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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


2. Juli 2011

Der Drückerkönig drückte sich – Maschmeyer kniff

Auf der Journalisten-Tagung von Netzwerk Recherche, die stets in den Räumen des NDR in Hamburg stattfindet, gab es eben ein Panel zur Sendung von Christoph Lütgert über den AWD.

Das Recherche-Team schilderte die Widerstände, auf welche man bei der Produktion stieß. So hatte nicht nur der Sender Abmahnungen bekommen, sondern auch den Journalisten persönlich – zum Teil freie Mitarbeiter – hatte man Angst einjagen wollen. Recherchefehler mussten sich die NDR-Leute nicht vorwerfen lassen. Das gegenwärtige (lächerliche) Verbot, die Interviewversuche mit Maschi zu zeigen, sind natürlich wieder dem Persönlichkeitsrecht geschuldet.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte Maschmeyer himself sein Kommen zugesagt, um sich in der Höhle des Löwen den Reportern zu stellen. Der gewievte PR-Profi hätte hieraus zweifellose eine Show gemacht. Seine Zusage wollte Maschi jedoch zurückziehen, als er hörte, auf dem Podium mit Lütgert konfrontiert zu werden. Als Netzwerk Recherche hierauf einging, drohte Lütgert mit seinem Austritt, falls die Journalistenvereinigung keine Haltung zeige. Den vollzog er dann auch, als Netzwerk Recherche Maschis Wunsch akzeptierte. Nachdem Maschi nun durch sein Manöver bei den kritischen Journalisten die größtmögliche Zwietracht gesäht hatte, zog er einfach seine Zusage zurück. Gut gespielt, Maschi! Die Journalisten hätten miteinander auch eine Spur gelassener umgehen können.

In dem Panel beklagte Lütgerts Rechercheur Sell völlig zu Recht, dass sich die anderen „Qualitätsmedien“ von Maschi hatten einwickeln lassen. So hatte der stets die Falschberatungen – wie in der Branche üblich – als Einzelfälle abgetan. Warum die Qualitätsjournalisten ihm diese feiste Nummer durchgehen ließen und auf Rückfragen verzichteten, hätte nicht nur Sell interessiert.

Fazit der Veranstaltung war, dass man eine solche Reportage eigentlich nur mit einem öffentlich-rechtlichen Sender im Rücken stemmen kann, weil die juristischen Risiken kaum anders gestemmt werden können. Der Autor dieser Zeilen kann dies bestens nachvollziehen, denn auch er hatte sich vor Jahren Gefechte mit einem großen Finanzvertrieb geliefert.

22. Juni 2011

Die Meinungsfreiheit der Eva Herman – und die anderer Leute

Gestern hat der BGH das von Eva Herman gegen den Axel Springer Verlag erstrittene Urteil des OLG Köln aufgehoben, mit dem die nach Meinung der Kölner Gerichte verfälschte Wiedergabe des folgenden Zitats untersagt und mit Geldentschädigung sanktioniert wurde:

…Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das ja leider mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das – alles was wir an Werten hatten – es war `ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle – aber es ist eben auch das, was gut war – und das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben…“.

Die zum Axel Springer Verlag, der ja mit den 68ern ebenfalls so seine eigenen Probleme hat, gehörende Zeitung hatte geschrieben:

„‘(…) sei wieder ein ‚Plädoyer für eine neue Familienkultur, die zurückstrahlen kann auf die Gesellschaft‘, heißt der Klappentext, [Eva Herman], die übrigens in vierter Ehe verheiratet ist, will auch schon festgestellt haben, dass die Frauen ‚im Begriff sind, aufzuwachen‘; dass sie Arbeit und Karriere nicht mehr unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung betrachten, sondern dem der ‚Existenzsicherung‘. Und dafür haben sie ja den Mann, der ‚kraftvoll‘ zu ihnen steht.

In diesem Zusammenhang macht die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, z. B. Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende.“

Das OLG Köln hatte geurteilt:

Eben das geht indessen aus dem Artikel nicht hervor. Die darin enthaltene beanstandete Äußerung wird nicht als subjektive Deutung der den Artikel verfassenden Journalistin, sondern als die einer Interpretation nicht bedürftige eindeutige – tatsächlich so gemachte – Erklärung der kritisierten Klägerin dargestellt. Sie ist daher als „Falschzitat“ einzuordnen, dessen Aufstellen und Verbreiten der Kritisierte, dem die Äußerung zugeschrieben wird, auch unter Berücksichtigung der Interessen der Meinungs- und Pressefreiheit nicht hinnehmen muss, solange nicht durch einen „Interpretationsvorbehalt“ deutlich wird, dass es sich um die Interpretation des Kritikers einer – mehrdeutigen – Erklärung des Kritisierten handelt, und damit letztlich der Charakter der dem Kritisierten eine – eindeutige – Erklärung zuschreibenden Äußerung als „Falschzitat“ entkräftet wird.

Anders sehen es die weise Frau und die weisen Männer des VI. Zivilsenats des BGH laut Pressemitteilung:

Die Äußerung lässt im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur die Deutung zu, die die Beklagte ihr beigemessen hat.

Das ist eine klare Ansage an die Gerichte (mir fällt da gerade noch ein anderes ein), die den Kontext gerne unter den Tisch fallen lassen und einzelne Äußerungen so lange verdrehen und verstolpen, bis irgendetwas gedeutelt ist, das nicht 100% der Selbstwahrnehmung des Klägers entspricht. Rechtssuchende sollte allerdings gesagt sein, dass die in Pressesachen routinierten Gerichte die Vorgaben aus Karlsruhe nur sehr zögerlich berücksichtigen. Ich bin auf die Veröffentlichung der Urteilsgründe sehr gespannt.

Als Eva Herman 2007 von den Journalisten (zählen wir Kerner mal dazu) so einhellig abgewatscht wurde, kam mir das allerdings irgendwie merkwürdig vor. Soweit ich das damals mitbekommen hatte, formulierte die Ex-Tagesschausprecherin Standpunkte, die etliche konservative Frauen insbesondere in ländlichen, über Generationen stark vom Christentum geprägten Regionen vertreten und ausleben. Der Lebensentwurf von der Hausfrau, die sich mit Kindern, Kirche und Küche begnügt und sich über ihren Versorger definiert, erscheint auch mir in der Realität weitaus häufiger vorzukommen als in der Medienrealität.

Soll doch jeder nach seiner Facon glücklich werden oder sich blamieren, so gut er kann. Aber ist es die Aufgabe von Journalisten, unpopuläre Meinung quasi zu exekutieren und ad hominem zu verbrämen? Wenn gleichgeschlechtlich orientierte Komiker Bestseller schreiben, in denen sie ausgerechnet auf Pilgerfahrten gehen, wenn früher als pervers beurteilte SM-Praktiken nunmehr zumindest in den Medien salonfähig sind, warum soll sich dann nicht auch ein schlichtes Gemüt wie Eva Herman über ihre Wünsche nach Ausleben der konservativen Frauenrolle verbreiten dürfen? Den Hinweis, das nicht alles, was die Nazis praktizierten, deshalb verkehrt sei, hätte sie sich im Hinblick auf die Ungeschicklichkeiten eines Philipp Jenninger sparen können, zumal die Betonung der Mutterrolle keineswegs eine Erfindung der Nazis war, aber immerhin hatte sich Frau Herman ja durchaus von Hitler & Co. distanziert.

Als Nicht-TV-Konsument, der schon seit längerem ein Problem mit der Mainstreampresse hat, wollte ich wissen, was denn die arme Frau so Schreckliches geschrieben hatte, dass ihr Kerner & Co. das Wort verbaten und tatsächlich der Eindruck eines quasi verabredeten Konsens entstand. Faszinierend fand ich, dass die Frau ständig beteuerte, nicht rechts zu sein und sich von den Nazis stets distanzierte, trotzdem ständig in die braune Ecke gestellt wurde. Tatsächlich erschien es mir, als habe die Presselandschaft kollektiv alle Register der Manipulation gezogen, um jemanden fertig zu machen, was ich schon aus prinzipiellen Gründen für kontraproduktiv halte.

Als Frau Herman ihre Erlebnisse mit der Journaille in einem Buch verarbeitete, ließ ich mir selbiges kommen, das mich ohne diese Medienschelte nicht die Bohne interessiert hätte. Bevor ich die Erlebnisse der Gepeinigten mit der 68er-geprägten Presse lesen konnte, entglitten Frau Herman dann allerdings ihre unterirdischen Kommentare zu den Opfern der Duisburger Loveparade. Seither habe ich das Buch nicht mehr angerührt. Ich frage mich, wie ein konservartiver Mann damit umgeht, wenn seine Frau derlei menschenverachtende Äußerungen tätigt. Ist es bei den Konservativen eigentlich noch Usus, seine Frau zu verprügeln …?

Frau Herman wusste, dass sie mit ihren Standpunkten in der deutschen Medienlandschaft kaum auf Gegenliebe stoßen würde. Sie hätte das Echo vertragen und als Medienprofi souverän damit umgehen müssen. Sie hätte eine Talkshow meiden sollen, in der keine qualifizierte Auseinandersetzung zu erwarten war, da schon ihr Buch von den Gästen gar nicht gelesen worden war. Der Versuch allerdings, ihre Ehre am grünen Tisch der Gerichte zu restaurieren, musste so oder so scheitern.

14. Juni 2011

War die Stolpe-Entscheidung eine Fehlentscheidung?

Manfred Stolpe wird durch ein neues Gutachten wieder mit dem Verdacht einer StaSi-Tätigkeit belastet. Die Märkische Oderzeitung berichtet mutig. Sie muss über Nerven aus Drahtseilen verfügen, denn seit der Stolpe-Entscheidung kann man bereits für das Erwecken des Eindrucks, Stolpe sei IM des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen, wegen übler Nachrede ein Verbot kassieren.

In der DDR war die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit grundsätzlich ja nichts rechtswidriges. Auch die evangelische Kirche der DDR, für die Stolpe als Konsistorialpräsident agierte, hatte sich mit dem Staat ganz gut arrangiert.

Die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley, die mit Stolpe zu tun hatte, hat sich übrigens nie verbieten lassen, ihren Eindruck zu äußern, Herr Stolpe und Herr Gysi seien StaSi-Agenten, von denen sie sich verraten sehe. Mir hatte sie einmal gesagt, dass sie für die Ausübung ihrer Meinungsfreiheit notfalls erneut ins Gefängnis gehe.

Den Eindruck von Frau Bohley oder der Märkischen Orderzeitung mache ich mir natürlich nicht zu eigen, bestimmt sind das alles nur hässliche Gerüchte. Mal sehen, was das noch nicht veröffentlichte Gutachten so über Herrn Stolpe zu sagen hat. Das mache ich mir dann vielleicht zu eigen. Und vielleicht sogar sehr laut …

10. Juni 2011

Innere Pressefreiheit in den Redaktionen

Der frischgebackene JVBB-Journalisten-Preisträger Harald Schumann plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen seiner Zeit beim SPIEGEL. Interessant ist immer wieder die Personalie des Ex-SPIEGLERs Stefan Aust, der seine Karriere bei den ST. PAULI-NACHRICHTEN begann und später zum obersten Deuter der RAF avancierte.

Von den Behauptungen und Andeutungen des Interviewten distanziere ich mich ausdrücklich, denn ein gewisser Herr Buske hatte mir neulich einstweilen verboten, ein bestimmtes Youtube-Video einzubinden, weil ich mir angeblich die dortigen Inhalte zu eigen gemacht hätte, die angeblich Unwahrheiten enthielten. Dass der BGH sein Urteil zur Haftung von Äußerungen von Interviewpartnern genauso für Mumpitz hielt wie ich, störte den guten Mann nicht.

7. Juni 2011

Faxen bei Gegendarstellung

Anträge auf Abdruck einer Gegendarstellung gehen in der Praxis häufig schief. Schwer nachvollziehbar ist jedoch, dass selbst Berliner Anwälte prominenter Anspruchsteller immer wieder an Formalitäten scheitern. Ist es denn wirklich so schwer, einen Antrag auf Gegendarstellung vom Anspruchssteller persönlich unterzeichnet unverzüglich zuzusenden? Jüngst scheiterte eine Hamburger Fernsehmoderatorin und Buchautorin daran, dass ihr Antrag zwar vorab gefaxt wurde, das Original jedoch erst zwei Wochen später eintrudelte. Zu spät, meint das OLG Hamburg.

6. Juni 2011

Über Geschmack lässt sich streiten …

Nachdem Kachelmann offenbar seinem Medienanwalt Ralf Höcker nun wieder etwas Luft lässt, widmet er sich in Köln zwischenzeitlich appetitlicheren Themen … ;)

UPDATE: Hier das Urteil des OLG Köln.

Passend dazu eine aktuelle Entscheidung des OLG Stuttgart zu den Anforderung bei Werbung mit Testergebnissen.

2. Juni 2011

Hamburger Bräuche

Die in Hamburg sind anders. Auch untereinander.

Doch anscheinend gibt es für wackere Anwälte, die in mündlichen Verfügungsverhandlungen mit Schriftsätzen der Gegenseite überfallen werden, nun in Hamburg einen neuen Trick, um Zeit zu gewinnen: Man kann sich eine Schriftsatzfrist gewähren lassen. Ja, Sie haben richtig gelesen. „Schriftsatzfrist im Verfügungsverfahren“. Diese unerwartete Wohltat erfährt man aber offenbar nur in der ZK 12, die ausgerechnet für Wettbewerbssachen zuständig ist – also dem Rechtsgebiet, wo eigentlich der Wind am rauesten weht.

Falls aber irgendwelche Hartz 4er in der ZK 25 wegen angeblichen Andeutungen angeblicher Tatsachenbehauptungen, die angeblich unwahr seien, dann wird ihnen der gesamte Dreck prozessrechtlicher Hürden und Härten des Verfügungsverfahrens zugemutet. Selbst dann, wenn der Antragsteller vier Monate Zeit hatte, darf er in der mündlichen Verhandlung mit einem Waschkorb an Schriftsätzen den Gegner überfallen, ohne dass man in Hamburg derartige Manöver als unredlich empfindet – außer der ZK 12.

Doch es gibt Genugtuung auf der Langstrecke: Derartige Methoden sprechen häufig für eine Querulanz des Antragstellers, der sich ein entsprechend schlechtes „Karma“ einfängt. Bei solchen Leuten ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie über die eigenen Beine stolpern.

27. Mai 2011

BUNTE ./. STERN: Blatt wusste nicht von Paparazzi

Die BUNTE hatte Bilder bei der Agentur CMK bestellt, will jedoch nicht gewusst haben, mit welchen Methoden dort gearbeitet wird: Man stellte Politikern nach, etwa Franz Müntefering. Sie wehrte sich nun erfolgreich gegen die Darstellung des STERN, der nach Meinung des Landgerichts Hamburg den Eindruck erweckte, die BUNTE hätte doch Kenntnis gehabt. Der STERN denkt über eine Berufung nach.

Schon irgendwie seltsam, wenn sich die Medien gegenseitig die Pressefreiheit kaputtmachen. Zuletzt hatte das ebenfalls ein BURDA-Mann versucht, nämlich der damalige FOCUS-Chef Markwort, der jenseits von Hamburg in Karlsruhe kläglich verlor.

Der Kollege, der seit etlichen Jahren ca. jeden zweiten Freitag für den BURDA-Verlag in der Hamburger Pressekammer auf der linken Seite sitzt (da sitzen in Hamburg die Beklagten), durfte diesmal rechts sitzen.

25. Mai 2011

„Naming Private Ryan“ – Ryann Giggs lernt den Streisand-Effekt

SPIEGEL online hat einen brauchbaren Bericht über den zensurfreudigen Balltreter, der verbieten will, was jeder weiß. Sein insoweit wohl ehrgeizigster deutscher Kollege dürfte wohl Oliver Kahn sein, dessen Liebeleien, Ableger und Abgelegte die Hamburger Pressekammer in Atem halten.

In obigem Video ist auch die zur Zensur hilfreiche Perücke abgebildet … ;-)

24. Mai 2011

Der Anwalt, der über 75.000 Twitterer verklagen wollte

Die TAZ berichtet über die per Twitter ausgehebelte Super Injunction eines Fußballers.

Der Anwalt des superberühmten und zunehmend ungeheimen Mannes (ob er nun wirklich den ehelichen Treueschwur gebrochen hatte oder nicht, scheint nun nichts mehr zur Sache zu tun) wollte sowohl den Kurznachrichtendienst als auch alle User verklagen, die den Namen seines Mandanten nannten. Schließlich gab es ja die gerichtliche Anordnung, und diese verbat eben auch das digitale Lästern.

Das wären also über 75.000 einzelne Klagen. Der Mann hätte sich anschließend zur Ruhe setzen können … ;-)