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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


1. Oktober 2009

Und nun zu euch, Titanic!

Ich gratuliere euch zum 30.Geburtstag!

Wenn ihr aber schreibt, ihr wärt die am meisten verbotene Zeitschrift, dann ist das keine Satire, sondern statistisch meines Wissens zutreffend. Ein großer Anteil von eurem Kaufpreis besteht aus Rechtsverfolgungskosten.

Am witzigsten aber finde ich, dass euch die einstweiligen Unterlassungsverfügungen meistens kalt lassen, denn ihr verschickt ja den Großteil der Auflage im Abo, der bereits geliefert ist, wenn es Post aus Berlin oder Hamburg gibt.

Weiter so!

BILD ./. taz: BGH hebt Landgericht Hamburg auf

Wie gestern hier prognosdiziert, hat der Bundesgerichtshof heute die Fehlentscheidung der Hamburger Presseunrechtskammer kassiert. Hier die Pressemitteilung aus Karlsruhe.

Der Fall unterscheidet sich von den meisten presserechtlichen Fallgestaltungen dadurch, als dass die Kontrahenten Wettbewerber im Zeitungsmarkt sind, die filmische Äußerung als nicht nur politisch/künstlerischer Natur war, sondern auch gewerbliche Interessen im Spiel waren. So stützte der Axel Spinger-Verlag seinen vermeintlichen Anspruch auf § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG (unlautere vergleichende Werbung). Doch der BGH fand es einerseits witzig, andererseits die angebliche Herabsetzung nicht so dramatisch.

Wie so häufig, hatten in die Hamburger die Linie von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht, die Artikel 5 Grundgesetz einen weiten Spielraum zubilligen, mal wieder komplett ignoriert. Revisionen gegen abwegige Hamburger Willkür-Entscheidungen lohnen sich fast immer, sind aber häufig eine Frage Geldbeutels. Ob das im Sinne des Erfinders der Meinungs- und Kunstfreiheit sein kann?

Nimmt eigentlich noch irgendwer mit Sachverstand das Landgericht Hamburg ernst?

30. September 2009

BILD ./. taz

Morgen verhandelt der Bundesgerichtshof den Streit um den obigen Werbespot, den der Axel Springer-Verlag als herabsetzende Werbung erachtete und – wo sonst? – beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung erwirkte. Man muss kein eingefleischter Kenner der BGH-Rechtsprechung oder Hellseher sein, um vorherzusagen, dass der BGH die auf Hamburger Landrecht beruhende Verfügung aufheben und den Spot zulassen wird.

22. September 2009

Daimler ./. Grässlin: BGH hebt Landgericht Hamburg-Urteil auf

Der BGH hat heute (wie hier angekündigt) in einem wichtigen Urteil die konstant vom Landgericht Hamburg beschnittene Meinungsfreiheit gestärkt. Wie die Financial Times Deutschland berichtet, war Grässlins Interview, in dem er die Umstände des Rücktritts von Schrempp kommentierte, laut Karlsruhe eine zulässige Meinungsäußerung.

Grässlin musste sich die Zulassung zur Revision hart erstreiten. Mich persönlich verbindet mit Grässlin, dass auch sein Name auf der „Gästeliste“ von Buskes Freitagssitzung stand, als ich vor drei Jahren dort das erste mal meinen Fuß in die berühmt berüchtigte Pressekammer setzte.

Herzlichen Glückwunsch und meinen tiefen Respekt für Ihre Hartnäckigkeit, die nun belohnt wurde! Verbunden fühle ich mich allen Spendern, die Grässlin bei diesem für die Meinungskultur in Deutschland richtungsweisenden Urteil unterstützt haben.

Heute war ein großer Tag für die Meinungs- und Pressefreiheit!

Sowie das Urteil vorliegt, werde ich es eingehend kommentieren. Schöne Grüße nach Hamburg!

UPDATE:

Pressemitteilung des BGH

21. September 2009

Enthüllungsbuch über Afghanistankrieg darf erscheinen

Wie hier berichtet, sollte das Buch eines dänischen Soldaten über den Afghanistan-Krieg zensiert werden.

Die TAZ meldet gerade, dass

ein Gericht in Kopenhagen am Montag den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Buchverlag abgewiesen hat. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, für dänische Soldaten oder der Beziehungen zu Verbündeten konnte das Gericht schon deshalb nicht erkennen, weil der Buchinhalt mittlerweile sowieso öffentlich zugänglich geworden sei.

Wo zugänglich? Natürlich bei Wikileaks!

Wann kriegt eigentlich Deutschland mal ein Enthüllungsbuch eines KSK-Soldaten über den Kriegsalltag in Afghanistan?

14. September 2009

„Horst Schlämmer“ geht gegen Wahlspot der Republikaner vor

Eine Kandidatin einer heute praktisch nur noch in Wahlspots präsenten Partei hat in einem bislang dreimal ausgestrahlten (und wie stets unfreiwillig komischen) Fernsehspot mit folgenden Sätzen geworben:

„Nein, mein Name ist nicht Schlämmer. Und ich kandidiere auch nicht für eine Spaßpartei. Politik ist nicht lustig. Aber seine 18 % würden auch uns gut stehen …“

„Wählen Sie die Republikaner (…) Frei nach Horst Schlämmer: Schlechter als die anderen sind wir auch nicht.“

Wie die BILD-Zeitung meldet, will Schlämmers Alter Ego HaPe Kerkeling sich diese Verreinnahmung seiner erfolgreichen Kunstfigur nicht bieten lassen und will nach erfolgloser Abmahnung nun die Parteiwerbung durch eine einstweilige Verfügung verbieten lassen.

Dieses Anliegen dürfte schwierig werden, denn Kerkelings Satire, die sich mit dem realen Wahlkampf überschneidet und dumpf-populistische Feierabendpolitiker parodiert, ist durchaus ein zulässiges Thema politischer Diskussion. Diese erschöpft sich vorliegend weitgehend mit der Ausnutzung des Aufmerksamkeitswerts von „Schlämmer“. Es wird insbesondere nicht der Eindruck erweckt, als unterstütze Schlämmer bzw. Kerkeling die Republikaner. Während solch billige Trittbrettfahrerei etwa bei Werbung für kommerzielle Produkte gegen Persönlichkeits- und Markenrechte verstoßen würde, kann sie durchaus im politischen Meinungskampf zu Wahlkampfzeiten zulässig sein, insbesondere das Zitat in der zweiten Äußerung.

Wie immer: PR-technisch kann der REP-Kampagne wenig besseres passieren, als dass ihr „Horst Schlämmer“ durch einen medienwirksamen Prozess Aufmerksamkeit beschert.

Die Dame, die im mäßig originellen Spot posiert, hat sich offenbar auch einer weitere Kunstfigur von Kerkeling bedient: Sie hört auf den Vornamen „Uschi“ uns scheint geistig ähnlich bemittelt zu sein.

UPDATE:

Wie der Tagespresse zu entnehmen ist, hat die Pressekammer des Landgerichts Köln zugunsten Kerkelings eine einstweilige Verfügung erlassen. Glückwunsch an die Kollegen, allerdings: Nach meiner Erfahrung mit der Kölschen Pressekammer sind die dortigen Rechtskenntnisse allenfalls als rudimentär einzuschätzen. Während man in Hamburg und Berlin nach allen Regeln der Kunst um sein Recht gebracht wird, scheitert die Kölner Pressekammer selbst an einfachsten Rechtsfragen. Die einstweilige Verfügung kann auf allem Möglichen beruhen.

Auch, wenn es weh tut: es spricht einiges dafür, dass die nicht affirmative Rufausbeutung einer Kunstfigur wie Horst Schlämmer im Wahlkampf von den Grundrechten des Art. 5 GG gedeckt ist. Ich bezweifle stark, dass der Rechtsstreit auf dieser Ebene bereits beendet ist.

13. September 2009

FAS09: Private Fahndungsfotos – zulässig?

Der Vorfall mit dem Prügelpolizisten bei der Demo „Freiheit statt Angst“ schlägt hohe Wellen – und beschert der Demo „Freiheit statt Angst“ endlich die gewünschte PR. In wunderbar anschaulicher Weise demonstriert die Berliner Polizei, dass man unseren Volksvertretern nicht blind vertrauen kann. Bei allem Respekt für den harten und oftmals undankbaren Arbeitsalltag der Polizei und die ganz überwiegend soliden Polizisten, so ist eine Kette nun mal nur so stark, wie ihr schwächstes Glied. Was für willkürliche Gewalt gilt, das gilt für „Kavaliersdelikte“ wie Datenmissbrauch erst recht. Und nachdem die Polizei bei der Demo entgegen ihrem Versprechen gefilmt hatte, filmten die Datenschützer eben zurück. Nun haben findige Blogger aus dem Film zwei „Fahndungsfotos“ herausdestilliert und ins Netz gestellt. Dies wirft die Frage nach dem Recht am eigenen Bild auf. Darf man die Polizisten einfach so identifizierend abbilden?

Keine Ausnahme aufgrund von Versammlung

Grundsätzlich zählt die Rechtsprechung auch Polizisten bei ihrer Arbeit zu „Teilnehmern einer Demonstration“, sodass die Ausnahme nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG für Versammlungen und Aufzüge etc. greift. Diese Ausnahme gibt es deshalb, weil man andernfalls kaum Personenmehrheiten abbilden könnte, denn wer kann schon alle Teilnehmer individuell nach ihrer Erlaubnis fragen? Doch die Fahndungsfotos, die beim Anlass einer Versammlung gemacht wurden, individualisieren nun diese beiden Polizisten. Damit wird jeweils nicht mehr eine Personenmehrheit abgebildet. Damit scheidet diese Ausnahme aus.

Personen der Zeitgeschichte?

Die beiden Polizisten könnten jedoch Personen der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG sein. Hierfür spricht das breite mediale Interesse, das der Vorfall auch in den etablierten Medien findet und der Umstand, wie sehr die beiden das Misstrauen gegen die Obrigkeit im Sinne der Organisatoren der Demo unfreiwillig beweisen.

Prangerwirkung

Doch die Nutzung der Bildnisse in Form eines Fahndungsplakats stellt die Polizisten an einen virtuellen Pranger. Und Prangerwirkung ist ein Zauberwort, dass etwa Richter Buske besonders gerne verwendet. Denn die Interessen an der Verbreitung sind nach § 23 Abs. KunstUrhG immer auch mit den „berechtigten Interessen“ der Betroffenen abzuwägen. Die Verbreitung des Fahndungsaufrufs ist also juristisch nicht ohne Risiko. Was die Richter in solchen Fällen zulassen, und was sie verbieten, ist selbst für Kenner der Pressekammern nur schwierig vorauszusagen.

Praxisrelevanz

Eine pragmatisch relevantere Frage wäre allerdings, ob die beiden Polizisten gegen die Fotos vorgehen werden. Da sie möglicherweise sehr schnell begreifen werden, dass mit dem ccc nicht zu spaßen ist und ins Netz entsendete Informationen nicht reversibel sind, wäre es ungleich sinnvoller, sich eine neue Frisur wachsen zu lassen, als zum Anwalt zu rennen.

Präventive Beschlagnahme

Der Fall wird allerdings das allgemeine Bewusstsein für das Zurück-Fotografieren stärken und die – rechtlich höchst anfechtbare – Praxis begünstigen, der zufolge Polizisten, die sich fotografiert fühlen, Fotografen vor Ort zur Löschung der Bilder zwingen. Trotz eigentlich fehlender Rechtsgrundlage machen derzeit Gerichte präventive Beschlagnahmungen mit. Normalerweise ist die Anfertigung von Fotografien im öffentlichen Raum zulässig, erst die Verbreitung oder die unmittelbar drohende Gefahr einer Verbreitung könnte Maßnahmen rechtfertigen. Künftig werden Polizisten wohl sehr viel schneller Kameras bzw. Handys mit Kamerafunktion einkassieren wollen. Die Antwort hierauf wird sein, dass Demonstranten dann eben verdeckt filmen – oder eben parallel in so großen Scharen, dass die Polizisten nicht nachkommen werden, zumal die Bilder schnell ins Netz gefunkt werden können.

UPDATE:

Im Lawblog gibt es inzwischen die langerwartete Stellungnahme der Polizei – und Anzeichen, dass diese wohl etwas unglaubwürdig ist.

Wie man mit Bloggern kommuniziert

Das Grenzpfosten-Blog hat eine lesenswerte Handreichung an Unternehmen, die sich gegen lästige Blogger wehren möchten, ohne eigendynamische Kommunikationspannen zu erleiden. Ich kann aus der Erfahrung mit Blogger-Prozessen jeden dieser Aspekte zu 100% unterstützen.

Die Empfehlung, bei der Kontaktaufnahme zu Bloggern besser auf Emails zu verzichten, da diese veröffentlicht werden und damit nach hinten losgehen können, ist allerdings dann unfruchtbar, wenn es nur diese Kontaktmöglichkeit gibt. Ziemlich ungeschickt ist es allerdings, wenn man mailt, obwohl der Blogger im Vorhinein angekündigt hat, aus Prinzip jede Email zu veröffentlichen. Letztes Jahr hatte ein solchen Fall sogar den Weg vor Gericht gefunden, als ein Mandant als angeblicher Blogger auf Unterlassung in Anspruch genommen worden war. Da das Landgericht Köln in dieser Sache eine unglaublich schwache Entscheidung getroffen hatte, die dann auch noch unkritisch verbreitet wurde, sah ich mich zu folgendem Artikel veranlasst:

“Das Landgericht Köln und das Geheimnis der E-Mails

10. September 2009

„Unternehmensblog.de“ in Weblog-Dissertation

Im Sommer 2007 brütete Kollege Noogie Kaufmann hier am benachbarten Münsteraner Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht über seiner Dissertation, die sich der Blogosphäre annahm.

Unternehmensblog.de

Damals vertrat ich die temperamentvolle Website Finanzparasiten.de, die sich kritisch mit Finanzvertrieben befasst. Da die Auseinandersetzung mit einem der kritisierten Finanzdienstleister Überhand nahmen, war beschlossen worden, diesem ein eigenes Weblog zu widmen. Um die Firma ordentlich zu provozieren, sollte die Domain aus dem Firmennamen und dem Wort „Blog“ bestehen. Noogie konnte nun am lebenden Objekt forschen! (more…)

5. September 2009

Wie bitte? „Blogger nicht besonders gefährdet“

Bis eben hatte ich noch nie etwas von „Textberater.com“, dem „Magazin für nachhaltige Kommunikation“ gehört. Da wird unter der Überschrift „Blogger sind rechtlich nicht besonders gefährdet“ ein Rechtsanwalt zum aktuellen Jako-Fall interviewt, jener Meisterleistung in Sachen PR-Selbstmord.

Der Kollege äußert da wörtlich:

(…) „Bei privat tätigen Bloggern wird man seltener unmittelbar mit einer Abmahnung rechtlich Erfolg haben, da sich hier nicht so einfach irgendwelche Anspruchsgrundlagen konstruieren lassen. Der Geltendmachung von irgendwelchen Ansprüchen gegen Blogbetreiber steht immer noch insbesondere die Presse- und vor allem Meinungsfreiheit gegenüber.“ (…)

Öhm … Die Blogger-Fälle, mit denen ich so zu tun habe, werden durch die Bank weg mit Verletzung von Persönlichkeitsrechten, gerne auch von Unternehmenspersönlichkeitsrechten begründet. Und glauben Sie mir, das ist eine verdammt lästige Anspruchsgrundlage. Okay, steht nirgendwo im Gesetz drin, und auch die juristische Literatur gibt zu letzterem nicht viel her. In der Rechtsrealität gibt es das aber.

Der Kollege gibt noch mehr zum Besten:

(…) „Es kommt mit Sicherheit immer auf den konkreten Einzelfall an. Wenn jemand sich einfach nur kritisch über eine bestimmte Marke im Internet äußert, so wird man hiergegen nicht mit besonderem Erfolg vorgehen können.“ (…)

Wenn dieser Einzelfall am Landgericht Hamburg geltend gemacht wird, dann wird er zum Regelfall. Da sind schon etliche Leute gestrandet, die dachten, dass sie ihre Meinungsfreiheit, Pressefreiheit usw. in Anspruch nehmen dürften. Unternehmenskritik gleicht einem Stepptanz auf Tretminen. Ich sage nur: Stolpe-Entscheidung.

Zur Vertiefung hier drei meiner Artikel zum Hamburger Landrecht: