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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Wikileaks und das allgemeine Persönlichkeitsrecht

Seit einiger Zeit läuft mit großem Erfolg die Beta-Version von Wikileaks, einem internationalen Projekt zur unzensierbaren Verbreitung von „geleakten“ Informationen. Während Organisationen wie Staaten oder Konzerne die Daten ihrer Kundschaft begehren, selbst jedoch Geheimniskrämerei pflegen, sehen es Bürgerrechtler genau umgekehrt: Datenschutz für die Kleinen, Transparenz für die Großen.

In einem hörenswerten Interview im Chaosradio auf FRITZ wurden zwei der Wikileaker auch auf die Frage zum Umgang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht angesprochen. Konkret ging es um die Frage, ob man eine ggf. zutreffende Information über die AIDS-Erkrankung eines prominenten Unternehmers veröffentlicht hätte.

Expatriiertes Web2.0

Nach deutscher Rechtsprechung (gemeint ist im Zweifel die hamburgische) wäre das ein klarer Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrechtsrecht, wogegen der Betroffene einen Unterlassungsanspruch hat. Ein solcher ließe sich jedoch juristisch nicht durchsetzen, denn Wikileaks ist als globales Konstrukt in Netzarchitektur faktisch unangreifbar. Darüber könnte sich Richter Buske graue Haare wachsen lassen, denn seine Urteilssprüche wären fortan für die Katz.

Die Strategie ist mir nicht ganz so fremd, hatte ich in den letzten Jahren mit einigen Bloggern zu tun, die ihr deutsches Blog nach Besuchen im Landgericht Hamburg schließlich dicht machten, während sich tags drauf ein ähnliches, jedoch anonymes Blog im Ausland formierte – juristisch allenfalls über Uschi von der Leyens Internetsperren angreifbar (aber auch nicht wirklich). Für Google war es egal, wo das Blog gehostet gewesen war.

Große Macht, große Verantwortung

Aber wie werden die Wikileaker mit Persönlichkeitsrechten umgehen? Bisher sei angeblich noch kein plausibles Dokument abgelehnt worden. Bekommen wir also künftig Wild West? Gehen private Krankheiten denn wirklich die Welt etwas an, nur weil man beruflich in der Öffentlichkeit zu tun hat? Muss ein bayrischer Politiker, dessen sexuelle Orientierung nicht den CSU-Kriterien entspricht, mit Zwangsouting rechnen? Müssen Kinder Prominenter darunter leiden, wenn über ihre Eltern Unliebsames kolportiert wird?

In den etablierten Medien, die schlecht genug sind, gibt es bislang wenigstens die nicht justiziable, aber allgemein beachtete Übereinkunft, dass über sexuelle Eskapaden von Spitzenpolitikern grundsätzlich nicht berichtet wird. (Wenn doch mal über Seitensprünge berichtet wird, geht dies meist auf Büchsenspanner aus der eigenen Partei zurück!) Müssen sich Menschen, die in das Blickfeld von Wikileaks geraten können, künftig konspirativ verhalten? Sind Politiker per se schon vogelfrei?

Hoffen wir, dass die Wikileaker ein gewisses Fingerspitzengefühl bewahren. Hierfür spricht die Praxis, dass man bei Wikileaks viele Dokumente ja immerhin anonymisiert.

Auswirkung auf die Rechtsprechung?

Die Wikileaker beobachten nicht nur, denn die Beobachtung beeinflusst bekanntlich das Objekt. Wenn notorische Abmahner und Gerichte begreifen, dass sie letztlich mit ihren Verboten nicht durchdringen, erscheint der Gedanke nicht fernliegend, dass man sich auch in diesem Bereich langsam wieder auf die in den letzten 15 Jahren entschwundene Verhältnismäßigkeit besinnt. Gegenwärtig hat man etwa die Berichterstattung über die  – eigentlich öffentlichen – Gerichtsentscheidungen erschwert. Wer ein Urteil erstritten oder abgewehrt hat, darf darüber nur eingeschränkt berichten, da er andernfalls Persönlichkeitsrecht verletzt. Rechtskräftig verurteilte Mörder nötigen Zeitungsarchive, die Namen (die jeder kennt) nachträglich zu schwärzen. Und niemand außer den Hamburger Richtern weiß zu sagen, wann man einen falschen Eindruck erweckt.

Je mehr man sich der übertriebenen Rechtsprechung im Persönlichkeitsrecht entzieht, welche eine sinnvolle Pressearbeit praktisch verunmöglicht, desto mehr geraten die Richter in Rechtfertigungsdruck – theoretisch. Das ficht nämlich die gegenwärtige Generation der Presserichter, die überwiegend aus Internetausdruckern besteht, bislang wenig an.

Ich finde es jedenfalls sehr spannend, die Wikileaker weiter zu beobachten.

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