Da entrüstet sich ein Journalist, ein Verdacht gegen – nennen wir ihn mal: „Graf Koks“ – sei „absurd“ – und schon klagt der feine Herr dagegen, dass er das überhaupt gebracht hätte. Er bekam auf fürstliche Weise recht:
„Als absurd erwies sich ein 1999 von einem vermeintlichen Mafia-Kronzeugen ausgesagter Verdacht, wonach der heute 58-jährige Adelige selbst in Strukturen dieser kriminellen Organisation eingeflochten sei.“
Dieser Vorwurf war vollkommen haltlos und auf eine Verwechslung zurückzuführen. Der Kläger hielt die Berichterstattung für rechtswidrig. Er fühlte sich in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und begehrte Unterlassung.
Hier fragt sich der geneigte Journalist, wie denn eine Distanzierung nach Hamburger Bräuchen zu gestaltet sei, wenn nicht einmal die Bewertung eines Verdachts als „absurd“ ausreichend sein soll und eine eindeutige Quellenkritik geboten wird. Offenbar war selbst die Schilderung des definitiv entkräfteten Verdachts (über den anderweit schlimmen Finger) nicht ausreichend, um namentlich berichten zu dürfen.
Über die Verhandlung lesen wir beim inoffiziellen Gerichtsschreiber, dass sich Graf Koks nicht zu den Personen der Zeitgeschichte zählt, obwohl er anscheinend selbst im Gerichtssaal Autogramme zu geben pflegt und in seinem Revier geruht, Rentner zu verkloppen, was nun einmal feudaler Tradition entspricht. Der Adlige scheint jedoch diesmal Opfer einer Verwechslung mit einem anderen Standesprivilegierten gewesen zu sein. Einen schlechten Ruf erwerben sich Durchlaucht jedoch vorzugsweise selber. Adel verpflichtet.
Während die „vons“ und „zus“ und „auf und davons“ in der Hamburger Pressekammer unter Artenschutz zu stehen scheinen, ist etwa die Hamburger Bürgerschaft sogar stolz, sich des Adels beizeiten entledigt zu haben. Besuchen gekrönte Häupter etwa den Bürgermeister, so ist es diesem aus Tradition verwehrt, irgendwelche Monarchen am Portal zu empfangen und auf diese Weise Unterwürfigkeit zu demonstrieren, vielmehr haben diese sich die Treppe hinauf zu begeben, um sich nicht als etwas Besseres als die anderen Bittsteller auch zu fühlen.
So hatte man mir es vor drei Jahren auf einer Stadtrundfahrt erklärt, die ich direkt nach meinem ersten Besuch bei Richter Buske unternommen hatte.
Ende 2006 hatte Freddy‘ Hühnerhof am Landgericht Hamburg eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen „Die Tierfreunde e.V.“ erwirkt, welche unschöne Bilder über die wenig idyllischen Zustände bei Freddy sogar im Wege des Hausfriedensbruchs erlangt hatten. Die Tierfreunde ließen sich nicht einschüchtern und ließen es auf ein Hauptverfahren ankommen. Nach drei Jahren und der Befragung von Zeugen, was in der Pressekammer Seltenheitswert hat, wurde Freddys Unterlassungsansprüchen am 28.08.2009 eine Absage erteilt. Dass man für die Freiheit der Bilder in einer einzigen Instanz über mehrere Jahre hinweg verhandeln musste, während das Verbieten derselben per einstweiliger Verfügung praktisch durchgerutscht ist, steht auf einem anderen Blatt.
Die siegreichen Tierfreunde vermieden es jedoch, in die nächste Falle zu tappen, denn selbst Gerichtsurteile darf man nicht ohne weiteres 1:1 veröffentlichen. Gegenwärtig wird ja bekanntlich der „Hausjournalist“ der Hamburger Pressekammer von Berliner Anwälten mit einer Klagewelle überzogen, die ihm die Gerichtsberichterstattung aus den seltsamsten Gründen verbieten lassen wollen.
Den Luxus einer eigenen Veröffentlichung in Reichweite deutscher Gerichte wollten sich die Tierfreunde dann doch nicht leisten. Seit ein paar Tagen ist das Originalurteil bei Wikileaks zu finden, die außerhalb deutscher oder sonstiger Gerichtsbarkeit operieren und daher unzensierbar sind. Künftig bleibt es also dem Finderspitzengefühl der Leute bei Wikileaks (oder Nachahmern) überlassen, ob Urteile anonymisiert werden, ob zu unterlassene Äußerungen unzensierbar und in Medienöffentlichkeit wieder auftauchen.
Die Rechtsanwälte aus Berlin wären sehr gut beraten, ihre Aktivitäten entsprechend zu überdenken, denn der Trend kontroverser Websites, den deutschen Rechtskreis nach Erfahrung mit gewissen Pressekammern zu verlassen, ist so neu und ungewöhnlich ja nicht. Und wenn künftig jedes Urteil bei Wikileaks abgegeben wird, genügt insoweit die Absendung einer Email.
Sicherheitshalber distanziert sich der Autor von der Verbreitung des ungeschwärzten Urteils auf Wikileaks, nicht aber von dem schönen Urteil. Das obige Video mit Michael Moores Crime Fighting Chicken hat mit dem Fall selber nichts zu tun und soll auch keinen entsprechenden Eindruck erwecken.
Die Bundesvereinigung der Fachanwälte für Strafrecht e.V. erklärt ausdrücklich das Unverständnis für die Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg. Letztlich würde die Konsequenz aus dieser Entscheidung sein, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit auf unerträgliche Weise eingeschränkt wird. Einer der Verteidiger in dem besagten Verfahren, Rechtsanwalt Walter Teusch aus Saarbrücken, hat der Bundesvereinigung der Fachanwälte für Strafrecht e.V. gegenüber nochmals ausdrücklich bestätigt, dass die Buchautorin Gisela Friedrichsen ausschließlich Informationen verwertet hat, die Gegenstand der öffentlichen Hauptverhandlung geworden sind, so dass diese Entscheidung einem Verbot gleich käme, darüber zu sprechen, was man als Zuschauer eines öffentlichen Verfahrens erfahren hat. Quelle: openpr.de
Nunmehr hat das Landgericht Hamburg einen Rückzieher gemacht, wie beim inzwischen zum Inventar der Pressekammer gehörenden Chronisten nachzulesen ist. Offenbar ging es um Fragen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten minderjähriger Zeugen, die über Sachverhalte aus der Intimsphäre befragt wurden. Das Buch richtete sich jedoch nicht an den breiten Boulevard, sondern an ein kriminologisch interessiertes Fachpublikum. Thema der Autorin waren Suggestivfragen, die gerade bei Kindern hochproblematisch sind.
Es gibt sehr gute Gründe, die ungestörte Entwicklung von Kindern zu schützen. Aber es gibt aber eben auch das Prinzip der Gerichtsöffentlichkeit. Es mag Autoren zuzumuten sein, Zeugen zu anonymisieren und entsprechendes Fingerspitzengefühl zu wahren und die Gerichtsöffentlichkeit nicht zur reißerischen Boulevardberichterstattung zu missbrauchen. Vorliegend kann wohl nicht ansatzweise hiervon die Rede sein.
Wann wird das Landgericht Hamburg endlich akzeptieren, dass es in Karlsruhe eine grundsätzliche Vermutung für die Pressefreiheit gibt?
Bzgl. des Verfahrens Dr. Gabriele Weber ./. Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesnachrichtendienst, (siehe hier), hat das Bundeskanzleramt nun eine Sperrerklärung abgegeben, die ich auf Telepolis.de kommentiert habe.
Wenn wir schon nicht einmal über die Geschichte von Nazis informiert werden dürfen, dann kann man sich einen Reim darauf machen, was noch so alles im Dunkeln bleiben soll. Wie werden gerne regiert …
Der Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin ist ein Dauerkunde in der Hamburger Pressekammer, wenn es darum geht, dass Äußerungen mit Biegen und Brechen so ausgelegt werden sollen, dass sie dem „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ eines sensiblen Rüstungs- und Kfz-Konzerns abträglich sein könnten. Grässlin ist ein standhafter Gegner, dem gerade die Solbach-Freise Stiftung ihren mit 4.000,- Euro dotierten »Preis für Zivilcourage« 2009 zuerkannt hat. Die wird der Pazifist für seine Kriegskasse brauchen.
Herr Grässlin hat mich gebeten, auf die gegen harte Widerstände erkämpften Revisionsverhandlung beim Bundesgerichtshof hinzuweisen, die demnächst ansteht. Hier ist sein aktueller Pressetext zum Fall:
++ Meinungsfreiheitsprozess Schrempp gegen mich wird gegen den Willen der Hamburger Justiz am 22.09.2009 vor BGH öffentlich verhandelt – Einladung zur Teilnahme ++
Gegen den ausdrücklichen Willen der Hamburger Justiz geht der Meinungsfreiheitsprozess des früheren Daimler-Vorsitzenden Jürgen E. Schrempp gegen mich in die nächste Runde. Über den (more…)
Der Vorfall mit dem Prügelpolizisten bei der Demo „Freiheit statt Angst“ schlägt hohe Wellen – und beschert der Demo „Freiheit statt Angst“ endlich die gewünschte PR. In wunderbar anschaulicher Weise demonstriert die Berliner Polizei, dass man unseren Volksvertretern nicht blind vertrauen kann. Bei allem Respekt für den harten und oftmals undankbaren Arbeitsalltag der Polizei und die ganz überwiegend soliden Polizisten, so ist eine Kette nun mal nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Was für willkürliche Gewalt gilt, das gilt für „Kavaliersdelikte“ wie Datenmissbrauch erst recht. Und nachdem die Polizei bei der Demo entgegen ihrem Versprechen gefilmt hatte, filmten die Datenschützer eben zurück. Nun haben findige Blogger aus dem Film zwei „Fahndungsfotos“ herausdestilliert und ins Netz gestellt. Dies wirft die Frage nach dem Recht am eigenen Bild auf. Darf man die Polizisten einfach so identifizierend abbilden?
Keine Ausnahme aufgrund von Versammlung
Grundsätzlich zählt die Rechtsprechung auch Polizisten bei ihrer Arbeit zu „Teilnehmern einer Demonstration“, sodass die Ausnahme nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG für Versammlungen und Aufzüge etc. greift. Diese Ausnahme gibt es deshalb, weil man andernfalls kaum Personenmehrheiten abbilden könnte, denn wer kann schon alle Teilnehmer individuell nach ihrer Erlaubnis fragen? Doch die Fahndungsfotos, die beim Anlass einer Versammlung gemacht wurden, individualisieren nun diese beiden Polizisten. Damit wird jeweils nicht mehr eine Personenmehrheit abgebildet. Damit scheidet diese Ausnahme aus.
Personen der Zeitgeschichte?
Die beiden Polizisten könnten jedoch Personen der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG sein. Hierfür spricht das breite mediale Interesse, das der Vorfall auch in den etablierten Medien findet und der Umstand, wie sehr die beiden das Misstrauen gegen die Obrigkeit im Sinne der Organisatoren der Demo unfreiwillig beweisen.
Prangerwirkung
Doch die Nutzung der Bildnisse in Form eines Fahndungsplakats stellt die Polizisten an einen virtuellen Pranger. Und Prangerwirkung ist ein Zauberwort, dass etwa Richter Buske besonders gerne verwendet. Denn die Interessen an der Verbreitung sind nach § 23 Abs. KunstUrhG immer auch mit den „berechtigten Interessen“ der Betroffenen abzuwägen. Die Verbreitung des Fahndungsaufrufs ist also juristisch nicht ohne Risiko. Was die Richter in solchen Fällen zulassen, und was sie verbieten, ist selbst für Kenner der Pressekammern nur schwierig vorauszusagen.
Praxisrelevanz
Eine pragmatisch relevantere Frage wäre allerdings, ob die beiden Polizisten gegen die Fotos vorgehen werden. Da sie möglicherweise sehr schnell begreifen werden, dass mit dem ccc nicht zu spaßen ist und ins Netz entsendete Informationen nicht reversibel sind, wäre es ungleich sinnvoller, sich eine neue Frisur wachsen zu lassen, als zum Anwalt zu rennen.
Präventive Beschlagnahme
Der Fall wird allerdings das allgemeine Bewusstsein für das Zurück-Fotografieren stärken und die – rechtlich höchst anfechtbare – Praxis begünstigen, der zufolge Polizisten, die sich fotografiert fühlen, Fotografen vor Ort zur Löschung der Bilder zwingen. Trotz eigentlich fehlender Rechtsgrundlage machen derzeit Gerichte präventive Beschlagnahmungen mit. Normalerweise ist die Anfertigung von Fotografien im öffentlichen Raum zulässig, erst die Verbreitung oder die unmittelbar drohende Gefahr einer Verbreitung könnte Maßnahmen rechtfertigen. Künftig werden Polizisten wohl sehr viel schneller Kameras bzw. Handys mit Kamerafunktion einkassieren wollen. Die Antwort hierauf wird sein, dass Demonstranten dann eben verdeckt filmen – oder eben parallel in so großen Scharen, dass die Polizisten nicht nachkommen werden, zumal die Bilder schnell ins Netz gefunkt werden können.
UPDATE:
Im Lawblog gibt es inzwischen die langerwartete Stellungnahme der Polizei – und Anzeichen, dass diese wohl etwas unglaubwürdig ist.
Wenn ein als Zeuge geladener Promi-Presseanwalt behauptet, er wisse nicht, was eine Computer-Mouse ist, dann kann das doch eigentlich nur ein schlechter Scherz sein, oder?
Was sich letzten Mittwoch vor der Pressekammer des Landgerichts Köln zugetragen hat, ist mit dem Begriff „Farce“ noch recht großzügig beschrieben. Mein Mandant, ein bekannter Blogger zum Presserecht, hatte auf seiner Website die Begriffe „Mimosen“, „Schweinchen“, „Psychopathen“ und ähnliches mit den entsprechenden Google-Suchen verlinkt. Plötzlich behaupten Anwälte einer bekannten Presserechtskanzlei, dass beim Klick auf diese Links Google-Suchen nach ihren Namen erscheinen, mahnen ab und erwirken eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Köln.
Schwache Beweislage
Erstaunlicherweise haben die Kollegen außer leicht fälschbaren Ausdrucken keine handfesten Beweise für ihre seltsame Anschuldigung zu bieten. Wenn bei mir ein Mandant wegen kurzfristiger und typischerweise flüchtiger Internetinhalte anruft, fordere ich ihn als erstes auf, möglichst unbeteiligte Personen zu bitten, sich entsprechende Links einmal anzusehen, diese selbst auszudrucken und ihre Eindrücke detailliert zu notieren. In wirtschaftlich bedeutsamen Fällen lässt man sogar notariell beglaubigen, was da unter welchem Link im Internet erscheint.
Stattdessen benennen die Kläger einen ihrer Kollegen als Zeugen – sowie den prominenten Kanzleichef selbst, den Spiritus Rector der Klage, der nach eigenem Bekunden aus Fürsorgepflicht für seine Angestellten handele. Die beiden Anwälte vertreten die Sache selbst und hatten es sich vergangenen Mittwoch nichts nicht nehmen lassen, extra aus Berlin zum (von ihnen selbst ohne jeden Sachbezug gewählten) Gerichtsstand Köln anzureisen – als Zeugen wie als Anwälte.
Siegfried & Roy
Nun dürfte es für Laien schon erstaunlich genug sein, dass man in (indirekt) eigener Sache gleichzeitig als Partei, Zeuge und Anwalt auftreten kann. So mussten die Zeugen, die gleichzeitig auch Anwälte waren, nicht bei der Zeugenbefragung des jeweils anderen Zeugen den Saal verlassen.
Pikanterweise hatte Anwalt A seine Robe nicht dabei. (Der Alte Fritz hatte gefordert, die „Advokaten sollen Roben tragen, damit die Spitzbuben bereits von der Ferne erkannt werden“ – ein Zitat, von dem ich mich schon aus standesrechtlichen Gründen distanziere.) So kam Kollege A mit der Vorsitzenden Richterin überein, dass man sich die Robe des Kollegen teilen dürfe: Wenn der eine als Zeuge auftrat, durfte der andere Anwalt spielen, und wenn es umgekehrt laufen sollte, tauschten die Anwälte A & B die Robe aus und verwandelten sich wie Siegfried & Roy in den jeweils anderen.
So ganz hielt Kollege Anwalt A das Spiel dann doch nicht durch, denn nach seiner Zeugenaussage blieb der Zeuge ohne Robe auf der Parteienbank sitzen und gab nun parallel zu seinem Kollegen den Anwalt. Ob in Amtstracht oder nicht, er wurde etwa genauso häufig wegen Dazwischenredens gemaßregelt wie der Beklagte, ein bekannter Justizkritiker, der schon in der DDR zivilen Ungehorsam als Stilmittel eingesetzt hatte.
Eine Frage des Glaubens
War es ursprünglich das Ziel von Anwalt A gewesen, den Beklagten zum Schweigen zu bringen, so erreichte er das genaue Gegenteil: Der Beklagte setzte durch, dem Zeugen Rechtsanwalt A selbst Fragen stellen zu dürfen, wogegen dieser heftig protestierte, unter anderem mit der Entgleisung „Ich glaube, ich spinne!“ Der für sein Temperament bekannte Beklagte ließ sich provozieren und erwiderte, ja, er (Anwalt A) spinne wirklich. Daraufhin stellte Anwalt A prompt Strafantrag. Die Scharade wurde ins Protokoll aufgenommen. Die Frage, ob Anwalt A spinne, war so ziemlich die einzige, in welcher die Parteien Einigkeit erzielten (wobei sich der Autor dieser Zeilen hiermit von den Parteien distanziert).
Eine Frage der Ehre
Am Rande des Prozesses fragte mich Anwalt A, so dass es das Gericht nicht hören konnte, ob ich denn keinen Ehrenkodex kenne. Ich fragte ihn daraufhin zurück, ob wir denn hier bei der Mafia seien. Wie hätten Sie reagiert, wenn Sie von einem der führenden Presseanwälte von Industrie und Hochfinanz auf einen Konsens in Sache „Ehre“ angesprochen werden? Ich achte Standesrecht, aber mehr Verbrüderung muss es dann doch nicht sein.
Eine Frage zuviel
Beweisthema der um 14.10 Uhr beginnenden Befragung der beiden Kläger-Zeugen und des von der Beklagtenseite präsentierten Entlastungszeugen war die Frage, ob in dem behaupteten Zeitraum die Links von den fraglichen Begriffen so geschaltet gewesen seien, dass diese zur Google-Suche nach den entsprechenden Anwaltsseiten geführt hätten. Fragen, welche die Glaubwürdigkeit der klagenden Zeugen hätten in Zweifel ziehen können, wurden ganz überwiegend nicht zugelassen.
Der Zeuge des Beklagten jedoch musste sich von der Vorsitzenden Richterin Fragen bieten lassen, welche nicht das Beweisthema selbst, sondern Bilder auf der Website des Beklagten betrafen. So war den Klägern aufgefallen, dass unstreitig nach der Abmahnung wegen des Begriffs „Schweinchen“ auf der Website des Beklagten eine Schweinchen-Karikatur immer bei solchen Beiträgen aufzutauchen pflegte, die einen bestimmten Kläger betrafen. Unserer Rüge, die Frage habe mit dem Beweisthema „Verlinkung“ nichts zu tun, wurde ebenso wenig Rechnung getragen wie der Tatsache, dass sich die Vorsitzende Richterin nach Schlussfolgerungen des Zeugen erkundigte (Zeugen werden zu Beobachtungen gehört). Als es dem Beklagten zu bunt wurde, stellte er Befangenheitsanträge. Nach 18.00 Uhr war die turbulente Sitzung dann endlich vorbei.
Wayback Machine
Als wir das Kölner Landgerichtsgebäude verließen, konnte ich noch immer nicht glauben, dass sich prominente Anwälte in eigener Sache ohne Rücksicht auf Gesichtsverluste mit solcher Energie gegen meinen Mandanten engagierten. Anwalt A hatte vor Gericht bestritten, zu wissen, was eine Computer-Mouse ist. Anwalt B war von der Richterin befragt worden, ob er die wayback machines kenne, und ließ sich ein, er höre diesen Begriff zum ersten Mal. Standesrecht verbietet es mir, diesen Befund zu kommentieren.
Nachdem ich nun schon so manchen Blogger vor Gericht vertreten habe und offenbar noch kein Blog speziell zum Äußerungsrecht existiert, trete auch ich heute der Gemeinde der Blogger bei. Naja, ein Blog zum Äußerungsrecht gibt es natürlich, wenn auch weniger aus juristischer denn aus rechtspolitischer Perspektive: Richterschreck Rolf Schälike erwirbt sich als Chronist der Vorgänge in den Hamburger und Berliner Pressekammern mit seinem eigenwilligen Blog Buskeismus.de große Verdienste (wobei ich mir seine Ansichten über den Stand der Rechtsanwälte nicht zueigen mache). Künftig werde ich versuchen, interessante Fälle aus anwaltlicher Perspektive zu kommentieren und auf interessante Internet-Ressourcen hinzuweisen, zum Beispiel die des Kollegen Prof. Robert Schweizer.
Wer sich die Freiheit nehmen möchte, sich eine Meinung über meine Meinung zur Meinungsfreiheit zu bilden, wird Spaß an meinem Beitrag auf Telepolis.de zur Haftung für Interviews haben, meine ich jedenfalls!