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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


24. April 2012

Die Piratenpartei und die politische Netzneutralität

Vor allem in den letzten Tagen vollzogen Würdenträger der Piratenpartei in Berlin deren Pubertät, was den Umgang mit Rechtsauslegern im Spannungsverhältnis zum Bekenntnis zur Netzneutralität betrifft. Anders als bei herkömmlichen Parteien mochten sich viele Piraten zu den Rechtsauslegern nicht in der reflexhaften Weise äußern, welche die Medien von Politikern gewohnt sind. Für Irritationen sorgte jüngst Hartmut Semken, dessen Äußerungen nicht durchweg glücklich gerieten, der sich inzwischen aber deutlicher artikuliert hat.

Diese bisherige Zurückhaltung hat ihre Ursache allerdings keineswegs in einer Präferenz für rechtes Gedankenschlecht, der politische Piratenkompass gibt definitiv keinen Anlass zu Beunruhigung. Die Ursache liegt vielmehr in dem Bekenntnis zur Netzneutralität, die zu den traditionellen Kernforderungen der Partei gehört; dieses in besonderem Maße, als die Piraten von 2006 bis ca. 2009 keine 1.000 Mitglieder aufwiesen. Dem untauglichen Versuch der Urheberrechtsindustrie und Sicherheitshysteriker, unter verschiedensten Vorwänden wie Kinderpornographie, Bomenbauanleitungen und Hassprediger das Netz zu zensieren, setzte man entschieden ein politisches Zeichen entgegen und demonstrierte Haltung, die bisweilen fundamentalen Charakter hatte.

Doch aus der einstigen – nennen wir sie einmal provokant – „Ein-Themen-Partei“ oder der „besseren Bürgerrechtsvereinigung“ ist inzwischen eine breit aufgestellte Bewegung geworden, die ganz allgemein die Parteienkultur und Lobbykratie auf den Prüfstand stellt und sich nicht mit Farbänderungen in rot-gelb-grün-dunkelrot abspeisen lässt. Mit inzwischen über 27.000 Mitgliedern, die ganz überwiegend in den letzten drei Jahren hinzukamen, hat sie fast halb so viele Parteigänger wie jeweils die in Jahrzehnten gewachsenen Mitbewerber FDP, Grüne oder Linkspartei. Waren die Mitglieder der ersten Generation vor allem im IT-Bereich beheimatet, so sind die Piraten inzwischen deutlich breiter in der Gesellschaft verankert und haben die Identität der jungen Partei geändert und ihre Ausrichtung dramatisch erweitert. -> www.kein-programm.de

Zu den Pfeilern der von den Piraten hochgehaltenen Netzneutralität gehörte auch in gewisser Weise das nordamerikanische Verständnis von Meinungsfreiheit, das insbesondere politisch in den USA sehr weit geht. Dies führte etwa in den USA zu der Kuriosität, dass sich in der Bürgerrechtsbewegung American Civil Liberties Union (ACLU) ausgerechnet jüdische Anwälte dafür einsetzen, dass Nazis ihre Meinung sagen dürfen. Grund ist die fundamentale Wertentscheidung der ACLU für konsequente Meinungsfreiheit, die nur dann verwirklicht sei, wenn der Markt der Meinungen nicht durch irgendwelche Zensur verfälscht wird. Hierfür ist die eher links stehende ACLU bereit, gewisse Schmerzen zu ertragen. Das kann man als Bürgerrechtsbewegung und NGO machen.

Als politische Partei kann man das aber nicht, insbesondere nicht in Deutschland, wo wir nun einmal mit einem historischen Erbe umzugehen haben. So wenig es auch den eigentlich liberalen Piraten behagt, einander vorzuschreiben, was der andere zu glauben oder zu beschweigen hat, oder gar irgendwelche Gesinnungstests durchzuführen, so scheint sich langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Netzneutralität nicht 1:1 mit einer politischen Partei zu vereinbaren ist. Eine politische Partei muss das Spektrum ihrer Strömungen definieren, denn „Partei“ bedeutet, dass man sich auf einem gemeinsamen Nenner bewegt. Diese Definition ist meines Erachtens nunmehr faktisch geschehen. Wer Interesse am extremen Ausleben von Meinungsfreiheit hat, der mag dies tun, aber dann eben ohne Parteibuch der Piraten.

Soweit mir zu Ohren gekommen ist, kann man die Personen, die sich aktuell für rechtes Gedankenschlecht innerhalb der Piratenpartei Deutschland begeistern, an zwei Händen abzählen, was bei mehr als 27.000 Mitgliedern nicht so repräsentativ sein dürfte, wie es gerade verzweifelte Wahlkämpfer der Linkspartei in Lübeck zu suggerieren versuchen. Zu den irrwitzigen Entgleisungen des grünen Parteistrategen Volker Beck möchte ich lieber gar nichts mehr sagen. Befremdlich finde ich auch die schulmeisterliche Polemik der grünen Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, die schamlos suggeriert, das Bundesschiedsgericht der Piraten hätte eine wertende Entscheidung getroffen, obwohl das PAV an einem Verfahrensfehler litt, den auch das grüne Schiedsgericht nicht hätte ignorieren können.

Nachdem die Medien anfangs das ihnen von den politischen Mitbewerbern schadenfroh servierte Thema dankbar aufgesogen haben, scheint das Strohfeuer mangels Substanz nicht mehr lange zu brennen. Jeglicher Versuch, insbesondere den Wahlkampf in NRW mit braunem Dreck zu kontaminieren, dürfte übrigens nach hinten losgehen. Nach meiner Kenntnis liegt die Anzahl brauner Piraten in NRW nämlich exakt bei Null.

23. April 2012

Wahlprogramm der Piraten

Mit freundlichen Grüßen an den Kollegen Nebgen:

Wahlprogramm_DIN-A4

Wahlprogramm_DIN-A5

Weitere Versionen als Hörbuch sowie als eBook werden in Kürze veröffentlicht.

Zu folgenden Themen haben sich die PIRATEN positioniert:
Bildung, Inneres und Justiz, Verbraucherschutz, Arbeit und Soziales, Gesundheit, Whistleblowing, Drogenpolitik, Wirtschaft und Finanzen, Bürgerdatennetze, Rundfunk und Medien, Open Access, Open Data, Kultur, Bauen und Verkehr, Umwelt

Und hier noch die anderen Grundsatz- und Wahlprogramme.

UPDATE: Für Leute, die noch an die Durchschlagskraft von Domains glauben, haben die Piraten inzwischen das hier eingerichtet:

http://www.kein-programm.de

22. April 2012

Publizistische Kontamination einer Partei mit Nazifuzzis

Der Deutschlandfunk zählt definitiv zu den Qualitätsmedien und hat sich stets fair gegenüber der Piratenpartei verhalten. Auch der aktuelle Beitrag ist ambitioniert, erweckt jedoch gegen Ende den Eindruck, die Piraten forderten die uneingeschränkte Meinungsfreiheit und das Bundesschiedsgericht hätte das aktuell gescheiterte Parteiausschlussverfahren entsprechend bewertet, obwohl es tatsächlich auf einem Verfahrensfehler beruht (der am Anfang des Beitrags wenigstens angesprochen wird).

Es wäre allerdings journalistisch durchaus veranlasst gewesen, darauf hinzuweisen, dass die Piraten damals 2008 bundesweit keine 1.000 Mitglieder hatten, während es derzeit 26.715 sind. Juristisch mag die damalige Partei mit der heutigen identisch sein, dennoch kann man die Situation einer einstigen Zwergpartei, die rasant zu einer Kraft gewachsen ist, die in Wahlumfragen als die drittstärkste gesehen wird, nicht wirklich vergleichen und die Neupiraten für die Fehlentscheidung von 2008 in Geiselhaft nehmen.

Vielleicht sollten sich die Journalisten und politischen Mitbewerber zur Orientierung mal ab und zu den politischen Piratenkompass ansehen:

Die Piraten werden ihre Probleme mit Rechtsauslegern schon noch in den Griff kriegen. Hoffentlich gerät das überzeugender, als das den Grünen gelungen ist, etwa bei Alfred Mechtersheimer, Jamal Karsli, Oswald Metzger, …

Godwin-Gate

Godwin’s Law besagt, dass mit der Länge einer im Internet geführten Diskussion die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass es zu einem Nazi-Vergleich kommt. Dass ausgerechnet Martin Delius, einer der am meisten respektierten Persönlichkeiten in der Piratenpartei dann auch noch selber auf die Idee kommt, die Piratenpartei und die NSDAP in einem Atemzug zu nennen, strapaziert dann doch ein bisschen meine Stirn, an der sich gerade ein * FACEPLAM * ereignete …

Delius Krisen-PR hingegen ist vorbildlich. Rücktritte ausgerechnet der fähigeren Leute würden das strukturelle Problem dusseliger Kommunikation auch nicht lösen.

Dennoch frage ich mich langsam, wo denn so manche der verbal aktiveren Piraten waren, als etliche Personen des öffentlichen Lebens sich mit Nazi-Vergleichen, Assoziationen oder missverständlichen Äußerungen disqualifizierten. Helmut Kohl, Philipp Jenninger und etliche anderen Personen hatten sich durch Geschwätzigkeit ohne Not in ein fragwürdiges Licht gestellt – und mit ihnen die Parteikollegen.

Leute! Wisst ihr denn immer noch nicht, wie Medien, insbesondere Printmedien arbeiten? Man gibt ein langes Interview, lässt vielleicht eine despektierliche Äußerung fallen, die man für off the record hält, weil der Journalist so nett ist – und genau diese Äußerung pickt sich der Journalist heraus und macht daraus eine Schlagzeile. Und das muss er auch, denn nur Negatives hat Nachrichtenwert. Harmonie und PR langweilen. Für nichts ist die Presse dankbarerer als für Kontroverse und Provokation. Ein Journalist würde seinen Job nicht richtig machen, wenn er nicht in gebotene Angriffsflächen reinflankt. Und die Berufspolitiker der journalistischen Mitbewerber werden die Vorlage natürlich in ein Tor verwandeln wollen.

In dem oben verlinkten SPON-Artikel kommen noch zwei weitere Piraten zu Wort, die schon in den letzten Wochen durch ihre Äußerungsfreudigkeit die Kollegen in Verlegenheit gebracht haben. Während ich Delius den kommunikativen Missgriff zugestehe und keinen Zweifel daran habe, dass er die Lektion in Sachen Diplomatie und Presse gelernt hat, würde ich mich freuen, wenn insbesondere die beiden anderen Herren ab und zu eine Gelegenheit zum Schweigen wahrnehmen würden, wenn die Zunge schneller als das Gehirn arbeitet.

Es reicht völlig aus, wenn uns die Mitbewerber mit Dreck bewerfen. Für hausgemachte Gates hält sich mein Verständnis in überschaubaren Grenzen.

21. April 2012

Eine verstörende Jugenderinnerung

Aufgrund des parteiinternen Streits mit problematischen Piraten und der durchsichtigen Instrumentalisierung durch politische Mitbewerber habe ich in den letzten Tagen viel nachgedacht. Dabei ist mir eine bizarre Episode aus meiner Schulzeit in Erinnerung gekommen, die ich kurz schildern möchte.

Ende der 80er Jahre glühte mein Herz für unsere Schülerzeitung am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Kaiserslautern. (Ein Redaktionskollege war damals übrigens der spätere Journalist Arno Frank.) In diese Zeit fiel eine Affäre, die auf das Klima unseres Gymnasiums eine nachhaltige Auswirkung haben sollte. Damals wirkte dort ein sehr ambitionierter Deutsch- und Religionslehrer, den ich im katholischen Religionsunterricht hatte. Der Pädagoge war sehr bemüht, uns auch die anderen Weltreligionen zu vermitteln. Noch heute denke ich gerne an das mir zugefallene Referat über Gandhi zurück, meine erste Recherche überhaupt. Doch das mit dem Ahimsa oder dem Hinhalten der anderen Wange blieb auch bei diesem Lehrer letztlich Theorie, wie wir bald erfahren sollten.

Das große Thema des Religionslehrers war das Judentum, das ihn auf vielerlei Weise faszinierte. Sein Einsatz für die Aussöhnung sowie seine private Forschung wurde von vielen hoch respektiert, auch wenn der Mann selber manchmal einen eher weltfremden Eindruck machte und uns Schülern dadurch natürlich Angriffsflächen bot. Selbst aus dem Lehrerkollegium hörte man Stimmen, dass es der Lehrer mit seinem Enthusiasmus für das Judentum ein bisschen übertrieb und das Interesse seiner Schüler auf die Dauer strapazierte.

In einer fatalen Religionsstunde erklärte er den historischen Ursprung der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Hetzparole „Judensau“. Einige Tage später fand man auf einen Tisch geschmiert den Namen des Lehrers, gefolgt von den Worten „du Judensau“. Diese Schmähung traf den Lehrer tief – sehr tief. Sein Umgang mit dieser Provokation entwickelte eine Eigendynamik. In einer – wenn man so will – „Rasterfahndung“ wurden die Schüler eingegrenzt, die in der fraglichen Zeit an dem Tisch Platz genommen hatten und Verhöre durchgeführt. Besonders rigoros tat sich der Vizedirektor hervor, der bei der Befragung sogar „Stasi-Methoden“ angewandt haben soll wie etwa die Behauptung, man wisse schon alles durch Zeugen, man wolle es nur noch mal von ihm hören. Der schließlich ermittelte Täter erwies sich als Schüler mit Migrationshintergrund, der um seine Versetzung gefürchtet hatte. In einem Moment von Frust und Langeweile hatte er etwas Saudummes auf den Tisch gekritzelt, wie es nun einmal etliche Pennäler – leider – tun. Er selbst machte eher einen politisch desinteressierten Eindruck, der Religionslehrer war ihm mit seinem Thema schlichtweg auf die Nerven gegangen und er wollte nur den Lehrer persönlich treffen.

Der Schüler wurde aus dem Unterricht entfernt und musste auch langfristig die Schule verlassen. Der Fall belastete das Klima an der Schule nachhaltig. Darüber, ob das Ausmaß der Fahndungsaktion und die Strafe für den Schüler in einem Verhältnis zum Anlass standen, kann man geteilter Meinung sein. Die Aktion gab jedoch über die Mentalität unserer Lehrer Aufschluss, die sich zu Polizisten aufspielten und offensichtlich bereit zur Anwendung unappetitlicher Methoden waren. Definitiv hatte sich der Lehrer mit der Eskalation der Ereignisse keinen Gefallen getan. Zum Ritual beim Religionsunterricht gehörte es etwa seither, scheinheilig zu fragen, wo denn der fragliche Schüler sei.

Natürlich diskutierten wir den Fall auch in der Redaktion unserer Schülerzeitung. Zu der Hysterie schrieb auch ein Mitschüler, der die Beteiligten gut kannte und wusste, dass der betreffende Schüler apolitisch war. Der Artikel trug natürlich kaum zur Entspannung der Situation bei, vielmehr kam es später zu einem Streit zwischen dem rebellischen Autor, der den Lehrer schließlich in anderer Sache einer Unterstellung zieh und rhetorisch fragte, ob man den Lehrer „Lügner“ nennen dürfe, was den wiederum zur Weißglut brachte. (Ähnlich erging es mir gestern auf Twitter mit Volker Beck, der mich der Lüge zieh …)

Die Atmosphäre war vergiftet und blieb es. Dies hatte man geschafft, obwohl weder tatsächliche Juden oder Nazis beteiligt waren. Nicht einmal Provokateure wie Broder & Co. waren nötig gewesen, um die Akademiker aufzustacheln, zudem ging es ja nicht um originären Antisemitismus, vielmehr hatte der Schüler spöttisch einen Unterrichtsinhalt aufgegriffen. Alles in allem hatte der Umgang der Betroffenen mit dem Problem für wirklich alle Beteiligten (und sogar Nichtbeteiligten) den Ärger maximiert, das pädagogische Ziel jedoch vermutlich nicht erreicht. Respekt und Liebe hatte er sich durch die repressive Aktion nicht erworben. Augenmaß wäre vermutlich die bessere Lektion gewesen.

Ich zog es im Folgejahr vor, vom Religionsunterricht zum Fach Ethik zu wechseln – das allerdings ebenfalls der betreffende Lehrer unterrichtete. In der mündlichen Abi-Prüfung trafen wir nochmals aufeinander. Mein Thema war Sokrates, jener ungeliebte Kritiker, dem man den Schierlingsbecher reichte.

19. April 2012

Berufspolitiker Volker Beck startet einen schmutzigen NRW-Wahlkampf

Der GRÜNEN-„Rechtsexperte“ (kein Jurist) und Berufspolitiker Volker Beck behauptete gestern im ZDF, das Programm der NRW-Piraten sei noch nicht im Internet gewesen. Erstaunlicherweise hatte er es aber bereits gelesen. Nun ja, es war ja im Internet, übrigens genauso wir zuvor die Anträge. Der Parteitag wurde gestreamt. UPDATE: Hier wurden laufend die Antragsnummern eingepflegt.

Beck wirft den Piraten vor, bei etlichen Demonstrationen keine Piratenflagge gesehen zu haben und nennt namentlich die Demos für Schwule. Die Piraten waren jedoch beim CSD sehr präsent, ebenso bei Anti-Nazi-Demos.

Beck behauptet, das Bundesschiedsgericht der Piraten hätte gesagt, alles sei durch Meinungsfreiheit gedeckt. Hat es nicht.

Beck behauptet, es sei eine der leichtesten Übungen, ein Parteimitglied aus der Partei zu werfen. Das ist den GRÜNEN aber oft genug nicht gelungen. Übrigens: Wer hatte denn den Jamal Karsli in den Düsseldorfer Landtag gebracht? Richtig: Die NRW-GRÜNEN.

Ich hatte vorgestern Beck auf Twitter die Sache erklärt. Aber Beck ist sich nicht zu schade, einen Schwätzer von 25.000 Mitgliedern als repräsentativ hinzustellen und gegen die Piraten zu instrumentalisieren.

Beck steht genau für die politische Kultur des Parteiensystems und der Berufspolitiker, welche die Piraten und ihre Wähler satt haben. Agitiert lieber, als den Leuten zuzuhören. Streitet euch doch über politische inhalte, statt mit Schmutz zu werfen!

Lieber Volker Beck, ich hoffe, dass die Piraten dir nicht den Gefallen tun, in gleicher Münze zurück zu zahlen. Aber ich für meinen Teil werde mir erlauben, deine Hinterlassenschaften, die in den kommenden drei Wochen folgen werden, hier in meinem Blog transparent zu machen.

Siehe auch Michael Hanfeld (FAZ).

UPDATE: Video von Ankündigung gegen Mitschnitt ausgetauscht.

UPDATE: Auf Twitter sagt Beck heute:

Sorry CSD/LGBT sagte Lauer glaube ich, ich sprach von Westsahara, russ. Botschaft, waren Menschenrechtsdemos

Doch, du hast von Schwulen- und Lesben-Demos gesprochen und uns nur bei ACTA und Internet gesehen.

UPDATE: Beck räumt Versehen ein und will seine Äußerung nur auf Demos bezogen wissen, an denen er zugegen war. Sie jedoch auch hier.

UPDATE: Beck wulfft weiter rum und will jetzt anscheinend den CSD nicht als Schwulen- und Lesben-Demo werten. m( Außerdem hat er den Blödsinn von sich gegeben:

.@KompaLaw Du lügst ohne die Unwahrheit zu sagen. Ist das die neue politische Kultur, die die Piraten einfordern?

Und da das noch nicht genug gepöbelt war, kam dann noch

@KompaLaw EOD hat offensichtlich keinen Sinn #rightorwrongmyparty

Wenn das der Netzexperte und rechtspolitische Sprecher der GRÜNEN ist, dann sind deren Personalprobleme offenbar größer, als angenommen.

18. April 2012

WWF läßt „Der Pakt mit dem Panda“ zensieren (WDR) – UPDATE

Das Landgericht Köln hat heute laut WWF gegen den WDR eine einstweilige Verfügung erlassen, welche das Wiederholen bestimmter Tatsachenbehauptungen über die konservative, bisweilen schillernde Umweltschutzorganisation in der Doku „Der Pakt mit dem Panda“ vorläufig verbietet.

Offensichtlich wurden einige Anträge abgelehnt, denn der WWF jammert rum, dass einige Behauptungen so formuliert seien, dass sie juristisch als Meinungen formuliert“ gelten. Gemein! Unklar ist, warum erst jetzt – 10 Monate nach Erstausstrahlung – eine einstweilige Verfügung erging, denn für die erforderliche Dringlichkeit dürfte es ein bisschen spät sein. UPDATE: Es ging wohl um drohende Wiederholung der Ausstrahlung.

Wie hier im Blog berichtet, war der WWF bereits im Juni 2011 im Vorfeld der Sendung gegen den WDR vorgegangen. So ambitioniert die Kritik am seltsamen WWF auch sein man, so sind Beiträge von WDR-Journalist Wilfried Huismann mit Vorsicht zu genießen. Schon deshalb, liebe Vorsitzende Frau Reske und liebe Vorsitzende Frau Käfer, distanziere ich mich von sämtlichen Behauptungen des verlinkten Videos.

Vor drei Tagen wurde übrigens bekannt, dass König Juan Carlos, einer der Adeligen, die sich als WWF-Gönner feiern lassen, neulich nicht einfach so gestürzt ist, sondern sich bei * Trommelwirbel * der Elefantenjagd verletzt hat …

UPDATE:

Der WWF hat zu zwei Behauptungen ausführlich Stellung genommen, FAQ ins Netz gestellt und eine Krisen-PR-Seite eingerichtet. Das finde ich vorbildlich. Aber wenn das alles so töfte ist, warum hat der WDR sich nicht außergerichtlich überzeugen lassen? Und welche Äußerungen wollte der geschätzt Kollege Herr Prof. Dr. Schertz verboten haben, die das LG Köln nicht mitgemacht hat?

17. April 2012

Auch Piraten haben kein Scherbengericht – ein Scheißfall

Nach nunmehr fast drei Jahren ist ein lähmendes Parteiausschlussverfahren zu ende.

Der Fall

Ein Pirat, Gründungsmitglied eines Landesverbands, hatte sich 2008 (also zwei Jahre nach Parteigründung von 2006) zu denkbar sensiblen historischen Themen in unqualifizierter Weise geäußert und sich dabei auf einen der Fälschung überführten Geschichtsrevisionisten bezogen. Hierfür wurde vom Bundesvorstand 2008 eine Verwarnung ausgesprochen, die der Pirat akzeptierte. Diese wurde also rechtskräftig.

2009 wurde der Pirat trotz seines Fehltritts zum Ersatzrichter des Bundesschiedsgerichts der Piraten gewählt. Als daraufhin seine unqualifizierten Äußerungen Medienaufmerksamkeit erfuhren und das öffentliche Ansehen der Piraten belasteten, forderte der Bundesvorstand eine deutliche Distanzierung, welcher der Pirat auf seine Weise nach kam. Nachdem sein Landesverband den Piraten 2009 für die Landesliste zur Bundestagswahl aufstellte, nahm der Bundesvorstand eine Neubewertung vor, enthob den Piraten einstimmig seiner Funktion, erkannte ihm für ein Jahr das passive Wahlrecht ab und beantragte am Landesschiedsgericht den Parteiausschluss wegen vorsätzlich parteischädigenden und satzungswidrigen Verhaltens.

§ 6 Abs. 2 der Piratensatzung (aktuelle Fassung):

Ein Pirat kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn er vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Piratenpartei Deutschland verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.

Das Landesschiedsgericht wies den Antrag nach der bemerkenswerten Dauer von zweieinhalb Jahren in einem erbärmlich laienhaft formulierten Urteil zurück. Das vom Bundesvorstand angerufene Bundesschiedsgericht bestätigte nun die Abweisung, allerdings mit anderer Begründung. Derzeit überbieten sich die Kommentatoren mit ihrer Entrüstung, einige suchen einen Schuldigen für dieses offensichtlich unpopuläre Ergebnis. Ist dem Bundesschiedsgericht ein Vorwurf zu machen?

Verfahrenes Verfahren …

Hätten die Piraten ein Scherbengericht, bei dem demokratisch darüber abgestimmt wird, ob ein nicht genehmes Mitglied in die Wüste geschickt werden soll, wäre vermutlich längst Rechtsfrieden eingekehrt. Ein solches Scherbengericht ist in der Satzung aber nicht vorgesehen. Es würde sich auch nicht mit dem Parteiengesetz in Einklang bringen lassen:

§ 10 Abs. 4 ParteienG

Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.

§ 10 Abs. 5 ParteienG

Über den Ausschluss entscheidet das nach der Schiedsgerichtsordnung zuständige Schiedsgericht. Die Berufung an ein Schiedsgericht höherer Stufe ist zu gewährleisten. Die Entscheidungen sind schriftlich zu begründen.

§ 14 Abs. 4 ParteienG

Für die Tätigkeit des Schiedsgerichts ist eine Schiedsgerichtsordnung zu erlassen, die den Beteiligten rechtliches Gehör, ein gerechtes Verfahren und die Ablehnung eines Mitglieds des Schiedsgerichts wegen Befangenheit gewährleistet.

Stattdessen verlangt die Satzung also vielmehr eine politische Entscheidung des Bundesvorstands, den Ausschluss zu beantragen, sowie eine juristische Prüfung durch das Schiedsgericht, ob die Ausschlussvoraussetzungen nach § 6 Abs. 2 der Satzung vorliegen.

Ob die Voraussetzungen eines parteischädigenden Verhaltens erfüllt sind, lassen wir mal dahin gestellt, denn vorliegend scheitert der Ausschluss bereits an einem verfahrensrechtlichen Hindernis. Die Anwendung von Vereins- bzw. Parteienstrafen ist nämlich ihrer Natur nach Strafrecht, sodass gewisse rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze zu beachten sind („gerechtes Verfahren“). Einer dieser Verfahrensgrundsätze, die rechtsstaatliche Verfahren von polizeistaatlicher Willkür unterscheiden, heißt unter Adligen „ne bis in idem“: Wenn über einen Sachverhalt geurteilt wurde und die Entscheidung rechtskräftig ist, ist das Verfahren nun einmal abgeschlossen. Andernfalls nämlich könnte man sich nie auf den Bestand von Entscheidungen verlassen. (Es hat also schon seinen Grund, warum an entsprechende Verfahren von vorne herein hohe Sorgfaltsanforderungen gestellt werden. Das Landesschiedsgericht hatte übrigens nicht einmal dieses Problem gesehen …)

Vorliegend wurde das Verhalten des Piraten 2008 durch die Verwarnung des Bundesvorstands sanktioniert. Der damalige Bundesvorstand hatte von einem Ausschlussverfahren abgesehen und sich mit einer Verwarnung begnügt. Der Umstand, dass der Vorstand diese Bewertung später änderte, weil er das Ausmaß des (damals potentiellen) Schadens falsch eingeschätzt hatte, beeinflusst nicht den Bestand der Entscheidung.

Das spätere Verhalten des Piraten, nämlich die Kandidatur für Parteiämter und Landesliste, obwohl sein Ruf lädiert war, mag zwar wegen der hierdurch verursachten Presseaufmerksamkeit faktisch die Partei in Verruf gebracht und ihr dadurch geschadet haben. Die Kandidatur als solche ist jedoch ein demokratisch verbrieftes Recht eines Parteimitglieds und daher schwerlich als Satzungsverstoß vorwerfbar. Zwar gab es später noch weitere Vorwürfe wegen anderen fragwürdigen Äußerungen des Hobby-Historikers, diese reichten jedoch nicht an die Entgleisungen von 2008 heran.

Eine Partei, die für den Rechtsstaat eintritt, wird daran gemessen werden, ob sie die geforderten Standards für ein faires Verfahren auch an sich selbst anlegt. Hätte das Bundesschiedsgericht den fundamentalen Verfahrensgrundsatz des „ne bis in idem“ missachtet und nach Gutsherrenart geurteilt, hätte es sich nicht nur fachlich berechtigter Kritik der Willkür ausgesetzt, vielmehr hätte der betroffene Pirat auch vor einem konventionellen Gericht Klage erheben können, was in der Praxis durchaus vorkommt. Dann hätte das Verfahren noch eine Ehrenrunde gedreht.

Gewinner:

  • Der (aktuelle) Bundesvorstand: Auch, wenn das Parteiausschlussverfahren von Anfang an wegen der bereits rechtskräftigen Verwarnung eine Totgeburt war, konnte der Bundesvorstand durch Betreiben des Verfahrens Haltung zeigen und signalisieren, dass die Partei sich künftig solches Verhalten nicht bieten lassen wird.
  • Das Bundesschiedsgericht: Es hat demonstriert, dass es die rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze achtet und diese nicht einer möglicherweise populäreren Entscheidung opfert. (Die Mitglieder des Schiedsgerichts müssen nun ggf. einen Shistorm aushalten.)
  • Die Piratenpartei: Sie hat eine Kinderkrankheit aus ihrer Frühzeit nun endlich hinter sich gebracht, wird sich künftig Bewerber für Parteiämter wohl genauer ansehen und eine Parteikultur etablieren, in der sich gewisse Personen nicht wohlfühlen.

Verlierer:

  • Das betreffende Landesschiedsgericht: Wie auch immer sich das Verfahren gestaltet haben mag, aber wenn man zweieinhalb Jahre lang nicht zu Potte kommt, dann ist das Ergebnis für alle Beteiligten ein klarer fail. Rechtsstaatlichkeit bedeutet auch, dass Verfahren effizient betrieben werden müssen. Die unbrauchbar laienhafte Fassung des „Urteils“ lässt vermuten, dass die Beteiligten mit ihrer Aufgabe überfordert waren. Die Schlagzeilen, mit denen wir jetzt leben müssen, hätten der Partei 2010 weniger geschadet, zumal ein Parteiausschlussverfahren als Dauerbrenner einfach nicht sonderlich prickelnd ist. UPDATE: Das LSG hatte im Laufe des Verfahrens das untätige Personal ausgewechselt.
  • Die Piratenpartei: U.a. dem GRÜNEN-Taktierer Volker Beck (selbst eigentlich Jurist, Rechtsexperte seiner Partei, der es besser wissen müsste) ist es gelungen, aus dem gescheiterten Parteiausschlussverfahren populistisch Kapital zu schlagen.
  • Der betroffene Pirat. Er weiß es vielleicht noch nicht.

Die politische Geschäftsführerin ließ ihrem Temperament freien Lauf:

„Ich kotze im Strahl!“

16. April 2012

Anwaltsname in Scripted Reality-TV

Ein TV-Sender hatte für ein kontroverses TV-Format über die Inkasso-Branche die angeblich fiktive Figur eines „Rechtsanwalts Heinemann“ kreiert. Die Kanzlei Heinemann & Partner ließ dies durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Essen untersagen. Der Kollege Hoesmann berichtet:

Die Verwendung des Charakters stellt nach Ansicht der Essener Richter einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Kanzlei Heinemann & Partner dar. Durch die Verwendung des Namens wird suggeriert, dass es einen Rechtsanwalt dieses Namens in Essen tatsächlich gibt. Dies ist für die bestehende Kanzlei Heinemann verunglimpfend und herabwürdigend, da dies dem Ansehen und in der Folge dem Gewerbe der Kanzlei schade (LG Essen, Beschlüsse vom 29.03.2012 – 4 O 93/12 – und vom 30.03.2012 – 4 O 94/12).

Vor einem Jahrzehnt hatte ich mit dem inzwischen verstorbenen Münchner Bankenrechtler Dr. Alexander von Martius zu tun. Dem Kollegen wurde die Ehre zu Teil, das in der Serie „Kir Royal“ ein Anwalt „Dr. von Martius“ vorkam, wobei er selbst diese Folge leider nie gesehen hatte. Einen Anlass, gegen die Verwendung seines guten Namens vorzugehen, sah er ebenfalls nicht. :)

15. April 2012

Journalistischer Interessenkonflikt

Im Dezember hatte mich TELEPOLIS gebeten, über den Bundesparteitag der Piraten in Offenbach zu berichten, da ich ohnehin vor Ort war. Dies hatte ich zunächst unter Hinweis auf mein Partei-E-Book abgelehnt, da insoweit die journalistische Distanz fehlte. Allerdings fand es TELEPOLIS reizvoll, auch Meinung zu bringen, die wir natürlich als nicht neutral kennzeichneten. Aufgrund des Leserzuspruchs wiederholten wir die Aktion mit dem „embedded journalist/pirate“ auch beim ad-hoc-Landesparteitag in Münster, was insofern in Ordnung war, weil ich in erster Linie vom Hochsitz aus beobachtete, wie sich die „Partei in progress“ entwickelte.

Inzwischen sind die Piraten aber nicht nur eine bessere Bürgerrechtsbewegung unterhalb der 5%-Hürde, in der man Haltung zeigen kann, sondern fährt als Partei in Umfragen nunmehr zweistellige Werte ein, sitzt nun sogar in zwei Landesparlamenten und steuert zwei weitere selbstbewusst an. Zudem berichten die konventionellen Medien häufiger und kompetenter von unseren Parteitagen. Außerdem berate ich die Partei beim Presserecht und kandidiere für das Bundesschiedsgericht. Meine Doppelrolle als Journalist und Parteigänger hatte zudem den kuriosen Effekt, dass ich ausgerechnet die Person nach Möglichkeit ausklammerte, an der die Medien das größte Interesse hatten, nämlich die politische Geschäftsführerin jener Partei, die laut Umfragen nunmehr die drittstärkste politische Kraft im Bund sein soll. Da ich jedoch mit Marina Weisband nun einmal gut befreundet bin, wie man neulich – leider etwas peinlich – in der Heute-Show sehen konnte, sind es dann doch ein bisschen viel Interessenkonflikte.

Daher werde ich bei TELEPOLIS, wo ich selbst häufig Medienkritik äußere und Propaganda kritisiere, nicht mehr von Parteiveranstaltungen der Piraten berichten, sondern vorzugsweise hier im Blog oder auf Twitter. ;)