Heute isses am BGH spannend: Marion versucht in dritter Instanz, aus Hamburger Urteilen wieder eine trübe Suppe zu kochen.
An dieser Stelle möchte ich auf meinen Artikel über das Verhältnis des 6. Senats des BGH zu den Hamburgern auf Telepolis hinweisen: Hamburg hört in Karlsruhe auf
Also krawallig ist es ja schon, das Blog des zähen Chronisten der Hamburger Pressekammer Rolf Schälike. Doch der Ausdauer des passionierten Bergsteigers und Pilzesammlers sowie seinen Experimente mit der Justiz können sich inzwischen weder Journalisten verschließen, wie vor einiger Zeit die Sonntags-FAZ, gerade Die Zeit, und auch in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Archiv für Presserecht“ gibt kein geringerer als Prof. Dr. Karl-Heinz Ladeur in seinem lesenswerten Beitrag „Mediengerechte Spzifizierung des Schutzes von Persönlichkeitsrechten gegen Beeinträchtigung durch Tatsachenbehauptungen und Schmähkritik“ als Fundstelle etwa eine URL von buskeismus.de an – übrigens ein Urteil in Schälikes eigener Sache. Bekanntlich leistet sich der Mann Fehden mit Berliner Presseanwälten, die sich durch seine Berichterstattung „belästigt“ fühlen und bisweilen sogar im Duo bis u.a. nach Köln fliegen, um den Hamburger an der Ausübung seiner Grundrechte aus Art. 5 GG zu hindern. Die meisten Presserechtler haben übrigens längst erkannt, dass man sich mit Schälike besser nicht anlegt.
Mir fiel vor zwei Jahren die Ehre zu, Deutschlands wohl ungewöhnlichsten Gerichtsreporter einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Sicher, es dauert ein bisschen, bis man die Qualität seiner Arbeit erkennt, und viele Kollegen äußern sich abschätzig über den manchmal etwas kauzig wirkenden Herrn. Aber man muss einem Vogel auch dann zuhören können, wenn er nicht singt (Michael Ende). Wie im obigem Video von Zapp zu sehen ist, zeigen Schälikes Dokumentationen der Hamburger Absurdidäten Wirkung. Man spricht inzwischen im Bezug auf die Hamburger Pressekammer auch im Printbereich ganz offen von „Zensur“, der Kollege Prof. Weberling von
„grottenfalscher Interpretation der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts.“
Prof. Ladeur äußert sich ein bisschen vornehmer und beendet seinen aktuellen Beitrag wie folgt:
„Zur Zeit wird die Rechtsprechung ihrer Rolle bei der Herausbildung von Regeln nur in Grenzen gerecht.“
Der lange Arm aus Karlsruhe reicht bis zum Sievekingplatz in der Freien- und Hansestadt Hamburg. Und dort klatschte dessen Hand vor einem Monat so laut auf die Backen der hanseatischen Richter, dass es nur so knallte …
Man hatte Grässlin verboten, den dubiosen Rücktritt des vormaligen Daimler-Häuptlings Schrempp mit diesen Worten zu kommentieren:
„a) Ich glaube nicht, dass der Rücktritt (des Klägers zu 2 als Vorsitzender des Vorstands der Klägerin zu 1) freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde.
b) … und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat.“
Kontext nicht beachtet, Wertungen als Tatsachenbehauptungen gedeutelt
Diese Ausschnitte aus einem Interview hat sich die Hamburger Pressekammer rausgepickt, ohne den Kontext hinreichend zu beachten – das Standard-Verfahren am Sievekingplatz. Und die Hanseaten wollten darin einen Eingriff in Persönlichkeitsrecht und „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ (muhahaha!) erkennen, da die Äußerungen als Tatsachenbehauptungen einzustufen seien. Selbst bei Einordnung als Verdachtsberichterstattung seien die Voraussetzungen hierzu nicht erfüllt. Diesem Unsinn wollte der BGH jedoch nicht folgen. (more…)
“Dabei kommt es – jedenfalls wenn es sich, wie vorliegend, um rufbeeinträchtigende Behauptungen handelt – auch nicht darauf an, ob die Behauptung vormals zutreffend und zulässig war.”
Die Tatsache, dass es für Internetmedien in keiner Weise praktikabel ist, mögliche Änderungen von in Artikeln dargelegten Sachverhalten zu antizipieren, um täglich sämtliche Archivinhalte der Realität anzugleichen, ignoriert das Landgericht völlig. Auch die Verbannung älterer Artikel in ein Archiv, das weder mittels Suchmaschinen noch über Links erreichbar ist, kommt einem Berufsverbot für Onlinemedien und Blogger gleich.
(…) Die gängige Abmahnpraxis hinterlässt jedoch den Eindruck, als ginge es nicht um objektive Information, sondern darum, kritische Berichterstatter unter Geiselnahme des Persönlichkeitsrechts mundtot zu machen.
Dann aber werden die Aktien-Blogger irrational:
Wir glauben trotz der jüngsten Entscheidung auch weiterhin an die zweckgerichtete Abwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht und blicken dem für November terminierten Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Hamburg mit Zuversicht entgegen.
Liebe Aktienblogger, ich habe jetzt eine ganz schlechte Nachricht für euch: beim Landgericht Hamburg wird NIE zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht abgewogen. Das passiert erst in Karlsruhe. Und es interessiert an der Außenalster auch niemanden, ob etwas im Internet praktikabel ist. In zwei Jahren dürft ihr dann vielleicht sagen, was ihr über Herrn Frick zu sagen habt.
Aber schön, dass euch aufgefallen ist, dass das Wort „Pressefreiheit“ im Urteil nicht ein einziges Mal auftaucht. Die spielt im Hamburger Landrecht nämlich keine Rolle …
Seit 2006 streiten sich der Doping-Praktiker Jan Ullrich und der Doping-Experte Prof. Werner Franke vor Hamburger Gerichten – natürlich um die Wahrheit bzw. wer die gepachtet hat, genauer: Wer wem welche Wahrheit verbieten darf.
Franke hatte im Prinzip zutreffend behauptet, Ullrich habe an den Doping-Arzt Fuentes Geld gezahlt, was Ullrich in einer eidesstattlichen Versicherung bestritt und hiermit dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Unterlassungsverfügung aus dem Kreuz leiern konnte.
Werden wir mal etwas präziser: In einem TV-Interview hatte Franke erklärt,
Ullrich habe in einem Jahr dem spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes 35.000 Euro für Dopingmittel überwiesen.
Franke meinte, damit lediglich die Presse zitiert zu haben. Doch in Zeiten der Stolpe-Rechtsprechung verwiesen ihn die Hamburger darauf, dass Franke als großer Doping-Experte, der auch im Fall selber recherchiere, so zu verstehen sei, als gebe er eigene Erkenntnisse zum Besten.
In Hamburg glaubt man blind, was in eidesstattlichen Versicherungen gelogen wird. Aber im Hauptverfahren, wo man Beweise zu erheben pflegt, könnte es peinlich werden, denn die eidesstattliche Versicherung war offenbar erstunken und erlogen: Laut BKA (Tagesspiegel) hatte der Radfahrer schlappe 80.000,- Euro an Fuentes überwiesen und sich auffällig häufig in Madrid aufgehalten. Anders als bei seinem Frohlocken über das Hamburger Urteil hält sich Ullrich diesmal mit Kommentaren zurück.
Auch die Kinder des Nationalheiligen und Kaisers Franz Beckenbauer unterliegen irdisch-bürgerlichem Recht. So wollte Beckenbauer zugunsten seiner Kinder ein präventives Verbot für die Verbreitung von Fotos seiner minderjährigen Kinder durchsetzen. Tatsächlich folgte Richter Buskes Pressekammer beim Landgericht Hamburg dem so nicht im Gesetz vorgesehenen Ansinnen Beckenbauers und sprach ein bis zur Volljährigkeit der Kläger geltendes Unterlassungsgebot aus. Auch das hanseatische Oberlandesgericht sah hierin „keine unzulässige Einschränkung der Pressefreiheit“.
Wie der Bundesgerichtshof heute jedoch in einer Pressemitteilung bekannt gab, kann
Eine solche Interessenabwägung kann nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offen bleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden. Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Kläger noch minderjährig sind. Zwar müssen Kinder und Jugendliche gegen die Presseberichterstattung in stärkerem Umfang geschützt werden als Erwachsene. Doch ist für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung auch bei Minderjährigen eine Abwägung zwischen deren Persönlichkeitsrecht und der Äußerungs- und Pressefreiheit erforderlich. Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist auch bei Kindern und Jugendlichen bei vielfältigen, im Einzelnen nicht vorhersehbaren Lebenssachverhalten denkbar. Ein Generalverbot, welches insbesondere bei jüngeren Kindern bis zu deren Volljährigkeit viele Jahre gelten würde, wird dem nicht gerecht und stellt eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Äußerungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) dar.
Es bleibt also dabei: Man muss in jedem Einzelfall abwägen, ob das Berichtsinteresse überwiegt, oder eben nicht. Das wird bei Kindern von Prominenten, die vom Promi nicht in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt werden, regelmäßig im Interesse des ungestörten Aufwachsens nicht der Fall sein. Aber es ist Sache des Gerichts, Verstöße nachträglich bzw. bei unmittelbarer Drohung gerichtlich zu sanktionieren. Das, was Hamburg da strukturell einstielt, kann man kaum höflicher als „Zensur“ nennen.
Immer wieder das gleiche Spiel: Hamburg verbietet, was das Zeug hält, spricht aberwitzige Geldsummen aus usw., Karlsruhe beendet den Spuk. Wie lange soll diese Sisyphos-artige Farce eigentlich noch die Geldbeutel von Verlagen, Rundfunkhäusern und Bloggern strapazieren? Könnte nicht mal irgendjemand in Hamburg die Fenster aufmachen und mal kräftig durchlüften?
Der Fall unterscheidet sich von den meisten presserechtlichen Fallgestaltungen dadurch, als dass die Kontrahenten Wettbewerber im Zeitungsmarkt sind, die filmische Äußerung als nicht nur politisch/künstlerischer Natur war, sondern auch gewerbliche Interessen im Spiel waren. So stützte der Axel Spinger-Verlag seinen vermeintlichen Anspruch auf § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG (unlautere vergleichende Werbung). Doch der BGH fand es einerseits witzig, andererseits die angebliche Herabsetzung nicht so dramatisch.
Wie so häufig, hatten in die Hamburger die Linie von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht, die Artikel 5 Grundgesetz einen weiten Spielraum zubilligen, mal wieder komplett ignoriert. Revisionen gegen abwegige Hamburger Willkür-Entscheidungen lohnen sich fast immer, sind aber häufig eine Frage Geldbeutels. Ob das im Sinne des Erfinders der Meinungs- und Kunstfreiheit sein kann?
Nimmt eigentlich noch irgendwer mit Sachverstand das Landgericht Hamburg ernst?
Morgen verhandelt der Bundesgerichtshof den Streit um den obigen Werbespot, den der Axel Springer-Verlag als herabsetzende Werbung erachtete und – wo sonst? – beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung erwirkte. Man muss kein eingefleischter Kenner der BGH-Rechtsprechung oder Hellseher sein, um vorherzusagen, dass der BGH die auf Hamburger Landrecht beruhende Verfügung aufheben und den Spot zulassen wird.
Der BGH hat heute (wie hier angekündigt) in einem wichtigen Urteil die konstant vom Landgericht Hamburg beschnittene Meinungsfreiheit gestärkt. Wie die Financial Times Deutschland berichtet, war Grässlins Interview, in dem er die Umstände des Rücktritts von Schrempp kommentierte, laut Karlsruhe eine zulässige Meinungsäußerung.
Grässlin musste sich die Zulassung zur Revision hart erstreiten. Mich persönlich verbindet mit Grässlin, dass auch sein Name auf der „Gästeliste“ von Buskes Freitagssitzung stand, als ich vor drei Jahren dort das erste mal meinen Fuß in die berühmt berüchtigte Pressekammer setzte.
Herzlichen Glückwunsch und meinen tiefen Respekt für Ihre Hartnäckigkeit, die nun belohnt wurde! Verbunden fühle ich mich allen Spendern, die Grässlin bei diesem für die Meinungskultur in Deutschland richtungsweisenden Urteil unterstützt haben.
Heute war ein großer Tag für die Meinungs- und Pressefreiheit!
Sowie das Urteil vorliegt, werde ich es eingehend kommentieren. Schöne Grüße nach Hamburg!
Der Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin ist ein Dauerkunde in der Hamburger Pressekammer, wenn es darum geht, dass Äußerungen mit Biegen und Brechen so ausgelegt werden sollen, dass sie dem „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ eines sensiblen Rüstungs- und Kfz-Konzerns abträglich sein könnten. Grässlin ist ein standhafter Gegner, dem gerade die Solbach-Freise Stiftung ihren mit 4.000,- Euro dotierten »Preis für Zivilcourage« 2009 zuerkannt hat. Die wird der Pazifist für seine Kriegskasse brauchen.
Herr Grässlin hat mich gebeten, auf die gegen harte Widerstände erkämpften Revisionsverhandlung beim Bundesgerichtshof hinzuweisen, die demnächst ansteht. Hier ist sein aktueller Pressetext zum Fall:
++ Meinungsfreiheitsprozess Schrempp gegen mich wird gegen den Willen der Hamburger Justiz am 22.09.2009 vor BGH öffentlich verhandelt – Einladung zur Teilnahme ++
Gegen den ausdrücklichen Willen der Hamburger Justiz geht der Meinungsfreiheitsprozess des früheren Daimler-Vorsitzenden Jürgen E. Schrempp gegen mich in die nächste Runde. Über den (more…)