Während letzten Freitag sich die Kamera-Teams für die – an sich belanglose – Verkündung des Yuotube-Urteils in Stellung brachten, verpassten sie den eigentlichen Wirtschaftskrimi, der sich in Raum B 335 ereignete, wo die Hamburger Pressekammer zu tagen pflegt. Während es bei GEMA ./. Youtube um jährliche Beträge von etwa 2009 unter 10 Millionen Euro geht, möchte eine Firma das ZDF gegenwärtig um bis zu 133 Millionen Euro erleichtern.
Das ZDF hatte über die Amitelo AG berichtet, deren tatsächliche Firmensubstanz dem ZDF spanisch vorkam. Nach dem ZDF-Bericht ging die Firma „den Bach runter“, wie sich deren Anwalt ausdrückte. Die stolze Klage wird vom Kollegen Waldenberger vertreten.
Da ich am Freitag in Hamburg ohnehin zu tun hatte, sah ich mir das bizarre Schauspiel an. Das ZDF ließ sich nicht lumpen und schickte u.a. Prof. Gernot Lehr ins Rennen, ein Mitbeklagter bot Prof. Hegemann auf. Insgesamt saßen den Richtern 8 Robenträger gegenüber, sowie ein Vertreter der klagenden Firma, der allerdings mit seiner Bolotie nicht sonderlich seriös wirkte.
Um die haftungsauslösende und die haftungsausfüllende Kausalität des ZDF-Berichts für die Schäden zu beweisen, hatte Amitelo kiloweise Papier angekarrt. Möglicherweise ist dieses Verfahren auch der Grund, warum man mir einen Gerichtstermin aus organisatorischen Gründen verlegte, denn die Hamburger Presserichter sind derzeit wohl mit diesem Verfahren gut beschäftigt. In der Sache allerdings stehen für Amitelo die Chancen wohl schlecht. Zu Recht bezeichnete Waldenberger die Klage als „Musterprozess“, und auch das ZDF gibt sich selbstbewußt. Viel passierte in diesem sogenannten „frühen ersten Termin“ noch nicht.
Sofern der Amitelo-Anwalt nach RVG abrechnet, stehen ihm 272.224,40 Euro Honorar zu. Hoffentlich hat er Vorkasse genommen …
Die Youtube-Verkündung habe mich mir nach der 133 Millionen Euro-Show dann aber auch angesehen und bei TELEPOLIS zwei Beiträge zum Thema eingestellt:
Freitag in einer Woche wird das Landgericht Hamburg sein Urteil darüber verkünden, ob ein Blogger bei Einbettung von Youtube-Videos für jegliche dort enthaltene (angebliche) Persönlichkeitsrechtsverletzung haftet. Kläger ist der sympathische Hautarzt Herr Dr. Klehr, der viel Geld mit der Behandlung Krebskranker verdient, über deren Wirksamkeit man geteilter Auffassung sein kann. Letztes Jahr hatte ich einen kritischen Beitrag von WISO (ZDF) eingebettet, was mir die Hamburger Pressekammer einstweilen verbieten ließ. Der Vorsitzende Richter Herr Buske, der schon ein oder zweimal durch seine wunderlichen Ansichten aufgefallen ist, vertritt offenbar die Meinung, ein Blogger müsse für ihm nicht erkennbare (angebliche) Persönlichkeitsrechtsverletzungen einer professionell recherchierten Reportage handeln. Gegen das ZDF hatte die Pressekammer eine einstweilige Verfügung erlassen, wobei es sich wohl wieder um einen dieser Fälle handelt, die nur an einem einzigen Gericht im Universum Aussicht auf Erfolg haben: am Landgericht Hamburg. Dort ist man allen Ernstes der Auffassung, der Empfangstresen im Flur einer Arztpraxis sei ein grundsätzlich ein für verdeckte Filmaufnahmen verbotener Ort usw., obwohl die Aufnahmen belanglos und nur illustrierend waren.
Weil mir zum Fall die professionelle Distanz fehlt, habe ich mit der Wahrnehmung meiner Interessen einen Kollegen beauftragt, und zwar in Sachen Linkhaftung den wohl besten, den man kriegen kann. Und so musste sich der Kollege Thomas Stadler von Freising aus auf den Weg zum von Klehr (ebenfalls von Bayern aus) angeflogenen Gerichtsstand nach Hamburg machen, wo über einen nicht ganz unwichtigen Aspekt der Freiheit im Internet gerungen wurde. Die Vorsitzende Richterin bezeichnete mich als „intellektuellen Verbreiter“. Sehen wir das mal als ein Kompliment … ;)
Heute nun weist der Kollege Thomas Stadler auf eine – allerdings urheberrechtliche – Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln in Sachen Framing hin, die darauf abstellt, ob ein Dritter einen Fremdinhalt als solchen identifizieren kann. Dies wäre bei einem Youtibe-Video selbstredend der Fall.
Vor allem in den letzten Tagen vollzogen Würdenträger der Piratenpartei in Berlin deren Pubertät, was den Umgang mit Rechtsauslegern im Spannungsverhältnis zum Bekenntnis zur Netzneutralität betrifft. Anders als bei herkömmlichen Parteien mochten sich viele Piraten zu den Rechtsauslegern nicht in der reflexhaften Weise äußern, welche die Medien von Politikern gewohnt sind. Für Irritationen sorgte jüngst Hartmut Semken, dessen Äußerungen nicht durchweg glücklich gerieten, der sich inzwischen aber deutlicher artikuliert hat.
Diese bisherige Zurückhaltung hat ihre Ursache allerdings keineswegs in einer Präferenz für rechtes Gedankenschlecht, der politische Piratenkompass gibt definitiv keinen Anlass zu Beunruhigung. Die Ursache liegt vielmehr in dem Bekenntnis zur Netzneutralität, die zu den traditionellen Kernforderungen der Partei gehört; dieses in besonderem Maße, als die Piraten von 2006 bis ca. 2009 keine 1.000 Mitglieder aufwiesen. Dem untauglichen Versuch der Urheberrechtsindustrie und Sicherheitshysteriker, unter verschiedensten Vorwänden wie Kinderpornographie, Bomenbauanleitungen und Hassprediger das Netz zu zensieren, setzte man entschieden ein politisches Zeichen entgegen und demonstrierte Haltung, die bisweilen fundamentalen Charakter hatte.
Doch aus der einstigen – nennen wir sie einmal provokant – „Ein-Themen-Partei“ oder der „besseren Bürgerrechtsvereinigung“ ist inzwischen eine breit aufgestellte Bewegung geworden, die ganz allgemein die Parteienkultur und Lobbykratie auf den Prüfstand stellt und sich nicht mit Farbänderungen in rot-gelb-grün-dunkelrot abspeisen lässt. Mit inzwischen über 27.000 Mitgliedern, die ganz überwiegend in den letzten drei Jahren hinzukamen, hat sie fast halb so viele Parteigänger wie jeweils die in Jahrzehnten gewachsenen Mitbewerber FDP, Grüne oder Linkspartei. Waren die Mitglieder der ersten Generation vor allem im IT-Bereich beheimatet, so sind die Piraten inzwischen deutlich breiter in der Gesellschaft verankert und haben die Identität der jungen Partei geändert und ihre Ausrichtung dramatisch erweitert. -> www.kein-programm.de
Zu den Pfeilern der von den Piraten hochgehaltenen Netzneutralität gehörte auch in gewisser Weise das nordamerikanische Verständnis von Meinungsfreiheit, das insbesondere politisch in den USA sehr weit geht. Dies führte etwa in den USA zu der Kuriosität, dass sich in der Bürgerrechtsbewegung American Civil Liberties Union (ACLU) ausgerechnet jüdische Anwälte dafür einsetzen, dass Nazis ihre Meinung sagen dürfen. Grund ist die fundamentale Wertentscheidung der ACLU für konsequente Meinungsfreiheit, die nur dann verwirklicht sei, wenn der Markt der Meinungen nicht durch irgendwelche Zensur verfälscht wird. Hierfür ist die eher links stehende ACLU bereit, gewisse Schmerzen zu ertragen. Das kann man als Bürgerrechtsbewegung und NGO machen.
Als politische Partei kann man das aber nicht, insbesondere nicht in Deutschland, wo wir nun einmal mit einem historischen Erbe umzugehen haben. So wenig es auch den eigentlich liberalen Piraten behagt, einander vorzuschreiben, was der andere zu glauben oder zu beschweigen hat, oder gar irgendwelche Gesinnungstests durchzuführen, so scheint sich langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Netzneutralität nicht 1:1 mit einer politischen Partei zu vereinbaren ist. Eine politische Partei muss das Spektrum ihrer Strömungen definieren, denn „Partei“ bedeutet, dass man sich auf einem gemeinsamen Nenner bewegt. Diese Definition ist meines Erachtens nunmehr faktisch geschehen. Wer Interesse am extremen Ausleben von Meinungsfreiheit hat, der mag dies tun, aber dann eben ohne Parteibuch der Piraten.
Soweit mir zu Ohren gekommen ist, kann man die Personen, die sich aktuell für rechtes Gedankenschlecht innerhalb der Piratenpartei Deutschland begeistern, an zwei Händen abzählen, was bei mehr als 27.000 Mitgliedern nicht so repräsentativ sein dürfte, wie es gerade verzweifelte Wahlkämpfer der Linkspartei in Lübeck zu suggerieren versuchen. Zu den irrwitzigen Entgleisungen des grünen Parteistrategen Volker Beck möchte ich lieber gar nichts mehr sagen. Befremdlich finde ich auch die schulmeisterliche Polemik der grünen Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, die schamlos suggeriert, das Bundesschiedsgericht der Piraten hätte eine wertende Entscheidung getroffen, obwohl das PAV an einem Verfahrensfehler litt, den auch das grüne Schiedsgericht nicht hätte ignorieren können.
Nachdem die Medien anfangs das ihnen von den politischen Mitbewerbern schadenfroh servierte Thema dankbar aufgesogen haben, scheint das Strohfeuer mangels Substanz nicht mehr lange zu brennen. Jeglicher Versuch, insbesondere den Wahlkampf in NRW mit braunem Dreck zu kontaminieren, dürfte übrigens nach hinten losgehen. Nach meiner Kenntnis liegt die Anzahl brauner Piraten in NRW nämlich exakt bei Null.
Der Deutschlandfunk zählt definitiv zu den Qualitätsmedien und hat sich stets fair gegenüber der Piratenpartei verhalten. Auch der aktuelle Beitrag ist ambitioniert, erweckt jedoch gegen Ende den Eindruck, die Piraten forderten die uneingeschränkte Meinungsfreiheit und das Bundesschiedsgericht hätte das aktuell gescheiterte Parteiausschlussverfahren entsprechend bewertet, obwohl es tatsächlich auf einem Verfahrensfehler beruht (der am Anfang des Beitrags wenigstens angesprochen wird).
Es wäre allerdings journalistisch durchaus veranlasst gewesen, darauf hinzuweisen, dass die Piraten damals 2008 bundesweit keine 1.000 Mitglieder hatten, während es derzeit 26.715 sind. Juristisch mag die damalige Partei mit der heutigen identisch sein, dennoch kann man die Situation einer einstigen Zwergpartei, die rasant zu einer Kraft gewachsen ist, die in Wahlumfragen als die drittstärkste gesehen wird, nicht wirklich vergleichen und die Neupiraten für die Fehlentscheidung von 2008 in Geiselhaft nehmen.
Vielleicht sollten sich die Journalisten und politischen Mitbewerber zur Orientierung mal ab und zu den politischen Piratenkompass ansehen:
Die Piraten werden ihre Probleme mit Rechtsauslegern schon noch in den Griff kriegen. Hoffentlich gerät das überzeugender, als das den Grünen gelungen ist, etwa bei Alfred Mechtersheimer, Jamal Karsli, Oswald Metzger, …
Godwin’s Law besagt, dass mit der Länge einer im Internet geführten Diskussion die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass es zu einem Nazi-Vergleich kommt. Dass ausgerechnet Martin Delius, einer der am meisten respektierten Persönlichkeiten in der Piratenpartei dann auch noch selber auf die Idee kommt, die Piratenpartei und die NSDAP in einem Atemzug zu nennen, strapaziert dann doch ein bisschen meine Stirn, an der sich gerade ein * FACEPLAM * ereignete …
Dennoch frage ich mich langsam, wo denn so manche der verbal aktiveren Piraten waren, als etliche Personen des öffentlichen Lebens sich mit Nazi-Vergleichen, Assoziationen oder missverständlichen Äußerungen disqualifizierten. Helmut Kohl, Philipp Jenninger und etliche anderen Personen hatten sich durch Geschwätzigkeit ohne Not in ein fragwürdiges Licht gestellt – und mit ihnen die Parteikollegen.
Leute! Wisst ihr denn immer noch nicht, wie Medien, insbesondere Printmedien arbeiten? Man gibt ein langes Interview, lässt vielleicht eine despektierliche Äußerung fallen, die man für off the record hält, weil der Journalist so nett ist – und genau diese Äußerung pickt sich der Journalist heraus und macht daraus eine Schlagzeile. Und das muss er auch, denn nur Negatives hat Nachrichtenwert. Harmonie und PR langweilen. Für nichts ist die Presse dankbarerer als für Kontroverse und Provokation. Ein Journalist würde seinen Job nicht richtig machen, wenn er nicht in gebotene Angriffsflächen reinflankt. Und die Berufspolitiker der journalistischen Mitbewerber werden die Vorlage natürlich in ein Tor verwandeln wollen.
In dem oben verlinkten SPON-Artikel kommen noch zwei weitere Piraten zu Wort, die schon in den letzten Wochen durch ihre Äußerungsfreudigkeit die Kollegen in Verlegenheit gebracht haben. Während ich Delius den kommunikativen Missgriff zugestehe und keinen Zweifel daran habe, dass er die Lektion in Sachen Diplomatie und Presse gelernt hat, würde ich mich freuen, wenn insbesondere die beiden anderen Herren ab und zu eine Gelegenheit zum Schweigen wahrnehmen würden, wenn die Zunge schneller als das Gehirn arbeitet.
Es reicht völlig aus, wenn uns die Mitbewerber mit Dreck bewerfen. Für hausgemachte Gates hält sich mein Verständnis in überschaubaren Grenzen.
Das Landgericht Köln hat heute laut WWF gegen den WDR eine einstweilige Verfügung erlassen, welche das Wiederholen bestimmter Tatsachenbehauptungen über die konservative, bisweilen schillernde Umweltschutzorganisation in der Doku „Der Pakt mit dem Panda“ vorläufig verbietet.
Offensichtlich wurden einige Anträge abgelehnt, denn der WWF jammert rum, dass einige Behauptungen so formuliert seien, dass sie juristisch als Meinungen formuliert“ gelten. Gemein! Unklar ist, warum erst jetzt – 10 Monate nach Erstausstrahlung – eine einstweilige Verfügung erging, denn für die erforderliche Dringlichkeit dürfte es ein bisschen spät sein. UPDATE: Es ging wohl um drohende Wiederholung der Ausstrahlung.
Wie hier im Blog berichtet, war der WWF bereits im Juni 2011 im Vorfeld der Sendung gegen den WDR vorgegangen. So ambitioniert die Kritik am seltsamen WWF auch sein man, so sind Beiträge von WDR-Journalist Wilfried Huismann mit Vorsicht zu genießen. Schon deshalb, liebe Vorsitzende Frau Reske und liebe Vorsitzende Frau Käfer, distanziere ich mich von sämtlichen Behauptungen des verlinkten Videos.
Vor drei Tagen wurde übrigens bekannt, dass König Juan Carlos, einer der Adeligen, die sich als WWF-Gönner feiern lassen, neulich nicht einfach so gestürzt ist, sondern sich bei * Trommelwirbel * der Elefantenjagd verletzt hat …
UPDATE:
Der WWF hat zu zwei Behauptungen ausführlich Stellung genommen, FAQ ins Netz gestellt und eine Krisen-PR-Seite eingerichtet. Das finde ich vorbildlich. Aber wenn das alles so töfte ist, warum hat der WDR sich nicht außergerichtlich überzeugen lassen? Und welche Äußerungen wollte der geschätzt Kollege Herr Prof. Dr. Schertz verboten haben, die das LG Köln nicht mitgemacht hat?
Bereits mehrfach hatte ich auf den Rechtsstreit um die NDR-Doku „Die Akte Gysi“ über einen DDR-Rechtsanwalt hingewiesen, dem der Spagat zwischen Interessen seiner Mandanten und denen seines Staates gewisse Herausforderungen bereitet. Obwohl der Beitrag im Hinblick auf den bekanntermaßen prozessfreudigen Herrn Gysi sehr anspruchsvoll geprüft und im Vorfeld auch angegangen wurde, zog Gysi wieder vor den Kadi. Und der steht für Querulanten nun einmal in Hamburg.
Die Pressekammer möchte dem NDR Äußerungen von Gysi-Gegnern zurechnen, die interviewed werden. Angesichts vielfacher Indizien werde der Eindruck einer Stasi-Kooperation erweckt. Diese jedoch könne der NDR nicht beweisen. Der NDR hätte Gysi mit seinen konkreten Vorwürfen vorher konfrontieren müssen usw. Allerdings hatte sich Gysi Interviewanfragen abgelehnt.
Das kleine Problem dabei ist, dass man nach der Logik der Hamburger Landrichter den Verdacht, Gysi habe für die Stasi gearbeitet, vielleicht gerade noch erwähnen darf, aber wenn man recherchiert, wird man dafür bestraft.
Im Endeffekt bestimmen nach Hamburger Sicht die Betroffenen, ob und wie über sie gedacht werden darf. Bei aller Liebe für legitime Persönlichkeitsrechte, aber mit Pressefreiheit hat das nichts mehr zu tun. Ein Politiker muss sich seiner Vergangenheit und den von ihm selbst nicht unwesentlich verschuldeten Eindrücken stellen.
Übrigens ist auch die Berichterstattung über solche Verfahren riskant. Hatte ich letztes Jahr noch Youtube-Mitschnitte von „Der Akte Gysi“ verlinkt, werde ich das erst einmal lassen. Denn das Landgericht Hamburg hat mir das in einem anderen Fall einstweilen verboten und scheint, das ernst zu meinen. Dazu demnächst mehr.
Heute lesen wir in der TAZ, dass die Piraten es nicht lustig gefunden hätten, dass die LINKE sie auf einem Plakat als Sozialräuber bezeichnet hätte. Doch, wir fanden das lustig, die Mitbewerber sogar ganz nett und haben denen sogar ihr albernes Plakat repariert. Übrigens bewarb sich eine Mitgründerin der WASG um ein Piratenmandat.
Die TAZ interessierte sich für den skurrilen Bewerber Herbers, ein evangelischer Pfarrer, der der in früheren Zeiten AO/KPD-affin war und die GRÜNEN mitgegründet haben will. Der leicht anstrengende Pfaffe scheiterte auch im vierten Wahlgang, wo er den letzten Platz belegte.
Was auch immer die Zeitungen schreiben, wir haben nun 42 Kandidaten, denen jeweils 50% der anwesenden Partei das Vertrauen aussprach. Meines Wissens ist unsere Liste trollfrei. Keine Kreationisten, keine Eosterik-Schwärmer, keine Fundamental-Revolutionäre usw. Und auch dieser offensichtlich hilfsbedürftige Mensch im Piratenkostüm musste über die Planke springen. Keiner unserer Kandidaten muss uns peinlich sein.
Da den TAZ-nahen GRÜNEN allerdings spätestens nach der Saarlandwahl der Arsch auf Grundeis gegangen ist, werden wir uns wohl auf einen schmutzigen Wahlkampf einrichten müssen. Die FDP hat ja schon einen gewissen Vorgeschmack geboten, dem jedoch aus Gründen von Pietät keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Da die Piratenpartei Pressefreiheit in besonderem Maße akzeptiert, mag die TAZ schreiben, was sie will. Aber ich werde mir die Freiheit nehmen, sie mit der Schnauze in ihre eigene Hinterlassenschaft zu drücken.
Es ist nicht alles schlecht an der TAZ, denn entgegen ihren Gründungsideen verwenden die auch Agentur-Material. Und das von dpa war brauchbar.
Bild: Lurusa Gross: Hamburger Pressekammer 2008, rechts im Bild die heutige Vorsitzende Frau Käfer
Heute war Münster überdurchschnittlich in der Pressekammer vertreten. Es begann damit, dass die Herzspezialistin Sabine Däbritz den „Westfälischen Nachrichten“ etliches an Berichterstattung untersagen lassen wollte. Am besten mal Frau Däbritz googeln …
Die Westfälischen Nachrichten hatten neben ihrem Anwalt in Hamburg sogar ihren Chefredakteur persönlich und den Justiziar aufgeboten. Dort machten das Trio die Erfahrung, die ich 2006 dort hinter mich brachte. Die Anforderungen, die man in Hamburg an Berichterstattung aufstellt, haben mit dem journalistischen Alltag und der Verwirklichung der Pressefreiheit wenig bis gar nichts zu tun. So durfte die Zeitung Vorwürfe der Staatsanwaltschaft deshalb nicht mehr bringen, weil man nicht zuvor Frau Däbritz angehört hätte. Der Witz an der Geschichte ist, dass man das mehrfach versucht hatte, die gute Frau jedoch hatte wissen lassen, dass sie nicht mit der Presse rede. Nach den hanseatischen Vorstellungen muss jedoch ein Journalist vor praktisch jeder Behauptung erneut einen Korb abholen und dies auch belegen können. Die Äußerung der Staatsanwaltschaft unter dem Gesichtspunkt des Behördenprivilegs kann man auch vergessen. Der WN-Chefredakteuer kommentierte, dass Wulff wohl noch im Amt wäre, wenn das gelten würde. Wenn er wüsste, was in B 335 jede Woche abgeht …
Fast die gleiche Nummer ereignete sich bei einer weiteren Verhandlung heute bei einem anderen medizinischen Fall. Da hatte eine Ärztin unter Berufung auf ihre Schweigepflicht eine Auskunft abgelehnt, die nun einmal von der Anamnese bis zur Bahre gilt. Nichts, da, sie hätte stets gefragt werden sollen. In dem Prozess wurde absurde Wortklauberei betrieben und unter anderem darüber gestritten, ob man eine bis auf einen unwesentlichen Stoffrest bekleidete Frau als „nackt“ bezeichnen dürfe. Der Beklagten-Anwalt bezog sich auf den jüngsten Münster-Tatort, wo die an der Aaa gefundene Frauenleiche ebenfalls als „nackt“ bezeichnet wurde, obwohl die Kamera ein Höschen einfing. (Der Kollege hat aber genau geguckt …)
Den hanseatischsten Angriff auf die Pressefreiheit jedoch haben wir den Schlagerfuzzis zu verdanken. Ein Herr Karl Moik hatte sich im ZDF über ein bekanntes Ehepaar aus dem Stadl-Millieu wohl dahingehend geäußert, er meine, die inzwischen anscheinend beendete Ehe sei eine Inszenierung des Managements oder so gewesen. Etliche Medien hatten Herrn Moik zitiert. Die Ehepartner verstanden sich aber wohl immerhin noch so gut, dass sie jeweils die gleiche Kanzlei beauftragten. Nach Meinung der Hamburger Pressekammer hätte Moik nicht ohne weitere Recherche zitiert werden dürfen. Ergo: Die Presse darf künftig keine fremden Meinungsäußerungen oder Verdächtigungen wiederholen, ohne eigene Recherchen anzustellen. (An dieser Stelle distanziere ich mich von Karl Moik und insbesondere von seiner Musik.)
Damit sind wir wieder ziemlich genau beim vom BGH in der Luft zerissenen Markwort-Urteil, das mich zu diesem „Interview“ mit dem vormaligen Häuptling der Hamburger Pressekammer inspiriert hatte. Dessen Nachfolgerin, Frau Käfer, macht genau da weiter. 2008 hatte ich Frau Käfer als damalige Beisitzerin in der ZK 24 erlebt, wie die Kammer meinem Mandanten die Haftung für ein Wiki aufs Auge drückte. Irgendein Unbekannter hatte dem Mandanten nachts etwas in sein Wiki geschissen, das er ab Kenntnisnahme sofort gelöscht hatte. Obwohl es bereits damals allgemeine Meinung war, dass Betreiber für fremde Äußerungen in Foren, Blogs oder Wikis nur ab Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis haften und dies sogar die Vorinstanz so entschieden hatte, hat die Kammer tatsächlich eine wirre Haftung konstruiert, die nach heutiger Rechtsprechung allerdings ohne jede Grundlage ist. Zu dem, was mir die Pressekammer letzte Woche angetan hat, ein andermal.
Nachdem gerade gestern nebenan am Hanseatischen OLG das Schandurteil gegen RapidShare verkündet wurde, das im Widerspruch zur Sicht des OLG Düsseldorf steht, hat es diese Woche mal wirklich wieder in sich gehabt. Diese unfassbare Seuche namens „fliegender Gerichtsstand“ muss abgeschafft werden. Es reicht jetzt.
PS: Meinen für Samstag geplanten Vortrag zum „Hanseatischen Persönlichkeitsrecht“ beim IT-LawCamp in Frankfurt muss ich leider absagen. In Münster findet kommendes Wochenende der Aufstellungsparteitag der Piraten NRW statt, dessen Vorbereitung im Moment dringender ist. Vielleicht mache ich den Vortrag, den ich letzte Jahr auch schon gehalten hatte, ja mal als Podcast und lasse es anonym verbreiten …