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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


3. Oktober 2019

Parteienrecht: Missbrauch von Parteiausschlussverfahren durch Bündnis90/Die Grünen in Hamburg

Neun hochspannende parteienrechtliche Mandate haben sich gestern mit einem Paukenschlag vorzeitig erledigt. Meine sechs Mandantinnen und Mandanten von Bündnis90/Die Grünen, die im Mai in die Bezirksvertretung Hamburg-Mitte gewählt wurden, sind aus der Partei ausgetreten und werden wohl bei der SPD andocken, die damit dort stärkste Kraft wird. Mit Parteiaustritt entfällt die Voraussetzung, parteienrechtliche Verfahren zu führen.

Der Landesverband hatte den Parteiausschluss gegen die sechs Mandanten beantragt, weil diese, nachdem man sie nicht in die Fraktion ließ, die Fraktion „Grüne 2“ gegründet hatten. Parteienrechtlich ist der Parteiausschluss ganz dünnes Eis. Umgekehrt hatten meine Mandanten den Parteiausschluss der Landesvorsitzenden Frau Anna Gallina, des Fraktionsvorsitzenden Herrn Anuel Muja und einer weiteren Person beantragt, allerdings mit ungleich aussichtsreicherer Begründung.

Der Reihe nach:

Im Januar waren bei der Aufstellungsversammlung einige Neu-Grüne mit Migrationshintergrund erfolgreich. Der Platzhirsch hingegen verfehlte seine Ambitionen und zog sich schmollend zurück. Mehrfach war aus dieser Richtung zu hören und lesen, Ausländer hätten sich verschworen, um die Grünen zu unterwandern. Für den Wahlkampf in der multikulturellen Weltstadt waren sie als Identifikationsangebote allerdings offenbar gut genug.

Im Umfeld des Landesverbands hatte man jedoch beschlossen, zwei Mitglieder aus der Partei zu ekeln. Jemand Unbekanntes hatte nämlich bei offenbar intensiven Streifzügen etwa auf Facebook Informationen gesammelt, um seine Verschwörungstheorie einer islamistischen Unterwanderung zu belegen. Für solche Gesinnungsschnüffelei haben normalerweise nur Geheimdienste Zeit.

Nachdem die Grünen dann im Mai bei der Wahl stärkste Kraft wurden, konfrontierte der Landesvorstand zwei der Grünen plötzlich mit abenteuerlich konstruierten Vorwürfen. So wurde einem Grünen unterstellt, er hätte bei der Aufstellungsversammlung den Koran über das Grundgesetz gestellt. Tatsächlich allerdings hatte der Kandidat das genaue Gegenteil geäußert, nachdem Zwischenrufer offenbar aus rassistischen Gründen pöbelten. Diese seltsamen Unterstellungen sind heute ausgeräumt.

Einem anderen Neu-Grünen wude vorgeworfen, er habe als Student 2015 (!) Klecker-Beträge an eine islamische Hilfsorganisation gespendet, die der NRW-Verfassungsschutz beobachte. Dies war dem Mann jedoch weder bekannt noch wäre politischer Missbrauch einer Hilfsorganisation etwas Ungewöhnliches, denn nahezu alle Hilfsorganisationen sind kriminell oder politisch missbraucht worden.

Bevor sich die Betroffenen gegenüber dem Landesverband äußern konnten, stach im Juni jemand mit guten Pressekontakten die böswilligen Gerüchte zu den Medien durch, die daraus einen Seite-1-Skandal fabrizierten. Beide Männer verloren ihren Job, einer erlitt ein Magengeschwür. Der „Skandal“ erfuhr bundesweite Aufmerksamkeit.

Statt sich schützend vor die Parteifreunde zu stellen und nach dem Denunzianten zu suchen, schürte der Hamburger Landesvorstand jedoch eine Hexenjagd. Statt die sehr konstruierten Vorwürfe zivilisiert aufzuklären und die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung zu ehren, betrieb der Landesvorstand von Anfang an konsequent die Ausgrenzung. Obwohl gewählte Abgeordnete unabhängig sind, schloss der Fraktionsvorsitzende Manuel Muja die beiden Grünen von der Gründung der Fraktion aus, sie wurden gar nicht erst eingeladen.

Eine gewählte Rechtsanwältin mit türkischen Wurzeln bewertete das Vorgehen der Grünen als Rufmord und legte ihr Mandat nieder. Einige Grüne, die aus terminlichen Gründen nicht bei der konstituierenden Sitzung der Fraktion anwesend waren, durften ebenfalls nicht Mitglied der Fraktion werden. Eine anwesende Abgeordnete, die das Verfahren gegen die vorverurteilten Grünen beanstandete, wurde ebenfalls von der Fraktionsgründung ausgeschlossen.

Diese vier Hamburger Grünen, darunter zwei mit und zwei ohne Migrationshintergrund, bewiesen Rückgrat und blieben zunächst wie die beiden anderen einfache Abgeordnete. Die Verwaltung wies sie darauf in, dass sie das Recht hatten, eine eigene Fraktion zu gründen, und schlug die Bezeichnung „Grüne 2“ vor. Die sechs Abgeordneten meinten, dass sie damit den Interessen der grünen Wähler am besten dienten.

Dies entsprach exakt dem Grünen Grundkonsens (8):

„Unsere Politik beruht auf Einmischung und Solidarität mit den Betroffenen und richtet sich gegen Gleichgültigkeit und Ignoranz.“.

Vorschläge, die Wogen zu glätten, etwa mit Mediation, schlug der Vorstand in den Wind. Statt zu deeskaliseren und die Partei zu einen, forderte die Landesvorsitzende die sechs Rebellen öffentlich zum Parteiaustritt auf. Eine prominente Grüne sagte sogar, man könne sich mit allen Fraktionen Koalitionen vorstellen, nur nicht mit AfD und Grüne 2. Wenn Grün nicht mit Grün zusammenarbeitet, könnte man das als parteischädliches Verhalten ansehen. Doch der Hamburger Landesvorstand pflegte eigene Maßstäbe, echauffierte sich über Majestätsbeleidigung und drohte mit Parteiausschlussverfahren.

Laut Parteiengesetz soll der Parteiausschluss jedoch nicht dazu missbraucht werden, Parteimitglieder in totalitäterer Weise von oben zu disziplinieren. Politischer Streit soll im politischen Diskurs stattfinden, ein Parteiausschluss ist nur in den im Parteiengesetz festgelegten Fällen möglich.

Die Hamburger Landessatzung der Grünen erlaubt Parteiausschlüsse nur, wenn gegen die Satzung oder Grundsätze der Partei verstoßen wurde. Beides ist evident nicht der Fall. Die Bundessatzung der Grünen lässt jedoch im Einklang mit dem ParteienG auch einen Verstoß gegen die sogenannte „Ordnung“ genügen, wobei ein Verstoß gegen eine ungeschriebene Ordnung ausreichend sein kann. Erforderlich ist allerdings, dass ein solcher Ordnungsverstoß einen schweren Schaden verursacht hat.

Die Gründung einer zweiten Grünen-Fraktion sollte dieser Ordnungsverstoß sein. Dies ist schon verfassungsrechtlich problematisch, weil Abgeordnete per Gesetz zur Unabhängigkeit verpflichtet sind und Aufträge – etwa solche der Partei – gar nicht ausführen dürfen. Die Abgeordneten sind der Wählerschaft und ihrem Gewissen verpflichtet, nicht der Partei.

Tatsächlich haben grüne Parteischiedsgerichte vor Jahrzehnten in zwei Fällen die Gründung konkurrierender Fraktionen als parteischädliches Verhalten bewertet, ohne auf die genannte Problematik überhaupt einzugehen. In diesen Fällen waren die Betreffenden aber aus eigener Motivation von der Fahne gegangen und hatten sich in tatsächliche Konkurrenz zur Partei gesetzt.

Vorliegend aber hatten die Mandanten nur auf Tatsachen reagiert, die vom Landesvorstand bzw. mit dessen Billigung geschaffen wurden. Die Abgeordneten hatten kaum eine andere Wahl, als sich in einer Fraktion zu organisieren. Das eigentliche parteischädigende Verhalten ging vielmehr vom Landesvorstand aus, der sämtliche grünen Abgeordneten mit Migrationshintergrund aus der Fraktion entfernt hatte.

Ende Juli kam es in meinem Beisein in Hamburg zu einem Gespräch mit fünf der Rebellen, das angeblich kein Tribunal werden sollte. Doch stat Verständigung ging es erkennbar einzig darum, weiteres „Material“ für Parteiausschlussverfahren zu sammeln, u.a. mit Suggestivfragen, was ich mir nicht bieten ließ. Nachdem wir hierüber dem sechsten Rebell berichteten, tat er sich ein solches Spießrutenlaufen nicht mehr an.

Als der Landesvorstand allen Ernstes die Parteiausschlüsse beantragte, beantragten wir entsprechende Verfahren gegen die Landesvorsitzende usw., denn diese verletzten definitiv die grünen Parteigrundsätze:

Die Verantwortlichen haben den Grundkonsens 1.1 (6) verletzt, da die vorverurteilende Hexenjagd nicht mit dem dort proklamierten Demokratieprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip in Einklang zu bringen ist. Die Verantwortlichen haben den Grundkonsens 1.1 (9) und (10) verletzt, da die religiöse Diskriminierung nicht mit den dort proklamierten Menschenrechten auf Religion (Artikel 2 Abs. 1 und Artikel UN-Menschenrechtskonvention) vereinbar ist. Die Verantwortlichen nehmen die Religiosität zweier Grünen zum Anlass, gegen diese zu hetzen. Ferner ist auch die Unschuldsvermutung in Art. 11 ein Menschenrecht, dem die Verantwortlichen keine Bedeutung beimaßen.

Pikant ist, dass man einem der Grünen ursprünglich vorgeworfen hatte, das Grundgesetz nicht hinreichend zu ehren. Im Gegenteil nämlich war es dieser Landesvorstand, der das Grundgesetz missachtete, denn diese Hexenjagd verletzte grundgesetzlich geschützte Rechte wie Persönlichkeitsrechte, die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung, das Verbot von religiöser Diskriminierung und die Unabhängigkeit von Mandatsträgern.

Eine der sechs Rebellen wird wegen Umzug in eine andere Stadt ihr Mandat ganz niederlegen. Deren grüner Nachrücker hat allerdings erklärt, dass er ebenfalls die grüne Fraktion meiden wird.

23. April 2019

Ende einer Trolljagd – Compact-Magazin scheitert am BGH mit Nichtzulassungsbeschwerde

2017 musste ich mich nahezu full time mit Reichsbürgern, rechtspopulistischen Verlagen und deren Influencern herumschlagen. Diese Leute verbreiteten in den (a)sozialen Medien über meinen Mandanten eine hirnverbrannte Schnapsidee, die bei schlichten Gemütern erstaunlich große Resonanz fand.

Ein vergleichbarer Fall, in dem eine verblendete Meute ein schamloses und offensichtlich substanzloses Gerücht derart massiv und aufdringlich wiederkäute, ist mir zumindest in Deutschland nicht bekannt. Ich bin ja eher zurückhaltend mit dem politischen Kampfbegriff Verschwörungstheoretiker, aber für diese wirren Eiferer, die meinen Mandanten mit einem buchstäblichen Shit-Tsunami überzogen, trifft er die Sachlage brauchbar.

Zu den Internet-Trollen gesellte sich auch der Verlag des Compact-Magazins, den wir in zwei Instanzen erfolgreich verklagt hatten. Weil das OLG Köln hiergegen keine Revision zuließ, erhob der Verlag Beschwerde beim Bundesgerichtshof. Letzte Woche nun wies der 6. Zivilsenat des BGH die Beschwerde als unbegründet ab. Dieser Rechtsstreit kostet die Gegenseite damit rund 25.000,- €.

Mit dieser BGH-Entscheidung sind nunmehr alle von uns erstrittenen Unterlassungsurteile rechtskräftig. Lediglich ein seltsamer Autor des Kopp-Verlags, der offenbar als erster das Gerücht ausgebrütet hatte, war mit einer Berufung überraschend erfolgreich, weil das Oberlandesgericht Köln dessen spökenkieckerisches Raunen als gerade noch zulässig ansah.

Da der in diesem Prozess mitverklagte Verlag die Berufung im Gegensatz zum Autor aber zuvor zurückgenommen hatte, ist das Urteil gegen den Verlag trotzdem rechtskräftig. Der Kopp-Verlag muss daher ohne meinen Mandanten auskommen und wieder über Reichsflugscheiben, Echsenmenschen und Mondlandungslüge drucken.

Im Mai letzten Jahres hatte der Mandant bei einer Konferenz in Berlin einen Vortrag über seinen Kampf gegen die Hetzer gehalten und mich kurzfristig um fachliche Mitwirkung gebeten. Dafür, dass wir den vor 2.000 Anwesenden gehaltenen Vortrag nicht geprobt, sondern erst am Vorabend beim Griechen abgesprochen hatten, ist das Ergebnis eigentlich ganz brauchbar geworden.

Die letzten Jahre waren insbesondere für meinen Mandanten eine extrem harte Zeit, allerdings gab es trotz des bitteren Themas sogar auch lustige Momente, etwa die hysterischen Reaktionen auf die Pfändung der Rechte an der Domain des Compact-Magazins. Das Blatt bekam dann in einem Kölner Gerichtssaal auch noch einen Cameo-Auftritt in einem launigen Musikvideo


17. April 2019

Streit um Wahlplakate

Vor der Europawahl nimmt wider die Dichte an Wahlplakaten zu. Die Art und Weise, ob und wo und wann und wieviele Plakate und in welcher Größe etc. aufgehangen werden dürfen, ist nicht bundeseinheitlich geregelt, sondern richtet sich nach den Straßen- und Wegegesetzen der Bundesländer sowie nach den Gemeinde und Stadtsatzungen.

Da diese aber nur selten detailliert sind, entwickeln die Behörden häufig eine gwisse Kreativität, um die Plakateflut einzudämmen. So sollen etwa Kleinparteien nur im Verhältnis zu ihrer angeblichen reellen Wahlchance plakatieren usw..

2013 etwa wollte die Stadt Herne der Piratenpartei das Recht auf gleich viele Plakate absprechen. Parteien haben jedoch aus Artt. 3, 28 Abs. 1, 38 Abs. 1 GG iVm § 5 ParteienG einen durchsetzbaren Anspruch auf eine Sondernutzungserlaubnis. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erklärte den Stadtvätern dann auch recht schnell die Rechtslage.

Manchmal werden Plakate auch vom politischen Gegner inhaltlich angegriffen. So ließ etwa die CDU Hessen 2013 allen Ernstes eine Parodie ihres Wahlplakats anwaltlich abmahnen, knickte dann aber ein.

Auch mit der Stadt Göttingen hatte ich wegen Wahlplakaten zu tun. Beim Telefonat mit den Verantwortlichen stellte sich heraus, dass dort die literarisch berühmte illegale Plakataktion des Naturwissenschaftlers Prof. Lichtenberg von 1777 nicht bekannt war. Da ich diese höchst amüsante Geschichte mal recherchiert hatte, ließ ich dem Stadtarchiv meine Darstellung der skurrilen Begebenheit zukommen. Leider führte mein „Bestechungsversuch“ nicht zum Erfolg, denn manchmal ist ein Plakatierungsverbot halt auch gerechtfertigt …

16. April 2019

Lizenzierungsanfrage Internet-Meme

An Constantin Film AG, vorab per E-Mail

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte freundlich um Auskunft, wie ich für meine Mandantschaft die Rechte für ein Internet-Meme Ihres Hauses erwerben könnte. Mein Mandant möchte insbesondere eine Zensur durch Uploadfilter vermeiden, sowie anwaltliche Abmahnungen.

Mein Mandant möchte gerne zu nicht kommerziellen Zwecken auf der Plattform YouTube Bildmaterial Ihres Films „Der Untergang“ verwenden. So möchte er die legendäre Szene nutzen, in welcher der Führer im Führerbunker ausflippt. Statt des Originaltons soll jedoch in unterschiedlichen Fassungen jeweils eine Stimmimitation von Axel Voss und Helga Trüpel verwendet werden.

Bitte teilen Sie mir nicht nur Ihre Konditionen mit, sondern auch, was von den Lizenzeinnahmen an die Urheber bzw. an deren Erben geht!

Ich danke für Ihre Bemühungen!

Mit freundlichen Grüßen

Kompa
Rechtsanwalt

UPDATE: Constantin kann mir leider aus vertragsrechtlichen Gründen nix für YouTube lizenzieren. Mein Meme wird also in den Uploadfiltern zensiert werden, nix zu machen.

20. September 2018

Nochmal zu meinem Verfassungsschutz-Roman …

Seit ich vor drei Jahren meinen Politthriller Das Netzwerk über den politischen Geheimdienst Bundesamt für Verfassungsschutz geschrieben hatte, reibe ich mir alle paar Wochen die Augen, denn vieles, was ich mir so ausgedacht hatte, kommt der Realität erstaunlich nahe. So auch in den letzten Tagen

In meinem Roman gab es 2013 eine Verfassungsschutzpräsidentin, die von der verdeckten Finanzierung einer rechtspopulistischen Partei durch einen Milliardär weiß (aktuelle Meldung: Heimliche Wahlkampfhilfe in Bayern). Die ursprünglich aus dem Innenministerium kommende Karrierejuristin verhilft ihrem Liebhaber, einen Sozi aus dem Unternehmerflügel, zu einer Blitzkarriere in der neuen Partei, die sie auch heimlich parteienrechtlich berät (Huch?! Treffen von Maaßen und Petry lagen auffallend dicht zusammen). Außerdem verfügt Sie über Kompromat und will die Partei instrumentalisieren, um sich als neue Innenministerin ins Spiel zu bringen (Ach, ne?: Als Staatssekretär wird Maaßen besonders mächtig sein). Allerdings spielt sie nicht nur doppelt, sondern hat mit den Rechten in Wirklichkeit nichts am Hut (soweit der unrealistische Teil).

Außerdem gibt es noch eine Hackerin, die im Auftrag Trollfrabriken betreibt und Fake News ventiliert, um die Bundestagswahlen zu manipulieren – und gleichzeitig privat von der anderen politischen Seite durch eine linke Whistleblowerwebsite auf die Wahl Einfluss nimmt. Ähnliches ist bei der US-Wahl 2016 gelaufen, in einer ähnlichen Melange zwischen Internetaktivisten und Geheimdienstlern. Selbst ein Pendant zu den von mir ausgedachten betagten Politwissenschaftler im Hintergrund gab es dort (Die US-Wahl und der tiefe Staat).

Inzwischen habe ich Zeit gefunden, mir die Berliner TV-Serie Berlin Station (derzeit auf Netflix) anzusehen, bei der eine CIA-Station in Deutschland auf die amerikanische Art aufräumt. Wie in meinem Roman versucht auch dort in der zweiten Season eine rechtspopulistische Partei auch, vor der Bundestagswahl mit einem inszenierten False-Flag-Attentat Stimmung gegen Ausländer zu machen. Und es gibt eine geheimdienstliche Liebschaft mit einem ehrgeizigen Parteifunktionär. Schau an … ;)

(Die Printausgabe vom „Netzwerk“ ist übrigens ausverkauft, man  kann es noch als E-Book bekommen.)

24. August 2018

Ist Fotografieren auf einer Demo eine „Strofdood“?

Zum Fall des Pegidioten von Dresden haben sich bereits die geschätzten Kollegen Herr Stadler, Herr Dr. Sajuntz und Frau Bölke (am Ende des obigen Videos) qualifiziert und der nicht geschätzte Kollege Herr Dr. Bittner unqualifiziert geäußert. Hier mal eine systematische Darstellung:

Grundsätzlich hat man einen Unterlassungsanspruch aus § 22 KunstUrhG gegen das Verbreiten oder öffentlich-zur-Schau-stellen identifizierender Abbildungen. Das Anfertigen und Speichern der Aufnahme selbst ist zwar eigentlich keine Tathandlung im Sinne des Gesetzes, allerdings wenden Gerichte ergänzend das allgemeine Persönlichkeitsrecht an, etwa dann, wenn man nicht mit Aufnahmen rechnen muss oder aufgrund Social Media zu erwarten ist, dass die Bilder sofort online gehen und dann irrevisible Fakten geschaffen werden. Gerichte haben auch Polizisten das Recht zugestanden, vor Ort Löschung zu verlangen.

Anders als die Kollegin Frau Bölke im obigen Video meint, hat der Hutbürger das Filmen allerdings gerade nicht „billigend“ inkauf genommen, sondern missbilligend. Damit fehlt es eindeutig an einer Einwilligung nach § 22 KunstUrhG. Der Mann handelt auch (insoweit) nicht widersprüchlich, denn er hat ein berechtigtes Interesse, seinen Widerspruch dokumentiert zu sehen.

Theoretisch wäre ein Verstoß gegen § 22 KunstUrhG tatsächlich eine „Strofdood“, denn § 33 KunstUrhG sieht eine Strafe von bis zu einem Jahr vor. Ein Anwendungsfall dieser historischen Vorschrift wäre mir allerdings nicht bekannt und würde auch das Filmen selbst gar nicht erfassen, sondern erst die Veröffentlichung (§ 22 KunstUrhG).

Vorliegend allerdings hatte das Kamerateam die Absicht, eine Demonstration und deren unmittelbares Umfeld zu filmen. Für Versammlungen, Aufzügen und ähnliche Vorgänge, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, sieht § 23 Abs. 1 KunstUrhG eine Ausnahme vor. Bei einer Demonstration dürfen Personenmehrheiten also auch dann gezeigt werden, wenn die einzelnen Teilnehmer dabei identifiziert werden können. Zu den Teilnehmern zählen die Gerichte übrigens auch Polizisten, welche dort beruflich wirken und zum Anliegen der Demonstranten keinen Bezug haben. Es ist auch nicht erforderlich, dass man die Versammlung vollständig zeigen muss, ein repräsentativer Ausschnitt reicht. Und genau das hatten die ZDF-Leute ursprünglich auch gemacht, bis der gute Mann plötzlich ausfallend wurde.

Bei dieser Ausnahme nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG gibt es aber zwei Einschränkungen:

Von der Abbildung einer Personenmehrheit kann dann keine Rede mehr sein, wenn man aus einem Gruppenfoto gezielt jemanden ausschneidet oder an eine Person heranzoomed. Anders liegt der Fall aber, wenn jemand aus dieser Personenmehrheit zum Protagonist wird und besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht, etwa ein Steinewerfer, jubelnder Fan oder eine Busenherzeigerin. Es ist umstritten, ob Einzelaufnahmen dann zulässig sind, wenn sie für die Veranstaltung repräsentativ bzw. charakteristisch sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das beim Hutbürger für eine Pegida-Demo der Fall war …

Weitere Einschränkung ist nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG, dass kein berechtigtes Interesse des Abgebildten verletzt wird, etwa wenn in die Privatsphäre einegriffen oder der Mensch einer Gefährdung ausgesetzt würde. Tja, Freunde, also das muss man sich halt vorher überlegen, wenn man auf eine Demo geht, bei der Vermummungsverbot gilt. Denn da geht es halt darum, für eine Sache sein Gesicht zu zeigen, und da muss man halt damit rechnen, dass Medienvertreter filmen. (Ein berechtigtes Interesse wäre allerdings dann verletzt, wenn jemand die Abbildung kommerziell vermarktet, etwa auf T-Shirts aufbringt.)

Kommt man zum Ergebnis, dass die erste Einschränkung greift, wäre eine weitere Ausnahme zu prüfen: Eine Einwilligung ist auch dann entbehrlich, wenn Ereignis des Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG berichtet wird und hieran ein besonderes Berichtsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Das Anpöbeln des Kamerateams und die Polizeischikane, die zur Feststellung der Personalien eine Dreiviertelstunde gebraucht haben will, dürften ein solches Ereignis darstellen, denn die sächsischen Politiker meldeten sich zu Wort und immerhin die Bundeskanzlerin persönlich hat den Vorfall kommentiert (und sich dabei für Pressefreiheit ausgesprochen). Inzwischen hat es der Skandal bundesweit in die Medien geschafft, hier in NRW beginnt der WDR heute sogar die stündliche Nachrichtensendung mit dem Thema. Inzwischen wurde auch noch bekannt, dass der Hutbürger ein LKA-Mann ist und ausgerechnet Zugriff auf sensible Daten wie die Ausländerdatenbank hat – bei einem Pegida-Demonstrant drängt sich da der Verdacht eines Interessenkonflikts auf.

Das dürfte für ein Berichtsinteresse der Öffentlichkeit locker reichen.

Streng genommen müsste man an dieser Stelle nun die Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung auf die Meinungs- und Pressefreiheit diskutieren. Denn das Anfertigen und Speichern von Bildnissen ist ein personenbezogenes Datum und damit auch nach der DSGVO prinzipiell zustimmungsbedürftig. Der deutsche Gesetzgeber hat leider bislang verpasst, den Ausnahmenkatalog des § 23 KunstUrhG auf die Verbote der DSGVO gemäß der Öffnungsklausel Art. 85 DSGVO auszuweiten. Die Fachdiskussion ist in vollem Gange, allerdings hat kaum jemand Zweifel daran, dass Gerichte – mit welchem juristischen Kunstgriff auch immer – künftig zu gleichen Ergebnissen kommen werden wie schon zur bislang geltenden Rechtslage. Da es sich vorliegend um ein Kamerateam des ZDF handelt, greift in diesem Fall die Privilegierung aus § 9c des Rundfunkstaatsvertrags.

Ergebnis: Das Filmen des Hutbürgers ist weder eine Straftat noch wäre ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch sonderlich aussichtsreich.

Update: Zum gleichen Ergebnis gelangt der geschätzte Kollege Solmecke, der es bereits für ausreichend hält, dass der Mann auf die Kamera zugegangen ist und hierdurch Aufmerksamkeit provoziert hat. Ob das alleine ausreicht, habe ich so meine Zweifel. Vorliegend allerdings rechtfertigen die konkreten Umstände und die politischen Reaktionen jedenfalls vorliegend die Annahme eines Berichtsinteresses der Öffentlichkeit.

29. Mai 2018

Urteil gegen Google wegen irreführendem Suchergebnis ist jetzt rechtskräftig

Das gegen den Google-Konzern erstrittene Urteil Oberlandesgericht Köln, 15 U 56/17 ist nunmehr rechtskräftig. Mein Mandant war durch ein zusammengepuzzletes Suchergebnis in den falschen Anschein geraten, ein nicht-therapiefähiger Sexualstraftäter zu sein, der sich an kleinen Mädchen vergehe. Diese an erster Stelle erscheinende Verleumdung hatte den Mann als Unternehmer und Privatmann praktisch erledigt.

Google hat nun entschieden, eine Revision doch nicht weiter zu verfolgen. Für den Mandanten endet nun eine schreckliche Zeit und ein ca. drei Jahre andauernder harter Prozess. Beharrlichkeit führt zum Ziel.

Das Urteil erschloss nicht nur eine bislang unbekannte Fallgruppe, sondern hat auch auf der Rechtsfolgenseite Neuland betreten. So muss Google auch Suchergebnisse unterlassen, wenn solche nicht über google.de sondern auch über google.com initiiert wurden.

23. Mai 2018

Die Anstalt über Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien

Vor ein paar Monaten hatte ich das Vergnügen, den Kabarettist Max Uthoff kennen zu lernen. Wahrscheinlich hatte ich ihm auch von meinem damaligen Abenteuer mit der parteipolitisch dann doch nicht so neutralen Versammlung der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt erzählt.

Um so mehr musste ich gestern Abend schmunzeln, als Die Anstalt das Thema Unabhängigkeit und Vielfalt der Rundfunk- und Printmedien thematisierte. Wie fast immer war die Sendung ein absoluter Genuss und das beste Argument für Rundfunkgebühren, das ich kenne.

12. Mai 2018

Recht am eigenen Bild – Einwilligung widerruflich?

In nicht einmal mehr zwei Wochen tritt die Datenschutzgrundverordnung inkraft. Während insbesondere Fotografen wegen der noch ungelösten Rechtsfragen den Weltuntergang heraufbeschwören, lassen es andere vielleicht eine Spur zu ruhig angehen.

Das Bundesministerium des Inneren hat nun eine Informationsseite eingerichtet, welche der Bevölkerung Orientierung bieten soll. In einem Tweet kommentiert man dort zum Recht am eigenen Bild, das Kunsturhebergesetz werde durch die DSGVO nicht verdrängt! (Ausrufezeichen im Original.) Schon die erste Stichprobe stellt allerdings die Kompetenz der Autoren infrage. So steht da allen Ernstes:

Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine – wie bislang schon – jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) stützen können.

Offenbar glaubt man im Bundesinnenministerium, eine Einwilligung nach § 22 KunstUrhG in das Verbreiten oder Zur-Schau-Stellen von Aufnahmen, die ein Gesicht erkennen lassen, sei jederzeit widerrufbar.

Ähm … Nein. Wer seine Einwilligung für das Nutzen eines Fotos rechtswirksam erklärt hat, muss sich daran festhalten lassen. Sonst könnte man sich das nämlich gleich ganz sparen. Man nennt so etwas in Fachkreisen „Rechtssicherheit“. Nur in dramatischen Ausnahmen, wenn etwa ein Nacktmodel nach Jahren zur Tugend gefunden hat und eine Jugendsünde bereut, kann eine entsprechende Einwilligung nachträglich angegriffen werden, allerdings verbunden mit dem Risiko, dem Rechteinhaber den Vertrauensschaden ersetzen zu müssen.

So jedenfalls die bis zum 25.05.2018 geltende Rechtslage. Der Gesetzgeber hat es bislang leider verpasst, die im KunstUrhG verbliebenen Paragraphen gemäß Art. 85 DSGVO anzupassen. Das wäre aber eine ganz gute Idee gewesen, denn bereits das Anfertigen einer Fotografie ist eine Datenverarbeitung, für die dann eben die DSGVO gilt. Nach Meinung des Bundesinnenministeriums soll das Posieren dann also jederzeit wirderruflich sein.

Neulich frotzelte übrigens jemand in einer juristischen Zeitschrift über den Umstand, dass der neue Bundesinnenminister erstmals kein Jurist ist, sondern sich als „Erfahrungsjurist“ bezeichnet. Ich bin mal gespannt, welche Erfahrungen wir mit den Rechtstipps des BMI sammeln werden.

UPDATE: Der Kollege Härting hat gerade zum Thema gebloggt.

9. Mai 2018

Genießende Genossen

Die – parteilose (!) – Kölner Oberbürgermeisterin findet es fragwürdig, dass bei der „Wahl“ des neuen Kinikchefs nur ein einziger Kandidat zur Wahl stehen soll. Und dann gibt es auch noch den mit rund 500.000,- € vergüteten Job des zusätzlichen Geschäftsführerpostens der Kölner Stadtwerke GmbH, den der Genosse Martin Börschel möchte.

Ein Kölner Genosse, der als einziger in ein Pöstchen gewählt werden möchte? Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor …