bereits das Anfertigen einer Fotografie ist eine Datenverarbeitung, für die dann eben die DSGVO gilt. Nach Meinung des Bundesinnenministeriums soll das Posieren dann also jederzeit wirderruflich sein.

Neulich frotzelte übrigens jemand in einer juristischen Zeitschrift über den Umstand, dass der neue Bundesinnenminister erstmals kein Jurist ist, sondern sich als „Erfahrungsjurist“ bezeichnet. Ich bin mal gespannt, welche Erfahrungen wir mit den Rechtstipps des BMI sammeln werden.

UPDATE: Der Kollege Härting hat gerade zum Thema gebloggt.

9. Januar 2018

Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt ging

Der Scharlatan Dr. Nikolaus Klehr, der zynisch Krebspatienten im Endstadium mit unwirksamen Therapien abzockte, beschäftigte über Jahrzehnte Medienanwälte, die jegliche Kritik an diesem denkbar dreisten Hochstapler mit mehr oder weniger unappetitlichen Tricks verbieten ließen. Der durch seinen Betrug reich gewordene „Krebsheiler“ finanzierte Rechtsstreite aus der Portokasse.

Viele der Klehr-Klagen waren glatter Prozessbetrug. So bestritt Klehrs Hamburger Anwalt lächelnd, ein bestimmter Ärztefunktionär habe Klehr als erwerbsgetriebenes Ungeheuer bezeichnet, obwohl der dies in einem TV-Interview getan hatte, das Klehr genau kannt.

WISO-Detektiv

Das hier verlinkte Video mit dem WISO-Detektiv von 2010 ließ Klehr dem ZDF verbieten. Sein findiger Anwalt, der die extrem subjektiven Vorlieben des damaligen Vorsitzenden der Hamburger Pressekammer zu deuteln wusste, erwirkte sowohl gegen das ZDF als auch gegen Google/YouTube, wo jemand die Reportage hochgeladen hatte, einstweilige Verfügungen.

Und auch gegen mich, weil ich das Video in meinem medienrechtlichen Blog eingebunden hatte, um dessen Zulässigkeit aus meiner professionellen Sicht kurz zu kommentieren – zutreffend übrigens. Der für seine absurden Urteile bekannte Hamburger Landrichter wollte mich für dieses Einbetten von fremdem Content, den er rechtsirrig für rechtswidrig hielt, genauso haften lassen, als wäre ich das ZDF (dessen Rechtsabteilung den Film abgesegnet hatte).

Faktisch war dies eine Wiederbelebung der überholten Linkhaftung, denn in Social Media werden aus Links auf YouTube-Videos häufig sogar automatisch Einbettungen. Ungeachtet der irren Rechtsfrage, ob das Verlinken für ein Zu-Eigen-Machen jeglicher möglicher Hamburger Pseudoprobleme des ZDF-Videos ausreichen sollte, war extrem zweifelhaft, dass die drei in Hamburg beanstandeten Punkte ernsthaft das Persönlichkeitsrecht des Scharlatans verletzten.

Hamburger Unrechtsweg

Ich ging sofort in die Hauptsache und ließ mich vom Kollegen Thomas Stadler vertreten. Doch auch der versierte IT-Rechtler vermochte die Richterinnen nicht von ihrer sturen Linie abzubringen, denn in der Hamburger Pressekammer ist es Policy, dass eine einstweilige Verfügung aus Prinzip zu halten ist. Auch das ZDF und Google, die teuerste Medienanwälte beauftragten, mussten mit ihren Widersprüchen das Landgericht Hamburg als Durchlaufinstanz passieren.

Wäre dieses steinzeitliche Urteil rechtskräftig geworden, wäre das Verlinken von YouTube-Videos in Deutschland eine hochgefährliche Sache geworden. Faktisch wäre die Linkhaftung wieder da gewesen. Daher ging ich in Berufung. Da der Hamburger Richter inwischen Vorsitzender der Berufungsinstanz geworden war, musste ich damit rechnen, dass der Leidensweg erst in Karlsruhe enden würde und bis zu 20.000,- € hätte kosten können.

Aktion Klehranlage

Da ich anders als Klehr solche Prozesse jedenfalls 2011 nicht aus der Portokasse finanzieren konnte, rief ich die Aktion Klehranlage ins Leben.

Eigentlich hatte ich nur mit geringer Unterstützung gerechnet, welche mich bei den aktuell anfallenden Kosten für die Berufung entlasten würde. Tatsächlich aber landeten innerhalb weniger Tage ca. 37.000,- € auf meinem Konto. Ich bekomme noch heute Tränen in den Augen, wenn ich daran denke, wie ich damals diese unverhoffte Solidarität erfuhr.

Auch die Presse berichtete über die ungewöhnliche Aktion.

Ein „Gewinn“ war allerdings ebenso wenig geplant wie Verwaltung der vielen Eingänge, die damals pragmatisch auf mein Gechäftskonto überwiesen wurden. Schon allein die steuerrechtliche Verbuchung solcher Eingänge von über 1.228 Geldgebern erforderte die Gründung eines Vereins, der Klehranlage e.V..

Sieben Jahre Oberlandesgericht Hamburg

Da sich ZDF und Google auch gegen die einstweilige Verfügung wehrten, wurden deren  Berufungen alsbald vom OLG Hamburg verhandelt, wo inzwischen der berüchtigte Landrichter hinbefördert wurde. Der sah schließlich doch ein, dass er grottenfalsch lag und gab dem ZDF und Google den Film wieder frei. Meine Berufung allerdings ließen die Hanseaten erst einmal fünf Jahr liegen.

2016 segnete der Nikolaus Klehr das Zeitliche. Der verhasste Scharlatan wurde an einem unbekannten Ort bestattet. Lange war unklar, ob ein Erbe den Prozess aufnehmen – und mir für meine Prozesskosten haften würde. Nunmehr steht fest, dass das Erbe wegen Überschuldung ausgeschlagen wurde. Der Großbetrüger hatte nämlich erhebliche Steuerschulden. Man darf vermuten, dass der Schweinepriester seine Reichtümer ohnehin so organisiert hatte, dass für Gläubiger nichts zu holen war.

Dank OLG Hamburg bleibe/n ich/wir nun auf den bislang angefallenen Rechtskosten sitzen. Herr Buske darf mal wieder stolz auf sich sein.

Eines aber wurde erreicht: Das Hamburger Schandurteil wird nie rechtskräftig werden. Und ich kann das Video verlinken und zeigen, so viel ich will. Und ich will …

Rechtshilfefonds

Die meisten Kehranleger hatten im Betreff wie vorgeschlagen verfügt, dass die Überweisung, wenn sie für den Prozess nicht mehr gebraucht würde, in einen Rechtshilfefonds für gegängelte Blogger fließen soll. Ansonsten haben sie jedoch Anspruch auf anteilige Rückzahlung der unverbrauchten Zuwendungen.

Mein Verein muss sich daher demnächst Gedanken machen, wie wir eine ggf. gewünschte Rückzahlung organisieren, denn wir müssen 1.228 Vorgänge zum Teil anonyme Vorgänge abgleichen, Verwendungswillen und ggf. Bankverbindungen erfragen usw.. Ich halte euch hier im Blog auf dem Laufenden.

26. Mai 2016

Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt kommt (21)

Seit vier Jahren nun warten über 1.000 Klehranleger und meine Wenigkeit auf die Berufungsverhandlung in Sachen Klehr ./. Kompa. Damals wurde mir das Einbetten eines YouTube-Videos mit einem ZDF-Beitrag über den streitbaren Krebsbehandler Dr. Nikolaus Klehr verboten. Schon seit zwei Jahren ist aus dem Rechtsstreit zwischen Klehr und dem ZDF klar, dass das Video keine offensichtlich rechtswidrigen Inhalte aufweist.  Außerdem wurde Klehr das Produzieren seiner Eigenblutpräparate verboten.

Doch still ruht der See. Warum die Prozesshanseln von der ZEIT (ebenfalls gegen das ZDF) am Oberlandesgericht Hamburg gerade einmal ein Jahr auf ihre Berufung warten mussten, würde mich ja mal interessieren.

In der Zwischenzeit hat sich einiges ereignet. So hat der BGH dem EuGH folgend klargestellt, dass Framing etwa keinen Fall urheberrechtlichen Öffentlichen-Zugänglich-Machens darstellt. Das ist zwar nicht 1:1 auf das Persönlichkeitsrecht übertragbar, nimmt jedoch etwas Druck vom Kessel.

Gerne hätte ich Herrn Dr. Klehr vor dem OLG Hamburg oder woanders verlieren sehen, doch vor ein paar Tagen ist mein Kontrahent vor seinen letzten Richter getreten.

Über Verstorbene soll man nur Gutes sagen, und tatsächlich habe ich jemand gefunden, der solches tut. Doch wenn man etwas genauer hinsicht, erkennt man auf den zweiten Blick, dass es sich nicht um einen redaktionellen Text handelt, sondern um eine „Anzeigensonderveröffentlichung“. Ob diese in dieser Form mit dem Medienrecht und dem Heilmittelwerbegesetz harmoniert, soll hier besser nicht erörtert werden …

Der Tod einer Partei allein beendet allerdings keinen Zivilprozess, vielmehr haben nun die Rechtsnachfolger die Möglichkeit, das Berufungsverfahren weiter zu führen. Dank der Finanzierung durch die edlen Klehranleger kann ich Widerstand bis zum BGH, zum Bundesverfassungsgericht und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte leisten. Und genau das werde ich auch tun.

An dieser Stelle danke ich nochmals allen Klehranlegern! :)

5. März 2016

Eigenmächtige Werbung mit Prominenten – Sixt mal wieder …

Der Auotvermieter Sixt bleibt sich treu und nutzt mal wieder (vermutlich eigenmächtig) ein Politiker-Portrait, um Aufmerksamkeit für seine Werbung zur erheischen. Oskar Lafontaine hatte einst Unterlassungs- und Schadensersatzklage eingereicht und zunächst am Landgericht Hamburg 100.000,- € erwirtschaftet. Der BGH jedoch meinte, dass sich ein prominenter Politiker jedenfalls dann eine Nutzung gefallen lassen muss, wenn sich diese satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt. Denn das fällt unter Meinung- und Pressefreiheit, und die darf auch ein Unternehmen für sich in Anspruch nehmen.

Dieses Urteil sowie der schließlich am EGMR in Straßbourg verhandelte Fall Prinz Ernst August ./. Lucky Strike waren richtungsweisend, weil bis dahin im Werberecht ein sehr scharfer Wind wehte. In diesem Bereich gibt es kaum Rechtsprechung, so dass bei Unternehmen bis dahin große Unsicherheit herrschte, ob etwa in Unternehmenszeitungen Prominente honorarfrei abgebildet werden dürfen. Eine Grenze dürfte erreicht sein, wenn ein Promi so abgebildet wird, dass der Eindruck entsteht, er würde hierfür Geld bekommen oder sich aus anderen Gründen bewusst für das Unternehmen verwenden.

Sixt fühlte sich durch die Entscheidung bestätigt und machte heiter weiter. Inzwischen gehört es für Spitzenpolitiker beinahe schon zum guten Ton, von Sixt verspottet zu werden … ;)

(Bilder: Bilder: e-Sixt GmbH & Co. KG)

 

 

 

 

17. Oktober 2015

Die tragische Geschichte vom Technoviking

Piraten fürchten weder Tod noch Teufel – aber den Technoviking!

Der gute Mann wurde berühmt, wollte das aber gar nicht. Der Künstler, der des Techno Vikings heroische Tat bannte, möchte weiterhin vom Techno Viking künden. Der Technoviking bemühte das Recht am eigenen Bild und konnte so am Landgericht Berlin eine Unterlassung hinsichtlich der gefilmten Bilder erwirken. Weitergehende Ansprüche, etwa auf Verbieten einer comic-haften Darstellung, zog er in der Berufung auf Anraten des Gerichts zurück.

Nun hat der Künstler, der sich als „verschuldet“ bezeichnet, eine Filmdokumentation erstellt, in welcher er den Techno Viking komplett zensiert hat und bittet um Spenden. Vorsicht: Es gibt durchaus Entscheidungen, die bei Wiedererkennungswert auch eine Silhoette als Eingriff in das Recht am eigenen Bild werten!

Wer den Hünen sehen will: Im Urteil ist er abgebildet …

17. Juni 2015

Gerhard Schröder ./. DER SPIEGEL: Coverstory – Update

Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder soll gegenwärtig die Autorität genommen werden. Wer ein Putinversteher ist, muss nun einmal damit rechnen, dass z.B. Geheimdienstinformationen und ähnliches an die Presse gespielt wird. Das ehemalige Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, das Putin nicht jetzt stoppte, aber das vielleicht ja mal später schaffen wird, ist sich natürlich nicht für eine entsprechende Medienoperation zu schade. So bildete man den Kanzler neben zwei weiteren Gestalten des Berliner Politbetriebs auf dem Cover ab.

Dabei bediente sich DER SPIEGEL als Stilmittel in einer Fotomontage der Optik von erkennungsdienstlichen Fotos. Dies ist natürlich insoweit problematisch, als dass die Printmedien dem Kodex des Deutschen Presserats (ha-ha!) zufolge nicht vorverurteilend berichten sollen. Kanzler Schröder ist bekanntlich sehr sensibel und lässt am Landgericht Hamburg schon mal Haare spalten.

Nun hat Schröder den SPIEGEL abgemahnt. Der Schritt dürfte eher ein Pressegag des ehemaligen Medienkanzlers sein, denn als Politiker aus der ersten Reihe muss man eben etwas abkönnen und ein dickes Fell haben. Andererseits muss man ja in der Hamburger Pressekammer mit allem rechnen …

Den Titel „Die Verführung – Das Kasachstan-Komplott. Wie sich deutsche Politiker von den Millionen eines Diktators und seiner Diener locken ließen“ wird man bei entsprechend aufgebotenen Anlasstatsachen als zutreffende Tatsachenbehauptung oder zulässige Meinungsäußerung bewerten dürfen. Allerdings sind meine Erfahrungen mit dem SPIEGEL bei der Recherche nicht durchgehend überzeugend.

Schröder könnte sich indes gegen die Darstellung mit schwarzen Haaren wehren, falls diese sich inzwischen dem Weiß eines berühmten Hamburger Richters angepasst haben sollten. ;)

UPDATE:

Habe jetzt die SPIEGEL-Story durch. Meine Skepsis über die Qualität der SPIEGEL-Recherche war berechtigt. Die Story ist sehr gut (auch wenn mich die vermutlich unappetitliche Quelle interessieren würde), aber einen Gehalt, der eine Kriminalisierung Schröders tragen könnte, habe ich da nicht gefunden.

20. Mai 2015

Fotografen in Bonn brauchen gute Motive

Wie mir nunmehr bekannt wurde, hat das Landgericht Bonn das Urteil des Amtsgerichts Bonn gegen den fotofreudigen Hilfssheriff bestätigt. In Bonn sieht man es als unrechtmäßig an, Personen ohne deren Einwilligung zu fotografieren, selbst wenn dieses unverfänglich oder nicht belästigend (weil heimlich) geschieht.

Über das Ergebnis kann man sich streiten. Rechtstechnisch ist die Begründung nicht überzeugend. Das Landgericht subsummiert den Fall unter das „Recht am eigenen Bild“ aus §§ 22 KunstUrhG. Dieses Gesetz regelt aber nicht das Anfertigen von Fotos, sondern nur das Verbreiten und zur Schau stellen von solchen.

Das historische KunstUrhG stammt aus einer Zeit, als man zum Anfertigen eines Fotos einen großen Aufwand wie einen Magnesiumblitz hatte und auch das Ausstellen und Verbreiten nicht ohne weiteres möglich war. Heute allerdings kann jeder Handybesitzer seine Bilder sofort weltweit twittern. Dazu braucht man andere Gesetze als die aus dem Postkutschenzeitalter.

Seit Entdeckung des allgemeinen Perönlichkeitsrechts durch das Bundesverfassungsgericht wissen wir, dass § 22 JunstUrhG und andere Gesetze nur die Ausprägung eines „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ sind. Eingriffe in gesetzlich ungeregelte Sachverhalte sind daher hieran und nicht am KunstUrhG zu messen, das insoweit auch kein lex specialis ist.

Hier stellt sich die Frage, ob tatsächlich eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers vorliegt. Das ist aus meiner Sicht nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat sich gerade erst kürzlich mit dem Recht der Fotofreiheit befasst, wenn auch im strafrechtlichen Zusammenhang. So wurde § 201a StGB verschärft, der das Anfertigen von Fotos in den in Abs.1, Nr. 1 und 2 und Abs. 3 Nr. 1  genannten Fällen untersagt.  Bei dieser Gelegenheit hätte der Gesetzgeber auch ein ggf. weitergehendes zivilrechtliches Verbot für solches Fotografieren formulieren können, das zwar nicht bestraft werden muss, jedoch zivilrechtlich zu unterlassen ist. (Die Neufassung von § 201a StGB trat erst zwei Wochen nach diesem Urteil in Kraft.)

Das ist nicht geschehen. Auch die Abs. 2 erfassten Fotos mit der Eignung, „dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden“, betreffen nur das Zugänglich-Machen, nicht aber die Anfertigung. Sofern der Bonner Fotograf nicht auf Privatgelände oder in einem FKK-Bereich knipst oder auf nackte Minderjährige oder gar auf militärische Sicherheitsbereiche draufhält, dürfte seine Fotofreude von der allgemeinen Handungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sein.

Die Bonner Gerichtevertreten allerdings vertreten die Rechtsauffassung, dass man zusätzlich zur allgemeinen Handlungsfreiheit auch ein „schützenswertes Eigeninteresse“ benötigt. Dem liegt wohl auf der Wertungsebene das Unbehagen darüber zugrunde, dass sich der Fotograf gewissermaßen als Hilfssheriffs aufführt und verdeckte Überwachung durchführt. Man assoziiert quasi Amtsanmaßung, die bei entsprechend ernsthaftem Auftreten sogar strafbar wäre (was vorliegend nicht der Fall ist). Denn dem Fotograf ging es um den Nachweis von Ordnungswidrigkeiten.

Nun gibt es durchaus Entscheidungen, in denen wahrnehmbare Kameras aus Gründen des Datenschutzes, wegen Schikane und Belästing usw. abgebaut werden mussten. Aber dass man Fotografen vorschreibt, aus welchen Motiven sie ihre Motive bannen, ist einigermaßen neu. Auch für heimliches Fotografieren hat der Gesetzgeber bislang keine anderen Regeln aufgestellt als für konventionelles.

Die Entscheidung sollte Privatdetektiven und investigativen Journalisten zu denken geben, die sich ggf. aus § 201a Abs. 4 StGB analog rechtfertigen müssen.

Landgericht Bonn, Urteil v. 07.01.2015 – Az.: 5 S 47/14.