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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


19. September 2011

Kölner Landgerichtspräsident will Jurabloggerin zügeln lassen

Die Kollegin Heidrun Jakobs aus Wiesbaden ist nicht dafür bekannt, sich von irgendjemandem auf dieser Welt einschüchtern zu lassen. „Keine Angst vor großen Hunden!“ lautet das Motto der versierten Bankenrechtlerin, wenn sie diverse Geldinstitute und Finanzdienstleister das Beten lehrt, etwa große Banken ständig zur Überarbeitung ihrer AGB zwingt. Vor ein paar Jahren brachte ich sie beim Start des Handelsvertreter-Blogs zum Bloggen, inzwischen hat sich die resolute Frau auch als Bloggerin selbständig gemacht.

Zu den Lesern ihres Blogs gehört anscheinend auch der Präsident des Landgerichts Köln, der sich an einem Beitrag über einen kölschen Richterspruch störte. Der gute Mann machte jedoch den Fehler, sich mit der Kollegin anzulegen, indem er sie bei der Anwaltskammer anschwärzte. Die Kollegin lässt sich derartige Tiefschläge nicht bieten und trägt den Konflikt in aller Öffentlichkeit aus.

Soweit die Vorgänge der mündlichen Verhandlung in meinem Blog-Beitrag zusammengefasst wurden, berufe ich mich auf mein Grundrecht der freien Meinungsäußerung aus Artikel 5 Abs. 1 GG und die Pressefreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 S. 2 GG und weise insbesondere auf die Privilegierung einer Gerichtsberichterstattung hin. Insofern verweise ich auch auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Rechtsanwalt auch starke eindringliche Ausdrücke und Schlagworte benutzen und sogar ad personam argumentieren darf (BVerfG, 1 BvR 195/87, BverfGE 76,171).

Lesenswert hierzu auch BVerfG, 1 BvR 2650/05 vom 10.3.2009.

 

27. Juli 2011

Wo ein Trog ist, kommen die Schweine

Die Leute vom Chaos Computer Club, die seinerzeit als Sachverständige für das Bundesverfassungsgericht in Sachen Vorratsdatenspeicherung fungiert hatten, zitieren immer wieder gerne jenen Verfassungsrichter, der da sprach:

„Wo ein Trog ist, kommen die Schweine“

Heute berichtet die TAZ, dass die Ermittlungsbehörden in Sachsen bereits vor zwei Jahren mehr als eine Million Handyverbindungsdaten ermittelt haben – ohne Ermittlungserfolg. Via fefe.

 

10. Juli 2011

Elfes hatte recht

Der Kollege Garcia (de legibus, de jure) nimmt ein Reiseverbot Russlands für Oppositionelle zum Anlass, die legendäre Elfes-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu besprechen – wie stets: lesenswert. Damals ging es um den CDU-Mitbegründer und Oberbürgermeister von Mönchengladbach Wilhelm Elfes, der sich in den 50ern mit Adenauers Politik der Westbindung nicht so recht identifizieren mochte und im Ausland bzw. der DDR „den Eindruck erweckte, als ob die Bundesrepublik den Krieg vorbereite usw. Die Bundesrepublik hatte ihm mit dieser Begründung die Ausreise zu einem „Friedenskongress“ verweigert.

Der Zufall will es, dass ich gerade ein Buch über die deutsch-deutsche Politik lese, die zum Mauerbau führte. Es stammt von den Zeitzeugen Heinz Kessler und Fritz Streletz, die aus ihrer Perspektive als späterer DDR-Verteidigungsminister bzw. NVA-Chef ihre Sicht darstellen. Normalerweise hätten mich ideologische Autoren eher nicht interessiert, aber die dümmliche Polemik, welche neulich die Qualitätskontrolle der Süddeutschen Zeitung passierte, kam mir verdächtig vor. Ich wollte schon genauer wissen, warum ich das Buch nicht lesen soll.

Was die beiden Autoren zu sagen haben, kommt keineswegs als „unverbesserlicher Betonkommunismus“ daher, vielmehr bemühen sich die Autoren um eine sachliche Argumentation und schildern etliche Tatsachen und Zusammenhänge, die mir so bisher noch nicht bekannt waren, zumal einiges damals ja auch geheim war.

Auch aus sonstiger historischer Perspektive muss man Elfes recht geben: Tatsächlich hatten ultrarechte westlichen Strategen in den 50ern einen Angriffskrieg vorbereitet; etliche westliche Militärs waren während der Berlin-Krise und der Kuba-Krise hierzu bereit. Gefährlich waren insbesondere Adenauer und Strauß, die ein bemerkenswert naives Verhältnis zu Nuklearwaffen pflegten und nicht realisierten, dass jeglicher Schlagabtausch beide Teile Deutschlands erneut ruiniert hätte. Auch Bundeswehrhistoriker weisen auf Adenauers aus heutiger Sicht schwer verständliche Mentalität hin, Atombomben als moderne Form der Artillerie zu betrachten. Strauß etwa hielt den Atomgranatwerfer für unverzichtbar.

Auch planten die westlichen Strategen, im Kriegsfall entlang der Ostgrenze einen Korridor nuklear zu verseuchen, wobei man in der eigenen Zivilbevölkerung Opfer in Millionenhöhe in kauf nahm. Das perfide Verbrechen, deutsche Landsleute aufeinander schießen zu lassen, wurde als das geringere Übel zum Kommunismus angesehen. Elfes war übrigens ja nicht einmal Kommunist, sondern wollte fernab ideologischer Scheuklappen schlicht und ergreifend Frieden. Nach solchen Leuten, die Rückgrat bewiesen und unbequeme Wege gingen, sollten Straßen und Plätze benannt werden.

23. Mai 2011

Fremde Äußerungen sollten nicht mit eigenen Recherchen belegt werden, findet das OLG Hamburg

Aus meiner Sicht hat das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit im „Gerichtsbezirk Hamburg“ gerade den Tiefststand erreicht. Inzwischen nähert sich die hanseatische Unrechtsprechung dem an, was man in Großbritannien als „Super Injunction“ bezeichnet: Man darf nicht mehr über verbotene Äußerungen berichten. (Derzeit ist das Thema gerade wegen der Gag Order gegen Twitter aktuell.) Letzte Woche hat das Hanseatische Oberlandesgericht eine Entscheidung bestätigt, welche den Verdacht des Bundesverfassungsgerichts erhärtet, man kultiviere in Hamburg ein „grundlegendes Fehlverständnis des Gewährleistungsgehaltes der Meinungs- und Pressefreiheit“.

Eine ehemals drogensüchtige Frau war nach ihrem Entzug freiwillig in eine Art Rehabilitationseinrichtung gezogen, in welcher sie wieder an den Alltag gewöhnt und von Drogen ferngehalten werden sollte. Beim Einzug in die mit u.a. Spenden finanzierte Einrichtung musste sie ihre Habseligkeiten und Bargeld in einem „Filzkeller“ einschließen lassen. Andere Patienten berichten davon, man hätte ihnen den Ausweis weggenommen, was kaum mit anerkannten Therapie-Standards zu vereinbaren sein dürfte.

Die Einrichtung machte rein äußerlich einen guten Eindruck, wird als „Fachkrankenhaus“ bezeichnet und von jemandem geleitet, der sich mit den Titeln „Prof. Dr.“ zieren darf. Dieser Doktor allerdings vertritt eher esoterische Konzepte wie „Energietherapie“. Dass die Dissertation nicht die eines „Dr. med.“, sondern eines „Dr. phil.“ ist und offenbar einen anthroposophischen Hintergrund und Doktorvater hat, lässt sich nicht ohne Weiteres erkennen. Die Professur ist die einer einer christlich-konfessionellen Hochschule, wobei man sich schon fragen darf, wie sich denn die anthroposophische Karma-Lehre etc. mit dem christlichen Gedankengut in Einklang bringen lässt. Auch scheint mit den weiteren Bezeichnungen als Psychotherapeut einiges durcheinander geraten zu sein, denn der gute Mann hat nie Psychologie studiert, ist offenbar gerade einmal diplomierter Sozialpädagoge.

In dieser Einrichtung geht es obskur zu. So postuliert der mit zwei windigen Titeln gezierte Sozialpädagoge eine Art karmischen Zusammenhang zwischen Enkeln und Großeltern, zwischen denen ein offenbar erblicher Konflikt bestehe. Dieser sei die Ursache von Drogensucht und könne durch ein Art Ritual bereinigt werden, nämlich durch eine „Familienaufstellung“ – eine höchst umstrittene Therapieform, die von vielen Fachleuten für Quacksalberei gehalten wird. Ein Großteil des Personals besteht aus ehemaligen Bewohnern der Einrichtung, was vornehm als „mangelhafte therapeutische Hygiene“ bezeichnet werden darf.

Um seine diversen Verhaltensregeln wie zum Beispiel ein Verhütungsgebot durchzusetzen praktizierte man in der Einrichtung ein eigenes Strafgesetzbuch: Wer die Hausordnung verletzte, hatte aus seinem Taschengeld ein sogenanntes „Konsequenzgeld“ zu bezahlen. Da es für für solch archaische Strafen keine rechtliche Grundlage gibt, insbesondere schon wegen Interessenkonflikt keine Eigenfinanzierung durch Strafgelder irgendwelcher Art zulässig ist, zählt das bezahlte Konsequenzgeld nach wie vor zum Vermögen der Klienten und müsste eigentlich beim Verlassen der Einrichtung ausbezahlt werden.

Das Seltsame ist jedoch, dass ein reguläres Verlassen der Einrichtung die Ausnahme zu sein scheint. Soweit mir bekannt, nehmen diese Leute irgendwann aus eigenem Entschluss Reißaus. Damit sich derartige Fälle nicht in der Einrichtung herumsprechen, lässt ,man die eingelagerten Sachen nicht abholen, vielmehr übergibt diese der promovierte Sozialpädagoge konspirativ in einem Waldstück.

Nicht nur Sachen werden übergeben, sondern auch Kinder. Diese dürfen nämlich bei ihren Eltern in der Einrichtung wohnen – und müssen es nicht selten, da das Personal den Eltern ihr Sorge- und Umgangsrecht streitig macht. Für jede in der Einrichtung wohnende Person – auch für jedes Kind – kassiert die Einrichtung nämlich pro Monat einen wirklich üppigen Geldbetrag. Die Betreiber müssten geradezu bescheuert sein, ihre Pappenheimer als nicht mehr therapiebedürftig ziehen zu lassen. Die Methoden, mit denen die Sorgerechte streitig gemacht wurden, sind fragwürdig. Auch am Familiengericht hat man sich inzwischen über die Einrichtung eine kritische Meinung gebildet.

Während die meisten der Betroffenen in Scham schweigen, ging vor eineinhalb Jahren eine Frau an die Öffentlichkeit und beklagte sich wegen ihr nicht zurückgegebener Sachen. Sie fragte auch nach dem Verbleib von Konsequenzgeldern und fragte süffisant „Indien?“ Der Sozialpädagoge, in dessen Vorgarten eine Buddha-Statue steht, hatte nämlich einen Spendensammlerverein für Tsunami-Opfer Indien aufgezogen, der übrigens von einer anthroposophischen Bank einen Kredit bekam.

Zwar hat der promovierte Sozialpädagoge bei den Familiengerichten kaum noch Glück, jedoch erkannte sein Anwalt, dass die gesamte Republik sich im Gerichtsbezirk Hamburg befindet und erwirkte bei der ZK 25 zwei einstweilige Unterlassungsverfügungen gegen die mittellose vierfache Mutter. Die Äußerungen seien Tatsachenbehauptungen, für welche sie die Darlegungs- und Beweislast träfe.

Über dieses Äußerungsverbot berichtete mein Mandant in seinem journalistischen Blog, wobei er es nur sinngemäß zusammenfasste, also nicht einmal die konkret verbotenen Äußerungen wiederholte. Er kommentierte die Äußerungen auch nicht weiter, berichtete jedoch wahrheitsgemäß, ihm lägen schriftliche Aussagen von anderen Betroffenen vor, welche die Behauptungen bestätigen. Er wies darauf hin, dass zur juristischen Gegenwehr eidesstattliche Versicherungen benötigt würden, meinte jedoch skeptisch „Das wird nicht reichen“. Der Bericht war schon deshalb ausgewogen, weil ja zutreffend über das antragsgemäß erlassene Verbot berichtet wurde, das Dementi des Quacksalbers damit also mitgeteilt war. Presseanfragen hatte der immer ignoriert.

Das Landgericht Hamburg interpretierte diese Berichterstattung jedoch als üble Nachrede. Mit seiner Äußerung hätte der Mandant beim Leser den Eindruck hervorgerufen, die berichteten Anschuldigungen träfen zu. Tatsächlich allerdings hat der Mandant nur eine fremde Behauptung zur Diskussion gestellt, wobei es ihm freigestanden hätte, sogar eine Meinung darüber zu äußern, dass er der Frau glaubte. Jedenfalls aber hat er das Recht, das Verbot zu thematisieren.

Dennoch sah das Landgericht Hamburg die Berichterstattung als eigene Äußerung. Weder ließ sich das Gericht von eidesstattliche Versicherungen beeindrucken, welche die Version der Frau bestätigten, noch wollte es in einer mündlichen Verhandlung in Mannschaftsstärke aufgelaufene präsente Zeugen hören. Auch in einem anschließenden Hauptsacheverfahren wurde das Persönlichkeitsrecht des Quacksalbers höher gehängt als die Meinungs- und Pressefreiheit meines Mandanten.

Zwar gilt bei Behaupten von Tatsachen eine Beweislastumkehr. Man hätte jedoch die Beweise dazu aufnehmen und bewerten müssen. Die Hamburger jedoch gingen von einem zu erwartenden Patt aus („non liquet“) und sparten sich die Beweisaufnahme. In Hamburg hat nämlich das Persönlichkeitsrecht stets das ausschlaggebende Gewicht, da braucht man sich nicht mit lästigen Beweisaufnahmen rumschlagen. Da hat man Wichtigeres zu tun.

Das Oberlandesgericht Hamburg äußerte die Rechtsauffassung, die Andeutung des Mandanten erwecke „zwingend“ den Eindruck, dass die Anschuldigungen der Frau wahrheitsgemäß seien. Denn der Bericht der fremden Äußerung werde durch den Hinweis auf die bestätigenden Aussagen verstärkt. Auch das Oberlandesgericht wollte keine Zeugen vernehmen oder andere Beweise aufnehmen, sondern bohrte das dünnste Brett und verwarf die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO.

Wie soll man künftig über von Dritten erhobene Vorwürfe berichten? Bisher galt es als Tugend, wenn ein Journalist eigene Recherchen anstellte.

Zur Ehrenrettung des Landgerichts Hamburg ist zu bemerken, dass der Quacksalber in der ZK 24 alle weiteren Verfahren gegen meinen Mandanten verloren hat. Der Mandant hatte sich früher erfolgreich gegen Scientology und die Zeugen Jehovas gestemmt, und wird sich auch von anthroposophischen Energiefeldbeschwörern nicht die Tastatur verbieten lassen.

Der wohlhabende Therapeut übrigens scheute sich nicht, wegen der Anwaltskosten bei der unvermögenden alleinerziehenden Ex-Klientin die Rentenbezüge zu pfänden. Ob das wohl gut fürs Karma ist?

28. Februar 2011

50 Jahre Adenauer-Fernsehen-Verbot

Heute vor 50 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht den Vorläufer von Privatfernsehen und ZDF verboten.

Der im Kaiserreich sozialisierte Adenauer hatte Artikel 5 GG nie so recht verstanden oder sich mit ihm abfinden wollen. Er träumte seinerzeit von einem Propagandaministerium, von dem gerade einmal das Bundespresseamt übrig blieb. Besonders sauer war der katholische Rheinländer über den NWDR, den er als zu links und protestantisch empfand. Seine Hoffnung, durch Zerschlagung in katholischen WDR und protestantischen NDR das Problem zu lösen, wurde enttäuscht: Der WDR entwickelte sich in den 50 Jahren zu einem Hort der Kritik, gerne auch als „Rotfunk“ wahrgenommen.

Also entschloss sich der Kanzler, ein eigenes Fernsehunternehmen aufzuziehen, das von der ihm nahe stehenden Wirtschaft über Produktinformationen und Kaufanreize finanziert werden sollte, mit welchem die Deutschen auf den rechten(!) Weg gebracht werden sollten. Mit bunten Unterhaltungsprogrammen sollte die Lufthoheit von politischen ARD-Sendungen gebrochen werden. Dumm nur, dass Adenauer die Kulturhoheit der Länder übersehen hatte … fand das Bundesverfassungsgericht.

Als Trösterchen erlaubte man Adenauer den Aufbau einer zu den ARD-Häusern alternativen öffentlich-rechtlichen Anstalt, die Adenauer mit ultrakonservativem Personal besetzen konnte, das auch seinen Nachfolgern die Treue hielt. Die Propaganda-Rechnung ging auf, denn Jahrzehnte später wählten die ZDF-Zuschauer Konrad Adenauer zum größten Deutschen.

Es hat eine gewisse Ironie, dass an den heutigen Jahrestag ausgerechnet das Deutschlandradio erinnert, dessen verfassungsrechtliche Konstruktion auch recht spannend ist. Aber: das Deutschlandradio gehört definitiv zu den Qualitätsmedien, die ihren Auftrag kritischer Berichterstattung ernst nehmen.

22. Februar 2011

Auf dem Frankfurter Flughafen darf demonstriert werden

… sagt heute das Bundesverfassungsgericht.
Auch der private Flughafen unterliegt der Grundrechtsbindung:

(…) Auch die Meinungsäußerungsfreiheit ist dem Bürger allerdings nur dort
gewährleistet, wo er tatsächlich Zugang findet. Anders als im Fall des
Art. 8 Abs. 1 GG ist dabei die Meinungskundgabe aber schon ihrem
Schutzbereich nach weiter und nicht auf öffentliche, der Kommunikation
dienende Foren begrenzt. Denn im Gegensatz zur kollektiv ausgeübten
Versammlungsfreiheit impliziert die Ausübung der Meinungsfreiheit als
Recht des Einzelnen in der Regel keinen besonderen Raumbedarf und
eröffnet auch nicht einen eigenen Verkehr, der typischerweise mit
Belästigungen verbunden ist. Als Individualrecht steht sie dem Bürger
vom Grundsatz her überall dort zu, wo er sich jeweils befindet. (…)

Mit Demos hat man am Frankfurter Flughafen ja ausgiebig Erfahrung …

UPDATE: Und noch einmal Frankfurter Flughafen: Auf den Toiletten gibt es auch juristische Neuigkeiten!

19. Februar 2011

Dr. Gregor Gysi hat den Eindruck, man hätte den Eindruck, dass …

Der inzwischen nicht mehr als Anwalt tätige Kollege Gysi macht sich derzeit wieder um die Achtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verdient. So geht der Kollege gegen den NDR vor, weil dieser in seiner jüngsten Dokumentation den Eindruck erzeugt haben soll,

er habe in seiner Zeit als Anwalt in der DDR mit der Stasi zusammengearbeitet. Unmittelbar vor der Ausstrahlung hatte Gysi dem NDR per einstweiliger Verfügung untersagt, in einer Vorankündigung zu behaupten, ihm sei als Anwalt die Staatsräson oft wichtiger gewesen als das Schicksal seiner Mandanten.

schreibt das Hamburger Abendblatt.

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht in der Bevölkerung kann man medienrechtlich nicht nur wegen Tatsachenbehaupten in Anspruch genommen werden, die man tatsächlich gesagt hat, sondern auch für solche, die durch Schlussfolgerungen des Publikums entstehen. Nach Karlsruhe benötigt es einen „zwingenden Eindruck“, der unabweisbar erweckt werde, in Hamburg hingegen reicht es aus, wenn man etwas in den Mund gelegt bekommt. Man muss dann absurderweise Behauptungen, die man ggf. nie gesagt oder auch nur gemeint hatte, aufgrund der Beweislastumkehr beweisen. Während man Fehlurteile in Karlsruhe über eine Abwägung mit der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit korrigiert, ist in Hamburg die Meinungsfreiheit eher die des Richters. Meinungen über Sachverhalte sind in Hamburg Tatsachenbehauptungen.

Ich habe den Eindruck, die Geschichte des Herrn Gysi ließe sich nur sehr schwer erzählen, ohne, dass der Eindruck gewisser Interessenkonflikte des Kollegen Gysi entsteht. Daher lässt sich nicht ausschließen, dass der vom NDR erzeugte Eindruck den Tatsachen entspricht. Immerhin erlagen dieses Eindrucks etliche in der Doku erwähnten Ex-Mandanten. Nicht in der Doku erwähnt ist Gysis Ex-Mandantin Bärbel Bohley, der Gysi den StaSi-Verdacht in Hamburg untersagen ließ. Frau Bohley hatte schon zu DDR-Zeiten in der Bürgerrechtsbewegung eine Frau als Spitzel verdächtigt, was sie nicht beweisen konnte und sich durch den Vorwurf in Misskredit brachte. Die verdächtigte Frau war tatsächlich eine eingeschleuste – sogar hauptamtliche – Mitarbeiterin der StaSi, Frau Bohley hatte richtig gelegen.

Wenn Herr Gysi den Gegenbeweis nicht führen kann, dann hat man zwar nicht das Recht, zu behaupten, Gysi habe dies und das definitiv getan. Aber man hat das Recht, das zu meinen, und dies auch als Meinungsäußerung kund zu tun. Mit diesem – möglicherweise falschen – Eindruck muss er leben. Daran werden auch 1000 Sprüche des Landgerichts Hamburg nichts ändern. Versaut allerdings wird durch Gysis Prozess-Exzess die Kultur der Meinungsfreiheit, die Gysis Kumpel Manfred Stolpe so erfolgreich attackierte. Von beiden fühlte sich Bohley seinerzeit verraten und hatte geseufzt: „Wir wollten Gerechtigkeit, und haben den Rechtsstaat bekommen!“ Frau Bohley hat sich übrigens an das Hamburger Verbot nicht eine Sekunde gehalten.

Apropos Manfred Stolpe: Seiner früheren Behörde, dem Bundesverkehrsministerium, habe ich letzte Woche per einstweiliger Verfügung für einen Mandanten eine bestimmte Behauptung untersagen lassen. Der Rechtsstaat funktioniert gelegentlich auch nach oben … ;)

30. Januar 2011

„Ägypten ist als Entwicklungsland bedeutendster Empfänger deutscher Waffen“

Jürgen Grässlin, Deutschands wohl hartnäckigster Rüstungskritiker, der häufig sein Recht auf Meinungsfreiheit in Karlsruhe einfordern musste, hat mich gebeten, folgende Pressemitteilung zu veröffentlichen:

Gemeinsame Pressemitteilung
Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK),
Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben (ORL)
und RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.)
vom 30. Januar 2011

++ Friedensorganisationen kritisieren „aktuelle Verdoppelung der Waffenexporte an das diktatorische Regime in Ägypten“ ++
++ „Ägypten ist als Entwicklungsland bedeutendster Empfänger deutscher Waffen“ ++
++ Grässlin und Russmann fordern „sofortigen Rüstungsexportstopp für Ägypten und alle anderen menschenrechtsverletzenden Staaten“ ++

Frankfurt / Freiburg / Stuttgart. In Ägypten ist seit dem Jahr 1981 die Notstandsgesetzgebung ununterbrochen in Kraft, die Menschenrechtslage katastrophal.[#1] Mit der Waffengewalt staatlicher Sicherheitskräfte, die selbst massiv an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren und sind, konnte sich das diktatorische Regime in Kairo drei Jahrzehnte lang an der Macht halten. Derzeit riskieren Ägypterinnen und Ägyptern ihr Leben, indem sie ihren Protest gegen das diktatorische Regime unter Hosni Mubarak öffentlich artikulieren. Ägyptische Polizisten schießen auf weit überwiegend friedliche Demonstranten, mehr als hundert Menschen sind bereits ums Leben gekommen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, „der Weg zur Stabilität führt über die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte“.[#2] Erklärungen wie diese „wirken heuchlerisch angesichts der Tatsache, dass Deutschland zu den Hauptwaffenlieferanten der diktatorischen Machthaber in Ägypten zählt“, sagte Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.). Der Freiburger Rüstungsexperte warf der Bundesregierung vor, dass sie 2009 gegenüber dem Vorjahr „mehr als eine Verdoppelung der Lieferungen von Waffen und Rüstungsgütern an Ägypten genehmigt“ habe. So sei der Genehmigungswert von 33,6 Millionen Euro (2008) auf 77,5 Millionen Euro (2009) „dramatisch gesteigert worden“.

„Die Einzelgenehmigungen für ‚Kleinwaffen’ sind aufgrund der hohen Opferzahlen besonders folgenschwer“, so Jürgen Grässlin. Die für ihre rücksichtslose Vorgehensweise bekannte ägyptische Polizei verfüge über Maschinenpistolen des Typs MP5, entwickelt von Heckler & Koch in Oberndorf. Allein im Jahr 2009 habe Ägypten weitere 884 Maschinenpistolen und Bestandteile im Wert von 866.037 Euro erhalten.[#3]

„Die Machthaber in Kairo erhielten Teile für Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, militärische Landfahrzeuge und Kommunikationsausrüstung“, erklärte Paul Russmann, Sprecher der Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben (ORL). Insgesamt sei „Ägypten mittlerweile sogar das bedeutendste Empfängerland in der Liste der aus Deutschland belieferten Entwicklungsländer“.

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) stufte Ägypten in ihrem Rüstungsexportbericht 2009 als „problematisches“ Empfängerland ein. Die dortige Menschenrechtssituation sei laut Bericht der beiden großen christlichen Kirchen „sehr schlecht“, die Gefahr der Unverträglichkeit von Rüstung und Entwicklung sei „groß“.[#4] „Angesichts der katastrophalen Menschenrechtslage hätte Ägypten unter Diktator Mubarak niemals Waffen aus Deutschland und anderen Ländern erhalten dürfen“, erklärte ORL-Sprecher Paul Russmann.

Grässlin und Russmann forderten die Bundesregierung auf, „mit sofortiger Wirkung einen Rüstungsexportstopp gegenüber Ägypten und allen anderen menschenrechtsverletzenden Staaten zu verhängen“.

Kontakt:
Jürgen Grässlin, Freiburg, Tel.: 0761-76 78 208, j.graesslin@gmx.de
Paul Russmann, Stuttgart, Tel.: 0176-28 04 45 23, orl-russmann@gaia.de

Websites:
Informationen über Rüstungsexporte siehe www.rib-ev.de (alle Rüstungsexportberichte), www.dfg-vk.de, www.juergengraesslin.com; Rüstungsexporte an Ägypten siehe auch
http://www.bicc.de/ruestungsexport/pdf/countries/2010_aegypten.pdf

Quellen:
#1 AMNESTY INTERNATIONAL REPORT 2010, Ägypten, S. 67 ff.
#2 Focus Online vom 26.01.2011
#3 Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2008 (Rüstungsexportbericht 2008), S. 106
und Rüstungsexportbericht 2009, S. 15, 24, 34, 110
#4 GKKE-Rüstungsexportbericht 2009, Fachgruppe Rüstungsexporte, S. 40

27. Januar 2011

„schillernder Plagiatsbegriff“ zieht nicht – Verfassungsrichter ./. Juraprof

In der Hamburger Pressekammer saß man zu Gericht über den Autor des Werkes „Das Wissenschaftsplagiat“ – einen Münchner Juraprofessoren. Der Jurist hatte in seinem Buch einen weiten Plagiatsbegriff definiert, der reichen sollte

vom Abschreiben bis zu fahrlässiger Unkenntnis des Forschungsstandes verwandt,

weiß Legal Tribune Online. Der Juraprofesor glaubte, der nicht gesetzlich definierte Begriff des Plagiats und die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit könnten ihn schützten.

Doch der Kläger, der nicht nur selbst Honorarprofessor, sondern auch Bundesverfassungsrichter ist, mochte nicht des Plagiats geziehen werden. Womöglich hat er in der Karlsruher Kantine von den Auslegungskünsten der Hamburger Pressekammer gehört, wo er mit Rubrum „c/o Bundesverfassungsgericht“ klagte: Die Hamburger wollten dem „schillernden Plagiatsbegriff“ denn auch nicht folgen und legten die Äußerung selbst aus. Die Äußerung enthalte nun einmal einen „Tatsachenkern“, der zu beweisen sei. Auch, wenn es Karlsruhe noch und nöcher in die Urteile schreibt, wird der Kontext am Sievekingplatz häufig ignoriert. Und auf die gebotene Abwägung mit der Meinungsfreiheit wartet man in Hamburg vergeblich, wie man in Karlsruhe sehr genau weiß.

Mehr Glück in Hamburg hatte der beklagte Juraprofessor bei einem anderen Plagiator, nämlich bei einem Anwalt, der seinen Namen wegen Resozialisierungsinteresse nicht lesen wollte. Das machen so ohne weiteres auch die Hamburger nicht mehr mit, seit man diese Masche in Karlsruhe „geSTOPPt“ hat.

4. Januar 2011

BVerfG: fünfjähriges allgemeines Publikationsverbot für die „Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ rechtswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hob ein vom OLG München ausgesprochenes fünfjähriges Publikationsverbot auf, mit welchem dem Beschwerdeführer „Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ untersagt worden war.

Die Verfassungshüter hoben dieses Verbot nun auf, weil es zu allgemein gefasst sei und damit „unverhältnismäßig“ in die Meinungsfreiheit des Neonazis eingreife. Die Einstufung einer Position als „rechtsextremistisch“ sei eine „Frage des politischen Meinungskampfes“ und unterliege damit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Einschätzungen, begründete das Gericht seine Entscheidung.

schreibt SPON.

Der erstmals wegen entsprechenden Veröffentlichungen (wohl aber offenbar wegen Volksverhetzung) belangte Beschwerdeführer sah seinen Anspruch auf Resozialisierung verletzt, wozu offenbar auch die Äußerungsfreiheit zu entsprechenden Themen gehört.

Lieber lese ich solche Urteile mit Bauchschmerzen, als dass ich Zensur ertragen wollte. Ich verweise an die jüdischen Rechtsanwälte der ACLU, die Neonazis vertreten, weil ihnen die Meinungsfreiheit ein wichtigeres Gut ist als Befindlichkeiten.

UPDATE: Pressemitteilung des BVerfG.