10. Juli 2015
Das Konzept der Kölschen Richter, Altkanzler Kohl habe durch Besprechen fremder Tonbänder diese „verarbeitet“ und dadurch sachenrechtlich Eigentum an diesen erworben, fand ich sehr charmant, aber juristisch revolutionär. Der BGH mochte dieser Konstruktion nicht folgen, sondern löste das Problem zugunsten Kohls vertragsrechtlich:
Der Kläger ist zwar nicht – wie das Oberlandesgericht meint – durch „Verarbeitung“ (§ 950 Abs. 1 Satz 1 BGB) Eigentümer der Tonbänder geworden. Ein Tonband wird allein durch das Aufnehmen von Tondokumenten nicht zu einer neuen Sache; dass die Tondokumente historisch wertvoll und einmalig sind, ändert daran nichts.
Die Tonbänder sind aber aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Auftragsverhältnisses herauszugeben. Die Parteien haben in Ausführung der Verlagsverträge miteinander konkludent eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über das von dem Kläger zur Verfügung zu stellende Material getroffen. Diese Vereinbarung stellt rechtlich ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis dar, wobei der Kläger als Auftraggeber anzusehen ist. Denn allein dieser hatte nach den Verlagsverträgen über den Inhalt der Memoiren zu entscheiden. Nachdem der Kläger die Zusammenarbeit beendet und damit den Auftrag widerrufen hat, ist der Beklagte nach § 667 BGB verpflichtet, ihm alles herauszugeben, was er zur Ausführung des Auftrags erhalten und aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Hiervon erfasst sind nicht nur zur Verfügung gestellte Dokumente, sondern auch die dem Beklagten mitgeteilten und von ihm aufgezeichneten persönlichen Erinnerungen und Gedanken des Klägers. Auf das Eigentum an den Tonbändern, auf denen die Lebenserinnerungen des Klägers aufgezeichnet sind, kommt es nicht an. Wer fremde Geschäfte besorgt und damit auf die Interessen eines anderen zu achten hat, soll aus der Ausführung des Auftrags keine Vorteile haben, die letztlich dem Auftraggeber gebühren. Setzt der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags untergeordnete Hilfsmittel, wie beispielsweise ein Tonband, ein, muss er deshalb auch das Eigentum daran an den Auftraggeber übertragen, wenn das Erlangte anders nicht herausgegeben werden kann.
LG Köln – Urteil vom 12. Dezember 2013 – 14 O 612/12
OLG Köln – Urteil vom 1. August 2014 – 6 U 20/14
Karlsruhe, den 10. Juli 2015
16. Februar 2015
Dieser Tage begegnen mir in Köln lauter Personen beiderlei Geschlechts, die als Pippi Langstrumpf verkleidet sind. Dabei muss ich mich natürlich jedesmal an die Entscheidung des Bundesgerichtshof vom letzten Jahr erinnern, der sich exakt damit auseinander zu setzen hatte. So hatte nämlich ein Anbieter von Kostümen mit einem solchen geworben, das unzweifelhaft Pippi Langstrumpf darstellte.
Nun ist es aber so, dass auch fiktive Charakter vom Urheberrecht geschützt sein können. So war es mal einem Autor verwehrt worden, einer Figur aus dem Roman „Dr. Schiwago“ ein literarisches Eigenleben anzudichten. Nicht allerdings kann man jemandem untersagen, sich mit einer Romanfigur zum privaten Gebrauch zu befassen und zu identifizieren, etwa sich im Karneval als solche zu verkleiden. Und auch die „Beihilfe“ hierzu, selbst wenn sie kommerziellen Charakter hat, kann nicht durch Urheberrecht verboten werden. Anders wäre der Fall gewesen, hätte sich der Anbieter auch an den Markenrechte versündigt …
BGH, Urteil vom 22.01.2014 – Az. I ZR 164/12
11. Februar 2015
Vor ein paar Jahren betreute ich einen Fall gegen einen Vertreter der mir bis dahin unbekannten „Germanischen Neuen Medizin“. Das sind rechts-esoterische Impfgegner, deren Auffassung zur Schulmedizin jedenfalls nicht evidenzbasiert sind. Diese Leute versuchten damals, ihre „fachlichen“ Diskussionen auf einer Mailingliste unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen, hatten sich allerdings V-Leute eingefangen.
-> Die Mailing-Liste der Schrumpfgermanen
Unsere Rechtsauffassung, dass die Veröffentlichung entsprechender Kommunikation rechtmäßig war, wurde uns schließlich vom BGH bestätigt. Wie ich später erfuhr, wurde unser Kontrahent vermögenslos, weil er auf irgendeine Glücksspielsache reingefallen sein soll. Solange sich jeder mit seiner Dummheit nur selbst schädigt und für andere kein ernst zu nehmendes Beispiel gibt, soll sich halt jeder blamieren, so gut er kann. Aber er muss Kritik daran nun einmal hinnehmen.
Nunmehr steht ein im rechten Millieu orientiertes Paar vor Gericht, weil sie ihr Diebetes-krankes Kind statt mit Insulin lieber mit Rohkost therapieren wollten. Bereits 2007 hatten Ärzte das Jugendamt über ihren Verdacht bestätigt, dass die Eltern ihrer Sorgepflicht nicht ausreichend nachkämen. 2009 starb es.
24. Oktober 2014
Der Europäische Gerichtshof hat sich auch meiner Meinung zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des Einbindens von YouTube-Videos angeschlossen. Wenn etwas anderes rausgekommene wäre, hätte ich mit meinem Blog Insolvenz anmelden müssen … ;)
EuGH C-348/13 Beschluss vom 21. Oktober 2014
Die Entscheidung bezieht sich nur auf Urheberrecht. In der nach wie vor am OLG Hamburg anhängigen Klehr-Berufung geht es um Persönlichkeitsrecht. Ich glaube allerdings nicht, dass ein verständiges Gericht da zu anderen Ergebnissen kommt.
admin •
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7. Oktober 2014
Anders als die meisten heutigen Politiker rannte der ewige Kanzler Helmut Kohl den Medien nicht hinterher. Insbesondere am TV war der Kanzler desinteressiert. Dem SPIEGEL verweigerte er ab einem bestimmten Zeitpunkt jeglichen Kontakt. Als Grund für dem Liebesentzug sehen gut informierte Kenner eine flapsige Zeile des SPIEGELs, in dem die Journalisten einen Seitensprung andeuteten. In der Bonner Republik galt das Privatleben von Politikern als absolutes Tabu.
Kohl, der eine Generation an Stimmimitatoren ein sicheres Auskommen bescherte, kam auch nicht auf die Idee, seine Gegner durch Klagen aufzuwerten. Ins Gericht ging der Kanzler allerdings dann, wenn es gegen seine Frau ging. Hannelore Kohl veranstaltete sogar einmal eine Ausstellung mit Kohl-Karikaturen und gab ein Kochbuch mit dem Titel „Was Journalisten anrichten“ heraus.
Derzeit richtet sich das Auge der Medienrechtler auf das im Heyne-Verlag erscheinende Buch des geschassten Kohl-Biographen Heribert Schwan. So hatte Schwan an drei Bändern der Kohl-Memoiren mitgewirkt, hierfür jedoch keine Verschwiegenheitserklärung oder einen sonstigen Vertrag unterzeichnet. Einen Vertrag hatte Kohl ausschließlich mit dem Verlag:
„Der Verlag sichert zu, dass [der Beklagte] persönlich die schriftliche Abfassung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Autors übernimmt. Der Autor wird im Gegenzug [dem Beklagten] entsprechenden Einblick in relevante Unterlagen geben und ihm in ausreichendem Maße für entsprechende Gespräche zur Verfügung stehen (mindestens 200 Stunden). Die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen [dem Beklagten] und [dem Kläger] werden diese direkt besprechen.“
Im schließlich vom OLG Köln, Az 6 U 20/14, entschiedenen Fall hatte Kohl die Herausgabe der Tonbänder als solche herausgeklagt. Das Gericht gestand Kohl das sachenrechtliche Eigentum (§ 985 BGB) an den Tonbändern zu, weil es Kohl als Hersteller der Tonbandaufzeichnungen nach § 950 BGB bewertete. Der eigentliche Wert der Tonbänder bestehe nicht in ihrem Materialwert, sondern – unabhängig von der Frage urheberrechtlicher Schutzfähigkeit – im immateriellen Gehalt der auf ihnen dokumentierten Äußerungen des Klägers. Der Fall liegt nun beim BGH.
Urheberrechtlich und persönlichkeitsrechtlich war die Entscheidung offenbar witzlos. Zwar hat Kohl die 200 Bänder jetzt in Oggersheim gebunkert, doch Schwan, der kleine Pirat, hat sich natürlich Kopien gezogen … Und daraus nun sein Buch gezimmert, das er – Kohl zum Hohn – ausgerechnet mit PR-Partner SPIEGEL vermarktet. Diesen Dienstag wurde das Werk vorgestellt. Als treueste Kohl-Verteidigerin erwies sich mal wieder die BILD-Zeitung, deren Abgesandter sich um Kohls „geistiges Eigentum“ sorgte.
Soweit bekannt, hat sich der Heyne-Verlag noch keine einstweilige Verfügung eingefangen. Allerdings dürfte das Buch hinsichtlich Persönlichkeitsrecht mehr als spannend werden. Das vom Focus kolportierte Ziel, die Veröffentlichung zu stoppen, hat der Alt-Kanzler nicht erreicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach sitzen nun die Kohl-Anwälte in dieser Nacht bei Kaffee und Pizza, um schnellstmöglich ein Fax in Richtung Hamburg, Berlin oder Köln zu schicken. Wir werden in Kürze erfahren, welche Kammer das Rennen gemacht hat.
admin •
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30. September 2014
Der BGH hat sich erneut mit der pressemäßigen Nutzung von fremden E-Mails beschäftigt. Vor ein paar Jahren hatte ich den BGH davon überzeugt, die Revision gegen ein Urteil des OLG Stuttgart nicht zur Entscheidung anzunehmen, das die Nutzung von E-Mails aus einer vermeintlich privaten Mailingliste erlaubte.
Nunmehr ging es um E-Mails eines Politikers, die auf einem ihm abhanden gekommenen Rechner gefunden wurden. (Passiert häufig: Allein in London werden jährlich an die 1.000 Notebooks allein in Taxen vergessen …) Der Unglücksvogel war außerehelicher Vater eines Kindes geworden, für das offenbar Sozialleistungen beantragt waren. Für einen Finanzminister war das halt schon ein bisschen peinlich.
Während die Vorinstanzen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erkannten, ließ heute nun der BGH die Äußerungen zu (via Beckmann & Norda):
Zwar greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und seiner Geliebten gewechselten E-Mails stützt, in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig. Das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veröffentlichten Informationen von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers auch nicht beteiligt, sondern aus dem Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen gezogen.
Und:
Die Informationen, deren Wahrheit der Kläger nicht in Frage stellt, haben einen hohen „Öffentlichkeitswert“. Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielten E-Mails belegen, dass sich der Kläger über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Er hat es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass seine ehemalige Geliebte für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezog, obwohl die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nicht gegeben waren. Denn die Kindesmutter hatte der zuständigen Behörde den Kläger pflichtwidrig nicht als Vater von E. benannt.
admin •
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21. August 2014
Einen unfreiwillig komischen Beitrag leistete sich das gebührenfinanzierte ARD-Wirtschaftsmagazin plusminus. Unter dem grob irreführenden Titel „Abmahnanwälte nicht zu stoppen“ lieferte der öffentlich-rechtliche Sender zu melodramatischer Musik Propaganda vom Feinsten.
Beginnen wir beim Titel: Abmahnanwälte sind sehr wohl zu stoppen. Bei den von mir vertretenen Mandaten gab es genau einen Fall, bei dem sich der Abmahner überhaupt vor Gericht traute – und diesen Schritt vermutlich bereut hat. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Ansprüche an den Nachweis von rechtswidrigem Filesharing deutlich erhöht. Etliche Gerichte machen die grotesk hoch bemessenen Schadensersatzforderungen nicht mehr mit.
Zu Beginn behaupten die plusminusser, Filesharing sei für die Musikindustrie wie Diebstahl einer Sache im Laden. Die Lizenzforderungen werden aber nicht für den mit Diebstahl wirtschaftlich halbwegs vergleichbaren Download gefordert, sondern für den gleichzeitigen Upload, also die Weitergabe. Anders als beim Diebstahl verbleibt beim Up-/Download aber die Ware im Geschäft – genauso, wie beim Abspielen eines Musikstücks im Radio. Während das Aufzeichnen von im Radio laufender Musik oder von im TV ausgestrahlten Filmen legal ist, meinen die Content-Industriellen, dass das beim online-Tauschen anders wäre. Juristisch ist das der Fall. Wirtschaftlich allerdings ist die Verbreitung über Filesharing genauso eine Werbung für die Produkte wie der Konsum von Radio und Fernsehen. Den Nachweis eines wirtschaftlichen Schadens im Musik und Filmbereich hat die Industrie bis heute nicht erbracht. Im Gegenteil geht es der Film- und Musikindustrie heute besser als zu Zeiten vor Filesharing. Wer „Planet der Affen“ online gut fand, der sieht sich die Fortsetzung im Kino an. Bei E-Books usw. mag das anders sein, doch im Abmahnbusiness geht es vorrangig um Musik und Filme.
„Doch wer sich im Internet bewegt, der tut dies nicht unbeobachtet“
Sollte er aber. Es gibt etliche Möglichkeiten, die IP-Adresse zu anonymisieren, etwa VPN-Tunnel oder TOR. Es gibt 1000 seriöse Gründe, um seine Identität im Internet zu verbergen und Privatsphäre zu sichern. Wer sich heute noch beim Filesharing erwischen lässt, begeht einen Kunstfehler.
„Aus Versehen kann das nicht passieren, weil ich bewusst ein Programm auf meinem Rechner installieren muss (…)“
Hä? Filesharing ist grundsätzlich eine seriöse Technologie – genauso, wie man Dateien per E-Mail oder FTP verbreiten kann. Manche Dateien sind urheberrechtlich geschützt, manche eben nicht. Es kann auch durchaus sein, dass eine falsch deklarierte Datei doch geschütztes Material enthält. Zur Verbreitung größerer Dateien ist Filesharing nun einmal technisch sinnvoll.
So richtig klebrig wird das Propaganda-Filmchen aber am Schluss, wo der geläuterte Filesharer wie ein im Bootcamp geläutertes Ghetto-Kid oder ein Reborn Christ brav „begriffen“ hat:
„Tauschbörsen lohnen sich nicht. Nachdem er das zweite Mal erwischt wurde, will er nun endlich die Finger davon lassen.“
Nein, will er nicht. In Wirklichkeit hat er jetzt eine Stinkwut auf die Contentindustrie und auf die Anwälte und zahlt den Verwertern aus Prinzip nichts mehr. Stattdessen hat er nach seinem pädagogischen Erlebnis inzwischen seine Kumpels gefragt, wie man sich einen VPN-Tunnel bauen kann und fileshart jetzt erst recht. Plusminus hat davon wohl noch nie gehört.
Mich würden ja mal die Beweggründe für diesen albernen Propaganda-Beitrag interessieren, der mangels aktuellen Informationen keinen Nachrichtenwert hat. Filesharing war vor über drei Jahren ein Medienthema – auch bei plusminus. 2011 brachte plusminus die gleiche Thematik – damals noch mit dem Spin Verbraucherschutz. Inzwischen muss in der Redaktion irgendetwas Schreckliches passiert sein. Wenn plusminus Mangel an IT-Themen hat, einfach mal bei heise.de lesen, was gerade aktuell ist. Kostet nichts und wird auch nicht abgemahnt.
admin •
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16. Juli 2014
Dr. Nikolaus Klehr und sein tapferer Hamburger Rechtsanwalt Dr. Sven Krüger haben am Hanseatischen Oberlandesgericht gegen das ZDF verloren. Klehr hatte 18.01.2011 am Landgericht Hamburg gegen das ZDF eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen eines angeblich rechtswidrigen Beitrags in WISO über die fragwürdige Praxis des selbsternannten Krebsbehandlers erwirkt. So wehrte sich Klehr gegen angeblich aufgestellte Behauptungen und die (gesichtsverpixelte) Aufnahmen aus seiner Praxis.
Das ZDF ließ sich nicht lumpen und wehrte sich zunächst erfolglos am Landgericht Hamburg. Weil es den Beitrag auch auf YouTube zu sehen gab, nahm Klehr auch Google (YouTube) und einen Blogger in Anspruch, der das Video über einen Link embedded hatte.
Nach über drei Jahren ertrotzter Unterlassungsverfügung hob im Mai 2014 das Oberlandesgericht Hamburg das Verbot gegen das ZDF auf. In der Zwischenzeit nämlich war der Bundesgerichtshof Ende 2012 mal wieder mit den Hamburgern hart ins Gericht gegangen und hatte den Hanseaten in einem anderen Fall, bei dem ebenfalls Klehr-Anwalt Dr. Krüger die Presse gegängelt hatte, mit sehr deutlichen Worten den ><((((*>
gezeigt:
„Die von ihm vorgenommene Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe ist weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfinden kaum in Einklang zu bringen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt. Das Berufungsgericht hat auch zu Unrecht die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint.“
BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 – VI ZR 314/10.
Das hat offensichtlich gesessen. Der Hamburger Pressesenat, dem inzwischen der mir so ans Herz gewachsene Richter Buske vorsitzt, bezog sich ausdrücklich auf dieses BGH-Urteil. Die Karlsruher Kritik an den Hanseaten hat eine lange Tradition.
Das OLG Hamburg befand nun, dass das ZDF inzwischen für seine Behauptung über eine in Deutschland rechtswidrige Arbeitsweise Klehrs genug Glaubhaftmachung aufgeboten hat. So hatte Klehr zunächst das ZDF der Lüge geziehen und mit eidesstattlichen Versicherungen seiner „Klehriker“ in Beweisnöte gebracht. Da aber die Version des ZDF von so vielen unabhängigen Zeugen plausibel gestützt wird, sieht auch der Senat „keine durchgreifenden Zweifel“ mehr:
„Unter Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze für die Überzeugungsbildung, nach denen eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht gefordert werden darf, sondern sich das Gericht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen muss (BGH, Urt. v. 11. 12. 2012, NJW 2013, S. 790 ff., 791), sind die von der Antragsgegnerin vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel daher auch unter Berücksichtigung der von dem Antragsteller vorgelegten Glaubhaftmachungs- und Beweismittel ausreichend, um ihren Vortrag als glaubhaft gemacht anzusehen.“
OLG Hamburg, Az.: 7 U 47/12, Urteil vom 06.05.2014, Rechtskraft nicht bekannt.
War das jetzt wirklich so schwer?
Auch die mit versteckter Kamera hergestellten Aufnahmen in der Azrtpraxis waren zulässig, weil diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der nunmehr als wohl doch nicht so falschen Behauptung stehen und der gute Herr Dr. Klehr durch deren Verbreitung demgegenüber nicht schwerwiegend in seinen Rechten verletzt wird, da die Praxisräume ohnehin einem größeren Personenkreis einsehbar sind und er nur in seiner Berufssphäre betroffen ist. Auch dazu hatte der BGH schon 2006 etwas gesagt, was längst herrschende Meinung ist – außerhalb des Landgerichts Hamburg, das immer wieder eine Nachhilfe aus Karlsruhe benötigt.
Damit darf das ZDF den Beitrag wieder zeigen. Gewonnen hat aber vor allem das Team Dr. Klehr/Dr. Krüger, denn über drei Jahre lang konnte das ZDF Krebspatienten im Endstadium nicht vor Klehrs möglicherweise doch nicht so hilfreicher, dafür aber schweineteuren Behandlung warnen. Auch die Hamburger Pressekammer darf stolz auf sich sein. Die Prozesskosten bezahlt Klehr, der von todkranken Krebspatienten für seine Künste exorbitante Honorare nimmt, aus der Portokasse.
Vermutlich wird auch YouTube/Google in gleicher Sache obsiegen. Und vielleicht darf irgendwann dann auch der Blogger wieder das Klehr-Video verlinken. Hätte der finanziell nicht so gut wie das ZDF und Google aufgestellte Blogger aus Kostengründen die Notbremse gezogen und auf die Berufung verzichtet, so wäre das Verbot längst rechtskräftig. Seit über zwei Jahren wartet der Blogger auf den Termin zur Berufungsverhandlung. Der Prozess mit einer schlussendlich drohenden Kostenlast von 20.000,- € wurde durch die „Klehranlage“ finanziert. Weit über 1.000 Menschen haben den Hamburger Landrichtern gezeigt, was sie von dem weltfremdem Umgang mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit halten.
Ach so: Der Blogger bin ich. Danke an euch Klehranleger! Venceremos! :)
admin •
11:53 •
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1. Mai 2014
Peter Alexander wehrte sich gegen Boulevardberichterstattung über seine Trauer wegen des Tods seiner Tochter und forderte eine Geldentschädigung von mindestens 30.000,- €. Die Klage ging bei Gericht per Fax einen Tag vor Alexanders eigenem Tod ein und wurde der Beklagten aber erst einige Wochen später zugestellt. Der Sohn führte die Klage weiter.
Die Vererblichkeit von Ansprüchen aus dem Persönlichkeitsrecht ist wegen dessen höchstpersönlichen Charakters umstritten. Klassiker in diesem Bereich ist die Entscheidung „Der blaue Engel“, die Marlene Dietrichs sehr klagefreudigen Erben erstritten hatten. Besonders fragwürdig ist das Anliegen jedenfalls dann, wenn Geldentschädigung (vulgo: „Schmerzensgeld“) verlangt wird.
Der presserechtliche Anspruch auf Geldentschädigung ist so im Gesetz eigentlich nicht vorgesehen. Ausnahmesweise wird er aber dann zuerkannt, wenn sich ein Betroffener gegen eine wehr schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung wehrt und es mit einem Unterlassungsanspruch, dessen Prozesskosten die Verlage aus der Portokasse zahlen, nicht getan ist. Daher soll den Verlagen finanziell weh getan werden, um taktischen Rechtsbruch unwirtschaftlich zu machen.
Diese sogenannte „Genugtuungsfunktion“ gewährt der Bundesgerichtshof nur lebenden Personen. Hätte allerdings Alexander den Prozess zu Lebzeiten erfolgreich zuende geführt, dann hätte der Sohn 30.000,- € geerbt.
Vorliegend war der Prozess zwar „anhängig“ (also bei Gericht), aber noch nicht „rechtshängig“ (also dem Beklagten zugestellt). Insoweit erhoffte sich der Kläger eine analoge Anwendung des § 167 ZPO. Der BGH stellte aber klar, dass es darauf gar nicht ankäme. Die Genugtuungsfunktion gelte nur für Lebende.
Zynisch könnte man jetzt schlussfolgern, dass Verlage bei Personen mit geringer Lebenserwartung schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen hinsichtlich des Geldentschädigungsanspruchs riskieren können.
Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs zum Urteil vom 29. April 2014 – VI ZR 246/12.
6. Februar 2014
Die Kollegin Frau Rechtsanwältin Isabell Werth erwirkte am Landgericht Münster eine einstweilige Verfügung gegen Herrn Diplomjurist Sönke Lauterbach aus der Pferdestadt Warendorf.
Die Kollegin Werth reitet gern, wurde aber 2009 zeitweise gesperrt, weil ihr Pferd verbotene Substanzen beinhaltete. 2012 gab es wieder Stress, weil ein Pferd namens El Santo nach internationalen Regeln verbotenes Zeugs beinhaltete, angeblich weil es das Medikament eines anderen Pferds mit dem schönen Namen „Warum nicht“ gesüffelt hatte. Erstinstanzlich unterlag die Kollegin und ist erst einmal turniermäßig gesperrt. Und zwar von der Disziplinarkommission der FN, weil sie davon ausging, dass der Fund der Substanz auf „eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung im Stall der Reiterin zurückzuführen sei.“
Herr Lauterbach ist der Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Die erzählen etwas vom Pferd, und zwar „aktuelles“. Am 30.01.2014 sagte er in einer Presseerklärung:
„Die Gutachten beschrieben lediglich die technischen Möglichkeiten, sie trafen aber keine Aussagen zur Wahrscheinlichkeit.“
Herr Lauterbach bezog sich auf von Frau Werth beigebrachte Gutachten, die beweisen sollten, dass eine ausgefallene Pumpe schuld daran gewesen sei, dass das Pferd gedopt hatte. (Wir erinnern uns an Dieter Baumann, der seinen positiven Dopingtest mit ihm durch Zahnpasta untergeschobenen Substanzen erklärte. Das wiederum erinnert an die Pläne der CIA, Patrice Lumumba auf diese Weise zu vergiften …) In einem der Gutachten soll ein Experte die Zusammenhänge als „unvermeidbar“ bezeichnet haben. Das wäre dann ja wohl eine Wahrscheinlichkeit von 100%.
Was so ein richtiger Springreiter wie Lauterbach ist, der ist natürlich cool und ignorierte erst einmal die zugestellte einstweilige Verfügung. Warum auch nicht? Naja, Ordungsstrafen halt … Da Herr Lauterbach nur das erste juristische Staatsexamen hat, beherrscht er das Prozessrecht vermutlich nicht so gut wie die Kollegin Werth.
Der berühmteste presserechtliche Reiterfall, der sogenannte „Herrenreiter-Fall“, war ungleich lustiger. In den 1950er Jahren hatte die Herstellerin eines angeblichen Potenzmittelchen ihr Produkt mit dem Foto eines Bierbrauers beworben, der bei einem Springreiterturnier geknipst worden war. Mit dem Mittelchen käme man über jede Hürde …
admin •
00:32 •
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