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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


20. Dezember 2010

Assange im Auenland

Man kann von Assange sagen, was man will, die Medienstrategie ist beeindruckend.

Nach dem Martyrium im viktorianischen Knast, bei dem er fotografiert durch die rotgetönten Fenster des Papamobils Transportfahrzeugs zu einem traurigen Alien verklärte, präsentiert uns der Wiederauferstandene zu Weihnachten Bilder vom idyllischen Landsitz. Seine Interviews gibt des Australier nicht etwa von drinnen im Herrenhaus, sondern empfängt die Reporter draußen vor winterlicher Naturkulisse, wo er dramatisch in der Kälte die Fragen beantwortet. Mit dieser optischen Konkurrenz zur „Heiligen Familie“ wird er emotional Punkte machen.

Ein Reporter von ABC fand es plötzlich interessant, Assange nach einem ansonsten sachlichen Interview nach Details zu seinen Abenteuern mit den Schwedinnen zu befragen, was Assange mit der einzig angemessenen Reaktion beantwortete, in dem er das unziemliche Verhör beendete. Cooler wäre es allerdings gewesen, zu sagen:

„Tell Mrs. Clinton: I did not have any sex with that Monica Lewinsky!“

Ich habe ja noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, dass Charlotte Roach dem Whistleblower ein Angebot macht, das die Schwedinnen schützt und ihn bei Laune hält … ;)

Inzwischen wagen sich Verschwörungs-„Experten“ aus den Löchern und gehen mit der These hausieren, Assange stünde auf der Payroll der CIA. Nun gibt es zwar in der Geschichte etwa des KGB tatsächlich Operationen, bei denen man die Preisgabe von Staatsgeheimnissen in großem Ausmaß inkauf genommen hat, etwa zum Schutz vor sensiblen Quellen, die durch Abwehrmaßnahmen verraten worden wären. Auch hatte das KGB etwa bei der Operation Gold (Berliner Spionagetunnel) den Zugriff auf die Telefonleitungen geduldet, wobei es zu den Motiven des KGB unterschiedliche Theorien gibt. Aber dass die CIA in diesem Ausmaß ihre Diplomatenkorrespondenz opfern und ihre Kontakte zum „befreundeten“ Ausland strapazieren würde, da bräuchte man schon ein verdammt gutes Motiv.

Das einzige, was noch dämlicher als diese krude Verschwörungsthese ist, war seinerzeit der Kommentar eines US-Militärs, der sich über Guantanamohäftlinge beschwerte, die Suizid verübten, weil sie hierdurch die USA in Misskredit brächten. Gemein, aber auch.

Zutreffend ist allerdings, dass ein öffentlicher „Briefkasten“ wie WikiLeaks perfekt wäre, um Desinformation unterzubringen. Bis heute ist WikiLeaks allerdings noch kein Ei gelegt worden. Konkrete Verdachtsfälle sind mir nicht bekannt.

Hören wir daher, was der kompetenteste WikiLeaks-Reporter zu sagen hat: Robert Foster!

16. Dezember 2010

US-Außenministerin für Umgehung von IT-Zensur!

So sprach Frau Clinton am  Januer 2010 (Video/Tanskript)

The spread of information networks is forming a new nervous system for our planet.

(…) We are also supporting the development of new tools that enable citizens to exercise their rights of free expression by circumventing politically motivated censorship. We are providing funds to groups around the world to make sure that those tools get to the people who need them in local languages, and with the training they need to access the internet safely. The United States has been assisting in these efforts for some time, with a focus on implementing these programs as efficiently and effectively as possible. Both the American people and nations that censor the internet should understand that our government is committed to helping promote internet freedom.

Nun ja, sie hatte China im Auge, und wetterte dann gleich wegen der Menschenrechte.

Apropos Menschenrechte: Der seit 7 Monaten in Isolationshaft gehaltene Bradley Manning hat anscheinend nicht einmal ein Kopfkissen. Ein ehemaliger Insasse eines StaSi-Knasts hat mir gerade berichtet, dass er immer ein Kopfkissen hatte. Land of the Free …

Was wäre, wenn es heute schon ein Zugangserschwerungsgesetz gäbe?

Dass die „wegen Kinderpornographie“ angeblich sinnvollen Internetsperren für die Unterdrückung politischer Informationen eingesetzt werden würden, galt vielen als paranoide Verschwörungstheorie. So etwas wäre in China oder Südkorea denkbar.

Nunmehr hat das US-Militär „antiamerikanistische“ Websites wie SPIEGEL ONLINE für sein Personal gesperrt. Wer die Seiten aufzurufen versucht, wird automatisch gemeldet. McCarthy meets Orwell. Das gilt logischerweise auch für US-Soldaten, die hier in Deutschland stationiert sind. In Ihrer Nachbarschaft. Die Berliner Zeitung, die TAZ, Frankfurter Rundschau und der Tagesspiegel haben einen gemeinsamen Appell formuliert. Wo bleiben die FAZ, SZ, usw. …?

Wenn schon ein Land mit traditionell ungleich weiterreichendem Verständnis von Meinungsfreiheit wie die USA den Rubikon überschreiten, und ihr Volk nicht mehr durch Propaganda und Lügen dumm halten, sondern durch Zensur, was soll man dann von Deutschland erwarten? Dass unsere Politiker viel zu verbergen haben, sollte sich langsam herumgesprochen haben.

SPIEGEL ONLINE schreibt:

Genau diese Art von Befürchtung war es, die die Gegner des Zugangserschwerungsgesetzes im vergangenen Jahr so auf die Barrikaden brachte. Dass selbst das Land, dessen erster Verfassungszusatz „Redefreiheit und Pressefreiheit“ garantiert, unter bestimmten Umständen bereit ist, solche Rechte mancherorts vorübergehend für zweitrangig zu erklären, gibt all jenen Recht, die vor der Einrichtung einer zensurtauglichen Infrastruktur gewarnt haben.

Einen Vorgeschmack haben wir jetzt schon: Viele politische Dokumentationen, die auf Youtube als vorhanden angezeigt werden, bescheren die Anzeige

„Dieses Video enthält Content von XY. Es ist in deinem Land nicht verfügbar.“

UPDATE:

Jedermann kann unterzeichnen: Appell gegen Kriminalisierung von WikiLeaks unterzeichnen:
http://bewegung.taz.de/aktionen/4wikileaks/beschreibung

Weitere Medienpartner sind DerFreitag und Telepolis

14. Dezember 2010

WikiLeaks in den Medien

In dem obigen Video diskutiert jemand mit Fachleuten über die Hürden, die WikiLeaks durch US-Unternehmen und die Schweizer Postfinance gelegt wurden.

Letztere scheint nur Leuten in der Schweiz als Konto dienen zu dürfen, was Assange ja nun einmal unter keinem Gesichtspunkt ist. Allerdings läuft gerade eine Untersuchung, ob die Postfinance nicht ein bisschen zu freigiebig mit Informationen an die Presse war.

Assange bringt nun seine Geheimwaffe ins Spiel: Seine Mutter.

Die Süddeutsche reduziert die Parteinahme für WikiLeaks auf ein Jugendphänomen. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch schaffe, die SZ im Abo zu halten. Der Westen blamiert sich gerade mit seinem unbrauchbaren Pseudo-Whistleblower-Portal.

TV wie die Frontberichterstattung des Regierungssprechers in spe J.B. Kerner, der den Feldherrn zu Guttenberg und seine internetphobe Prinzessin hochleben lässt, ist wohl auch keine Alternative. Hier ein älteres Werk der „Kernerwaffe“, wie er inzwischen genannt wird:

Jugendmedienstaatsvertrag wird beschlossen – Internet wird grundrechtsfreier Raum

Da Politiker nicht etwa ihrem Gewissen, der Verfassung oder der Vernunft unterworfen sind, sondern ihren Fraktionen bzw. den sie fütternden Lobbyisten, besteht nicht der geringste Anlass zu Zweifeln, dass auch in NRW die rückgratlosen Herschaften den sogenannten Jugendmedienstaatsvertrag durchwinken werden.

Zu den handwerklichen, juristischen und politischen Fehlleistungen ist alles gesagt worden. Vor einem halben Jahr hatte ich der NRW-Wissenschaftsministerin nach einem gemeinsamen Bierchen persönlich angeboten, ihr jeglichen Sachverständigen zu vermitteln, um sie in der Thematik seriös zu informieren. Aber in der Politik geht es nun einmal nicht um Sachfragen, sondern um Interessenvertretung. Interessen nicht von Bürgern, sondern von Minderheiten, die ihre Lobby gut organisiert haben. Da muss denn auch eine Wissenschaftsministerin nicht mehr gebildet werden.

Da der hirnrissige Staatsvertrag aber nun einmal juristisch gequirlte S****** ist, wird er auf der Praxisebene vermutlich kaum Anwendung finden. Die Justiz muss wieder richten, wofür unsere Politiker schlicht zu dumm sind. Auch das Netz wird seine Antworten finden. Tja, liebe Netzsperrenbefürworter und andere Zensuristen, für WikiLeaks ward ihr nicht schnell genug …

Liebe Politiker, macht doch in eurem Kindernet, was ihr wollt! Wir finden schon eine Lösung, eure weltfremden Zensurwünsche zu umgehen! ;)

13. Dezember 2010

Persönlichkeitsrecht ./. WikiLeaks

Der frühere malaysische Vize-Premierminister Anwar Ibrahim hat die Pappe auf, weil in den von WikiLeaks veröffentlichten Dokumenten behauptet wird, der Mann sei dem eigenen Geschlecht zugetan. In Malaysia stehen auf entsprechende Handlungen bis zu 20 Jahre Gefängnis (Frauenknast?). Derartiges ist allerdings nicht neu, denn der Politiker war bereits einschlägig vorbestraft. Angeblich soll er in eine Honigfalle getappt sein.

Nun will Ibrahim den nationalen Zeitungen die Berichterstattung untersagen lassen.

Deutlich erstaunlicher ist ein Cable, über das ausgerechnet die zensuranfällige deutschsprachige Wikipedia berichtet, das anscheinend von den konventionellen deutschen Medien ausgelassen wurde: Da haben sich nämlich Herschaften in Afghansitan zu einer „bacha bazi“-Party getroffen, bei der man kleine Jungs in bisweilen knapper Damenbekleidung tanzen lässt. Finanziert hatte den Spaß die DynCorp aus Texas. Der afghanische Präsident hatte freundlich gebeten, nicht darüber zu berichten.

Assanges Anwalt im Interview

David Frost, der seinerzeit das berühmte Interview mit Richard Nixon machte, hatte den Kollegen Mark Stephens in seiner Talkshow „Frost over the World“ zu Gast. Stephens vertritt Julian Assange, der in London aufgrund eines schwedischen Haftbefehls ohne schlüssige Vorwürfe festgehalten wird.

12. Dezember 2010

Das Schachspiel des Julian Assange

Während ich in diesem Blog stets die Süddeutsche als den letzten Hort des seriösen Journalismus gepriesen und SPIEGEL / SPIEGEL Online häufig kritisiert habe, scheint sich das Verhältnis in den letzten beiden Wochen ins Gegenteil verkehrt zu haben. Das „ehemalige Nachrichtenmagazin“ enthält seit dem Deal mit WikiLeaks wieder Nachrichten, während der Chefankläger politische Redakteur der Süddeutsche und andere Schreiberlinge dieses Blattes gegen WikiLeaks in einer Weise wettern, die teils deftige Gegenreaktionen provozierte.

In gewohnt kompetenter Weise setzen sich die beiden Edel-Nerds Frank Rieger und Fefe vom Chaos Computer Club in ihrem Podcast Alternativlos mit den Medienreaktionen auseinander, wobei sie auch die Strategie des durchaus streitbaren Julian Assange analysieren. Der Programmierer dürfte einen Großteil der Reaktionen programmiert haben, oder sollte es tatsächlich Zufall sein, dass er ausgerechnet viele US-Firmen mit Dienstleistungen betraute, die sie jetzt in Interessenkonflikte mit der US-Regierung bringen? Und diese Zensur-Versuche Empörung und harsche Gegenreaktionen auslösen?

So gesehen war das PR-Kalkül des als genialer Hacker geltenden Assange eine Meisterleistung. Man mag dem von ihm genossenen Personenkult kritisch gegenüberstehen, jedoch geht Assange bereits heute in die Geschichte ein als der Hacker, der die Weltöffentlichkeit hackte und eine Weltmacht, die sich als Hüterin der Freiheit anpreist, zur Selbstentblößung provozierte. Zum Drehbuch gehört das Martyrium des Julian Assange, der nun unter für jeden offensichtlich dubiosen Umständen in Haft geriet und nun als prominentester politischer Gefangener seit Nelson Mandela gehandelt werden darf, und der seine Richter als Pontii Pilati vorführen wird, die ihre Hände nur schwerlich in Unschuld waschen können.

Als Assange seine ersten Konzepte für eine Guerilla-Website entwickelte, propagierte er die Strategie, dass die Website selbst dann funktionsfähig bleiben müsse, wenn einer der Mitglieder in Haft geriet und die Organisation hierdurch erpressbar werden könne. Der Programmierer hat sein globales Schachspiel mit einiger Sicherheit mehr als zwei Züge in die Zukunft geplant, werden die USA nur in plumper Weise reagieren und offensichtlich noch immer keine Gegen-Strategie gefunden hat, die den Mann auf der Straße überzeugt.

Wie gewaltig der WikiLeaks-Effekt sein wird, prophezeit ausgerechnet ein Beitrag von FoxNews: „The Revolution has begun“

7. Dezember 2010

WikiLeaks und die Journaille

Stern-Chef Reporter Hans-Martin Tillack findet klare Worte:

(…) Und ich finde es erstaunlich, wie viele schlechte Verlierer es im deutschen Journalismus gibt. Nicht wenige Kollegen spielen die Bedeutung der Papiere herunter und sprechen von Enthüllungen, die wir angeblich nicht brauchten, weil sie nur „mit mäßigem Nährwert“ ausgestattet seien.

Dass solches in einer Wochenzeitung mit besonders großem Papierformat zu lesen ist, überrascht dabei weniger. Dort hatte man bei manchen – nicht allen! – Autoren immer schon den Verdacht, dass sie viel lieber diplomatische Depeschen für mächtige Minister schreiben würden, als ganz unoffizielle Artikel für den Leserplebs.

Aber beim Abmoderieren des Wikileaks-Scoops beteiligen sich auch höchst erfahrene Recherchejournalisten. Kollegenneid? (…)

Demgegenüber schießt Hans Leyendecker immer noch erstaunlich deftig. Sorry, WikiLeaks ist zwar nicht perfekt, aber definitiv ein mächtiger Schritt in Sachen Aufklärung. Die Eigendarstellung(!) der US-Diplomaten als „puren Antiamerikanismus“ zu etikettieren, ist unglaublich billig und eines Mannes wie Leyendecker nicht würdig. Mir wurde schon mehrfach gesteckt, Leyendecker sei seine Rolle als oberster Deuter in Sachen Enthüllungsjournalismus zu Kopf gestiegen. Schade.

Ex-WikiLeaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg gibt im Talk Hintergrundinfos.

Profunde Infos gibt es da, wo das Herz der IT-Welt schlägt: Bei Heise.de.

Und natürlich bei Fefe, der auf den Kommentar des Guardian zur Verweigerung von Visa- und MasterCard gegenüber WikiLeaks hinweist:

Charles Arthur, the Guardian’s technology editor, points out that while MasterCard and Visa have cut WikiLeaks off you can still use those cards to donate to overtly racist organisations such as the Knights Party, which is supported by the Ku Klux Klan.

Eine der beiden Schwedinnen, die Julian Assange angezeigt hat, gerät angesichts 20 verschwundener Tweets ins Zwielicht. Der US-Kriegsminister interessiert sich auffällig für schwedische Sittenjustiz – wichtigeres hat er wohl nicht zu tun. Make love, not war! Wann mach Charlotte Roach den Beteiligten entsprechende Angebote?

6. Dezember 2010

Zeugeneinvernahme via Printmedien?

Der eigentlich mit Alice Schwarzer bereits mehr als genug bestrafte Jörg Kachelmann muss nun eine Schweizer Zeugin fürchten – die allerdings als Schweizerin nicht effektiv zur Aussage verpflichtet werden kann, und offenbar auch keinen Bock hat, im Focus der Öffentlichkeit zu Angelegenheiten ihres Unterleibs befragt zu werden. Im FOCUS hingegen ist ihre Aussage mehr oder weniger schon nachzulesen. Das ruft natürlich des Kachelmanns Anwälte auf den Plan:

Schwenn sagte der SZ, er halte es für „verantwortungslos“, über die angeblichen Aussagen einer Zeugin zu berichten, wenn man wisse, dass diese nicht vor Gericht erscheinen werde. Kachelmanns Anwalt in Medienangelegenheiten, Ralf Höcker, erklärte, die Verteidigung sei schon vor längerer Zeit mit der angeblichen Zeugin konfrontiert worden. Falls diese tatsächlich in dem von Focus berichteten Sinn aussagen sollte, „wird das problemlos zu widerlegen sein“.

Und nun: Das Wetter.