Melitta scheint Inhaber der Wortmarke „Filtertüte“ zu sein. Und daher scheint man sich berechtigt zu sehen, per einstweiliger Verfügung gegen obigen, Filtertüten diskriminierenden Werbespot eines Kaffeeautomatenherstellers vorgehen zu dürfen.
Zur Stunde ist ist noch nicht bekannt, welches Landgericht diese hanebüchene eV durchgewinkt hat, aber ich habe da so eine Theorie ...
Das Deutschlandradio hatte ein Interview mit dem Konzernkritiker Jürgen Grässlin über einen Herr Piëch oder so und dessen Autoladen geführt. Das hatte dem wiederum nicht gefallen und er ließ verbieten. Sowas macht man üblicherweise beim Landgericht Hamburg, denn dazu ist es da. Wie bereits berichtet, tendierte das Hanseatische OLG Hamburg unter dem Eindruck der ebenfalls von Grässlin nicht unwesentlich geprägten jüngeren Rechtsprechung des BGH zur Vernunft. So berichtet das Deutschlandradio heute:
Piëch störte sich unter anderem an der Aussage, er habe immer seinen Großvater Ferdinand Porsche überholen und „berühmter werden“ wollen. Auch die Aussage Grässlins, Piëch wolle „sicherlich mächtigster Mann in Europa werden“, wertete das Landgericht Hamburg als unzutreffende „innere Tatsachenbehauptung“.
Dagegen entschied das Oberlandesgericht, bei diesen beiden Aussagen handele es sich nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um zulässige Meinungsäußerungen.
Na also, geht doch.
Dann aber schwächelt das OLG und erlegt dem Deutschlandradio die Verbreiterhaftung für Grässlins Äußerung über die Personalpolitik auf:
So hatte Grässlin auch behauptet, Piëch sei „der deutsche Meister im Entlassen von Vorständen“ und habe „mehr als 30, 35 Vorstände“ auf dem Gewissen. Das Gericht entschied, hier greife die sogenannte Verbreiterhaftung, wonach Medien für unzutreffende Aussagen ihrer Interviewpartner haften, wenn „keine ausreichende Distanzierung“ vorliege.
Die Entscheidungen betreffen nur das einstweilige Verfügungsverfahren. Der ganz Spaß wird die Hamburger demnächst also nochmal im Hauptsacheverfahren beschäftigen.
Wie der Kollege Dr. Bahr mitteilt, nimmt das Landgericht Hamburg nunmehr erst ab Kenntnis eines Forenbetreibers eine Haftung für schmähende Inhalte an (Urteil v. 16.09.2009 – Az.: 325 O 243/09). Wer ein Forum bzw. Blog betreibt, muss nicht Tag und Nacht darüber wachen, dass jemand Unbekanntes einen Mitmenschen mit der unfeinen Bezeichnung für das Gesäß bedenkt. Ab Kenntnis sollte er den Unflat dann aber schleunigst löschen.
Die Zivilkammer 25 des Landgerichts schloss sich somit (endlich) der Rechtsmeinung des insoweit umgestimmten hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg und der anderer Oberlandesgerichte an. Letztes Jahr war es mir nicht gelungen, die in Pressesachen etc. federführend zuständige Zivilkammer 24 unter Leitung eines gewissen Richter Buske vom Irrsinn einer unwissentlichen Haftung eines Forenbetreibers für User Generated Content zu überzeugen. In der Sache habe ich eine Verfassungsbeschwerde laufen.
Ungleich bekannter war das Problem digitaler Kuckuckseier seinerzeit durch den Blogger-Kollegen Stefan Niggemeier geworden. Apropos Niggemeier: In seiner Parodie auf private Blogs hat BILD-Chef Kai Diekmann wieder alle Register gezogen, um sich als unreifer Proll zu inszenieren, indem er schulmeisterlich gegen Niggemeier pöbelt. Noch 64 Tage, dann haben wir es hinter uns …
Protagonisten sind alte Bekannte, nämlich der empfindliche Herr Schrempp sowie dessen Anwalt Dr. S., der sich mit Schälike seit Jahren gerichtliche Gefechte liefert, weil er sich durch die Gerichtsberichterstattung belästigt fühlt. Gegenseite ist BILD online.
Für mich absolut unglaublich ist die Tatsache, dass Rechtsanwalt S. ein Begehren auf Gegendarstellung selbst unterzeichnet hat – das muss aber laut Pressegesetzen jeweils der Betroffene. So kann man etwa in Schertz/Götting/Seitz (2008) unter § 48 Randnummer 51, 52 (Seitz) nachlesen:
„In Pressesachen nicht erfahrene Anwälte achten zum Teil nicht hinreichend auf die Einhaltung der Formalien. Das kann zur Abweisung eines gerichtlichen Antrags führen. Die Gegendarstellung muss vor dem Gang zum Gericht beim Betroffenen konkret geltend gemacht werden. (..)
Die Gegendarstellung muss vom Betroffenen selbst oder seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet sein.“
Eine rechtsgeschäftliche (ungleich gesetzliche wie Erziehungsberechtigte usw.) Vertretung kommt Seitz zufolge nur bei Vorlage einer Originalvollmacht infrage. Für die erforderliche Vorlage von Gegendarstellungsbegehren und ggf. Originalvollmacht dürfte nicht einmal ein Fax den Anforderungen genügen.
Wie häufig, wenn Kollege S. aufläuft, ging es mal wieder temperamentvoll zu. Genutzt hat es ihm nichts.
Unser lieber Kollege, der DigiProtect-Massenabmahner Herr Dr. Udo Kornmeier, kann auch individuell abmahnen: Heute hat Kornmeier den Kollegen Stadler abgemahnt, weil dieser so hässliche Dinge über ihn sagt. Ob das wirklich eine gute Idee gewesen war?
So, wie ich Stadlers Posting verstehe, liegt das Problem darin, dass DigiProtect/Kornmeier eine Zahlung X geltend machen und als Druckmittel hierzu die gerichtliche Geltendmachung in Aussicht stellen, die nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz einen Betrag >X generieren würde. Das bedeutet, dass Stadlers Aussage, Kornmeier mache Anwaltskosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geltend, tatsächlich falsch, weil ungenau wäre.
Nur: Worauf begründet sich dann die „Zahlungseinladung“ für den Betrag X? Anders gefragt: Darf ein Anwalt von einem Abgemahnten unter Drohgebärden eigentlich Kostenübernahme aus etwas anderem als aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verlangen?
Ich kann es nicht völlig ausschließen, dass man mit solchen Spitzfindigkeiten bei einem mir ans Herz gewachsenen Landgericht im Großraum Norddeutschland sogar durchkommen würde. Aber ich fürchte, dass man sich selbst da mit der Bedeutung des Wörtchens „wertneutral“ auseinandersetzen wird. Was den Klassiker, nämlich eine Qualifikation eines Handelns als „Betrug“ betrifft, würde ein entsprechendes Urteil vermutlich kaum abseits des Sievekingplatzes Bestand haben. Denn inzwischen hat sich die obergerichtliche Verfestigung zum umgangssprachlichen Gebrauch von juristischen Fachtermini wie „Betrug“ verfestigt, was mitunter sogar an der Alster respektiert wird.
Ich hoffe allerdings, dass der Kollege Kornmeier nicht nur blufft, sondern die Sache gerichtlich durchzieht – stärkere Publicity kann Stadler nämlich kaum bekommen.
Interviews mit dem Konzernkritiker Grässlin sind immer eine riskante Sache, denn die von ihm thematisierten Manager sind sehr empfindlich und bemühen offensiv einschlägig bekannte Kanzleien.
So hatte Piech etwa Teile dieses Interviews per einstweiliger Verfügung vom – Überraschung! – Landgericht Hamburg untersagen lassen. Das Hanseatische Oberlandesgericht musste sich jedoch in der mündlichen Verhandlung mit den jüngsten Entscheidungen des BGH auseinandersetzen, der Grässlin in der Sache mit Schrempp eine zulässige Ausübung der Meinungsfreiheit attestierte und auch beim Willemsen über Markwort-Interview die Meinungsfreiheit weiter fasste, als die Leute vom Sievekingplatz. Die Hanseaten sind mit dem Kurs des BGH offensichtlich alles andere als glücklich, scheinen ihn aber erstaunlicherweise zu respektieren.
Wie der ehrenamtliche Stenograph der Hamburger Pressegerichte berichtet, wird/wurde die einstweilige Verfügung „höchstwahrscheinlich“ (größtenteils?) aufgehoben. Gut so.
Aufgrund der gegenwärtigen Auslegung des § 32 ZPO kann man sich bei überregionaler Verbreitung angeblicher Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht den Gerichtsstand aussuchen und wählt daher zweckmäßig unter den 18 Landgerichten dasjenige aus, das für die schärfsten Urteile bekannt ist – meistens spricht es hanseatisch. Das nennt sich fliegender Gerichtsstand.
Die Süddeutsche bemüht krasse Fälle wie Robert Enke, der sich angeblich wegen Angst vor schlechter Presse nicht stationär behandeln lassen wollte.
Warum Prominente keine Angst haben müssen, mit ihren Krankheiten in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden.
EINSPRUCH, Herr Kollege.
Professionelle Redaktionen WISSEN, dass Berichte über den Gesundheitszustand, der nicht öffentlich sichtbar ist oder freiwillig bekannt gemacht wurde, nicht ohne weiteres zulässig sind. Entweder, die Redaktionen respektieren das, oder sie übertreten sehenden Auges das Verbot und kassieren eine einstweilige Verfügung – die sie dann aus der Portokasse zahlen.
DAFÜR brauchen wir keinen fliegenden Gerichtsstand, solche Evidenzfälle kriegen auch die anderen Landgerichte hin.
IM GEGENTEIL: Dadurch, dass eine einstweilige Verfügung erst Wirksamkeit entfaltet, wenn sie zugegangen ist, macht es in Eiligstfällen wenig Sinn, diese am Landgericht Hamburg zu beantragen, wenn sie in Köln zugestellt werden muss.
Unter dem fliegenden Gerichtsstand leiden insbesondere kleine Blogger, die alle nach Hamburg bemüht werden können, wenn jemand eine einstweilige Verfügung erschleicht. Vor allem aber widerspricht das Konzept des Forumshoppings dem Prinzip des gesetzlichen Richters, nach dem sich niemand seinen Richter aussuchen können soll. Aufgrund des fliegenden Gerichtsstandes bekommen Hamburger Richter, die unverblümt in offenem Widerspruch zu den Vorgaben von BGH und BVerfG urteilen, eine unverhältnismäßige Macht. Davon aber steht im Artikel der Süddeutschen nichts.
Besonders weh tut es aber, wenn der Autor Rechtsanwalt Gernot Lehr von „erfahrenen Pressekammern“ schwärmt und dazu ausdrücklich die des Landgerichts Köln zählt. Erfahrungen habe ich in Köln vor Jahren gesammelt, allerdings definitiv keine guten …
Der vom hanseatischen Oberlandesgericht bestätigten Rechtsauffassung der Pressekammer des Landgerichts Hamburg, die einer Zeitung Recherchepflichten für von Interviewpartnern teilweise irrtümlich gemachten Behauptungen aufstellt, wurde eine klare Absage erteilt.
Die Verbreitung der Äußerungen war zulässig. Es handelt sich um eine nicht gegen den Kläger persönlich gerichtete Meinungsäußerung mit einem wahren Tatsachenkern. Die Aussage „Heute wird offen gelogen“ richtet sich gegen die Berichterstattung im Magazin „Focus“, für die der Kläger als Chefredakteur verantwortlich war. Sie gibt die dem Beweis nicht zugängliche Meinung des Interviewten über die mangelnde Wahrheitsliebe in den Medien wieder. Durch das von ihm angeführte Beispiel des Interviews Markworts mit Ernst Jünger, das Markwort jedenfalls nicht selbst geführt hat, wird der Kläger zwar in seinem Persönlichkeitsrecht tangiert, doch überwiegt das von Roger Willemsen verfolgte Interesse der Öffentlichkeit an der Wahrheit und Seriosität der Medienarbeit. Der Persönlichkeitsschutz des Klägers hat mithin hinter dem Recht der Beklagten auf Presse- und Meinungsfreiheit zurückzutreten.
Diese Ansage dürfte auch ein wichtiges Signal zur Zurechnung von Äußerungen in User Generated Content darstellen (Forenhaftung, Wikihaftung).
Hier mein Glosse zur damaligen kolossalen Hamburger Fehlentscheidung. Die scheint mir Richter Buske übrigens zuzurechnen. Er zieht es vor, nicht mehr mit mir zu sprechen. Das muss er aber auch gar nicht, wenn ich ihn interviewen will … ;-)
Da ich seit etlichen Jahren auf den Konsum von TV verzichte, kann ich nicht einmal erraten, welcher angeblich prominente TV-Moderator jüngst das Landgericht Hamburg bemühte.
Der TV-Mann hatte nichts dagegen, dass sein Neffe sich in seinem Licht sonnte, als dieser wiederum für ein Kunstwerk gerühmt wurde. Nachdem sich das Kunstwerk als Plagiat herausgestellt hat, ist das nun schwarze Schaf der Familie in Ungnade gefallen. Und da hat man natürlich nichts Besseres zu tun, als zur Hamburger Pressekammer zu rennen und entsprechende identifizierende Berichterstattung zu verbieten. Sehr schön!