Eine weltbekannte Turnierreiterin ließ reihum Publikationen wegen böser Zungen abmahnen. So gelangten Lichtbilder von Pferden mit blauer Zunge in Umlauf, aus denen Fachleute schließen, die Tiere seien so hart an die Kandarre genommen worden, dass Blut abgedrückt worden sei. Der Berliner Anwalt der entrechteten Stars und Sternchen bestritt vehement die Echtheit der in renommierten Zeitungen von etablierten Fotografen geschossenen Lichtbilder, dozierte von Beweislast und warnte vor hohen Schadensersatzforderungen usw.
Nicht alle ließen sich einschüchtern. Die Abmahnung war wohl doch nicht so werth-haltig, denn hier hat bislang nichts gewiehert …
Ich selbst kannte blaue Zungen im Sport nur bei Asterix.
Herr Alexander Pamen fällt seit Jahren mit fragwürdigen Abmahnungen wegen Verstößen auf, die oft Datenschutz betreffen. Meistens handelt es sich um Lappalien, in allen hier bekannten Fällen war er auch stets sein eigener Mandant. So bestellte er etwa Dinge im Internet, wenn die vorgeschriebene Bestätigungsmail aber etwas enthielt, was man als Werbung qualifizieren konnte, mahnte Pamen im eigenen Auftrag ab.
Pamen gab sich als Rechtsanwalt zu erkennen, dessen Kanzleisitz in Frankfurt sei, obwohl er eine Privatadresse in Berlin hatte. Später verlegte er den Kanzleisitz nach Berlin, dann aber sah er sich in der Schweiz um, verlegte seinen Kanzleisitz nach Zug und behauptet eine „Zweigstelle“ in Konstanz.
Bei sämtlichen vier mir bekannten Kanzleiadressen handelt es sich um Dienstleister, die Post entgegen nehmen usw. An Pamens Kanzleiadressen kann man daher nicht einmal den Briefkasten pfänden.
Auch seine wechselnden Bankverbindungen, soweit sie mir bekannt sind, waren mal in Finnland, mal in Litauen, was die Zwangsvollstreckung erschwert.
Wann er seinen privaten Wohnsitz in Berlin aufgab, ist unklar, seinen Social-Media-Aktivitäten zufolge war er schon etwas länger in der Schweiz, wo er inzwischen offiziell gemeldet ist.
Der datenschutzbewusste Herr Pamen wehrte sich meist gegen unverlangte E-Mails, sandte mir jedoch trotz digitalem Hausverbot über 250 E-Mails, in denen er mir drohte, im CC meist große Redaktionen, Staatsanwaltschaften usw. Er tauchte hier im Sommer auch eines Tages in Köln unangemeldet auf, um mich zu belästigen. Verhandlungen in Berlin fanden unter Polizeischutz statt (es waren jeweils zwei gut eingepackte Wachtmeister anwesend). Außerdem schickte mir Pamen ein Foto seiner Badehose.
Inzwischen hat Herr Pamen aus mir unbekannten Gründen seine deutsche Zulassung als Rechtsanwalt endgültig verloren.
Die von Pamen verursachten Prozesskosten können vermutlich kaum mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand vollstreckt werden, weil Pamen in die Schweiz ausgewandert ist und zudem einen konspirativen Lebensstil pflegt.
Falls Sie bei Herrn Pamen Schulden irgendwelcher Art haben sollten, etwa weil er gerichtliche Titel erstritten hat, bitte ich um Nachricht. In dem Fall können Sie ggf. schuldbefreiend an meine Mandanten leisten. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie denen Ihr Geld lieber geben werden als Herrn Pamen.
Herr Pamen hat mich neulich übrigens abgemahnt, weil ich ihn als Abmahnanwalt bezeichnet habe und preist die Schweizer Gerichte.
2009 hatte ich meinen Artikel Hamburg hört in Karlsruhe auf über die damals fragwürdige Rechtsprechung der Hamburger Pressekammer geschrieben. So war Karlsruhe denn auch der geeignete Ort, einmal die Entwicklung der Pressefreiheit nachzuzeichnen. Das habe ich im Rahmen der Gulaschprogrammiernacht in den Räumen der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe gemacht.
Anlass war die Änderung des Medienrechts, demzufolge Blogpostings seit November 2020 nicht mehr polizeifest sind.
Der meinungsfreudige Wikipedia-Autor mit dem Pseudonym „Feliks“ durfte deanonymisiert werden. Nach dreieineinhalb Jahren ging auch dieser Rechtsstreit (hoffentlich) nun zu Ende. Wie bereits die Hamburg Gerichte im Verfügungsverfahren und das Landgericht München im Hauptsacheverfahren, hat nun auch das OLG München ein hinreichendes Interesse der Öffentlichkeit an Identität und Person des Wikipedia-Autors bestätigt, und die Berufung von Feliks verworfen.
Im Beschluss findet der Senat für Feliks, vertreten von Herrn Rechtsanwalt Dr. Achim Dörfer, deutliche Worte:
„Die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 11.03.2022, die in weiten Teilen juristische Fachkenntnisse, insbesondere auf dem Gebiet des Äußerungsrechts, vermissen lassen, geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.“
„Inhaltlich falsch – und im Ton vollkommen unangemessen – ist der Vorwurf, die in vorliegender Sache tätigen Gerichte würden sich „als Experten zur Beurteilung der richtigen Berichterstattung über die Person von Prof. Dr. R. V. ‚aufspielen‘ . In der Sache bestätigt der Beklagte mit seinen Ausführungen, dass er sich bei der selektiven Wiedergabe des Lebenslaufs von Prof. Dr. V. nicht um Objektivität bemüht hat, sondern dass es ihm vor allem darauf ankam, dessen „Außenseiterposition“ herauszustellen.“
„Der Beklagte erhebt den Anspruch, es sei Sache des einzelnen Wikipedia-Autors, zu entscheiden, in welchem Umfang er frühere Aktivitäten der beschriebenen Person darstelle. In diesem Zusammenhang verkennt er grundlegend, dass der Leser von einem biographischen Beitrag erwartet, über den Werdegang der beschriebenen Person im Wesentlichen vollständig und objektiv informiert zu werden, um sich ein eigenes Urteil bilden zu können. Gerade Brüche im Lebenslauf oder die Abwendung von früher vertretenen Ansichten sind für den kritischen Leser dabei von besonderem Interesse. Die einseitige Auswahl der über Prof. Dr. V. berichteten Tatsachen lässt dagegen das Bestreben des Beklagten erkennen, alles zu verschweigen, was zu dem von ihm gezeichneten Bild eines „Außenseiters“ nicht passt. Anstatt sich mit den von ihm kritisierten Positionen inhaltlich auseinanderzusetzen, was auch im Rahmen einer Kurzbiographie zulässig ist und dem Leser wertvolle Orientierungshilfen geben kann, verschweigt der Beklagte wesentliche Aspekte des Lebenslaufs von Prof. Dr. V., um dem Leser die gewünschte negative Beurteilung von dessen Person aufzudrängen.“
„Wie das Oberlandesgericht Hamburg in seinem zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ergangenen Urteil vom 03.03.2020 (Az: 7 U 63/19, AfP 2020, 229) – in anderem Zusammenhang – zutreffend ausgeführt hat, kommt dem Medium „Wikipedia“ sowohl eine erhebliche Breitenwirkung als auch – aufgrund der ständigen Bearbeitung der Beiträge durch die Nutzer selbst – der „Nimbus besonderer Objektivität“ zu. Die Frage, wer die Einträge erstellt und bearbeitet, kann daher insbesondere dann von öffentlichem Interesse sein, wenn es um Beiträge zu zeitgeschichtlichen oder politischen Themen geht und der konkrete Bearbeiter einer bestimmten politischen oder religiösen Richtung zuzuordnen ist (OLG Hamburg a.a.O., Rn. 40). Entgegen der Ansicht des Beklagten erschöpft sich das Interesse der Öffentlichkeit an der Identität des Wikipedia-Autors „Feliks“ nicht darin, den Beklagten verklagen, über ihn weiteres Material herausfinden oder mit ihm in Kontakt treten zu können. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat der Beklagte jedenfalls bei der Bearbeitung der Einträge über Prof. Dr. V, N. S., K. M. und E.D. diejenige Objektivität der Darstellung vermissen lassen, welche der verständige und unvoreingenommene Leser von einer Kurzbiographie auf „Wikipedia“ erwarten darf. In den vorgenannten Fällen hat der Beklagte sich ersichtlich davon leiten lassen, dass er die von den Betroffenen vertretenen Personen zum Nahostkonflikt ablehnt. Eine Unterrichtung darüber, welcher politischen und religiösen Richtung der Beklagte zuzuordnen ist, liefert dem Leser deshalb wesentliche Hintergrundinformationen, die ihm das Verständnis der vom Beklagten verfassten oder bearbeiteten Wikipedia-Einträge erleichtern.“
OLG München, Beschluss vom 12.04.2022 – 18 U 2509/21 Pre. Nichtzulassungsbeschwerde möglich.
(Hinweis zum Video: Die darin enthaltene Rechtsmeinung, Wikimedia könne man nur in den USA mit einem US-Anwalt verklagen, ist unzutreffend. Man kann die in den USA ansässige Wikimedia-Foundation problemlos in Deutschland verklagen.)
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Online-Enzyklopädie Wikipedia eine besondere Glaubwürdigkeit genießt, obgleich bekannt ist, dass Änderungen theoretisch für jedermann möglich sind. Der Durchschnittsleser geht durch den Selbstkontrollmechanismus von einer gewissen Objektivität aus (OLG München, WRP 2012, 1145; Spindler/Schuster/Micklitz/Namysłowska, 4. Aufl. 2019, UWG § 5a) Rn 76.) Der Leser einer Enzyklopädie Wikipedia erwartet üblicherweise Fakten und keine Verdächtigungen (LG Berlin, Urteil vom 28.8.2018 – 27 O 12/17, ZUM 2019, 65). Der Inhalt eines manipulierten Artikels suggeriert eine Scheinobjektivität, wenn die für Wikipedia typische Darstellung von Streitständen unterbleibt. Der verschleiernde Charakter wird dabei nicht durch relativierende Diskussionsbeiträge beseitigt, weil diese vom durchschnittlichen Wikipedia-Nutzer nicht zur Kenntnis genommen werden (OLG München, WRP 2012, 1145; Spindler/Schuster/Micklitz/Namysłowska, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, UWG § 5a Rn. 77).
Die Wikipedia ist insbesondere kein Meinungsforum. Da die Wikimedia-Stiftung als Betreiberin der Wikipedia-Domain ihren Sitz in Kalifornien hat, ist sie als ausländische juristische Person keine Grundrechtsträgerin der Presse- oder Rundfunkfreiheit (Dilling, Olaf: Persönlichkeitsschutz durch Selbstregulierung in der Wikipedia, ZUM 2013, 380). Für die Wikipedia-Autoren gelten die Sorgfaltsmaßstäbe nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend hat der Erklärende die Voraussetzungen des § 193 StGB darzutun und im Bestreitensfall zu beweisen (Gomille, Christian: Negatorische Haftung der Wikipedia-Betreiberin, ZUM 2019, 69). Auch der BGH unterscheidet Internetangebote mit nutzerbasierten Beiträgen dahingehend, ob der Betreiber Neutralität, objektiv nachvollziehbare Sachkunde und Repräsentativität hinsichtlich der Beurteilungen der Nutzerbeiträge für sich in Anspruch genommen hätte, oder ob er sich als ein Meinungsformum versteht und darstellt (BGH, Urteil vom 14.1.2020 – VI ZR 496/18, NJW 2020, 1587). Die Wikipedia beansprucht unstreitig einen neutralen Standpunkt und untersagt den Nutzern in den Artikeln eigene Meinungsbeiträge (Wikipedieregel: Keine Theoriefindung, Wikipediaregel: Neutraler Standpunkt).
Diese Auffassung hatte das OLG München letzte Woche sogar in einem Hinweisbschluss, der gegen denselben Beklagten ergangen war, bekräftigt:
„Von einem biographischen „Wikipedia“-Beitrag erwartet der maßgebliche Leser aber, dass er über Werdegang und Persönlichkeit der beschriebenen Person im Wesentlichen vollständig und objektiv informiert wird. Diese Erwartung schließt eine kritische Auseinandersetzung des Verfassers mit dem Denken und Handeln der beschriebenen Person keineswegs aus. Mit seiner Bearbeitung hat der Beklagte aber die Grenzen objektiver Darstellung überschritten, weil er dem Leser die gewünschte Bewertung der Person von Prof. Dr. Verleger geradezu aufdrängt und es ihm durch Verschweigen wesentlicher Aspekte von dessen Biographie erschwert, sich eine eigene Meinung zu bilden.„
Insbesondere ist eine Enzyklopädie mit neutralem Geltungsanspruch kein Ort für eigene subjektive Auffassung der Bearbeiter. Die Einträge des Beklagten standen im Widerspruch zum Willen der Geschäftsherrin Wikimedia, § 678 BGB. Auch die durchaus haftende Plattformbetreiberin hat am gezielten Verstoß gegen den in den Wikipedia-Regeln geforderten neutralen Standpunkt kein Interesse, schon weil sie selbst nicht die europäischen Medienfreiheiten beanspruchen kann, sondern grenzt sich sogar ausdrücklich von einem Meinungsforum ab.
Zur Ausübung von Meinungsfreiheit stellt die Wikipedia den Nutzern zu jedem Artikel ein Diskussionsforum zur Verfügung, wo streitige Änderungen diskutiert werden sollen. Im Artikel jedoch sind subjektive Ansichten von Nutzern ausdrücklich unerwünscht. Mutwillige Regelverstöße bezeichnet man im Wikipedia-Jargon zutreffend als „Vandalismus“. Ebenso wenig, wie Sachbeschädigung oder verbotene Eigenmacht mit Meinungsfreiheit gerechtfertigt werden kann, muss sich die Wikipedia eine Meinung des Beklagten als vermeintlich eigene aufdrängen und unterschieben lassen. Auch der Kläger muss den aufgedrängten Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte durch vorgetäuschte Objektivität nicht hinnehmen.
Es ist bereits verfehlt, anonymes Eintragen unwahrer oder irreführender Informationen in fremde Texte überhaupt unter Äußern von Meinung zu subsumieren, da der subjektive Charakter der Einträge verschleiert bzw. aufgegeben wird. Eine persönliche Zuordnung eines Eintrags zu einem bestimmten Nutzer ist nur unter erheblichem Aufwand recherchierbar, nämlich durch Abgleich mit der gesamten Versionsgeschichte.
Behaupten einer Tatsache setzt streng genommen eigentlich vorraus, dass man sein Haupt auch zeigt. Im Gegensatz zur Tatsachenbehauptung misst eine Meinungsäußerung einen Vorgang oder Zustand an einem vom Kritiker gewählten Maßstab. Davon geht die h.M. aus, wenn die Äußerung den Empfänger als subjektive Meinung anspricht und ihm als solche erkennbar ist. Es kommt darauf an, ob die Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, Burkhardt (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap, Rn. 48, mwN.). Eine solche Prägung oder Erkennbarkeit ist bei subversiv in einem fremden Text platzierten Informationen, von denen Leser zumindest das Bemühen um Neutralität sowie eine kollektive Äußerung erwarten, denknotwendig ausgeschlossen. Insbesondere wäre die Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB in einer Enzyklopädie ausgeschlossen, da diese gerade keine eigenen Bewertungen anstellen, sondern tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen von Dritten abbilden soll, nicht aber solche der Nutzer. Auch die Rechtsprechung differenziert zwischen Websites mit neutralem Geltungsanspruch und Meinungsportalen, BGH, Urteil vom 14.1.2020 – VI ZR 496/18.
Laut einem am 31.01.2022 verkündeten Urteil des OLG Koblenz hingegen scheinen dort andere Maßstäbe zu gelten. Das OLG Koblenz hält Wikipedia-Artikel offenbar sogar für ein Meinungsforum. Dort werden sachlich unstreitig falsche Äußerungen als „wahr“ bezeichnet, wenn man sie mit einer Quelle referenziert (und nicht etwa als subjektive Meinung darstellt). Am OLG Koblenz darf man Autoren, die man fertig machen möchte, eine aus abenteuerlichen Umkehrschlüssen konstruierte „Zusammenfassung“ in den Mund legen und sie damit als scheinbar verrückt erscheinen lassen. Man darf sich aus einem Leben anderer Leute selektiv bedienen und Autoren und sie in Verbindung mit politischen Ansichten von andere Personen bringen, die sie irgendwann einmal unerwartet getroffen haben. Man darf den Eindruck eines gescheiterten Künstlers erwecken, dessen Werke scheinbar nie aufgeführt worden seien und der konzertantes Komponieren aufgegeben habe.
Tatsächlich ist der Kläger ein hochintelligenter, gebildeter und wissenschaftlich sorgfältig arbeitender Mann. Er spricht fünf Sprachen fließend, lebte in verschiedenen Ländern (Israel, Island, Deutschland), war Informatiker schon zu Zeiten von Lochkarten, studierte dann Musik, gehörte in den 70er Jahren zu den Pionieren von Computermusik, bereiste die Welt und publizierte in juristischen Fachzeitschriften zu Menschenrechten. Wegen seiner Kompetenz zum Thema Wirtschaftssanktionen hatte ihn eine kalifornische NGO ihn ca. 1999 und 2000 zweimal als Vertreter zur jährlichen Sitzung der Menschenrechtskommission der UNO in Genf gesandt. Das ermöglichte dem Kläger, als Beobachter an verschiedenen Ausschüssen teilzunehmen und mit Delegierten der verschiedenen Staaten über die Sanktionen zu sprechen. Damals traf der Kläger in dieser Angelegenheit Graf Hans-Christoph von Sponeck, Nachfolger von Denis Halliday als UN-Koordinator für humanitäre Fragen in Irak. Im Februar 2000 reichte auch von Sponeck (nach Halliday) seinen Rücktritt aus Protest gegen die Sanktionspolitik des UN-Sicherheitsrates ein, die er verantwortlich für das Sterben mehrerer hunderttausender irakischer Kinder sah. Soweit bekannt, wurden dem Kläger bislang kein Recherchefehler nachgewiesen. Seine Bücher sind in diversen Sprachen erschienen. Er erhielt internationale Einladungen bis hin nach Pakistan, unter anderem wurde ihm ein Preis im House of Lords verliehen.
Der Beklagte hingegen, dessen Lebensleistung sich dagegen eher bescheiden ausnimmt, räumte in seiner Berufungsschrift sogar ein, dass er mit seiner Bearbeitung Dritte vom Lesen der Bücher des Klägers (die er selbst offenbar nicht kennt) abhalten wollte, da dem Kläger nur ein schlechter Ruf zustehe. Für mich klingt das nach Kreditgefährdung iSd § 824 BGB und vorsätzlich sittenwidriger Schädigung iSd § 826 BGB.
Kontrolle und Abschirmen eines komplett einseitigen und verzerrenden Artikels gegen sachliche Korrekturen scheint für das OLG Koblenz jedoch völlig in Ordnung zu sein. Die Tatsache, dass der Kläger wegen der völlig verzerrten Darstellung über Jahre hinweg im Internet und damit automatisch auch im richtigen Leben wegen ihm untergeschobenen politischen Thesen und Auffassungen geächtet und sozial isoliert wurde, soll nach Meinung des OLG Koblenz nicht so schlimm gewesen sein. Außerden hätte der Kläger, der jahrelang beim Bemühen um Korrekturen in seinen Beitrag gescheitert war, nach Enttarnung von Feliks keinen Anwalt bemühen müssen, man hätte ihn ja auch privat anschreiben und nett fragen können.
Dementsprechend wird das OLG Koblenz sicherlich nichts dagegen haben, dass ich dessen Urteil wie in der Überschrift zusammengefasst habe.
OLG Koblenz, Urteil vom 31.01.2022 – 9 U 195/21 (nicht rechtskräftig).
Unter seinem Pseudonym „Feliks“ missbrauchte ein in der Linkspartei vor einem Jahrzehnt gescheiterter Politiker die Wikipedia, um dort die Biographien von über 200 Personen seinem extremen Narrativ entsprechend zu manipulieren.
Hierzu legte er seinen Medienopfern u.a. erfundene Äußerungen in den Mund und erweckte den Eindruck politisch fragwürdiger Positionen, die notwendig zu politischer Ächtung und sozialer Ausgrenzung führten. Bücher der von ihm diskreditierten Autoren hatte Feliks nicht einmal gelesen. In einem anderen Rechtsstreit räumte er sogar seinen Vorsatz sein, Leser von der Beschäftigung mit der von ihm geächteten Person abzuhalten, da dieser kein anderer als ein schlechter Ruf zustehe.
Etliche Journalisten und Politiker gingen Feliks auf den Leim und beteiligten sich an Hexenjagden. Selbst Rechtsanwälte verweigerten einem von Feliks‘ Medienopfern ihr Ohr, obwohl unvoreingenommener Kontakt gerade mit schwierigen und gestrauchelten Menschen deren professionelle Aufgabe gewesen wäre.
Die eigene Medizin, nämlich das Licht der Öffentlichkeit, schmeckte Felix offenbar nicht, und er entdeckte vor dreieinhalb Jahren plötzlich das allgemeine Persönlicheitsrecht.
Bereits das Landgericht München, das Landgericht Hamburg und das Oberlandesgericht Hamburg hatten entschieden, dass man den politisch extrem einseitigen, selektiven und fälschenden Wikipedia-Autor Feliks beim Klarnamen nennen darf. Dem hat sich jetzt auch das Oberlandesgericht München in einem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss angeschlossen:
„Ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an derjenigen Person, die sich hinter dem Pseudonym „Feliks“ verbirgt, ist jedenfalls deshalb anzuerkennen, weil der Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts bei der von ihm vorgenommenen Bearbeitung der vier Beiträge diejenige Objektivität der Darstellung hat vermissen lassen, die der verständige und unvoreingenommene Leser von einer Kurzbiographie auf „Wikipedia“ erwartet und auch erwarten darf. In allen vier Fällen hat sich der Beklagte dabei ersichtlich davon leiten lassen, dass er die von den Betroffenen vertretenen Positionen zum Nahostkonflikt ablehnt. Er hat sich mit diesen Positionen aber nicht in der Sache kritisch auseinandergesetzt, sondern den Betroffenen pauschal – und zum Teil auf recht dürftiger Tatsachengrundlage – den Stempel des „Antizionismus“ aufgedrückt.“
Die Strafverfolgungsbehörden sahen übrigens keinen Anlass, um gegen die üble Nachrede und Verleumdung einzuschreiten. Damit bleibt Medienopfern nur der Zivilrechtsweg.
Gestern lief in der ARD eine TV-Serie über eine Medienanwältin an.
Wenn ich mir die Dramen und Komödien so ansehe, die hier täglich passieren, sowie die bunte Klientel von Medienanwälten (Straftäter, Comedians, Politiker, Wissenschaftler, Industrielle, investigative Journalisten, Geheimagenten, untergetauchte Mandanten …), würden sich die Geschichten fast von selbst schreiben. „Kir Royal“ trifft „Liebling Kreuzberg“ – zwei Serien, die vor allem von brillant recherchierten Drehbüchern lebten.
Beim Vorspann der Serie hatte ich noch ein Lächeln auf den Lippen, denn die Musik erinnerte mich an einen Gangster-Rapper, den ich ständig verklage. Die Gesichtszüge entglitten mir allerdings schon beim ersten Text der schicken Anwältin. So verkündete sie, dass sie 250.000,- € „Schadensersatz haben“ wolle. Dieser Betrag steht in jedem Unterlassungstitel und bezeichnet die maximale Höhe des Ordnungsgeldes, das man bei einem Verstoß an die Staatskasse zahlen muss. Offensichtlich also hat sich das Drehbuch nicht einmal bei der Endredaktion ein Jurist angesehen. Das ist in etwa so peinlich wie eine Tatort-Kommissarin, die nach zwei Jahrzehnten Totschlag für „Mord ohne Vorsatz“ hält (wie neulich Ulrike Folkerts).
Die Drehbuchautoren verwechseln denn auch eine Anwältin mit einer Journalistin, die Redaktionskonferenzen abhält, zu den Gegnern fährt und Mandanten im Krankenhaus betreut. Arbeitsplätze von Anwälten sind jedoch Schreibtisch, Gerichtssaal und ICE. Ansprechpartner sind ab der Abmahnung auch nicht die Gegner persönlich, sondern deren Anwälte. Gerade hier hätte Potential gelegen, denn die Schlagabtausche von Anwälten in Mediensachen haben es bisweilen in sich.
Was gäbe es im Medienrecht für gute Storys! Schachspiel mit Schriftsätzen, Intrigen, Täuschung oder diverse Kollegen mit eigenwilligem Auftreten, Fristende bei nicht funktionierenden Faxgeräten, anonyme Gegner im Internet, skurrile Richter …! Die Drehbuchautoren haben mit einer Recherche nicht einmal begonnen.
Bei meinen Romanen hätte ich mir eine so banale Herangehensweise nicht ansatzweise erlaubt.
Update: Offenbar ist der Kollege Schertz „Equity Partner“ der Serie und einen Cameo-Auftritt. Dann aber bleiben die Drehbuchautoren dann aber erst recht hinter ihren Möglichkeiten, denn der Kollege hätte etliche spannende Fälle zu bieten gehabt.
Da die Berichterstattung über Julian Assange erfahrungsgemäß unzuverlässig und politisch gefärbt ist, bin ich zum Berufungsverfahren der USA gegen die Ablehnung des Auslieferungsgesuchs persönlich nach London gefahren, um mir ein eigens Bild zu machen.
Dem Angeklagten, den die USA für sein restliches Leben wegsperren oder dieses beenden wollen, wurde die Teilnahme am Prozess offenbar gegen seinen Willen verwehrt. Auf einem Video, das uns kurz gezeigt wurde, konnte man ihn im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh sehen.
Den Prozessbeobachtern wird überwiegend auch nur ein Stream etwa im Nebenraum gewährt. Die Qualität unterschreitet den Standard, den deutsche Gerichte bei Online-Verhandlungen einhalten. So sieht man nur zwei Kameras aus der Totalen von hinten, und kann allenfalls erahnen, wer gerade spricht.
Das Absurde ist, dass Assange jahrelang von Schweden eine Online-Befragung zu den damaligen Vorwürfen verwehrt wurde. Video sei zur Vernehmung nicht gut genug. (Tatsächlich wird derartiges bei grenzüberschreitenden Vernehmungen offenbar schon lange gemacht.)
Das Auslieferungsbegehren der USA war einzig aus humanitären Gründen abgelehnt worden, das Suizidgefahr zu befürchten sei. Bei der gestrigen Verhandlung wurde darüber gefeilscht, wie suizidgefährdet und psychisch krank Assange wirklich sei. So könne er nach Meinung des US-Vertreters nicht autistisch sein, da er ja Beziehungen eingegangen sei und Kinder gezeugt habe. Wer autistische Freunde hat, kommt vermutlich zu anderen Ergebnissen.
Den Namen Julian Reichelt hörte ich das erste Mal, als ich auf einer journalistischen Veranstaltungen mit ihm in einer Diskussionsrunde zu diesem Thema saß. Reichelts Äußerungen offenbarten nicht nur einen stramm transatlantischen Kompass, sondern auch eine erstaunliche Naivität zur Zuverlässigkeit von Kriegsberichterstattung. (Jeder, der hierzu auf Augenhöhe mitreden möchte, sollte mindestens Phillip Knightley: „The First Casualty“ gelesen haben.)
Umso erstaunter war ich, als ich erfuhr, dass der mir als journalistisches Greenhorn erscheinende Reichelt einmal ausgerechnet Kriegsreporter gewesen sein soll. Da ich BILD allenfalls aus beruflicher Veranlassung lese, ist mir Reichelts literarisches Schaffen praktisch nur aus Tweets bekannt. Als Reichelt ausgerechnet zum Häuptling der BILD befördert wurde, sagte das eigentlich alles.
Statt über seine überschaubaren journalistischen Fähigkeiten stolperte Reichelt nunmehr (erneut) über sein Privatleben, das er mit seiner beruflichen Position in einer Weise verquickte, wie es in den 1960er Jahren akzeptiert gewesen sein mag. Die beißende Pointe – auf die im Gegensatz zu deutschen Redaktionen nur die im prüden Amerika ansässige New York Times anspielt – ist die delikate Tatsache, dass Friede Springer ihre Verlegerinnen-Karriere in ähnlicher Weise wie Reichelts Affären mit Untergebenen begann, nämlich als Kindermädchen bei Axel Springer.
Die New York Times berichtet außerdem von angeblich gefälschten Scheidungspapieren, die Reichelt vorgelegt haben soll. Urkundenfälschung zählt bei Strafverfolgungsbehörden nicht zu den Kavaliersdelikten und erlaubt, wenn sich der schwerwiegende Vorwurf als zutreffend herausstellen sollte, Rückschlüsse auf Reichelts Integrität. Wenn man es mit Lug und Trug zu Deutschlands vermutlich mächtigstem Chefredakteur bringen kann, wenn man denn nur den richtigen Leuten nach dem Mund redet, wäre das Anlass zur Besorgnis.
Die Recherche zu Reichelt ist presserechtlich problematisch, da sensible Dokumente aus einem Compliance-Verfahren durchgestochen wurden, bei dem die Beteiligten zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Der Verlag hat eine entsprechende Untersuchung angekündigt. Die Beurteilung wird sich nach der Wallraff-Rechtsprechung richten: Ähnlich wie beim Redaktionsgeheimnis und dem Anwaltsgeheimnis muss es bei interner professioneller Kommunikation geschützte Räume geben, in denen man offen sprechen kann. Kann jedoch ein gesellschaftlich erheblicher Missstand nicht anders recherchiert werden, darf bei überwiegendem Berichtsinteresse der Öffentlichkeit ausnahmsweise auch rechtswidrig beschafftes Material verwendet werden.
Eine andere Frage ist, ob sich die Hinweisgeber durch ihre Indiskretion strafbar gemacht haben. Davon wird auszugehen sein.
Ein Mandant, der vor Jahren in einen falschen Verdacht geraten war und sich damals hiergegen erfolgreich gewehrt hatte, wurde in der deutschsprachigen Wikipedia als Schuldiger dargestellt, dies mit despektierlichen und sarkastischen Formulierungen, die in einer Enzyklopädie nichts zu suchen haben und Pseudozitaten. Die vorverurteilende Darstellung entsprach weder den Wikipedia-Regeln noch ansatzweise den strengen Anforderungen der Rechtsprechung an zulässige Verdachtsberichterstattung.
Wikimedia erkannte heute die Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg an, da die Sach- und Rechtslage eindeutig war. Das war sie aber schon vor einem Jahr, als wir die Klage erhoben.
Entgegen der PR, die im Bezug auf das für einen anderen Mandanten erstrittene Schmerzensgeldurteil gegen Grünewald am Landgericht Koblenz verbreitet wurde, kümmern sich weder der deutsche Wikimedia-Verein noch die Wikipedia-Admins um Eingaben, die auf offiziellem Wege eingehen.
Rechtlich verantwortlich ist die in den USA ansässige Wikimedia Foundation, welche die Datenbank betreibt. Diese veranlasste weder auf das anwaltliche Hinweisschreiben vom Juni 2020 noch auf die Klagezustellung, die COVID-bedingt erst am 24.12.20 erfolgt war, irgendetwas. Erst zwei Monate später wurden kommentarlos einige Einträge halbherzig geändert. Im Gegenteil wurde der Mandant sogar für den „Frevel“, dass er einen fairen Umgang mit der falschen Verdächtigung eingefordert hatte, durch Nachtreten bestraft. Die von Wikimedia beauftragte Kanzlei beantragte trotz der eindeutigen Rechtslage eine Fristverlängerung nach der anderen.
Dem betagten Mandant raubte die rufmordende Wikipedia damit ein ganzes weiteres Lebensjahr, was ihn u.a. an ehrenamtlicher Tätigkeit in der Öffentlichkeit hinderte. Die bittere Ironie an der Sache ist, dass die Wikipedia auf diese Weise ausgerechnet ein Engagement des Mandanten für ein Denkmal über die Bücherverbrennung sabotierte.
Meine vor 15 Jahren gebildete Meinung über die Mentalität der deutschen Wikipediaverantwortlichen wurde erneut zu 100 % bestätigt: Neureich, arrogant, selbstherrlich, verantwortungslos. Für eine Enzyklopädie mit der Alltagsbedeutung der Wikipedia möchte man sich Besseres wünschen, insbesondere endlich ein Verfahren, das sich wenigstens im Ansatz an Rechtsstaatlichkeit messen lassen könnte. Dazu würde auch eine Weisung an die eigenen Anwälte gehören, dass aussichtlose Rechtsstreite vor Gericht nicht um ihrer selbst Willen in die Länge gezogen werden.