Wenn jeden Freitag in der Hamburger Pressekammer die drei Zeremonienmeister im Ornat einziehen und sich alles wie in der Kirche brav und ehrfürchtig erhebt, bleibt einer im Publikum immer sitzen. Konsequenzen hatte das nie.
Dies dürfte der Gerichtsblogger dem legendären Fritz Teufel verdanken, dem man einmal dieses Unterwerfungsritual abforderte, worauf Teufel die berühmten Worte äußerte:
„Wenn es der Wahrheitsfindung dient…“
Heute ist der zähe Justiz-Rebell Fritz Teufel gestorben. Möge ihm vor dem jüngsten Gericht mehr Gerechtigkeit widerfahren!
Im Mutterland der Pressefreiheit herrschen talibane Verhältnisse. Fotografen begehen Straftaten, wenn sie dem Strand zu nahe kommen.
Die Russen greifen stattdessen aus der anderen Richtung an: Mit einem U-Boot wurden von BP Aufnahmen gemacht, denen zufolge laut den russischen Auswertern die Lage noch ungleich schlimmer ist, als man es uns derzeit vormacht.
Die Strafverteidigerin Kerstin Rüber aus Koblenz ist eine der erfolgreichsten juristischen Bloggerinnen. Die Themen der deutschen Antwort auf Ally McBeal sind dabei nicht durchgehend juristisch, sondern häufig textiler Natur. So ließ sie uns an ihrer Abneigung zu weißen Blusen, Perlenketten und Uniformen teilhaben, kündete von ihrer Wertschätzung für lässige Jeans, Anwaltsroben und fachmännisch ausgesuchte Schuheund versteht sich auf die Finanzierung von „Fummeln“.
Nun aber aber hat die blonde Anwältin mit dem Hang zur Selbstironie ein didaktisch unschlagbares Konzept entwickelt, wie man an Fußball desinteressierten Frauen die Absatz-Regel näher bringen könnte: Konkurrenzkampf im Schuhladen! Respekt!
UPDATE: Den „Respekt“ muss ich nun wieder zurücknehmen. Die Strafverteidigerin hat geklaut! Ob sie demnächst wohl einen Medienrechtler braucht, der sie aus diesem sehr speziellen Fall des „Ladendiebstahls“ raushaut?
Der Prozessbeobachter Rolf Schmitt und der Angeklagte selbst kommentieren die zahlreichen Desinformationen, mit denen sich unsere „Qualitätspresse“ bekleckert hat. Völlig zu Recht merkt er an, dass Meinungsfreiheit da aufhört, wo Verleumdung anfängt. Sein Medienanwalt dürfte derzeit gut zu tun haben.
Eigentlich ist es der lebendige Strauß-Clan, der da grantelt gegen Wilhelm Schlötterer. Die werfen dem ehemaligen bayerischen Finanzbeamten laut Nürnberger Nachrichten Verleumdung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Verletzung des Steuergeheimnisses vor. Schlötterer nennt Strauß
einen »korrupten« Politiker; es sei in seinem Umfeld um die Gier nach Macht und Geld gegangen, um Begünstigung befreundeter millionenschwerer Unternehmer und um Eingriffe in amtliche Entscheidungen – kurz, um die Ausbeutung des Staates für Partei- und Privatinteressen.
(…) Schlötterer, Jahrgang 1939, hat FJS (wie berichtet) in seinem Buch bezichtigt, illegal ein Vermögen in dreistelliger Millionenhöhe angehäuft und nicht versteuert, Provisionen von Waffenhändlern bezogen und große Summen auf Schweizer Konten deponiert zu haben. Nach seinem Tod hätten auch die Strauß-Kinder das Erbe vor dem Fiskus verborgen.
Und er
thematisiert auch immer wieder die Nürnberger Diehl-Affäre und fordert die Rehabilitierung der Betriebsprüferin M. Sie hatte sich dagegen gewehrt, dass der Diehl-Konzern von einer Steuerschuld von 30 Millionen Euro befreit wurde – vergebens.
Bislang wurde zivilrechtlich noch nichts (erfolgreiches) unternommen. Die Sträuße werfen Schlötterer u.a. einerseits vor, keine Quellen zu benennen – andererseits Verletzung des Steuergeheimnisses. Tja …
Glaubt man dem Bistum, so hatte seinerzeit nicht die Kirche um Stillschweigen gebeten, sondern die Familie des Missbrauchsopfers. Dies hatte der SPIEGEL genau umgekehrt berichtet, was dem Bistum zufolge der SPIEGEL hätte recherchieren können bzw. hierauf hingewiesen wurde.
Die wahren Tatsachen lagen dem Spiegel vor, das Bistum hatte belegt mit Dokumenten, die die Behauptung des Magazins unbestreitbar widerlegen. Im Gegenzug belegten weder der Spiegel noch andere Medien auch nur ansatzweise einen Zusammenhang zwischen geleisteten Zahlungen und der behaupteten und falschen Vertuschungsabsicht.
Trifft dies zu, dann wäre es tatsächlich schwacher Journalismus gewesen. Da die Verbreitung unzutreffender Tatsachenbehauptung nicht geschützt ist, wäre den Betroffenen daher durchaus ein Unterlassungsanspruch zuzubilligen (wobei sich die Frage stellt, ob denn für die Diözese auch eine Art „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ gilt).
Seltsam ist jedoch, dass die Pressestelle sich zuvor etwa dem NDR gegenüber zugeknöpft gab. Das hätte man doch gleich einfach kurz richtig stellen können, der Fall wäre erledigt gewesen. Seltsam ist, dass man es nicht beim Vorgehen gegen den SPIEGEL belassen hat, sondern den SPIEGEL-lesenden Bloggern hinterher steigt wie die Spanische Inquisition.
So aber hat man einen Blogger gegenüber, der auf die SPIEGEL-Meldung vertraute, die juristische Keule ausgepackt. Und dem Blogger Stefan Niggemeier, der auf den Blogger vertraute, der dem SPIEGEL vertraute, auch eins übergebraten. Da können Kirchens 10x (Persönlichkeits-)Recht haben, so eine Arroganz ist keine zeitgemäße Form geistiger Auseinandersetzung – schon gar nicht, wenn man die Katholische Kirche in diesen Tagen repräsentiert.
Einst hatte die Politik die Online-Durchsuchung als Allheilmittel gegen Terrorismus, Übergewicht und den Antichrist ausgerufen. Doch die Seit Anfang 2009 bereit stehende Büchse der Pandora wurde bislang nicht geöffnet. Das sagt zumindest das BKA. Der Verfassungsschutz hat mit so etwas bekanntlich ja schon Erfahrungen gesammelt.
Zur Frage, wie tendenziös unsere Qualitätsmedien sind, lohnt ein Vergleich der Berichterstattung über den Fall Tauss.
Unstreitig hat er kinderpornographisches Material besessen, streitig, zu welchem Zweck. Unerheblich ist jedoch, welcher Dreck konkret dort zu sehen ist. Solche unappetitlichen Details müssen zwar in einem Strafverfahren protokolliert werden (wenn auch nicht unbedingt in dieser Breite), sie haben aber mit der eigentlichen Problematik des Falles nichts zu tun. Im Gegenteil müssen sich Journalisten, die entsprechende Details kolportieren, fragen lassen, ob sie nicht selbst den Verbalpornographen zugerechnet werden möchten.
Trotzdem meinen der stern und die WELT, ihre Artikel gleich zu Beginn mit entsprechenden Einzelheiten anreichern zu müssen, um den Spin zu setzen. Die WELT-Überschrift scheint von der ebenfalls zur Springerpresse gehörende BILD-Zeitung geliehen zu sein – die allerdings ironischerweise sogar recht fair berichtet! (Die BILD-Zeitung hat allerdings bei Tauss auch etwas gut zu machen …) Der SPIEGEL, der sich im Fall Tauss eher mit zweifelhaftem Ruhm bekleckerte, bleibt sich treu und berichtet von einer „fürchterlichen Anklage“ und einer „blonden Juristin“. Wie gesagt, nicht mal die BILD-Zeitung hatte sich auf dieses Boulevard-Niveau herab begeben. FOCUS verkürzt ein Zitat von Tauss in der Überschrift auf „Herr Tauss im Schweinestall“. Dass der FOCUS es eigentlich auch sachlich kann, hatte er noch gegen Mittag bewiesen.
Die Richter in der Hanseatischen Hafenstadt Hamburg sehen vom Piratenschiff nur noch das Heck: Statt sich etwas vom „fliegenden Gerichtsstand“ anzuhören haben die Piraten den Fliegenden Holländer bestiegen und Anker vor der Ukraine gesetzt!
Da wird die Content-Industrie noch viel lauter „Kinderpornografie“ rufen müssen, bis sie die Internetsperren endlich durchgesetzt kriegt …
Der Kollege Jan Mönikes protokolliert in einem beeindruckenden Aufsatz (pdf) die perfide Demontage des von den Internetsperrern als Bedrohung wahrgenommene Medienpolitikers Jörg Tauss.
(…) Um 16:18 Uhr sind die Ermittler bei der Durchsuchung noch in vollem Gange, da meldet der Nachrichtensender N24 bereits, es wäre „einschlägiges Material“ gefunden worden. Und auch auf SPIEGEL ONLINE ist unverzüglich nachzulesen, was der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Rehring, aus dem fernen Karlsruhe live den Journalisten zu berichten hat: „Wir sind in Berlin fündig geworden“. Als diese Nachrichten in die kleine Wohnung dringen, ist das der vor Ort verantwortlichen Staatsanwältin sichtlich unangenehm. Vergeblich versucht sie nach Protest des Anwalts mit ihrer Behörde in Karlsruhe zu telefonieren, um die weitere Verbreitung voreiliger Nachrichten einzudämmen. Denn die ebenfalls in der Wohnung beschlagnahmten Handys und drei DVD+-R, die Tauss offensichtlich von Sascha H. per Post zugeschickt worden waren und die sogar noch mit dem „Begleitbrief“ in einem Bücherregal standen bzw. in einem Sakko steckten, lassen jedenfalls von außen überhaupt nicht erkennen, dass sich darauf – aber eben auch nur dort – kinderpornographische Inhalte befindet. Die Intervention der Staatsanwältin bleibt ohne Erfolg: Behördensprecher Oberstaatsanwalt Rüdiger Rehring verkündet munter weiter, es sei „einschlägiges Material“ beschlagnahmt worden. (…)
Die zwar mit etlichen Regiefehlern und fadenscheinigen Informationsvorsprüngen behaftete Hinrichtung des bis dahin untadeligen Politikers hat ihre Wirkung auf den Plebs nicht verfehlt: Wann immer ich Zeuge von Diskussionen wurde, in denen der Name „Tauss“ fiel, schalteten selbst mir als sympathisch oder intelligent in Erinnerung gebliebene Zeitgenossen wie Pawlowsche Hunde auf „Hass-Modus“ um, der jegliche Parteinahme oder Beanspruchung von Bürgerrechten ausschloss.
Die Ächtung eines Menschen mit dem Kinderpornographievorwurf dürfte gegenwärtig die zuverlässigste Waffe in Sachen Rufmord darstellen. Dass sich knapp vor der Bundestagswahl gewisse Journalisten – darunter auch solche der angeblichen Qualitätsmedien – um die Statisterie dieser Hatz rissen, wirft Fragen auf. Mit einer gewissen Genugtuung nehme ich zur Kenntnis, dass Mönikes das medienkritische Magazin „Telepolis.de“ als positives Gegenbeispiel erwähnt.