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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


29. Dezember 2014

Amtsgericht Köln: Urheberrechts-Amateur-Trolle – nein, Danke!

Am Amtsgericht Köln unterlag eine eBay-Foto-Abmahnerin gegen einen sogar kommerziellen Nutzer. Der Beklagte hatte sich nicht einmal gewehrt und sogar den Gerichtstermin geschwänzt. Die Kölner Amtsrichter jedoch befanden die Klage als überwiegend unschlüssig.

Zwar war der Unterlassungsanspruch offensichtlich gegeben – den insoweit für das Anwaltshonorar wichtigen Streitwert dampfte das Gericht auf läppische 2.000,- € ein. Die für den Fotograf interessante Lizenzkostenforderung wies es als überwiegend unbegründet ab. Zutreffend stellte das Amtsgericht Köln fest, dass die Honorarempfehlungen der MFM „Fantasie“ seien. Eine Verdoppelung von Lizenzkosten wegen unterlassener Urheberbenennung gibt es auch in Köln nicht. Außerdem vermutete das Amtsgericht eine (rechtswidrige) Beteiligung des Anwalts am Abmahngeschäft.

Die sehr deutlichen Worte, die das Amtsgericht fand, ähneln frappierend dem, was in meinen Schriftsätzen zu solchen Fällen zu finden ist. ;)

Das Interesse der Klägerin an der exklusiven Nutzung ihres Fotos erscheint als überschaubar. Es übersteigt das Interesse an der Unterbindung einer privaten Urheberechtsverletzung – das nach § 97 Abs. 3 UrhG regelmäßig auf 1.000,00 EUR zu veranschlagen ist – kaum. Es ist nicht erkennbar, dass die illegale Nutzung ihres Fotos durch den Beklagten die Klägerin ernsthaft tangiert; daher erscheint ein höherer Streitwertansatz als nicht gerechtfertigt. Das Zuerkennen von Fantasiestreitwerten durch manche Gerichte ist auch deswegen abzulehnen, weil nach aller Lebenserfahrung der Urheberrechtsinhaber und Anwalt die “erbeuteten” Beträge nach vereinbarten Quoten unter sich aufteilen, so dass eine Praxis gefördert wird, die mit Schadensersatzrecht sehr wenig zu tun hat. Nicht von ungefähr hat der Gesetzgeber bei der neuerlichen Deckelung der Abmahngebühren durch § 97 a Abs. 3 UrhG n. F. von unseriösen Geschäftspraktiken gesprochen und es spricht rein gar nichts dafür, dass sich diese Wertung einzig und allein auf die privaten Urheberrechtsverletzungen beziehen sollte.

Via Dr. Damm & Partner

3. Dezember 2014

Das Ende der CC-Abzockerei

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„Blitz und Donner“. Urheber: Dirk Vorderstraße. Lizenz: CC BY 3.0

In den letzten Jahren versuchten etliche Fotografen, bei Lizenzverstößen bei unter Creative Commons grundsätzlich kostenlos freigegebenen Fotos Kasse zu machen. Wer gegen die Lizenz verstieß, etwa die gebotene Benennung des Urhebers unterschlug, sollte exorbitant hohe Lizenzkosten nachzahlen. Obwohl es sich überwiegend um Knipsbilder von Hobbyfotografen handelte, berief man sich auf die eigentlich nur für professionelle Fotografen entwickelten „Honorarempfehlungen der Mitelstandsvereinigung Fotomarketing (MFM)“.

Meinen Mandanten habe ich stets von der Zahlung abgeraten. Wenn jemand sein Bild grundsätzlich kostenfrei zur Verfügung stellt, definiert er damit einen Marktwert in Höhe von 0,- €. Ein hiervon abweichender Lizenzschaden, der nach § 97 UrhG am Marktwert zu orientieren ist, kann nicht dargestellt werden. Wegen meiner Kritik an diesem Abzockmodell werde ich aktuell von Herrn Dirk Vorderstraße, vertreten durch den Kollegen Herrn Arno Lampmann von der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum, verklagt. Herr Vorderstraße lässt vortragen, mein Beitrag habe ihm erheblichen Schaden zugefügt.

Bislang waren die abzockenden Fotografen gut beraten, die Rechtsunsicherheit nicht durch übertriebene Klagefreudigkeit zu gefährden. Ein vom Kollegen Herrn Arno Lampmann von der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum vertretener Kläger provozierte am OLG Köln jedoch unlängst eine Entscheidung, die das Abzock-Modell per Federstrich aus der Welt schafft:

(…) 2. Schadensersatz steht dem Kläger dagegen nur in Höhe der vorgerichtlichen Anwaltskosten zu.

a) Der Kläger berechnet den von ihm geltend gemachten Schaden nicht konkret, sondern objektiv auf der Grundlage der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 UrhG). Bei der Art der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen in Kenntnis der tatsächlichen Entwicklung während des Verletzungszeitraums vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung (BGH, GRUR 1962, 509, 513 – Dia-Rähmchen II; GRUR 2006, 136, Tz. 23 – Pressefotos; GRUR 2009, 407, Tz. 22 – Whistling for a train). Die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr ist dabei gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach der freien Überzeugung des Gerichts zu bemessen. Dabei sind der Umfang der Nutzung sowie der Wert des verletzten Ausschließlichkeitsrechts zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2009, 407, Tz. 23, 29 – Whistling for a train). Zu den Umständen, die den objektiven Wert der angemaßten Benutzungshandlungen beeinflussen, gehören ein etwa festzustellender verkehrsmäßig üblicher Wert der Benutzungsberechtigung in Anlehnung an tatsächlich vereinbarte Lizenzen (BGH, GRUR 2000, 685, 688 – Formunwirksamer Lizenzvertrag).

Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Lichtbild für nicht-kommerzielle Nutzungen – und die hier streitgegenständliche Nutzung durch die Beklagte ist nach der zugrundezulegenden Auslegung der Creative Commons-Lizenz als nicht-kommerziell einzustufen – unentgeltlich zur Verfügung stellt. Eine Berechnung in Anlehnung an die MFM-Empfehlungen scheidet daher aus. Der „objektive Wert“ der nicht-kommerziellen Nutzung eines unter der Creative Commons-Lizenz angebotenen geschützten Inhalts kann nur mit Null angesetzt werden (vgl. Rechtbank Amsterdam, Urt. v. 9.3.2006 – KG 06-176 SR – ECLI:NL:RBAMS:2006:AV4204 – uitspraken.rechtspraak.nl; dazu Mantz, GRUR Int. 2008, 20, 22). (…)

OLG Köln, Urteil v. 31.10.2014, Az. 6 U 60/14

Auch für ein unter CC BY 3.0 lizensiertes Werk, das kostenfreie kommerzielle Nutzung einschließt, kann nichts anderes gelten.

Wer also solchen Fotografen auf entsprechende Anschreiben bislang „Lizenzkosten“ gezahlt hatte, hat offenbar ohne Rechtsgrund geleistet und kann daher sein Geld nach §§ 812 ff BGB zurückverlangen. Pädagogisch motivierte Abmahnopfer können sich mit negativen Feststellungsklagen bedanken.

 

30. November 2014

Friendly Fire in der Vorderstraße

Diesen Monat ist medienrechtlich viel passiert, was ich normalerweise berichtet oder kommentiert hätte, allerdings musste ich gesundheitsbedingt eine gewisse Auszeit nehmen. Etwa zeitgleich fing sich auch meine Website etwas ein, nämlich DDoS-Angriffe eines Unbekannten, der sich an einem kritischen Beitrag über den CC-Lizenz-Eintreiber Dirk Vorderstraße stört. Die Website wurde inzwischen gegen DDoS gehärtet.

Das eigentlich ärgerliche an DDoS-Angriffen ist, dass diese unbeteiligte Dritte in Mitleidenschaft ziehen. So etwa meinen Provider, der bis zu einer Milliarde Abrufe täglich auffangen musste, was den Betrieb des Rechenzentrums gefährdete. Ich kam allerdings nicht mehr aus dem Lachen heraus, als ich herausfand, dass Herr Vorderstraße seine Website beim gleichen Provider hostete. Da ist Herr Vorderstraße also unter friendly fire geraten …

Die DDoS-Angriffe, die zeitgleich auch gegen eine speziell Herrn Vorderstraße gewidmete Website erfolgten, setzten kurz nach Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die dortige Domain ein. Vorderstraße-Anwalt Herr Arno Lampmann war sich nicht dafür zu schade, die DDoS-Angriffe juristisch zu instrumentalisieren. So argumentiert der Kollege in seiner sofortigen Beschwerde, die Website hätte infolge zeitweisen Contentausfalls keinen Inhalt, mit dem die Domain gerechtfertigt wurde.

Der Kollege Lampmann war diese Woche auch für einen anderen CC-Lizenzeintreiber gescheitert. So wollte sich ein unverschämter Fotograf am Deutschlandradio gesundstoßen, weil dieses ein unter CC BY-NC 2.0 lizensiertes Lichtbild verwendete. Die Lizenz schließt ihrem Wortlauf nach kommerzielle Verwendung aus. Das OLG Köln, Urteil v. 31.10.2014, Az. 6 U 60/14, erklärte dem Kollegen Herrn Arno Lampmann jedoch, dass das Deutschlandradio eher nicht kommerziell ist und Unklarheiten in CC-Verträgen als Allgemeine Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders gehen. Zwar kann der Fotolizenz-Tretminenausleger wegen Eingriff in das Bearbeitungsrecht Unterlassung fordern, aber die Lizenforderungen darf er sich abschminken. Außer Spesen nichts gewesen …

29. Oktober 2014

Landgericht Berlin: CC-Foto-Lizenzeintreiber darf ‚Abzocker‘ genannt werden

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Foto: Wikingerfest 2010, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0

Der Fotofreund Dirk Vorderstraße, der das Internet mit unter Creative Commons Lizenzen stehenden Bildern überschwemmt, und dann von Nutzern bei Nichtnennung von Namen und Lizenz vierstellige Beträge einfordert, versucht schon seit längerem, sich mit mir juristisch zu messen. So hat er mich durch seinen Rechtsbeistand, den Kollegen Herrn Arno Lampmann von der Kanzlei Lampmann/Haberkamp/Rosenbaum vor einem halben Jahr am Landgericht Köln wegen dieses kritischen Beitrags von 2011 verklagt. Von dem rechtlich wie tatsächlich unterhaltsamen Prozess werde ich voraussichtlich im Januar berichten.

Ein besorgter Bürger, der von dem Verfahren hörte, war so aufmerksam, ein privates Blog mit der instruktiven Domain Foto Abzocker Dirk Vorderstraße anzulegen, um dort Beiträge über den fotografierenden Urheberrechtsfreund zu archivieren. Doch Herr Vorderstraße wollte weder „Abzocker“ genannt werden noch wollte er sich nachsagen lassen, er mahne ab – und mahnte das durch seinen Anwalt ab, jedoch erfolglos. Daraufhin beantragte Herr Vorderstraße eine einstweilige Verfügung, zunächst am Landgericht Köln, das aber nicht das geringste mit dem Fall zu tun hat.

Kollege Lampmann, lautstarker Verfechter und stolzer Durchsetzer des fliegenden Gerichtsstands, musste zunächst hinnehmen, dass sich insoweit der Wind auch am Landgericht Köln gedreht hat. Der Antrag flog zum Wohnsitz des Bloggers nach Berlin und wurde nach einem Hinweisbeschluss schließlich abgewiesen.

Hinsichtlich der Wahl der Domain schrieb das Landgericht Berlin, das Verhalten des Antragstellers dürfe getrost als ‚abzocken‘ bezeichnet werden. Die Annahme einer Namensverwirrung sei fernliegend. Soweit der Antragsteller meint, seine Lizenzeintreibeschreiben seien als ‚Abmahnungen‘ bezeichnet worden und diese keine seien, stellte das Gericht klar, dass es insoweit auf die Wirkung solcher Schreiben beim Empfänger ankomme. So drohte der Antragsteller den Urheberrechtsverletzern ein gerichtliches Verfahren an, wenn sie sich nicht seinen üppigen Lizenzforderungen beugten. Daher wiege das Recht des Bloggers auf Meinungsfreiheit schwerer als das des Antragstellers auf Achtung seiner Ehre. Eine weitere abgemahnte Behauptung durch einen angeblich erweckten Eindruck wurde schon nicht aufgestellt.

UPDATE: Das Berliner Kammergericht hat die Abweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung bestätigt. Herr Vorderstraße hat nun die Möglichkeit, eine Hauptsacheklage zu erheben, wenn er sich davon etwas verspricht.

Die Rechtslage, ob man bei CC-Bildern bei fehlender Benennung wirklich einen Anspruch auf Lizenzzahlungen hat, ist umstritten. Die meisten Juristen, mit denen ich die Frage diskutierte, teilen meine Rechtsauffassung, dass lediglich auf Unterlassung der Nutzung oder auf Vornahme der Benennung geklagt werden kann. Wenn ein Foto bei Einhaltung der Bedingungen kostenlos genutzt werden darf, lässt sich ein finanzieller Schaden nach § 97 UrhG nicht darstellen. Insgesamt spricht viel dafür, dieses auf Asunutzen von Rechtsirrtümern basierende Geschäftsmodell als rechtsmissbräuchlich zu bewerten, was ebenfalls zur Anspruchsversagung führen kann. Berliner dürfen es nunmehr ‚abzocken‘ nennen.

Für die Behauptung, man könne aus CC-Lizenzverstößen Geld schlagen, wird mir von den Lizenzeintreibern immer wieder ein Blogposting des Kollegen Lampmann unter die Nase gehalten, in welchem sich der Kollege Lampmann rühmt, eine ‚Rekordsumme‘ iHv 14.000,- € für einen Mandanten wegen Nichtnennung der CC-Lizenz erzielt zu haben. Gegner sei ein großes Unternehmen gewesen, das eigenmächtig hochwertige Fotografien genutzt habe. In einem Update räumte der Kollege dann allerdings ein:

Update vom 27.6.2013 aufgrund zahlreicher Nachfragen:

Die Einigung erfolgte außergerichtlich. Wir können leider nicht alle Details des Falls preisgeben, da sonst Mandant oder Gegner erkennbar werden könnten. Das wäre nicht nur rechtswidrig sondern entspräche auch nicht unserem Selbstverständnis.  Wir bitten daher um Nachsicht für die “Geheimniskrämerei”. Wir sind der Meinung, dass der Fall auch so interessant genug ist, insbesondere um die Bedeutung von Creative Commons Licenses für Fotografen und Seitenbetreiber zu beleuchten.

Was also konkret verhandelt wurde und welches Ausmaß die rechtswidrige Nutzung wirklich aufwies, wird also ein Geheimnis bleiben. Ich bezweifle allerdings, dass das Unternehmen primär aus juristischen Erwägungen gehandelt hat. Erfahrungsgemäß haben namhafte Unternehmen in Fällen von ihnen zurechenbaren Urheberrechtsverstößen in erster Linie den guten Ruf im Auge. Daher legen sie vor allem Wert auf das Zustandekommen einer Verschwiegenheitsvereinbarung, was üblicherweise nicht direkt gekauft wird, sondern formal über eine großzügige Lizenzzahlung.

Auch der Kollege Lampmann scheint sich seiner Sache mit den finanziellen Ansprüchen bei CC-Verstößen nicht ganz so sicher zu sein. So hat er gegen einen Mandanten von mir für Herrn Vorderstraße vor einem halben Jahr eine stolze Zahlung gefordert, aber noch immer keine Klage erhoben.

25. Oktober 2014

Erläuterung zur EuGH-Entscheidung zum Einbetten

 

Inzwischen ist auch die Urteilsbegründung des EuGH veröffentlicht. Da ich gerade etwas sehr busy bin, verweise ich auf die Kollegen:

24. Oktober 2014

EuGH: YouTube-Videos dürfen eingebunden werden

 

Der Europäische Gerichtshof hat sich auch meiner Meinung zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des Einbindens von YouTube-Videos angeschlossen. Wenn etwas anderes rausgekommene wäre, hätte ich mit meinem Blog Insolvenz anmelden müssen … ;)

EuGH C-348/13 Beschluss vom 21. Oktober 2014

Die Entscheidung bezieht sich nur auf Urheberrecht. In der nach wie vor am OLG Hamburg anhängigen Klehr-Berufung geht es um Persönlichkeitsrecht. Ich glaube allerdings nicht, dass ein verständiges Gericht da zu anderen Ergebnissen kommt.

29. September 2014

Dirks Kochbuch?

 

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Foto: Gurke / Salatgurke, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY-NC 3.0

Unser liebgewonnener Fotofreund Dirk Vorderstraße, der seit Jahren mit CC-Fotos auffällt, die dann doch nicht ganz so kostenlos sind, wie sie vielen auf den ersten Blick scheinen, bietet nun auch eine Kategorie Foodfotos an. Das erinnert mich ein bisschen an „Marions Kochbuch“, das ich vor ein paar Jahren im Rahmen meiner Internetrechtsgeschichte „Von Links und rechtsfreien Räumen“ besprochen hatte. Letztlich hatte Marions Geschäftsmodell die Einfügung des § 97a UrhG zur Folge.

Zwar sind nun die Anwaltskosten halbwegs gedeckelt, dennoch versuchen es die Marions und Dirks dieser Welt immer wieder mit horrenden Honorarforderungen. Wie hier kürzlich berichtet, hatte Do-it-yourself-Jurist Vorderstraße dieses Jahr eine Rakete am Amtsgericht Bochum steigen lassen, die jedoch kläglich wieder zu Boden stürzte … ;)

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Foto: V2 – Vergeltungswaffe 2, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY-NC 3.0

22. September 2014

Amtsgericht Bochum: CC-Lizenzeintreiber kriegte im Vergleich nur 16% – Honorarempfehlung der Mittelstandsvereinigung Foto-Marketing läuft nicht

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Foto: Segelschiff am Zingster Strom, Hafen von Zingst, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0

In den letzten Jahren häufen sich die Fälle, in denen gewisse „Fotografen“ das Internet mittels Wikipedia, Flickr, eigenen Websites usw. Google-trächtig mit Fotos fluten, die unter einer Crative Commons-Lizenz stehen, zz. CC BY 3.0. Entgegen einem häufig erweckten Eindruck sind solche Bilder aber nur dann frei, wenn Urheber und Lizenz genannt werden. Es hat den Anschein, dass es bestimmte Fotospammer darauf anlegen, fahrlässige Missverständnisse zu provozieren, um dann mit feisten Lizenzforderungen abzukassieren. Im Patentwesen wird dieses anrüchige Geschäftsmodell Patent-Trolling genannt.

Auch der Kläger, der Lizenzzahlungen für die Nutzung des obigen Lichtbilds eines Boots in Zingst einforderte, ist insoweit ein alter Bekannter. Seine Standard-Drohung, bei Nichtzahlung seiner unverschämten Forderungen einen „Fachanwalt für Urheberrecht“ zu beauftragen, ist bis heute offenbar ein Bluff geblieben. Im einzig mir bekannten und wegen zunächst falscher Gerichtsortswahl vermutlich ersten Prozess, den er gegen einen Nutzer anstrengte, vertrat sich der stolze Hobbyjurist lieber selbst.

Der Kläger begehrte die Zahlung von 1.397,18 € zzgl. Zinsen für das nur wenige Wochen in geringer Größe und Auflösung genutzte Foto. Der Kläger bezeichnete sich in der Klageschrift selbstbewusst als „professioneller Fotograf“ und nahm für sich Geltung der „Honorarempfehlung der Mittelstandsvereinigung Foto-Marketing (MFM)“ in Anspruch. Dabei berechnete er gleich die Kosten für ein ganzes Jahr Nutzung, frei nach dem Motto: „Draußen nur Kännchen“.

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Foto: Wikingerfest 2010, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0

Diese berühmten Empfehlungen der MFM werden allerdings allenfalls bei wirklich professionellen Fotografen anerkannt, die Kosten für Fotostudios, teure Ausrüstung, Models, Reisen, Nachbearbeitung usw. aufwenden, in die Künstlersozialkasse einbezahlen, bei der IHK als gewerbliche Fotografen gemeldet sind, usw.. Allerdings sind auch diese Empfehlungen kein anerkannter Tarif, sondern bloße Wunschvorstellungen der Lobby. Bei den großen Verlagen, die tatsächlich den Marktpreis gestalten, sind sie nicht durchsetzbar. Nicht einmal das als scharf geltende Landgericht Hamburg nimmt die Empfehlungen der MFM ernst, sondern kennt die Marktpreise.

Die angebliche Professionalität des Klägers stand jedoch in gewissem Widerspruch zu seiner steuererechtlichen Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG. Ein Hinweis auf eine Mitgliedschaft in der IHK des angeblich gewerblich tätigen Fotografs suchte man vergeblich. Die vom Kläger verwendete Kamera, eine Canon EOS 50D (ca. 333,- € Wert) ist eher kein professionelles Gerät. Demgegenüber versehen professionelle Fotografen und Fotostocks entsprechende Bilder mit Urheberstempel bzw. Wasserzeichen. Es mehren sich aufgrund des Prozessverhaltens des Klägers auch in anderen Verfahren die Indizien, dass der Kläger damals nicht eine einzige Bildlizenz im Wege einer regulären Nachfrage verkauft hatte.

Nach § 97 UrhG kann die Höhe eines Schadensersatzes bei Urheberrechtsverletzungen auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Man kann die Ansicht vertreten, dass diese Vergütung bei Fotos, die unter CC-Lizenzen kostenfrei genutzt werden dürfen, ziemlich genau bei 0,- € zu taxieren ist. Kein vernünftiger Mensch würde für etwas Geld ausgeben, was er umsonst bekommt, falls er die gewünschte Form einhält. Zwar mag es in der Profi-Werbebranche wertsteigernd sein, Fotos in Anzeigen ohne Urheberbenennung benutzen zu dürfen, doch auf einem solchen anspruchsvollen Markt war der Kläger mit seinen mäßig gelungenen Werken nicht wirklich tätig.

Der Marktpreis ist auch aus anderen Gründen zweifelhaft. So kann man vergleichbare Motive sehr günstig erstehen, etwa hier ein Foto des wohl gleichen Schiffes bei Fotolia.

Meines Erachtens verhält sich der Kläger als agent provocateur treuwidrig und muss sich mindestens Mitverschulden nach § 254 BGB anrechnen lassen, da er durch Betreiben sogenannter „Honeypots“ bei der Entstehung des angeblichen Schadens schuldhaft selbst mitwirkte. Das hätte ich gerne einmal durchgefochten.

Das Amtsgericht Bochum sah es zwar etwas anders, mochte dem Kläger jedoch gerade einmal 16% seiner stolzen Forderung zubilligen. Da wegen der geringen Beschwer eine Berufung gegen ein Urteil nicht möglich gewesen wäre, ließ sich der Beklagte auf den Vergleich ein. Da der Kläger allerdings 80% der Prozesskosten zu tragen hatte, konnte der Beklagte mit seiner Ausgleichsforderung aufrechnen. Unterm Strich musste der Kläger wegen seines höheren Prozesskostenanteils sogar draufzahlen.

Letztlich musste der forsche Lizenzeintreiber also den Heimweg wie ein begossener Pudel antreten, zumal es an diesem Tag in Bochum regnete. Auch zum Fotografieren des Amtsgerichtsgebäudes eignete sich diese Beleuchtung nicht.

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Foto: Regenwetter, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0

6. August 2014

Affiger Urheber

 

Die Internet-Community hat gerade Spaß an einem Rechtsstreit um die Urheberrechte an einem Selfie, das ein Affe selbst ausgelöst hat.

Wikimedia argumentiert, da der Affe den Auslöser gedrückt habe, besitze dieser auch die Rechte an seinen Selbstportraits, es gebe also keinen menschlichen Urheber.

Die englischsprachigen Wikipedia-Leute weigern sich, das Bild zu löschen. Weitere Einzelheiten hat der Dayly Telegraph.

Lichtbildwerk?

Nach deutscher Rechtskonzeption können nur Menschen Urheber eines Kunstwerks nach § 2 UrhG sein. Vorliegend hat aber der Affe selbst auf den Auslöser gedrückt. Eine „persönlich geistige Schöpfung“ wird der Affe nicht reklamieren können.

Lichtbild?

Es könnte jedoch Leistungsschutz am Lichtild nach § 72 UrhG bestehen, also an künstlerisch uninspirierter Knipserei. Auch der Lichtbildner muss seine Leistung grundsätzlich „persönlich“ erbringen. Erforderlich ist ein „minimaler Gestaltungsspielraum“, innerhalb dessen der Lichtbildner tätig wird. Ein solcher kann auch im Aufstellen automatischer Kameras liegen.

Das Aufstellen einer Fotovorrichtung alleine reicht nicht – etwa beim Paßbildautomaten ist der Abgebildete der Lichtbildner, der den Vorgang steuert (vgl. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 1997, Rn 646). Der Vorgang muss allerdings willensgesteuert sein, was etwa beim Auslösen eines Blitzers der Verkehrsüberwachung nicht der Fall ist.

Vorliegend soll der Affe sich spontan die Kamera gegriffen und ausgelöst haben. Weder wusste der Affe, dass das Geräusch ein Foto auslöst noch wird der Besitzer des Fotoapparats dieses Verhalten geplant haben. Damit könnten nach deutschem Urheberrecht weder Affe noch Fotoapparatbesitzer Leistungsschutz an dem Bild beanspruchen. Auch ein Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild nach § 22 KunstUrhG ist für Tiere bislang nicht vorgesehen.

Obwohl Affen eigentlich nicht klagebefugt sind, sieht man sie häufig als Prozessparteien, vor allem am Landgericht Hamburg.

31. Juli 2014

Durfte DER SPIEGEL Fotos der Opfer von MH 17 verbreiten?

Mehrfach kam die Frage auf, ob das Agitprop-Magazin DER SPIEGEL für seinen aktuellen Titel die privaten Fotos der beim Flug MH 17 getöteten Menschen benutzen durfte.

Zivilrecht

Sofern nicht die Angehörigen eingewilligt haben: NEIN.

Wer in Deutschland Fotos verbreiten oder zur Schau stellen will, auf denen Gesichter zu erkennen sind, benötigt grundsätzlich nach § 22 KunstUrhG die Einwilligung entweder des Abgebildeten oder nach dessen Tod die von den Angehörigen (bis zum Ablauf von zehn Jahren).

Eine solche Einwilligung wäre entbehrlich in Fällen eines gewichtigen Berichtsinteresses der Öffentlichkeit, § 23 KunstUrhG. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, denn DER SPIEGEL hat kein Flugzeugunglück berichtend illustriert, sondern „Stoppt Putin“ bebildert. Wenn die Betroffenen oder deren Angehörige diesen politischen Apell nicht teilen, liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vor.

Etwas anderes könnte aber gelten, wenn Bildrechte nach § 22 KunstUrhG wirksam übertragen wurden. Dem Vernehmen nach soll sich DER SPIEGEL aus sozialen Netzwerken bedient haben. Wenn man selbst Fotos von sich ins Netz stellt, gibt man insoweit ein Stück Privatsphäre von sich faktisch auf. Dies beinhaltet jedoch nicht automatisch die Erlaubnis, dass auch Dritte solche Fotos nutzen dürfen (zumal auch das Urheberrecht des Fotografen geschützt ist, sogar gegenüber dem Abgebildeten). Die Einwilligung nach § 22 KunstUrhG reicht grundsätzlich nur soweit, wie es dem Betreffenden vernünftigerweise erkennbar war. Wird man z.B. bei einem nicht öffentlichen Anlass gefilmt und lässt die Aufnahmen zu, bedeutet dies nicht, dass man pötzlich im landesweiten TV zu sehen sein will. Die Reichweite einer Einwilligung nach § 22 KunstUrhG ist regelmäßig Streitfrage am Richtertisch und wird in den Instanzen unterschiedlich beurteilt.

Bei Facebook heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedinungen:

(…) Du erteilst uns deine Erlaubnis zur Nutzung deines Namens, Profilbilds, deiner Inhalte und Informationen im Zusammenhang mit kommerziellen, gesponserten oder verwandten Inhalten (z. B. eine Marke, die dir gefällt), die von uns zur Verfügung gestellt oder aufgewertet werden. Dies bedeutet beispielsweise, dass du einem Unternehmen bzw. einer sonstigen Organisation die Erlaubnis erteilst, uns dafür zu bezahlen, deinen Namen und/oder dein Profilbild zusammen mit deinen Inhalten oder Informationen ohne irgendeine Entlohnung für dich zu veröffentlichen. (…)

Außerdem ist Facebook der Ansicht, dass jedweder Anspruch, Klagegegenstand oder Streitfall (Anspruch), den man gegenüber Facebook Ireland Limited hat und der sich aus der Erklärung gegenüber Facebook oder in Verbindung mit dieser bzw. mit Facebook ergibt, ausschließlich vor dem für den nördlichen Bezirk von Kalifornien zuständigen US-Bezirksgericht oder vor einem Staatsgericht in San Mateo County zu verhandeln sei, wobei die Gesetze des Bundesstaates Kalifornien unter Ausschluss der Bestimmungen des internationalen Privatrechts anzuwenden seien.

Das Landgericht Berlin teilte allerdings 2010 freundlich mit, dass in Deutschland deutsches Recht anzuwenden sei und auch hierzulande geklagt werden könne. Das Urteil wurde dieses Jahr vom Kammergericht bestätigt.

Die Frage also, inwieweit ein Verlag für einen Printtitel von Facebook wirksam Rechte Dritter nach § 22 KunstUrhG erwerben kann, wäre daher auch hierzulande justiziabel. Wie gesagt, die Reichweite solcher Einwilligungen ist im Einzelfall eine diffizile Angelegenheit. Die Rechtsansicht, dass man auf Facebook wirksam darin einwilligt, in politische Kampagnen eingespannt zu werden, halte ich für abwegig.

UPDATE:

BILDblog hat sich die SPIEGELBILDerei vorgenommen. Dort ließen sich die SPIEGEL-Leute wie folgt ein:

„Wir halten die Optik für angemessen, denn es handelt sich um Opfer der ruchlosen Machtpolitik des russischen Präsidenten Putin. Dies rechtfertigt nicht nur eine so starke, emotionale Optik, es macht sie geradezu notwendig – und zwar im Interesse der Opfer und ihrer Angehörigen.“

UPDATE: Unabhängig vom Aspekt der Persönlichkeitsrechte sind natürlich auch die Urheberrechte der Fotografen betroffen.

Pressekodex

Der Verlag des SPIEGEL hat sich dem – nicht vor ordentlichen Gerichten justiziablen – Pressekodex unterworfen:

§ 1 (…) Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

§ 8 (…)

Richtlinie 8.2 – Opferschutz
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen  zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

Richtlinie 8.3 – Kinder und Jugendliche
Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.

§ 11 (…)

Richtlinie 11.3 – Unglücksfälle und Katastrophen
Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.

§ 13 (…)

Richtlinie 13.1 – Vorverurteilung
Die Berichterstattung über Ermittlungs- und Gerichtsverfahren dient der sorgfältigen Unterrichtung der Öffentlichkeit über Straftaten und andere Rechtsverletzungen, deren Verfolgung und richterliche Bewertung. Sie darf dabei nicht vorverurteilen. Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind.

Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines „Medien-Prangers“ sein. Zwischen Verdacht und erwiesener Schuld ist in der Sprache der Berichterstattung deutlich zu unterscheiden.