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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


24. November 2010

Uwe Barschel und das Presserecht

Über den Kollegen Rechtsanwalt und Notar Dr. Uwe Barschel, seinerzeit Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, gäbe es viel Unangenehmes zu sagen – doch aus dem Amt gekickt hatte ihn ausgerechnet eine SPIEGEL-Story, die auf Desinformation beruhte. Als das Doppelspiel Pfeiffers ruchbar wurde, war die Glaubwürdigkeit des Leitmediums schwer beschädigt worden. Auch beim SPIEGEL kochte man nur mit Wasser. Der Deutsche Presserat fand es nicht so tragisch.

Der STERN war es dann, der weitere Presserechtsgeschichte schrieb, als zwei seiner Leute in Barschels Hotelzimmer eindrangen und die Leiche fotografierten. Der erste Abdruck des Fotos wurde vom Deutschen Presserat als journalistisch legitim angesehen, nicht jedoch ein erneuter, wofür es eine Rüge gab.

Publizistisch interessant ist das kollektive Schweigen der deutschen Medien, die sich erstaunlich schnell auf die absurde Sprachregelung „Selbstmord“ einigten, was weder mit den Spuren in Einklang zu bringen ist, noch in der vorliegenden Weise psychologisch auch nur ansatzweise nachvollzogen werden kann: Ein so eitler, auf sein Bild in der Öffentlichkeit so sehr bedachter Politiker wie Barschel, der militärische Riten ehrte, hätte sich für einen Freitod zweifellos einen angemesseneren Rahmen gewählt als die bizarre Badewannenszene. Doch die Selbstmord-Version wurde allen Interessen am besten gerecht.

Als das Satire-Magazin TITANIC mit einer Fotomontage mit Barschels politischem Gegner Björn Engholm in der Badewanne titelte, waren 40.000,- DM Schadensersatz fällig. Der Spaß kostete an Rechtsanwalts- und Gerichtskosten weitere 190.000,- DM. Der PR-Wert war unschätzbar.

Nachdem sich die Medien kürzlich für ein „Medium“ interessierten, nämlich eines, das Barschels Geist zu beschwören vorgab, hat sich ein seinerzeit mit der Materie befasster Toxikologe zu Wort gemeldet, der mit wissenschaftlichen Argumenten die selbst von prominenten Journalisten vertretene Selbstmordthese ins Reich der Fabeln verweist. Da dem betäubten Barschel offenbar rektal eine Substanz zugeführt wurde, dürfte auch der Notnagel „Sterbehilfe“ kaum zu halten sein, denn solch eine Methode wird schlicht und ergreifend nicht praktiziert. Der Putz im Blätterwald bröckelt langsam.

Gestern habe ich auf Telepolis den Stand der Forschung zusammengefasst.

20. November 2010

„Gutsdamenart“

Schwarzer über Birkenstock, Höcker über Schwarzer, Kachelmann nicht übers Wetter.

15. November 2010

„Call-In-TV“-Forum gewinnt gegen Call-In-TV-Shows

Der Betreiber des Forums Call-in-TV, Marc Döhler, hatte sich kritisch zu entsprechenden Shows geäußert, was ihm Ärger entsprechender Firmen einbrachte, denn die Branche ist gegen Kritik bekanntlich sehr empfindlich.

Das Landgericht Hamburg hatte daraufhin eine einstweilige Verfügung gegen Döhler erlassen. Inzwischen ist Döhler seine damalige Domain los und befindet sich insoweit im niederländischen Exil.

Die Münchner Richter waren den Zensurwünschen in einem ähnlichen Verfahren gegen Döhler nicht ganz so aufgeschlossen. Schließlich konnte Döhler nun auch die Hamburger Landrichter umstimmen. So richtig glücklich ist Döhler nicht:

So sehr mich dieses Urteil freut, so sehr befremdet mich dann doch die offensichtliche Willkür des Landgerichts. Zur Erklärung: Wir haben damals die fast wortgleiche Einstweilige Verfügung vom Landgericht Hamburg erhalten – und uns wurde in einer mündlichen Anhörung seitens der Richter deutlich gemacht, dass es keinen Zweck habe, dagegen vorzugehen.

Das machen die Hamburger eigentlich immer so.

(…) Das ist das glatte Gegenteil von dem, was uns gesagt wurde – wohlgemerkt von der selben Kammer des Landgerichts! Unsere damalige Anerkennung der Einstweiligen Verfügung führte schließlich angesichts des hohen Streitwertes von 100.000 Euro zu den fünfstelligen Kosten, für die Sie dann erfreulicherweise so fleißig gespendet haben. Dass mich das Ganze dadurch nicht finanziell ruiniert hat, bedeutet aber nicht, dass ich das so auf sich beruhen lasse: Wir werden nun mit allen Mitteln dagegen vorgehen und eine Wiederaufnahme des Verfahrens verlangen.

Hm. Naja, so ähnlich halt.

Glückwunsch, Herr Döhler! Man darf sich von den Hamburger Richtern nicht einschüchtern lassen, sondern muss Stehvermögen beweisen.

Mich fasziniert die Kritik Döhlers an den Game-Show-Veranstaltern besonders, weil es da um den Vorwurf des Falschspiels ging. Ich hatte 2005 eine Publikation zu dieser in Deutschland kaum bekannten Kunst des Glücksspielbetrugs verfasst und verfolge das Genre mit Leidenschaft.

UPDATE: „Animösen“-Kritiker Stefan Niggemeier hat das Ding schon besprochen.

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12. November 2010

„Es gibt einiges, was dafür spricht, dass Sie einer Verbrecherorganisation angehören.“

Zwei Herrschaften aus dem italienischen Kulturkreis wollten sich nicht in dem Buch „Mafiaexport“ von Francesco Forgione verewigt sehen und bestanden auf ihrer einstweiligen Verfügung gegen den Verlag.

Der Vorsitzende Richter der Münchner Pressekammer ist ein souveräner Jurist, der sich durch nichts einschüchtern lässt, forschen Anwälten etwa schnell ihre Grenzen zeigt. Auch vor den ehrenwerten Herren nahm er kein Blatt vor den Mund:

Der Vorsitzende Richter leitete die Verhandlung mit dem mutigen, an den ehemaligen Pizzabäcker gerichteten Satz ein: „Es gibt einiges, was dafür spricht, dass Sie einer Verbrecherorganisation angehören.“ Damit, man entschuldige das Sprachbild, hatte der Richter aber sein Pulver weitgehend schon verschossen. Im weiteren Verlauf zeigte sich schnell, dass dem Gericht die vorgelegten Beweise führender europäischer Polizeibehörden nicht ausreichten, um alle beanstandeten Buchpassagen als zulässig zu erachten.

Bei einem BKA-Bericht soll dessen Authentizität in Zweifel gezogen worden sein. In einer Widerspruchsverhandlung, also dem Verfahren, um eine einstweilige Verfügung zu bekämpfen, hat man nur sehr eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten und im Äußerungsrecht nun einmal die Beweislast. Vorerst wurde das Buch kalt gemacht.

5. November 2010

Pohlmann unterliegt vorläufig Radio Bremen

Der Bremer Bürgerschaftabgeordnete Jürgen Pohlmann (SPD) hatte Radio Bremen per einstweiliger Verfügung des Landgerichts Berlin untersagen lassen, über den Verdacht einer Mitgliedschaft Pohlmanns in einer DDR-Sabotage-Einheit zu berichten. Das Kammergericht hat diese Verfügung nunmehr kassiert.

Doch Pohlmann klagt in der Hauptsache weiter und hat den Bremer Rechtsstreit da anhängig gemacht, wo man so etwas besonders schön kann: in Hamburg.

1. November 2010

Netzwerk Recherche fordert Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands

Gerade packe ich meine sieben Sachen ein, weil es morgen wieder zum Landgericht Hamburg geht, wo ein Landrichter und seine beiden Beisitzer ihre einstweilige Verfügung verteidigen werden. Ein nicht in Hamburg wohnender Blogger hatte über eine zuvor gegen eine dritte Person ergangene einstweilige Verfügung berichtet, und angemerkt, ihm lägen schriftliche Zeugenaussagen vor, welche die verbotenen Behauptungen bestätigten. Eigene Stellungnahmen zur Sache oder zur Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen gab er nicht ab.

Darin sah das Landgericht Hamburg ein Zueigenmachen der verbotenen Äußerung und erließ gegen meinen Mandanten eine einstweilige Verfügung. Damit dürfte Gerichtsberiochterstattung nach Hamburger Spruchpraxis bei Äußerungsprozessen nur noch sehr eingeschränkt möglich sein. Dass sich die einstweilige Verfügung kaum mit der Karlsruher Rechtsprechung in Einklang bringen lässt, wo man die Meinungsfreiheit einigermaßen hoch hält, stört Hamburger Landrichter bekanntlich wenig.

Gegen den fliegenden Gerichtsstand, der die Landesgrenzen von Hamburg ungebührlich ausweitet, habe ich schon häufig gewettert. Nun hat sich endlich auch die Journalisten-Vereinigung Netzwerk Recherche dieses Themas angenommen, zu dem praktizierende Juristen eine einhellige Meinung haben (wenn sie nicht gerade sehr im Abmahnbusiness stecken). Auf einer Tagung in Dortmund wurde nun erstmals von einer namhaften Vereinigung die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands gefordert.

Der fliegende Gerichtsstand ist an sich nicht gesetzlich festgeschrieben, sondern eine richterliche Deutung des § 32 ZPO. Die Rechtsprechung hätte diese Ausuferung des Foum Shoppings längst abstellen können. Einige Judikate gehen bereits in diese Richtung. Doch die Richter von St. Pauli freuen sich anscheinend über den Zuwachs an Aufgaben. Mögliche Gründe habe ich hier dargelegt.

19. Oktober 2010

„Die Wahrheit über die Lüge“ darf doch erscheinen

Der portugiesische Chefermittler Gonçalo Amaral, der im Fall „Maddie“ die Eltern des vermissten Mädchens verdächtigte und darauf hin von dem Fall abgezogen wurde, darf nun doch sein Buch veröffentlichen. Dies war ihm Anfang des Jahres verboten worden.

18. Oktober 2010

Mit 66 ist noch lange nicht Schluss! (Schälike ./. Anwälte)

Und wieder darf der experimentelle Rechtsforscher Schälike seiner Liste gewonnener Auseinandersetzung mit Medienanwälten einen weiteren Sieg hinzufügen – den 66.sten! Die Ironie ist, dass es diesmal um ebendiese Liste ging.

Ein Berliner Anwalt hatte eine einstweilige Verfügung gegen die Aufführung seines Namens erwirkt. Der Blogger lässt sich jedoch schon lange nicht mehr auf Gefechte im einstweiligen Rechtsschutz ein, sondern fordert prinzipiell Hauptsacheverfahren. Heute wurde bekannt, dass der Kollege den Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung erklärt hat.

15. Oktober 2010

Promi-Anwalt muss Karikatur und Urteilsveröffentlichung dulden

Der Blogger Rolf Schälike hat erneut Freiheiten zur Veröffentlichungsfreiheit von Urteilen erstritten.

Beim Landgericht Köln holte sich der Kollege Sch…, dem die Bezeichnung „Sch…“ nicht anonymisiert genug gewesen war, eine weiter Klatsche. (Die Bezeichnung „Klatsche“ für peinliche Urteil war in einem früheren Rechtsstreit ebenfalls erfolglos kritisiert worden.) Doch Sch… muss sich die Bezeichnung „Sch…“ gefallen lassen.

Auch das erstrebte Verbot einer Karikatur mit der Sprechblase „Ein Scher z zum Glück“ ging in die Wicken.


(Corpus Delicti, von dem sich der Autor mit dem Ausdruck der Entrüstung distanziert. Bild: Vermutlich Lurusa Gross via Buskeismus.de.)

Die Logik des Kollegen mutet eigenartig an:

Die Karikatur sei zu untersagen, weil – entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – durch Fotomontagen in bildlichen Darstellungen keine unwahren Tatsachen behauptet werden dürften. Wenn also über das Verfahren des Klägers nach dem Gewaltschutzgesetz unter Identifizierung des Klägers nicht berichtet werden dürfe, dann dürfe dies auch nicht unter Identifizierung des Klägers mittels einer Karikatur geschehen.

Das Landgericht Köln mochte dem nicht folgen.

In einem weiteren Urteil, das ebenfalls am Mittwoch erging, wiesen die Kölner auch den Zensurwunsch hinsichtlich einer „Drei-Jahres-Bilanz“ zurück, in welcher der Blogger die gegen seine Berichterstattung unternommenen Zensurversuche dokumentierte. Wahrheitsgemäße Berichterstattung im Rahmen der Sozialsphäre muss jedoch ein gestandener Anwalt hinnehmen.

Schälike konnte seine gefürchtete Liste an gewonnenen Auseineindersetzungen mit Presseanwälten auf die Zahl „65“ aufstocken. ;-)

Linkhaftung: BGH hebt linkfeindliches Urteil gegen Heise auf

Das Herz der IT-Community schlägt bei Heise.de. 2oo5 war dem Verlag verboten worden, im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung über Kopierschutzsoftware einen Link auf die Webpräsenz des Unternehmens Slysoft zu setzen. Land- und Oberlandesgericht München hatten „Landgericht Hamburg“ gespielt und so getan, als verstünden sie nicht, wie das Internet funktioniert.

In Karlsruhe allerdings, wo Hamburg bekanntlich aufhört, findet auch der Hamburger Vorort München seine Grenzen. So hatte denn der BGH ein Einsehen und hob das linkfeindliche Urteil auf. Glückwunsch, Heise! Und gut, dass ihr es durchgezogen habt.