Zum Inhalt springen


Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


25. Mai 2009

FAZ: Die Pressefreiheit schwindet

Zum 60-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes konnte man allerhand Lobeshymnen vernehmen. Die FAZ hingegen hat ein bisschen genauer hingesehen:

Auch die seriöse Berichterstattung ist spürbar schwerer geworden. Wo die Grenzen für eine an sich durchaus erlaubte Berichterstattung verlaufen, wenn beispielsweise Behörden gegen namhafte Zeitgenossen wegen des Verdachts auf eine Straftat ermitteln, kann seither kein Presserechtler und kein Verlagsjustitiar mehr auch nur annähernd vorhersagen. Obwohl Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof oft genug unterstrichen haben, dass Unschuldsvermutung, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre nicht in jedem Fall einer ausgewogenen Wahrnehmung der Chronistenpflicht entgegenstehen.

Sogar mir neu ist diese Praxis:

Mancher Mandant soll Presseanwälten seine Vollmacht sogar erst erteilt haben, nachdem diese bereits zugeschlagen haben – eine Form kalter Akquise, die in anderen Branchen als unlauterer Wettbewerb eingestuft würde.

Nicht laut genug kann man den zum Missbrauch einladenden „fliegenden Gerichtsstand“ beklagen:

Was ebenfalls maßgeblich zur Verwilderung der Sitten beiträgt, ist eine Besonderheit der deutschen Zivilprozessordnung: der „fliegende Gerichtsstand“. Wer Medien auf Unterlassung verklagen will (für das Begehren einer Gegendarstellung gilt das hingegen nicht), kann sich seinen Richter fast beliebig aussuchen. So kommt es, dass „Personen der Zeitgeschichte“, wie es im Presserecht heißt, besonders gern vor jenen ein oder zwei Landgerichten in der Bundesrepublik prozessieren, die als besonders „prominentenfreundlich“ gelten. Dabei garantiert das Grundgesetz den „gesetzlichen Richter“: Nur nach objektiven und vorab festgelegten allgemeinen Kriterien darf entschieden werden, wer jeweils dazu berufen ist, ein Urteil zu fällen. Darauf sollten doch verklagte Medien gleichfalls einen Anspruch haben.

Und ebenfalls mit Recht kritisiert FAZ-Autor Joachim Jahn das seltsame Ansinnen, via Persönlichkeitsrecht das Gedächtnis der Welt löschen zu wollen:

Mittlerweile sind überdies Zeitungsarchive, die jeder Bürger gegen eine Gebühr über das Internet nutzen kann, in die Zwickmühle geraten. Inhaftierte Straftäter (besonders gerne übrigens Mörder) ziehen serienweise vor den Kadi – ebenfalls wieder vertreten von einschlägigen Anwaltskanzleien – und fordern im Interesse ihrer „Resozialisierung“ die Löschung ihrer Namen. Aus Artikeln wohlgemerkt, die einst tatsächlich erschienen sind und deren Richtigkeit unumstritten ist.

Es ist an der Zeit, dass sich die Presse der absurden Zustände an den Pressekammern bewußt wird und die offensiv anprangert – bevor der nächste Krieg mit einer Lüge legitimiert wird, der nächste Blogger aufgrund anwaltlicher Winkelzüge im Knast landet oder kleine Verlage in den Ruin getrieben werden. Eine Zensur findet nämlich statt – täglich in Form der Selbstzensur.

Schlagwörter: ,
16. April 2009

Verbotener, als die Polizei erlaubt: BILD soll nicht berichten dürfen, was Polizei und Staatsanwaltschaft berichten

Die BILD-Zeitung ist mal wieder sauer, weil sie beim Verwerten der Persönlichkeit und des Leides von Promis durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin behindert wird. Nachdem BILD über eine Erkrankung einer Sängerin sowie deren Inhaftierung wegen Verdachts auf schuldhafte Ansteckung Dritter („Köperverletzung“) berichtet hatte, hat diese einen mit BILD nicht unerfahrenen Medienanwalt in Stellung gebracht.

BILD beruft sich auf die Pressefreiheit und führt an, dass die Meldung bereits durch die Staatsanwaltschaft und die Polizei unter Nennung des Namens, der Krankheit und des Tatvorwurfs bereits verbreitet worden sei. Bei offiziellen Pressemeldungen von Behörden ist deren Verbreitung normalerweise privilegiert, d.h. Journalisten dürfen sich auf den Wahrheitsgehalt verlassen und die Meldung ungeprüft übernehmen.

Das Landgericht Berlin hat sich allerdings der Meinung des Anwalts angeschlossen, die Staatsanwaltschaft hätte die Persönlichkeitsrechte nicht hinreichend beachtet und sich daher nicht in der genannten Weise verbreiten dürfen. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass die Staatsanwaltschaft vor ihrer Meldung auf die Problematik anwaltlich hingewiesen worden war, sich also sehenden Auges zur Verbreitung entschlossen hatte. Nach gegenwärtiger Rechtsprechung im Persönlichkeitsrecht spricht vieles dafür, dass die Staatsanwaltschaft tatsächlich die Persönlichkeitsrechte auch von Prominenten im vorliegenden Falle hätte höher gewichten müssen als das Berichtsinteresse.

Während der Medienrechtler nicht schnell genug seinen Star vor der Öffentlichkeit zu schützen suchte, scheint es der Strafverteidiger nicht ganz so eilig zu haben. Hierzu kommentiert der Kollege Udo Vetter in seinem Lawblog.

Andere Medien wie etwa die Süddeutsche scheinen den Fall verbreiten zu dürfen. Andere Springerblätter – deren Verlag Adressat des Verbots ist – dürfen offenbar indirekt weiterberichten, nämlich über das Verbot. Derartiges hatte übrigens genau der hier aktive Medienanwalt kürzlich einem Blogger verboten.

Schlagwörter: ,