12. Oktober 2011
Wie mir unser Mann in Hamburg gerade berichtet, sind seine Eminenz Bischof Müller der Diözese Regensburg gestern gegen die Axel Springer AG mit ihrem Zensurbegehren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg gescheitert. Seine Scheinheiligkeit wollten die Vorwürfe „Vertuschung“ und „Schweigegeld“ vertuschen und beschweigen zu lassen. Beim Landgericht des protestantisch geprägten Hamburg hatte der sensible Kirchenfürst noch entsprechenden Seegen bekommen.
Kommenden Dienstag stehen beim OLG Hamburg die Berufungen
Diözese Regensburg ./. DER SPIEGEL und
Diözese Regensburg ./. Stefan Aigner (Regensburg Digital)
auf dem Programm.
UPDATE: Prozessbericht
admin •
17:07 •
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11. Oktober 2011
Der Betreiber des Nürburgring-Forums war vom Landgericht Köln wegen der Wiedergabe eines Presseartikels („Zur Not frisst ein ,Deubel‘ auch Fliegen“) vom Betroffenen auf Unterlassung in Anspruch genommen worden, siehe hier. Das Landgericht Köln hatte seine einstweilige Unterlassungsverfügung bestätigt. Die Pressekammer führte aus:
Der Verfügungsbeklagte kann sich nicht auf das sog. Laienprivileg berufen. Unter das Laienprivileg fallen Behauptungen einzelner, die sich zu nicht transparenten Bereichen von Politik und Wirtschaft oder zu sonstigen Vorgängen von öffentlichem Interesse äußern (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 12 Rn. 136). Nach der Rechtsprechung sollen Privatpersonen, die Presseberichte anderer in gutem Glauben aufgreifen, zur Unterlassung oder zum Widerruf nur in Anspruch genommen werden dürfen, wenn die Berichterstattung erkennbar überholt war oder widerrufen worden ist (BVerfG NJW 1992, 1439 – Bayer Beschluss; NJW-RR 2000, 1209, 1211). Diese Grundsätze können nach einem Teil der Rechtsprechung grundsätzlich auch bei Übernahme einer ehrverletzende Pressemitteilung auf eine private Webseite Anwendung finden (LG Berlin MMR 2009, 62; bestätigt KG Berlin MMR 2009, 482).
Der Betreiber machte sein Forum sicherheitshalber mal dicht, denn solche Prozesse kosten eine Kleinigkeit und er fürchtete nach eigenem Bekunden Ordnungsgelder. (Letzteres ist allerdings zu relativieren, denn Ordnungsgelder können nur bei nachweislich schuldhaftem Verstoß verhängt werden. Dennoch bergen natürlich auch solche Verfahren Risiken und machen Stress.)
Der Forenbetreiber Michael Frison störte sich also am Tenor, dass er nicht nur für eigene Verstoße haften solle, sondern auch für solche durch Dritte in seinem Forum (user generated content). Dem Oberlandesgericht Köln ging das nun auch zu weit, zudem reduzierte es den Gegenstandswert von 40.000,- Euro auf 30.000,- Euro und brummte der Antragstellerin 1/3 der Kosten auf. Laut Frison habe ihm das OLG Köln in der mündlichen Verhandlung zudem das Laienprivileg zuerkannt.
Forenbetreiber konnte sich seinen Rechtsstreit nur leisten, weil von dieser Zensur empörte Menschen über 11.000,- Euro spendeten. Manchmal gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass Zivilcourage und Solidarität nicht völlig aus der Mode gekommen ist. Glückwunsch nach Köln!
admin •
23:47 •
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In Folge 19 des CCC-nahen Podcasts „Alternativlos“ besprachen Berliner Hacker den Bundestrojaner. Wie nun gemeldet wird, können Leute in niedersächsischen Behörden den Podcast anscheinend nicht hören, weil dieser als „Hate Speech“ gelabelt werde. Erinnert an die Zensur von WikiLeaks bei US-Behörden.
Ab Minute 18 wird es witzig!
9. Oktober 2011
Am Samstag veröffentlichte der Chaos Computer Club eine Analyse des Bundestrojaners, bei der einem die Spucke wegbleibt. Alles, was in dem Film „Das Netz“ (1995) gezeigt wurde, ist anscheinend wahr geworden. Aufs Bundesverfassungsgericht scheinen unsere Schnüffel-Behörden offensichtlich zu s*******.
Sonntags-FAZ
Tagesschau
Telepolis
admin •
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24. September 2011
Die Söhne des Altkanzlers haben gegen den früheren WDR-Autor Heribert Schwan am Landgericht Hamburg eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen einer in einem Interview gefallenen Äußerung erwirkt. Schwan, der ein umstrittenes Buch über Hannelore Kohl veröffentlicht hatte, äußerte sich wie folgt:
„Beide müssen den Vorwurf hinnehmen, dass sie die Mutter im Stich gelassen haben – sie sind mitschuldig am Tod der Mutter.“
Die Entscheidung ist insoweit bemerkenswert, als dass es sich um ein überwiegend wertungsgeprägte Äußerung handelt, die außerhalb Hamburgs mit hoher Wahrscheinlichkeit als Meinungsäußerung angesehen worden wäre. Die Äußerung enthält die Tatsachenbehauptung des Im-Stich-Lassens, für die der Autor ggf. darlegungs- und beweisbelastet ist, also Anhaltspunkte liefern muss, auch bei nur indirekter Andeutung dürfte man starke Wertungen nicht völlig ins Blaue hinein tätigen. Da in Hamburg bei entsprechenden Anträgen auf Erlass einstweiliger Verfügungen der Gegner grundsätzlich nie vorher angehört wird, konnte er insoweit wohl auch nichts glaubhaft machen. (Andere Gerichte hören oft den Gegner vorher an.)
Manche wird überraschen, dass auch die Einleitung auf der Meta-Ebene „Beide müssen den Vorwurf hinnehmen“ nicht geholfen hat, die Äußerung insgesamt als Meinungsäußerung zu kennzeichnen. Kenner der Rechtsprechung der Zivilkammer 24 wissen jedoch, dass derartige Einkleidungen das Landgericht Hamburg nicht ineteressieren: wo immer die Zivilkammer 24 in einer Meinungsäußerung einen Tatsachenkern erspäht, wird dieser geerntet – auch, wenn es dafür regelmäßig aus Karlsruhe wegen der Missachtung der Meinungsfreiheit auf die Finger gibt (z.B. FraPort, Schrempp).
Eine zweite Angriffsfläche wäre die Privatsphäre, über die nur bei hinreichendem Interesse der Öffentlichkeit berichtet werden darf. Nachdem die Rechtsprechung die Rechtsfigur der „absoluten Personen der Zeitgeschichte“ vor Jahren abgeschafft hat, wäre heute selbst die Privatsphäre der höchstprominenten Frau Kohl nur im begründeten Einzelfall der Öffentlichkeit zugänglich. Die Privatsphäre der Kohlsöhne ist erst recht geschützt. Insoweit ist bemerkenswert, dass einer der Kohlsöhne ja seine Memoiren geschrieben und damit seine eigene Privatsphäre insoweit selbst geöffnet hat.
Der Fall bleibt interessant.
Anzumerken wäre noch, dass offenbar nur der Autor selbst angegriffen wurde. In früheren Zeiten hatte das Landgericht Hamburg auch das Medium eines Interviews angegriffen, welches sich angeblich den Inhalt des Interviews zu eigen mache und daher dort behauptete Tatsachen nachrecherchieren müsse. Auch das hat Karlsruhe nicht mitgemacht.
(Der Autor hat zur Kohl-Familie keine Meinung und macht sich insbesondere das Zitat nicht zu eigen.)
UPDATE: SPON bringt einen Kurzbeitrag mit Schelte auch von Altkanzler Kohl. Dort bezeichnet man den Suizid als „Selbstmord“.
admin •
11:24 •
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15. September 2011
Der verkannte Krebs-Behandler Herr Dr. Nikolaus Klehr verklagt gerade eine Person sowie Google auf Unterlassung, weil diese angeblich ein Zitat des vormaligen Präsidenten der Bayerischen Landesärztekammer, Herrn Dr. Hans Hege ventilierten, der den werten Herrn Dr. Nikolaus Klehr „ein erwerbsgetriebenes Ungeheuer“ und einen „Scharlatan genannt haben soll.
In der Sendung Panorama“ vom 10.12.1998 soll Herr Dr. Hege angeblich gesagt haben:
“Wir sind der Überzeugung, dass ein Mensch, der sich so verhält wie Herr Dr. Klehr, entweder ein Ungeheuer ist, ein – ich sage bewusst: ein erwerbsgetriebenes Ungeheuer ist, oder aber – nämlich dann, wenn er wirklich eine wirksame Methode haben sollte – oder aber schlicht und einfach, und das ist meine persönliche Überzeugung, ein Scharlatan, der mit der Hoffnung von Krebskranken Geld macht.”
Man hat mir gesagt, im Internet seien diese Worte unter
http://www.esowatch.com/media/Klehr/klehr.mpg
http://www.esowatch.com/media/Klehr/klehr.wmv
bei Minute 1:20 bis 2.01 zu finden. Ich wage es jedoch gar nicht, mir diese Sendung überhaupt anzusehen, erst recht nicht, sie zu verlinken, weil ich mir nach Meinung meiner Leser in Hamburg dann möglicherweise Inhalt zu eigen machen würde. Das möchte ich aber nicht, weil es anscheinend irgendwelche Details gibt, die Herrn Dr. Klehr stören. Wer sich für das Zitat des Herrn Dr. Hege interessiert, möge den Panorama-Beitrag bitte nur von Minute 1:20 bis 2.01 zur Kenntnis nehmen und ansonsten sie Sendung auslassen, in der vermutlich von vorne bis hinten gelogen wird und die Persönlichkeitsrechte und unternehmerischen Interessen des Herrn Dr. Klehr mit Füßen getreten. Ich distanziere mich ausdrücklich von diesem möglicherweise verleumderischen Panorama-Beitrag, insbesondere von den Behauptungen über angebliche Endotoxine, davon verstehe ich nichts. Und ich mache mir insbesondere auch nicht das Zitat des Dr. Hans Hege zu eigen. Herr Dr. Niklaus Klehr ist kein Ungeheuer, sondern humanoid. Der Erwerb ist sicherlich nur ein Nebenprodukt von Herrn Dr. Klehrs unermüdlichem Kampf gegen den Krebs, dem seine missgünstigen Mitbewerber die Anerkennung versagen. Und nur, weil etliche Ärzte Herrn Dr. Klehr öffentlich einen Scharlatan genannt haben, muss das ja nicht stimmen, so dass ich mich auch von dieser wertungsgeprägten Äußerung distanziere, denn ich bin kein Mediziner.
admin •
11:50 •
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13. September 2011
Wer sich in Syrien im Web 2.0 bewegt, hat Schlimmes zu befürchten. Vermutlich gibt es dort auch die Vorratsdatenspeicherung. Kriegen wie hier auch bald.
Das Boulevardmagazin DER SPIEGEL kündigt heute in einer Anzeige für SPIEGEL GESCHICHTE TV für heute Abend einen Beitrag über das Rohwedder-Attentat an. Dabei fragt der Anzeigentext: „RAF oder Stasi“?
Soweit ich gehört hatte, war die Stasi 1991 infolge Staatswegfall längst aus dem Geschäft. Trotz meiner bekannten Faszination für Geheimdienste ist mir nicht bekannt, dass die Stasi im Ausland Mordaufträge an Entscheidungsträgern etc. durchgeführt hätte. Die immer wieder genannten Fälle wie der Verkehrsunfall des betrunkenen Sportlers Lutz Eigendorf taugen nicht einmal zur Verschwörungstheorie. Allenfalls an der Grenze und im Umfeld der ominösen „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“, die ihrerseits Terroranschläge in der DDR verübt hatte, sind mir Stasi-Morde außerhalb der DDR bekannt.
Rohwedder war weder für die RAF, noch für Gleichgesinnte ein logisches Ziel, denn im Vergleich zu seiner Nachfolgerin war er geradezu linksradikal. Von dem Mord hatten diese Verdächtigen nicht den geringsten Vorteil. Treuhandchefin Breuel, von Geburt an im Bankermillieu, änderte Rohwedders Kurs und gab sich als unerbittlich – und hinterließ später bei der EXPO 2000 ein finanzielles Desaster.
Seit ich nicht mehr fernsehe und den SPIEGEL allenfalls aus beruflichen Gründen lese, hat sich die Qualität meines Wissensstands dramatisch verbessert. DER SPIEGEL täte gut daran, mal über die ca. 2.000 ganz offiziell von der CIA ihm zurückliegenden Jahrzent durch Drohnen liquidierten Personen zu berichten.
Gestern tagte der Untersuchungsausschuss zur unsäglichen Intrige, bei der vier Steuerfahnder durch „psychologische Gutachten“ kaltgestellt werden sollten.
Guido Strack vom Whistleblowernetzwerk e.V. wohnte dem Termin bei und vermittelte die Öffentlichkeit mittels Liveblogging. Gegen 12 Uhr thematisierte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses das Liveblogging und forderte Unterlassen des gebloggten Wortprotokolls, das er für eine „Übertragung“ hielt.
Die Frankfurter Rundschau berichtet:
Zu einem weiteren Eklat kam es dann um einen Besucher, der live aus dem Ausschuss auf der Seite whistleblower-net.de berichtete. Ein Vertreter des Whistleblower-Netzwerks hatte live im Internet über die Vernehmung Rudolf Schmengers berichtet. Das stieß auf den Unmut der Koalitionsfraktionen CDU und FDP: Die Veröffentlichung gebe fast den Wortlaut wieder und komme einer ebenfalls verbotenen Tonaufzeichnung gleich, entschied Blum. Er bat den Blogger, seine Arbeit einzustellen. Sonst müsse er Zwangsmaßnahmen ergreifen.
Der Vorsitzende drohte an, den Blogger identifizieren oder den PC beschlagnahmen zu lassen. Der Blogger ließ sich nicht beirren, zog den Vergleich mit Stenographie, die am Ergebnis ja nichts ändere. Der Vorsitzende drohte unbestimmt mit „Maßnahmen“. Die Presseleute im Raum unterdessen solidarisierten sich mit dem Blogger und sagten zu, bei einem Rausschmiss die Lücke zu schließen.
Die Zensoren kniffen. „Passiver Widerstand“ nannte so etwas der Kollege Herr Rechtsanwalt Mahatma Ghandi.
Zwischenzeitlich hatte mich Guido per E-Mail um meine Rechtsauffassung gebeten und diese mit „ist erlaubt“ wiedergegeben. Jein. Die Frage ist gerichtlich meines Wissens noch nicht geklärt, jedoch sprechen die besseren Argumente dafür.
Jugend forscht: Ich selbst wurde mal in der Hamburger Pressekammer auf mein lautes Hacken auf die Tatstatur angesprochen, wobei der Vorsitzende wissen wollte, was ich denn da tippe. Meine Antwort, dass ich gerade eine Satire über die vorangegangene Verhandlung über „Ballacks Karriereende“ schreibe, stellte, den Vorsitzenden zufrieden. Auch gegen Twittern aus dem Gerichtssaal hat er nie etwas gesagt.
UPDATE: Der Hessische Rundfunk berichtet.
admin •
08:41 •
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6. September 2011
Die unqualifizierte Berichterstattung in Sachen WikiLeaks reißt nicht ab. Gestern hatte ein SPIEGEL-Schreiberling nach seiner Rückkehr von einer Audienz bei Papst Julian einen schon wegen fragwürdigen Auslassungen tendenziösen Artikel geschrieben, in dem seine Heiligkeit verhältnismäßig gut wegkommen. Dass es bereits im letzten Jahr bei Assange intern einen fragwürdigen Umgang mit den unredigierten Cables gab, und dass Assange laut James Ball von Anfang an vorgehabt hatte, die Cables langfristig unredigiert ins Netz zu stellen, scheint dem SPIEGEL noch nicht aufgefallen zu sein. Hatte Assange vor zwei Wochen noch vorwerfen lassen, wer über seinen Daten-GAU berichte, gefährde Menschenleben, verlautbart er heute, es wäre doch gar nicht so schlimm, die Informanten seien doch wohl längst umgezogen etc.
Zu den Leuten, die das Prinzip des aus WikiLeaks hervorgegangenen Projekts OpenLeaks noch immer nicht verstanden haben, gesellte sich auch Assange himself, der in den letzten Tagen mehrfach kundtat, OpenLeaks hätte noch nichts veröffentlicht. OpenLeaks ist jedoch überhaupt keine Veröffentlichungsplattform, sondern „nur“ ein sicherer elektronischer Briefkasten, der bei den jeweiligen Medienpartnern installiert wird, eingereichte Dokumente von Spuren filtert und nicht rückverfolgbar an die Medienpartner transportiert. Ob etwas über OpenLeaks an ein Medium gelangt, wird im Optimalfall nicht einmal bekannt. Daher „konkurrieren“ die beiden Plattformen auch nicht.
Unwidersprochen tat Assange heute wieder kund, der Programmierer „Architekt“ hätte das Submission-System „gestohlen“. Der Mensch hatte es jedoch selbst programmiert und bei seinem Weggang mehr oder weniger den von ihm vorgefundenen Zustand hergestellt. Dass der „Architekt“ und nicht jemand anderes der Urheber war, hat Assange indirekt durch einen Tweet eingeräumt, der auf den vermeintlichen Twitter-Account des Architekten verwies, wo dies erneut kundgetan wurde.
Selbst Jimi Wales, dessen Wiki-Software Assange für WikiLeaks nutzte, hat sich nunmehr zu Wort gemeldet und tadelt den unprofessionellen Umgang mit den unredigierten Cables. Während der SPIEGEL-Artikel vom Montag noch hündisch dem WikiLeaks-Boss huldigte, wird dem SPIEGEL-Boss von Blumencron die Nähe zu Assange dann doch etwas peinlich.
Kreativ fiel der STERN-Beitrag aus, der auf den Weggang des einstigen deutschen Sprechers eingeht:
„Der hatte die Depeschen-Datei mitgenommen, als er Wikileaks im Streit verließ.“
Die Depeschen-Datei hatte Assange damals doch längst an seine Medienpartner geliefert, lediglich seine eigenen Back Ups hatte er auf erstaunlich fahrlässige Weise verloren. Eine Kopie dieser Datei befand sich im ausgebauten WikiLeaks-Archiv, das an einen mit beiden Parteien persönlich bekannten IT-Sicherheitsexperten zu Händen Herrn Assange übergeben wurde. Warum jemand dann dieses Archiv inklusive Datei ins Torrent hochgeladen hat – angeblich ohne Rücksprache mit Assange – , wäre doch einmal ein Recherche-Thema.
Was mich aber am meisten nervt, ist dieser als Nachricht getarnte, völlig schwachsinnige Boulevardmist von wegen „Schlammschlacht“ und „Egos“. Mir ist genau einer der Kontrahenten aufgefallen, der mittels Twitter-Exzessen u.ä. ständig Schlamm verspritzt, während der andere außerhalb von Konferenzen, bei denen er als Referent geladen ist, nicht einmal Interviews gibt, für die Presse oft tagelang nicht zu erreichen ist. Pseudo-Journalismus ohne Ende …