Bei der Wesftälischen Notarskammer trudelte neulich eine Email ein, in der jemand eine Überprüfung des Urteilsvermögen eines Notars anregte. Das kränkte den Notar gar sehr, so dass er beim Landgericht Münster gegen diesen Frevel den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung erwirkte, um der Ehre genüge zu tun.
Doch was an nördlicheren Gerichten wohl als beweisbelastete Tatsachenbehauptung ausgelegt worden wäre, gilt im bodenständigen Westfalen als Meinungsäußerung. Kritik müssen sich im Münsterlande auch Notare gefallen lassen. Der entehrte Notar will nicht aufgeben – Ehrensache für sture Westfalen!
Wie Heise meldete, wollte ein Filesharer mit einer vorbeugenden Unterlassungserklärung einer ggf. kostenpflichtigen Abmahnung zuvorkommen. Daraufhin erhielt er überraschend eine so genannte „Abmahnung“, weil sein Schreiben Kosten verursacht hätte. Man hätte vergeblich versucht, seinen Fall zuzuordnen, betrachte das Schreiben als „Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ und fordere nun Schadensersatz in Höhe von 411,03 Euro.
Unfug.
1. Keine Anspruchsgrundlage
Das Ding heißt „zielgerichteter Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb“.
Sowas wendet die Rechtsprechung in Ermangelung sonstiger
Spezialgesetze in Fällen wie Boykottaufrufen von Wettbewerbern an
usw. Zielgerichtet auf Schädigung ist die Selbstanzeige wohl eher nicht.
2. Schadensminderungspflicht
Ein Geschädigter – hier angeblich der Abmahner – ist verpflichtet,
den verursachten Schaden gering zu halten, darf ihn insbesondere
nicht mutwillig vergrößern.
Die Suche nach einem namentlich bereits identifizierten Filesharer
dürfte in einer EDV-gestützten Kanzlei keine zwei Minuten dauern und
kann nicht ernsthaft als Schaden qualifiziert werden.
Oder man setzt den Namen auf eine Liste und checkt beim Postausgang.
Notfalls könnte man das Schreiben auch abheften und riskieren,
demnächst einmal „ins Leere“ abmahnen, denn dann klärt sich die Sache
automatisch durch den zu erwartenden Hinweis vom Abgemahnten, dass er
sich bereits gemeldet hatte.
Kein verursachter Schaden, also auch kein Schadensersatzanspruch. Wie man die Abmahnung rechtlich qualifizieren könnte, verkneife ich mir jetzt mal, denn sonst kommt womögliche eine Abmahnung mit einem Streitwert iHv 250.000,- Euro aus dem Fax geflattert …
Melitta scheint Inhaber der Wortmarke „Filtertüte“ zu sein. Und daher scheint man sich berechtigt zu sehen, per einstweiliger Verfügung gegen obigen, Filtertüten diskriminierenden Werbespot eines Kaffeeautomatenherstellers vorgehen zu dürfen.
Zur Stunde ist ist noch nicht bekannt, welches Landgericht diese hanebüchene eV durchgewinkt hat, aber ich habe da so eine Theorie ...
Eine derzeit nur als „urs1798“ bekannte Künstlerin hat den Dresdner Bilderstreit um die entblößte Oberbürgermeisterin illustriert und die Einschränkung der Kunstfreiheit beklagt, wobei es natürlich alles „Banausen“ seien, welche die deftige Bloßstellung der Politikerin nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt sehen.
Auch das streitbare politische Weblog Mein-Parteibuch.com schießt eine Tirade gegen die Kunstbanausen und angebliche Prüderie ab, kommt aber nicht auf die Idee, zu thematisieren, dass jeder Mensch – ob Kind, Straftäter oder Politiker – Persönlichkeitsrechte hat. Wenn ich mir ansehe, wie gewissen Boulevard-Medien die Persönlichkeit ihrer Opfer ausbeuten, finde ich schon, dass Persönlichkeitsrechte eine grundsätzliche Berechtigung haben. Jeder Mensch hat Anspruch auf ein Minimum an Menschenwürde und Respekt um seiner selbst Willen. Das sollte man vielleicht wenigstens erwähnen, wenn man seine Gegner derart derbe angreift.
Mit der lapidaren Formulierung,
XY „erklärte, dem Dresdner Künstlerbund werde möglichst umgehend die städtische Förderung gestrichen, wenn das entartete Bild nicht aus der Ausstellung entfernt werde.
werden nationalsozialistische Gesinnung und staatliche Zensur mit dem privatrechtlichen Anspruch einzelner Personen auf ein Minimum an Achtung der Privat- und Intimsphäre gleichgesetzt. Das ist ganz großer Scheiß. Denn der Respekt von Persönlichkeitsrechten und dessen zivilrechtliche Einklagbarkeit ist etwas völlig anderes als staatliche Zensur und im Gegensatz zu totalitären Systemen ein ethischer Fortschritt. Eine andere Frage ist lediglich, inwieweit Persönlichkeitsrechte missbraucht werden können.
Ob sich da ein paar Kunstfetischisten die Sache nicht ein bisschen zu einfach machen? Man kann sich über die Grenzen streiten, ab wann das Persönlichkeitsrecht die Kunstfreiheit überwiegt oder umgekehrt. Aber einen pauschalen Vorrang der Kunstfreiheit gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht halte ich nicht für überzeugend. Jeder soll sich mal vorstellen seine Mutter oder seine Tochter würde so dargestellt.
Und nochmal: Wenn es um die Feststellung geht, ob ein Mensch in seiner Persönlichkeit verletzt wurde, ist es nahezu unerheblich, ob große Kunst oder Volkshochschule-Pinselei vorliegt. Hier von „Ignoranz“ zu sprechen, ist angesichts des Ignorierens bzw. Ablehnens von Persönlichkeitsrechten schon sehr billig.
Kurz vor seinem Bergfest scheinen dem Blogger der 100 Tage seine Ideen auszugehen. Neulich bat er um Leservorschläge, in denen verschiedentlich ein Interview mit dem Kollegen E. gewünscht wurde. Diekmann ließ sich dazu herab, den schon in der Ankündigung durchschaubaren Gag mit einem Namensvetter aufzutragen, wie es seinerzeit die Mogelcom mit Manfred Krug vorgemacht hatte. Allerdings sprach Diekmann in seiner lauen Satire vom „einzigartigen“ E., dieses im Kontext zum nachgefragten Anwaltsinterview.
Dass auch durch gezielt eingesetzte Namensvetter, Doppelgänger und Doubles Persönlichkeitsrecht nicht ausgehebelt werden kann, ist ein alter Hut.
Die medienrechtlich interessante Frage lautete: Wird Anwalt E. dem Aufmerksamkeitsökonomen Diekmann den Gefallen tun, um ihm mit einer Abmahnung wieder PR zu verschaffen? Sich also als vermeintlich humorlos outen, obwohl er selbst Satiren gegen Diekmann vertritt? Oder wird er ihn mit der Höchststrafe im Mediengewerbe strafen: Mit Nichtbeachtung.
Meine Wette, dass E. sich aus Prinzip nicht seine Persönlichkeitsrechte streitig machen lässt, konnte ich nicht verlieren: Heute bereicherte Diekmann sein Blog mit dem Hinweis auf eine erneute Abmahnung.
UPDATE:
Einen Realitäts-Check bzgl. Diekmanns Verhältnis zu Satire und Identitätsklau liefert der andere BILD-Blogger Stefan Niggemeier. Da hatte Diekmann wegen einer Petitesse in Sachen Recht am eigenen BILD seinen Anwalt von der Kette gelassen.
Während die konventionelle Rechtsfähigkeit eines Menschen mit dem Ende primärer biologischer Funktionen aufhört, lebt das Persönlichkeitsrecht noch eine Weile weiter, um wie ein Vampir aus dem Grabe heraus den Lebenden das Leben schwer zu machen. Das scheint sogar einem 1960 verstorbenem NS-Arzt zu gelingen.
Ein Enkel, der seinen Großvater nie gesehen hat, möchte dessen Ehre gewahrt sehen und geht gegen den Filmemacher und Autor eines Buches vor, den Verstorbenen als „Fachmann der Vernichtung“ etc. bezeichnet hat. Der Tote beansprucht gegenüber dem Historiker die Unschuldsvermutung, wobei er sich auf ein Gerichtsurteil stützt, in dem er als Mitläufer eingestuft worden sei. Das Problem ist, dass sich damals NS-Täter gegenseitig zu entlasten pflegten und erstaunlich viele hochbelastete Figuren ungeschoren davon kamen.
Das Deutschlandradio hatte ein Interview mit dem Konzernkritiker Jürgen Grässlin über einen Herr Piëch oder so und dessen Autoladen geführt. Das hatte dem wiederum nicht gefallen und er ließ verbieten. Sowas macht man üblicherweise beim Landgericht Hamburg, denn dazu ist es da. Wie bereits berichtet, tendierte das Hanseatische OLG Hamburg unter dem Eindruck der ebenfalls von Grässlin nicht unwesentlich geprägten jüngeren Rechtsprechung des BGH zur Vernunft. So berichtet das Deutschlandradio heute:
Piëch störte sich unter anderem an der Aussage, er habe immer seinen Großvater Ferdinand Porsche überholen und „berühmter werden“ wollen. Auch die Aussage Grässlins, Piëch wolle „sicherlich mächtigster Mann in Europa werden“, wertete das Landgericht Hamburg als unzutreffende „innere Tatsachenbehauptung“.
Dagegen entschied das Oberlandesgericht, bei diesen beiden Aussagen handele es sich nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um zulässige Meinungsäußerungen.
Na also, geht doch.
Dann aber schwächelt das OLG und erlegt dem Deutschlandradio die Verbreiterhaftung für Grässlins Äußerung über die Personalpolitik auf:
So hatte Grässlin auch behauptet, Piëch sei „der deutsche Meister im Entlassen von Vorständen“ und habe „mehr als 30, 35 Vorstände“ auf dem Gewissen. Das Gericht entschied, hier greife die sogenannte Verbreiterhaftung, wonach Medien für unzutreffende Aussagen ihrer Interviewpartner haften, wenn „keine ausreichende Distanzierung“ vorliege.
Die Entscheidungen betreffen nur das einstweilige Verfügungsverfahren. Der ganz Spaß wird die Hamburger demnächst also nochmal im Hauptsacheverfahren beschäftigen.
Herr Tenenbaum wurde für seine Liebe und Freigiebigkeit betreffend urheberrechtlich geschützter Inhalte von einem amerikanischen Gericht zum Schadensersatz von 675.000 US-Dollar verdonnert.
Der Regisseur Fathi Akin wehrt sich gegen Plagiatsvorwürfe des Autors Alexander Wallasch, der seinen Entwurf im neuen Akin-Film „Soul Kitchen“ wiedererkennt. So etwas will man sich ja nicht nachsagen lassen, so dass ein einstweilige Verfügung vonnöten war, um dem Autor das Maul zu verbieten.