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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


11. Dezember 2009

Tierschützer wollen nicht dubios sein

Das Landgericht Hamburg hat sein Problem, Meinungsäußerungen als Tatsachenbehauptungen zu bewerten, trotz jüngster Hilfestellung vom BGH noch immer nicht überwunden.

Die „Aktion Tier“ rennt mit einer einstweiligen Verfügung gegen SPIEGEL ONLINE durchs Dorf und berühmt sich ausdrücklich, man sei nicht gegen Meinungsäußerungen, sondern gegen Tatsachenbehauptungen vorgegangen. Ersteres geht per Definitionem normalerweise nicht, ob letzteres vorliegt, darf unterschiedlich gesehen werden.

So schreiben die Tierschützer:

So dürfen die beiden Antragsgegner z.B. nicht mehr behaupten, der Verein verwende lediglich 20% seiner Einnahmen für den aktiven Tierschutz. Auch dürfen unsere Kooperationspartner, d.h. die von uns geförderten Tierschutzvereine, nicht mehr als „dubios“ bezeichnet und die absurde Behauptung aufgestellt werden, es gebe Hinweise auf „Verschleierungsabsichten“ innerhalb dieser Vereine.

Das wird SPON vermutlich kaum auf sich sitzen lassen. Bei einer einstweiligen Verfügung wird der Gegner normalerweise nicht gehört, so dass die Pressekammer gar nicht wissen kann, ob es vielleicht doch solche Hinweise gibt. Klärungsbedürftig erscheint denn auch, was unter „aktivem Tierschutz“ genau verstanden werden darf.

„Dubios“ scheint mir dann doch eine stark meinungsgeprägte Wertung zu sein. Zwar ist dieses Prädikat nicht schmeichelhaft, aber m.E. doch eher etwas für die öffentliche Auseinandersetzung als für eine einstweilige Verfügung. In Hamburg jedoch fordert man für solche Wertungen so genannte „Anlasstatsachen“. Man darf also nur nach bestimmten Regeln meinen. Steht zwar so nicht in Art. 5 GG, aber in Hamburg laufen die Dinge nun einmal anders. Ich hingegen meine, Anlass zu haben, das Landgericht Hamburg für dubios zu halten. Ich kann mich aber auch irren.

Filtertüten in Hamburg

Wie berichtet, kämpfen die Filtertüten um ihre Ehre. Nunmehr hat mir der Kaffee-Automathersteller freundlicherweise die Antragsschrift zur Verfügung gestellt. Als überzeugter Anhänger dieser Technologie genieße ich gerade einen frisch gemahlenen und aufgebrühten Kaffee (schwarz), der mir den Genuss der Antragsschrift, die selbstverständlich an das Landgericht Hamburg adressiert gewesen war, nochmals verstärkt.

Die Filtertüten meinen es ernst und haben ein Schwergewicht im gewerblichen Rechtsschutz bemüht. Der entsprechende Hersteller erkennt sich trotz Anonymisierung der Filtertüten im Werbespot wieder, obwohl die von einem anderen Hersteller stammen. Das könnte für einen Anspruch aus UWG auch ausreichend sein, denn die Firma hat nun einmal einen Marktanteil von über 50%. Andererseits wurde eine ganze Branche angegangen, ohne dass auf einen bestimmten Hersteller angespielt wurde. Darf man jetzt eine bestimmte Technologie nicht mehr kritisieren, wenn sie überwiegend von einem Hersteller dominiert wird?

Die Werbung wird als vergleichende gesehen und als unsachlich und herabsetzend empfunden, mithin als Verstoß gegen § 6 UWG. Filtertüten werden als etwas Ekelhaftes dargestellt, und es wird der Eindruck erweckt, sie seien unwirtschaftlich, was unzutreffend sei. So lägen die Sachkosten für eine Tasse Filterkaffee tatsächlich jedoch bei 8 Cent, während der Vollautomat 30 Cent fordere. Dies sei irreführend im Sinne des § 5 UWG. Das sind im Wettbewerbsrecht durchaus ernst zu nehmende Argumente, wobei es nicht überraschen würde, wenn der Automatenhersteller bei seiner Berechnung zu anderen Ergebnissen käme.

Nicht minder interessant ist jedoch die Kulturkritik:

„Abgesehen davon, dass der Spot wirklich nicht komisch ist (denn er offenbart ein merkwürdiges Verhältnis zur modernen Bürowelt und des Verhältnis zwischen Sekretärin und „Chef“), zieht er in pauschal-herabsetzender Weise Kaffeepapiereinsätze und die dazugehörigen Maschinen „durch den Kakao“.

Wow! Das ist Poesie! Das ist Lyrik! Liest man in Schriftsätzen mit diesen Streitwerten eher selten … Der Kollege schreibt jedoch ganz Kavalier, die Schauspielerin Mirja Boes sei „begabt“.

Der Kollege hat nicht ganz Unrecht: Der Spot ist tatsächlich nicht komisch, sondern nähert sich lediglich stilistisch an die Unterhaltungsangebote des Privatfernsehens der späten 90er Jahre an. Aber das allein wird für ein Verbot nicht ausreichen …

Denkbar komisch ist allerdings das Ansinnen, einen solchen Spot durch Wettbewerbsrecht verbieten zu lassen und damit dramatisch aufzuwerten. Man könnte – und das klingt ironischerweise auch in der Antragsschrift an – genauso gut auf die Nachteile der Kaffeevollautomaten verweisen, denn da muss ständig der Trester geleert werden, andernfalls der Schimmel droht, usw. Da nehmen sich Filtertüten und Automaten nichts, der Gang zum Mülleimer bleibt! Und die Filtertüten könnten auch das Kosten-Argument in der eigenen Werbung fruchtbar machen (wenn es denn stimmt).

Das Verbot ist natürlich die denkbar beste Werbung für den Spot, von dem ich sonst nie erfahren hätte. Die Prozesskosten sind im Vergleich zu dem, was man für die Sendung eines TV-Spots anlegen muss, ein Fall für die Portokasse.

Der Fall bleibt spannend. In der Antragsschrift wird auch auf eine als „Todesanzeige“ für Filtertüten gestaltete Werbemaßnahme verwiesen, so dass der Spot als Teil einer Filtertüten-feindlichen Kampagne zu werten sei. Verständlich, dass eine Papiertüte da die Pappe auf hat!

Ein Problem werden die Filtertütenkaffeebrüher aber auch durch das Landgericht Hamburg nicht lösen können: Wer einmal von den Freuden eines Automatenkaffees gekostet hat, wird gefilterte Kaffeebrühe nicht einmal geschenkt trinken wollen …

UPDATE: Artikel im Westfalen-Blatt

Schauspielerin Mirja Boes scheint tatsächlich eine unkomische Person zu sein und singt anscheinend eher laut als gut. Aber in dem Video hier erkannte ich den Varietékünstler Sos Petroysian, der ihr beim sog. „Quick Chance“ hilft, dem zauberhaften Kleidungswechsel. Quickchanger und ähnliche Kuriositätenkünstler etc. gehören nämlich zu meinem Mandantenstamm – und da bin ich wohl Marktführer ;-). Finde ich spannender,  als Filtertüten zu vertreten …

10. Dezember 2009

Katja Günther: von „wegen“

„wegen“

Vorsichtshalber distanziere ich mich von allem, was Sie unter diesem Link finden werden, und zwar wegen …

Buch über Stuttgarter NS-Arzt darf weiter erscheinen

Der Mensch, der um den guten Ruf seines 1960 verstorbenen Großvaters besorgt gewesen war, hat seinen Antrag überraschend zurückgezogen. Die heute, sehr gut besuchte Vorstellung am Landgericht Stuttgart fiel daher aus.

Schade, denn es wäre interessant gewesen, zu erfahren, wie lange im Schwabenländle Persönlichkeitsrechte ihren Träger überleben können …

UPDATE:

Angeblich sei die einstweilige Verfügung zu spät beantragt worden, meint der Antragsteller, übrigens selbst Rechtsanwalt, aber er will die Hauptsacheklage versuchen.

Mehr PR kann man dem Buch nicht wünschen.

WDR akzeptiert einstweilige Verfügung (mutmaßlicher) Stasi-Leute

Ein Dokumentarfilm von Fritz Pleitgen über die Bespitzelung der Springer-Presse durch die Stasi scheint nicht mit den Persönlichkeitsrechten der Damen und Herren (mutmaßlichen) Spione zu harmonieren und muss daher umgeschnitten werden, meldet DIE WELT.

Mal wieder wird Geschichtsschreibung von Gerichten verhindert. Dazu sind Gerichte ja schließlich da.

Urteilsvermögen eines Notars: keine Ehrensache

Bei der Wesftälischen Notarskammer trudelte neulich eine Email ein, in der jemand eine Überprüfung des Urteilsvermögen eines Notars anregte. Das kränkte den Notar gar sehr, so dass er beim Landgericht Münster gegen diesen Frevel den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung erwirkte, um der Ehre genüge zu tun.

Doch was an nördlicheren Gerichten wohl als beweisbelastete Tatsachenbehauptung ausgelegt worden wäre, gilt im bodenständigen Westfalen als Meinungsäußerung. Kritik müssen sich im Münsterlande auch Notare gefallen lassen. Der entehrte Notar will nicht aufgeben – Ehrensache für sture Westfalen!

Die Würde der Filtertüte ist antastbar

Melitta scheint Inhaber der Wortmarke „Filtertüte“ zu sein. Und daher scheint man sich berechtigt zu sehen, per einstweiliger Verfügung gegen obigen, Filtertüten diskriminierenden Werbespot eines Kaffeeautomatenherstellers vorgehen zu dürfen.

Zur Stunde ist ist noch nicht bekannt, welches Landgericht diese hanebüchene eV durchgewinkt hat, aber ich habe da so eine Theorie ...

UPDATE:

War Hamburg!

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Nackte Tatsachen stürmen Dresdner Gerichtssaal

Eine derzeit nur als „urs1798“ bekannte Künstlerin hat den Dresdner Bilderstreit um die entblößte Oberbürgermeisterin illustriert und die Einschränkung der Kunstfreiheit beklagt, wobei es natürlich alles „Banausen“ seien, welche die deftige Bloßstellung der Politikerin nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt sehen.

Auch das streitbare politische Weblog Mein-Parteibuch.com schießt eine Tirade gegen die Kunstbanausen und angebliche Prüderie ab, kommt aber nicht auf die Idee, zu thematisieren, dass jeder Mensch – ob Kind, Straftäter oder Politiker – Persönlichkeitsrechte hat. Wenn ich mir ansehe, wie gewissen Boulevard-Medien die Persönlichkeit ihrer Opfer ausbeuten, finde ich schon, dass Persönlichkeitsrechte eine grundsätzliche Berechtigung haben. Jeder Mensch hat Anspruch auf ein Minimum an Menschenwürde und Respekt um seiner selbst Willen. Das sollte man vielleicht wenigstens erwähnen, wenn man seine Gegner derart derbe angreift.

Mit der lapidaren Formulierung,

XY „erklärte, dem Dresdner Künstlerbund werde möglichst umgehend die städtische Förderung gestrichen, wenn das entartete Bild nicht aus der Ausstellung entfernt werde.

werden nationalsozialistische Gesinnung und staatliche Zensur mit dem privatrechtlichen Anspruch einzelner Personen auf ein Minimum an Achtung der Privat- und Intimsphäre gleichgesetzt. Das ist ganz großer Scheiß. Denn der Respekt von Persönlichkeitsrechten und dessen zivilrechtliche Einklagbarkeit ist etwas völlig anderes als staatliche Zensur und im Gegensatz zu totalitären Systemen ein ethischer Fortschritt. Eine andere Frage ist lediglich, inwieweit Persönlichkeitsrechte missbraucht werden können.

Ob sich da ein paar Kunstfetischisten die Sache nicht ein bisschen zu einfach machen? Man kann sich über die Grenzen streiten, ab wann das Persönlichkeitsrecht die Kunstfreiheit überwiegt oder umgekehrt. Aber einen pauschalen Vorrang der Kunstfreiheit gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht halte ich nicht für überzeugend. Jeder soll sich mal vorstellen seine Mutter oder seine Tochter würde so dargestellt.

Und nochmal: Wenn es um die Feststellung geht, ob ein Mensch in seiner Persönlichkeit verletzt wurde, ist es nahezu unerheblich, ob große Kunst oder Volkshochschule-Pinselei vorliegt. Hier von „Ignoranz“ zu sprechen, ist angesichts des Ignorierens bzw. Ablehnens von Persönlichkeitsrechten schon sehr billig.

Bildnachweis: Ach was!

9. Dezember 2009

Kornmeier unterliegt

Der Stadler Thomas feiert heute eine Party!

UPDATE:

Mein Kommentar.

OLG Hamburg: Porsche darf überholt werden!

Das Deutschlandradio hatte ein Interview mit dem Konzernkritiker Jürgen Grässlin über einen Herr Piëch oder so und dessen Autoladen geführt. Das hatte dem wiederum nicht gefallen und er ließ verbieten. Sowas macht man üblicherweise beim Landgericht Hamburg, denn dazu ist es da. Wie bereits berichtet, tendierte das Hanseatische OLG Hamburg unter dem Eindruck der ebenfalls von Grässlin nicht unwesentlich geprägten jüngeren Rechtsprechung des BGH zur Vernunft. So berichtet das Deutschlandradio heute:

Piëch störte sich unter anderem an der Aussage, er habe immer seinen Großvater Ferdinand Porsche überholen und „berühmter werden“ wollen. Auch die Aussage Grässlins, Piëch wolle „sicherlich mächtigster Mann in Europa werden“, wertete das Landgericht Hamburg als unzutreffende „innere Tatsachenbehauptung“.

Dagegen entschied das Oberlandesgericht, bei diesen beiden Aussagen handele es sich nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um zulässige Meinungsäußerungen.

Na also, geht doch.

Dann aber schwächelt das OLG und erlegt dem Deutschlandradio die Verbreiterhaftung für Grässlins Äußerung über die Personalpolitik auf:

So hatte Grässlin auch behauptet, Piëch sei „der deutsche Meister im Entlassen von Vorständen“ und habe „mehr als 30, 35 Vorstände“ auf dem Gewissen. Das Gericht entschied, hier greife die sogenannte Verbreiterhaftung, wonach Medien für unzutreffende Aussagen ihrer Interviewpartner haften, wenn „keine ausreichende Distanzierung“ vorliege.

Die Entscheidungen betreffen nur das einstweilige Verfügungsverfahren. Der ganz Spaß wird die Hamburger demnächst also nochmal im Hauptsacheverfahren beschäftigen.