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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


4. Juli 2011

Gerichtsreporterin Sabine Rückert über die Kachelmann-Berichterstattung

Dieses Video mit dem wesentlichen Ausschnitt zum Kachelmann-Panel bei Netzwerk Recherche kann ich jedem Strafverteidiger empfehlen. Ab Minute 25 berichtet Gerichtsreporterin Sabine Rückert über die Einrichtung des Rechtsmediziners Prof. Püschel, der in Hamburg eine Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt leitet. Dorthin können sich Opfer begeben, um unabhängig von der Erstattung einer Strafanzeige die medizinischen Beweise zu sichern und Beratung zu erhalten.

Einen großen Teil seiner Fälle ordnet Püschel tatsächlichen Vergewaltigungen zu, bei einem anderen Teil kann er sich keine eindeutige Meinung bilden, aber bei 27 % der Fälle gelangt Püschel zu dem Schluss, dass entsprechende Spuren simuliert wurden. In einem Vier-Augen-Gespräch pflegen die vermeintlichen Opfer dies sogar häufig einzugestehen und die Einrichtung zu verlassen, als sei nichts gewesen.

Wer um diese bemerkenswert hohen Fälle weiß, der bewertet die Glaubhaftigkeit von Verdächtigen, welche die Tat abstreitet, durchaus etwas anders, als Frau Schwarzer das sieht.

Der Medienjournalist Stefan Niggemeier sieht Frau Rückert eher kritisch und verweist auf einen Beitrag des Kollegen Udo Vetter. Auch andere hatten einen anrüchigen Kontakt zwischen Rückert und Schwenn ausgemacht, die mal gemeinsam ein Buch geschrieben hatten. Anders als viele Kommentatoren war ich bei dem gesamten, hier im Video nur teilweise wiedergegeben Panel anwesend, wo Frau Rückert bekannt gab, dass sie von Schwenn überhaupt nichts bekommen hatte – sie hätte die Akte ja bereits von Birkenstock bekommen (was der bestreitet). Ich halte Frau Rückert für eine professionelle Gerichtsjournalistin (erheblich besser als Gisela Friedrichsen).

Ja, sie hat sich nicht nur auf die Beobachterrolle beschränkt hat, sondern Haltung gezeigt und sich eingemischt. Damit verstieß sie gegen ein unter anderem von den Netzwerk Recherche-Leuten gepriesenes Dogma, dass sich ein guter Journalist nicht mit einer Sache gemein macht, auch nicht mit einer guten. Aber mal Hand aufs Herz: Glaubt denn irgendjemand, dass es neutralen Journalismus gibt? Seit Heisenberg wissen wir, dass die Beobachtung das Objekt beeinflusst, eine Wechselwirkung unvermeidbar ist.

Ich kenne exzellente Journalisten, die durchaus ein Anliegen transportieren und andernfalls auch kaum das Vertrauen von Informanten gewonnen hätten – Recherche macht man nicht aus Leidenschaft um ihrer selbst Willen, sondern weil man ein Motiv hat. Demgegenüber beobachte ich jedoch etliche Schreiber, die PR transportieren. Warum hätte Frau Rückert Kachelmann, den sie beim falschen Anwalt wähnte, ins offene Messer rennen lassen sollen? Selbstverständlich tauschen sich recherchierende Journalisten mit Anwälten aus. Ich jedenfalls habe dabei sehr gute Erfahrungen gemacht.

(Ich halte allerdings den Kollegen Birkenstock durchaus für einen exzellenten Strafverteidiger, der offenbar die richtige Strategie gefahren hat und habe umgekehrt derzeit wenig Anlass, mich mit der gewiss professionellen Kanzlei Schwenn&Krüger zu identifizieren, die auch einen gewissen Herr Dr. Nikolaus Klehr vertritt. Ich kann und will mir aus der Distanz kein Urteil über Schwenns Künste erlauben; beeindruckt haben mich die Mätzchen fachlich jedenfalls nicht.)

7. Juni 2011

Recht am eigenen Bild von Straftätern

Der BGH hat dem Axel Springer Verlag bestätigt, dass dieser die ungepixelten Fotos von drei verurteilten Herren zeigen durfte, die ein Attentat auf einen irakischen Ministerpräsidenten planten, meldet SPIEGEL ONLINE. Dies hatte das OLG Stuttgart noch anders gesehen:

Es gehe nicht an, dass „Strafrichter nach eigenem Ermessen über die Art und Weise entscheiden, wie zulässige Bildberichterstattung aus dem Gerichtssaal auszusehen hat“.

Ungewöhnlich ist hier, dass Strafrichter das Verbot ausgesprochen hatten und sich über die Art und Weise der Verbreitung von Bildnissen für entscheidungsbefugt hielten.

UPDATE: Pressemitteilung des BGH.

Vor einiger Zeit hatte ich meedia aus anderem Anlass ein Interview zum Thema gegeben.

2. UPDATE: Verhandlungsbericht zur Zivilverhandlung 1. Instanz, in welcher der Klage stattgegeben wurde.

Filmender Schuhkarton

Wir hatten ja vor einiger Zeit den Trainer einer Frauschaft im Raum Dortmund, der in eine Duschgelflasche eine Kamera eingebaut hatte. Das war von der Tarnung her ja wenigstens durchdacht.  Doch jetzt ist bei Hannover ein Fußballtrainer damit aufgefallen, der eine Kamera in einem Schuhkarton versteckt hatte, der da einfach auf einem Tisch stand.

Was für eine Pfeife … Schuhkarton! Jeder Mann mit einem Minimum an Lebenserfahrung muss doch wissen, dass sich Frauen nun einmal für wenig Dinge mehr als für Schuhe interessieren …

Siehe auch: § 201a StGB

31. Mai 2011

Pressemitteilung des Landgerichts Mannheim zum Kachelmann-Freispruch

Das Landgericht Mannheim hat nach dem heutigen Freispruch eine lesenswerte Pressemitteilung herausgegeben. In ungewöhnlich ausführlicher Form geht das Landgericht auf die zweifelhafte Rolle der Medien in diesem Verfahren ein.

Der Kollege Udo Vetter, ein Fachanwalt für Strafrecht, hat einen ebenfalls lesenswerten Kommentar veröffentlicht. Den Vorwurf an das Gericht, dass es sich nicht in die Karten sehen lassen wollte, teile ich angesichts der zum Teil fragwürdigen wie provokanten Art der Verteidigung nicht. Angesichts des Medieninteresses dürften die Richter kaum eine andere Wahl gehabt haben, um nicht der Kumpanei geziehen zu werden.

Einen positiven Verdienst hatte das Verfahren. Wir wissen nun endlich, was wir von Alice Schwarzer zu halten haben, die ein eigenartiges Verständnis von Rechtsstaat und Gerichtsbarkeit bewies – in der BILD-Zeitung.

27. Mai 2011

Anonym im Netz

Letztes Jahr hatte mir Jens Kubiziel sein Buch „Anonym im Netz“ zwecks Rezension zugesandt. Ich hatte das Werk überflogen und einen sehr guten Eindruck gewonnen, den ich bei Gelegenheit und Rücksprache mit Hackern in eine vernünftige Rezension umsetzen wollte. Leider hatten über ein Jahr hinweg andere Sachen Priorität, und bis ich endlich zur Rezension Zeit finden werde, ist der Inhalt vielleicht schon überholt. Daher möchte ich meine Blogleser, die Kontakte mit Filesharing-Jägern, Geheimdiensten und sonstigen Schnüfflern vermeiden wollen, auf diesen praktischen Leitfaden hinweisen.

Anonymität im Internet ist prinzipiell legitim und wertvoll. Nicht von ungefähr betreue ich etliche Mandate im Dunstkreis von anonymen Websites, die über gesellschaftlich wichtige Themen informieren, ohne vom Landgericht Hamburg belästigt zu werden.

Derzeit allerdings macht die anonyme Website „isharegossip“ von sich reden, die internetfeindlichen Politikern wieder in die Hände spielt. (Damit nicht genug, hat sich gerade ein selten dämlicher Trittbrettfahrer im TV profiliert, dessen gelockerte Anonymität nicht überzeugte …) Anonymität verführt mangels sozialer Kontrolle zu Grenzüberschreitungen. Auch, wenn ich tendenziell für die Meinungsfreiheit eintrete und die juristische Ausuferung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nachhaltig kritisiere, verabscheue ich psychische Gewalt und Mobbing. Die zynische Website isharegossip halte ich nicht für einen gesellschaftlichen Fortschritt, sondern für kriminell.

26. Mai 2011

Kundgebung zu Bradley Manning

Seit einem Jahr wird Private Bradley Manning in Einzelhaft gehalten, offenbar, weil er aufgrund einer moralischen Entscheidungen versuchte, das Orwellsche Lügenkartell des Pentagons zu durchbrechen.

Es wird Zeit, dass er nicht nur aus der Netzgemeinde Anerkennung erfährt. Unsere Politiker, die sich „Humanität“ und ähnliches auf die Fahnen schreiben, aber auch die Medien, die von den WikiLeaks-Dokumenten profitierten, könnten sich ruhig einmal etwas lauter äußern.

Kundgebung: Samstag den 28.05.2011 in Berlin, Pariser Platz, 13 Uhr.

Amtsgericht Weißwasser stellt Fragen zu Thailandreisen unter Strafe

Sachsen muss über zwei Jahrzehnte nach dem Beitritt noch immer als Entwicklungsland in Sachen Pressefreiheit gelten. Während Journalisten in zivilisierten Bundesländern zivilrechtlich gegängelt werden, scheint es im Königreich Sachsen nunmehr Tradition geworden zu sein, Journalisten strafrechtlich einzuschüchtern, dieses bereits während der Recherche.

ZAPP berichtet über einen Journalisten, der beim Amtsgericht Weißwasser bzgl. der Nebentätigkeiten eines Richters anfragte, der offenbar Reisen nach Thailand organisierte. Die Frage nahm das Amtsgericht Weißwasser Weißwasser zum Anlass für einen Strafbefehl über 800,- Euro, denn Reisen nach Thailand enthielten die ehrverletzende Unterstellung, es handle sich um Sex-Reisen.

25. Mai 2011

Nackerter filmt Nackerte

Die Süddeutsche berichtet über einen Naturfilmer, der textilfrei eine ebenso bekleidete Sonnenbaderin auf einer Kiesbank heimlich filmte, offensichtlich ohne deren Einverständnis. Die Zeitung zitiert die Rechtsmeinung eines Polizisten. Demnach

„ist derartiges Filmen nur strafbar, wenn sich die Frau belästigt fühlt.“

Eine Anwendung des „Spannerparagrafen“ 201a StGB scheidet bei Entblößung der Fotografierten in der Öffentlichkeit schon mal aus.

Liegt eine „exhibitionistische Handlung“ nach § 183 StGB vor? Der Fotofreund war lediglich mit seiner Kamera bekleidet, die er vermutlich oberhalb der Gürtellinie trug. Da er seine Pracht allerdings wohl eher nicht präsentierte, dürfte insoweit eher keine vorsätzliche Belästigung zu begründen sein.

Hat der Mann die sich in der Öffentlichkeit sonnende Frau beleidigt, § 185 StGB? Eine Kundgabe der Missachtung wird schwer zu begründen sein, denn er wollte ja nichts kundgeben. Im Gegenteil hat er faktisch zum Ausdruck gebracht, dass sie ihm gefällt …

Liegt ein Erregen öffentlichen Ärgernisses vor, § 183a StGB? Erregt wird er wohl gewesen sein, aber man wird sich streiten können, ob diskretes Filmen als sexuelle Handlung in der Öffentlichkeit zu werten ist, zumal er ja nach Entdeckung sofort eingepackt hat, also keinen entsprechenden Vorsatz gehabt haben dürfte. Sicher hat der Ästhet die Frau auch nur aus künstlerischen Motiven gefilmt und wird sich auf die Kunstfreiheit berufen …

Bleibt noch die mögliche Ahndung durch Geldbuße wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ als Ordnungswidrigkeit, § 118 OWiG. Da an der Stelle ohnehin Nacktbadeverbot herrschte, wird die Öffentlichkeit dem Manne wohl insoweit die Vornahme einer „grob ungehörige Handlung“ zum Vorwurf machen können, nicht allerdings die gleichfalls nackte Geschädigte. Auch das unerwünschte Rumknipsen wird man unter diesen Umständen als „ungehörig“ ansehen dürfen.

Zivilrechtlich betrachtet sieht es ebenfalls weniger freizügig aus. Sofern das Gesicht der Frau gefilmt wurde, kann diese sich auf §§ 22ff KunstUrhG berufen und für den Rest ihres Körpers das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bemühen. Das schützt zwar nicht gegen das Filmen als solches, aber immerhin gegen die mögliche Verbreitung der Bilder. Vereinzelte Gerichte haben bereits die bloße Möglichkeit des Verbreitens als ausreichend angesehen, um die inflagranti erfolgte Vernichtung der Aufnahmen zu rechtfertigen. Das geht zwar über das geschriebene Gesetz hinaus, wäre aber auf der Wertungsebene für Fälle wie diesen nachvollziehbar.

Wenn Frau sich also gegen die Bilder zur Wehr setzen will, sollte sie den Lümmel vor Ort möglichst durch einen Ordnungshüter zur Löschung der Aufnahmen dringend veranlassen. Ob die Löschung zivilrechtlich und vor allen Dingen faktisch durchgesetzt werden kann, wenn der Täter die Gelegenheit zu Kopien hatte, ist im Ergebnis müßig.

21. Mai 2011

StA Darmstadt schaltet die sechstgrößte Bundespartei mal eben ab

Die StA Darmstadt hat zur (offenbar untauglichen) Suche nach einem französischen Kuckucksei, das auf auf einem Server der Piratenpartei liegen soll, den Provider aufgesucht – und dann mal eben die digitale Identität und Kommunikationsplattform der Priratenpartei Deutschland abschalten lassen.

Wow! Wer hätte gedacht, dass man die derzeit sechstgrößte Partei Deutschlands zwei Tage vor der Bremen-Wahl  durch den Federstrich irgendeiner Staatsanwaltschaft einfach abschalten kann? Verfassungsrechtlich ist dieser Eingriff in die Funktionalität einer im Wahlkampf befindlichen Partei höchstbedenklich, zumal auch das politische Medium, das Piratenblog, abgeschaltet war. Zur Unverhältnismäßigkeit siehe auch Udo Vetters Kommentar.

Auf technischer Ebene sollte darüber nachgedacht werden, die Serverstrukturen zu dezentralisieren und diversifizieren, damit die piratigen Infrastrukturen nicht so einfach sabotiert werden können. Hier in Münster war die Piratenpartei stets online.

Auch bei der Presse ist mal wieder Totalversagen: Statt die Brisanz dieser Angelegenheit zur erkennen, verdrehen etliche Medien die Tatsachen und liefern Überschriften wie „Durchsuchung bei der Piratenpartei“. Bei der Partei selbst gab es keine Durchsuchung, ein untergeschobenes französisches Kuckucksei ist auch keine Rechtfertigung für eine kriminalisierende Berichterstattung. Genauso gut könnte man im Forum von SPIEGEL online eine Aufforderung zu einer dDOS-Attacke platzieren und dann den SPIEGEL in ein schlechtes Licht rücken. Schwache Leistung …

4. Mai 2011

Legales illegales Glücksspiel in Münster

Freunde des gepflegten Trickbetrugs können am Mittwoch, den 11.05.2011, letztmals öffentlich vor der Sommerpause, die geheimen Club-Räume des Gangster Syndikats „Hells Aces“ in Münster besuchen, wo man noch solides Handwerk des Falschspiels zu würdigen weiß.

Bei Nachweis von Vorstrafen erhalten Sie einen Sekt aufs Haus!

Karten beim Veranstalter.