Wie der Kollege Feldmann in seinem Feldblog berichtet, scheint Richter Mauck vom Landgericht Berlin langsam im digitalen Zeitalter angekommen zu sein. Wer bei einem Forenbetreiber Prüfpflichten auslösen will, muss schon präzise darlegen, was ihn stört.
Der Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin ist ein Dauerkunde in der Hamburger Pressekammer, wenn es darum geht, dass Äußerungen mit Biegen und Brechen so ausgelegt werden sollen, dass sie dem „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ eines sensiblen Rüstungs- und Kfz-Konzerns abträglich sein könnten. Grässlin ist ein standhafter Gegner, dem gerade die Solbach-Freise Stiftung ihren mit 4.000,- Euro dotierten »Preis für Zivilcourage« 2009 zuerkannt hat. Die wird der Pazifist für seine Kriegskasse brauchen.
Herr Grässlin hat mich gebeten, auf die gegen harte Widerstände erkämpften Revisionsverhandlung beim Bundesgerichtshof hinzuweisen, die demnächst ansteht. Hier ist sein aktueller Pressetext zum Fall:
++ Meinungsfreiheitsprozess Schrempp gegen mich wird gegen den Willen der Hamburger Justiz am 22.09.2009 vor BGH öffentlich verhandelt – Einladung zur Teilnahme ++
Gegen den ausdrücklichen Willen der Hamburger Justiz geht der Meinungsfreiheitsprozess des früheren Daimler-Vorsitzenden Jürgen E. Schrempp gegen mich in die nächste Runde. Über den (more…)
Der Vorfall mit dem Prügelpolizisten bei der Demo „Freiheit statt Angst“ schlägt hohe Wellen – und beschert der Demo „Freiheit statt Angst“ endlich die gewünschte PR. In wunderbar anschaulicher Weise demonstriert die Berliner Polizei, dass man unseren Volksvertretern nicht blind vertrauen kann. Bei allem Respekt für den harten und oftmals undankbaren Arbeitsalltag der Polizei und die ganz überwiegend soliden Polizisten, so ist eine Kette nun mal nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Was für willkürliche Gewalt gilt, das gilt für „Kavaliersdelikte“ wie Datenmissbrauch erst recht. Und nachdem die Polizei bei der Demo entgegen ihrem Versprechen gefilmt hatte, filmten die Datenschützer eben zurück. Nun haben findige Blogger aus dem Film zwei „Fahndungsfotos“ herausdestilliert und ins Netz gestellt. Dies wirft die Frage nach dem Recht am eigenen Bild auf. Darf man die Polizisten einfach so identifizierend abbilden?
Keine Ausnahme aufgrund von Versammlung
Grundsätzlich zählt die Rechtsprechung auch Polizisten bei ihrer Arbeit zu „Teilnehmern einer Demonstration“, sodass die Ausnahme nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG für Versammlungen und Aufzüge etc. greift. Diese Ausnahme gibt es deshalb, weil man andernfalls kaum Personenmehrheiten abbilden könnte, denn wer kann schon alle Teilnehmer individuell nach ihrer Erlaubnis fragen? Doch die Fahndungsfotos, die beim Anlass einer Versammlung gemacht wurden, individualisieren nun diese beiden Polizisten. Damit wird jeweils nicht mehr eine Personenmehrheit abgebildet. Damit scheidet diese Ausnahme aus.
Personen der Zeitgeschichte?
Die beiden Polizisten könnten jedoch Personen der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG sein. Hierfür spricht das breite mediale Interesse, das der Vorfall auch in den etablierten Medien findet und der Umstand, wie sehr die beiden das Misstrauen gegen die Obrigkeit im Sinne der Organisatoren der Demo unfreiwillig beweisen.
Prangerwirkung
Doch die Nutzung der Bildnisse in Form eines Fahndungsplakats stellt die Polizisten an einen virtuellen Pranger. Und Prangerwirkung ist ein Zauberwort, dass etwa Richter Buske besonders gerne verwendet. Denn die Interessen an der Verbreitung sind nach § 23 Abs. KunstUrhG immer auch mit den „berechtigten Interessen“ der Betroffenen abzuwägen. Die Verbreitung des Fahndungsaufrufs ist also juristisch nicht ohne Risiko. Was die Richter in solchen Fällen zulassen, und was sie verbieten, ist selbst für Kenner der Pressekammern nur schwierig vorauszusagen.
Praxisrelevanz
Eine pragmatisch relevantere Frage wäre allerdings, ob die beiden Polizisten gegen die Fotos vorgehen werden. Da sie möglicherweise sehr schnell begreifen werden, dass mit dem ccc nicht zu spaßen ist und ins Netz entsendete Informationen nicht reversibel sind, wäre es ungleich sinnvoller, sich eine neue Frisur wachsen zu lassen, als zum Anwalt zu rennen.
Präventive Beschlagnahme
Der Fall wird allerdings das allgemeine Bewusstsein für das Zurück-Fotografieren stärken und die – rechtlich höchst anfechtbare – Praxis begünstigen, der zufolge Polizisten, die sich fotografiert fühlen, Fotografen vor Ort zur Löschung der Bilder zwingen. Trotz eigentlich fehlender Rechtsgrundlage machen derzeit Gerichte präventive Beschlagnahmungen mit. Normalerweise ist die Anfertigung von Fotografien im öffentlichen Raum zulässig, erst die Verbreitung oder die unmittelbar drohende Gefahr einer Verbreitung könnte Maßnahmen rechtfertigen. Künftig werden Polizisten wohl sehr viel schneller Kameras bzw. Handys mit Kamerafunktion einkassieren wollen. Die Antwort hierauf wird sein, dass Demonstranten dann eben verdeckt filmen – oder eben parallel in so großen Scharen, dass die Polizisten nicht nachkommen werden, zumal die Bilder schnell ins Netz gefunkt werden können.
UPDATE:
Im Lawblog gibt es inzwischen die langerwartete Stellungnahme der Polizei – und Anzeichen, dass diese wohl etwas unglaubwürdig ist.
Das Grenzpfosten-Blog hat eine lesenswerte Handreichung an Unternehmen, die sich gegen lästige Blogger wehren möchten, ohne eigendynamische Kommunikationspannen zu erleiden. Ich kann aus der Erfahrung mit Blogger-Prozessen jeden dieser Aspekte zu 100% unterstützen.
Die Empfehlung, bei der Kontaktaufnahme zu Bloggern besser auf Emails zu verzichten, da diese veröffentlicht werden und damit nach hinten losgehen können, ist allerdings dann unfruchtbar, wenn es nur diese Kontaktmöglichkeit gibt. Ziemlich ungeschickt ist es allerdings, wenn man mailt, obwohl der Blogger im Vorhinein angekündigt hat, aus Prinzip jede Email zu veröffentlichen. Letztes Jahr hatte ein solchen Fall sogar den Weg vor Gericht gefunden, als ein Mandant als angeblicher Blogger auf Unterlassung in Anspruch genommen worden war. Da das Landgericht Köln in dieser Sache eine unglaublich schwache Entscheidung getroffen hatte, die dann auch noch unkritisch verbreitet wurde, sah ich mich zu folgendem Artikel veranlasst:
Seit einiger Zeit läuft mit großem Erfolg die Beta-Version von Wikileaks, einem internationalen Projekt zur unzensierbaren Verbreitung von „geleakten“ Informationen. Während Organisationen wie Staaten oder Konzerne die Daten ihrer Kundschaft begehren, selbst jedoch Geheimniskrämerei pflegen, sehen es Bürgerrechtler genau umgekehrt: Datenschutz für die Kleinen, Transparenz für die Großen.
In einem hörenswerten Interview im Chaosradio auf FRITZ wurden zwei der Wikileaker auch auf die Frage zum Umgang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht angesprochen. Konkret ging es um die Frage, ob man eine ggf. zutreffende Information über die AIDS-Erkrankung eines prominenten Unternehmers veröffentlicht hätte. (more…)
Bis eben hatte ich noch nie etwas von „Textberater.com“, dem „Magazin für nachhaltige Kommunikation“ gehört. Da wird unter der Überschrift „Blogger sind rechtlich nicht besonders gefährdet“ ein Rechtsanwalt zum aktuellen Jako-Fall interviewt, jener Meisterleistung in Sachen PR-Selbstmord.
Der Kollege äußert da wörtlich:
(…) „Bei privat tätigen Bloggern wird man seltener unmittelbar mit einer Abmahnung rechtlich Erfolg haben, da sich hier nicht so einfach irgendwelche Anspruchsgrundlagen konstruieren lassen. Der Geltendmachung von irgendwelchen Ansprüchen gegen Blogbetreiber steht immer noch insbesondere die Presse- und vor allem Meinungsfreiheit gegenüber.“ (…)
Öhm … Die Blogger-Fälle, mit denen ich so zu tun habe, werden durch die Bank weg mit Verletzung von Persönlichkeitsrechten, gerne auch von Unternehmenspersönlichkeitsrechten begründet. Und glauben Sie mir, das ist eine verdammt lästige Anspruchsgrundlage. Okay, steht nirgendwo im Gesetz drin, und auch die juristische Literatur gibt zu letzterem nicht viel her. In der Rechtsrealität gibt es das aber.
Der Kollege gibt noch mehr zum Besten:
(…) „Es kommt mit Sicherheit immer auf den konkreten Einzelfall an. Wenn jemand sich einfach nur kritisch über eine bestimmte Marke im Internet äußert, so wird man hiergegen nicht mit besonderem Erfolg vorgehen können.“ (…)
Wenn dieser Einzelfall am Landgericht Hamburg geltend gemacht wird, dann wird er zum Regelfall. Da sind schon etliche Leute gestrandet, die dachten, dass sie ihre Meinungsfreiheit, Pressefreiheit usw. in Anspruch nehmen dürften. Unternehmenskritik gleicht einem Stepptanz auf Tretminen. Ich sage nur: Stolpe-Entscheidung.
Zur Vertiefung hier drei meiner Artikel zum Hamburger Landrecht:
Gregor Gysi hat am Landgericht Hamburg (324 O 164/09) erneut obsiegt: Richter Buske verbot dem ZDF, den Eindruck zu erwecken, Gysi habe mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet. Passiert dem ZDF nicht zum ersten mal.
Gegen die vorausgegangene einstweilige Verfügung läuft noch eine Berufung am hOLG Hamburg. Dort wird man sich auch mit einer Berufung gegen die heute entschiedene Hauptsacheklage befassen, die das ZDF angekündigt hat.
Mit diesem Verdacht gegen Gysi ist das so eine Sache. Ob Gysi IM gewesen ist oder nicht, ist eine Frage, die eher Historiker und Sachverständige beurteilen sollten. Gerichte entscheiden nicht selten nach Beweislast, und die liegt bei Tatsachenbehauptungen beim Äußernden, vorliegend also beim ZDF. Was Richter Buske für einen Beweis hält, darüber gibt es geteilte Meinungen.
Wenn es klappt, werde ich demnächst jemanden interviewen, der seit Lektüre der eigenen Stasi-Akte diese Schlussfolgerung zu Gysi anstellt. Aber wie werde ich darüber berichten können, ohne den Verdacht als solchen auszusprechen, ohne mich nach jedem Satz meines Gesprächspartners hiervon zu distanzieren?
Wie u.a. die Netzzeitung berichtet, scheiterte Gysi mit einem weitergehenden Antrag, dem ZDF auch die weitere Verwendung von Birthlers Interview-Äußerung zu verbieten, auf der der umstrittene Beitrag im wesentlichen fußte.
Hier vermisste Buske das von ihm sonst sehr schnell angenommene „Zu-Eigen-Machen“ fremder Äußerungen, wie er es bei unkommentierten Interviews oder User Generated Content annimmt.
Foto:kress.de/C. Meier via BILDblog.
Text auf der Bild: Rechtsanwalt E./Richter Mauck/ Meret B.
Der Berliner Kollege E. gilt völlig zu Recht als einer der besten Presserechtler überhaupt. Hätte ich in eigener Sache ein Problem, wäre er sogar meine erste Wahl. Sein Gebaren vor Gericht mag streitbar sein (eigentlich eher nicht), aber wenn das Teil seiner Erfolgsmethode sein sollte, Respekt!
Der Kollege E. ist seit Jahren dafür bekannt, dass er nicht in der Öffentlichkeit mit einem Foto abgebildet werden möchte. Letztes Jahr beobachtete ich ihn in einer temperamentvollen Sitzung, wo er in eigener Sache gegen eine Boulevardzeitung klagte, die ihn in seiner Eigenschaft als Strafverteidiger bei der Begleitung eines Mandanten abgebildet hatte. Die Boulevardzeitung wurde ausgerechnet von Rechtsanwalt S. vertreten, der sich als großer Kritiker von Boulevardzeitungen gefällt. E und S, dessen Temperament ebenfalls als bemerkenswert gilt, pflegen vor Gericht ein, nun ja, eher gespanntes Verhältnis. E. verlor, da Richter Mauck dem Foto zeitgeschichtliche Bedeutung und damit öffentliches Interesse beimaß. Dessen ungeachtet hat E. viele Fälle, in denen er sein Recht am eigenen Bild verletzt sah, gewonnen. Und er hat auch der BILD-Zeitung gelegentlich ihre Grenzen aufgezeigt, siehe obiges Foto.
Nun hat die BILD-Zeitung eine Glosse über angebliche Außerirdische gemacht und dabei auch gegen Rechtsanwalt E. gefrotzelt, der auch ein Alien sei:
„Tarnt sich als Anwalt, kämpft gegen investigative Medien und argumentiert wie von einem anderen Stern.“
Hierbei griff BILD auch in das Recht am eigenen Bild ein, also an dem von E. Und wie immer bei solchen Fotos geht E. hiergegen vor. Er sei weder eine Person der Zeitgeschichte noch ein getarnter Rechtsanwalt, noch ein Außerirdischer! „Bild“ habe ihn quasi entmenschlicht und damit in seiner Menschenwürde verletzt. Hört, hört!
Darüber wiederum macht sich nun die ebenfalls zu Springer gehörende „Die Welt am Sonntag“ lustig, also eine Art BILD-Zeitung für Abiturienten, die den pennälerhaften BILD-Beitrag zur Satire erhebt. Eines ist sicher: Der Humor ist im Hause Springer ganz sicher nicht erfunden worden. Bemerkenswert ist es allerdings schon, dass Kollege E., immerhin Mitbegründer und häufiger Anwalt der TAZ, häufig gegen die Pressefreiheit vorgeht. Neben Mandanten etwa aus seinem politischen Spektrum vertritt er übrigens auch das BKA und sogar den BND. Wow! Das nenne ich mal Professionalität!
Während ich auf Fotos von E. eigentlich ganz gut verzichten kann, fände ich solche von seiner Kanzleikollegin Dr. S., die ihn normalerweise bei dessen Klagen in eigener Sache vertritt, ungleich reizvoller. Wer E. beleidigt, darf sich ihrer Aufmerksamkeit sicher sein. Hm, das wäre es mir eigentlich wert … Ob sie wohl so antworten wird wie die E.-Mandantin …?
Update: Hier ist die BILDblog-Version. Von der Bezeichnung „verhasster Anwalt“ distanziere ich mich ausdrücklich. E. genießt selbst bei seinen Gegnern Respekt.