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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


29. September 2010

David Schraven macht künftig „Post von Wagner“

Der Ruhrbarone-Blogger und Möchtegern-Leyendecker David Schraven war mir schon mehrfach als pöbelnder Zeitgenosse aufgefallen. Als Enthüllungsjournalist ist man allerdings nur unwesentlich mehr wert als seine Informanten, die einem Vertrauen schenken, weil man ihnen ein Sprachrohr gibt. Man ist ein besserer Briefkasten, selten mehr. Natürliche Bedrohung dieser gefühlten Position des Alpha-Journalisten ist WikiLeaks, die den Job ungleich effizienter machten.

Heute nun beleidigt Schraven die Leser mit einer unterirdischen Story in „Der Westen“ über WikiLeaks-Aussteiger Daniel „Schmitt“ Domscheit-Berg. Eigentlich nicht einmal über ihn, sondern über dessen Frau. Der Möchtegern-Leyendecker hat nämlich spitz gekriegt, dass Domscheit-Berg verheiratet ist, was unter professionellen Journalisten eigentlich als Privatleben gilt und von keiner journalistischen Relevanz ist. Eine solche könnte man mit Fussnägelrollen noch konstruieren, weil sich die politisch interessierte Frau per Twitter usw. positiv über WikiLeaks geäußert hat, was allerdings nicht wirklich ein Thema ist.

Nun hat Jahrhundert-Journalist Schraven jedoch „recherchiert“, dass die Frau des Ex-WikiLeakers für ein weltbekanntes Softwarehaus arbeitet und dort mit PR befasst ist. Und da Schraven noch immer nicht der großen Coup für seine Leyendecker-Karriere zugeflogen ist, saugt er sich den heute aus den Fingern und beginnt eine Karriere als Verschwörungstheoretiker:

Fördert [Firma] WikiLeaks?

Die Frage ist, ob eine [Firma]-Lobbyistin auf diese Weise WikiLeaks öffentlich unterstützen kann? Hat sie eventuell sogar noch mehr gemacht? Ist sie etwa im Auftrag von [Firma] eine der heimlichen Unterstützerinnen im Hintergrund von WikiLeaks?

Meine Fresse … Dass sich selbst ein Schraven noch unter sein Niveau begeben kann und „Post von Wagner“ zu unterbieten versucht, also ne, wirklich …

Was der Super-Journalist NICHT schreibt: Beide hatten ihre Berufe bzw. Positionen schon sehr lange, bevor sie einander per Zufall kennenlernten.

Kompa an Schraven:

  • Auch die Frau eines WikiLeakers darf privat Twittern und von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen. Es gibt keinen Anlass, ihren Arbeitgeber oder ihr Arbeitsverhältnis in Misskredit zu bringen.
  • Behauptungen in Frageform sind presserechtlich trotzdem Behauptungen, für die man ggf. Beweis erbringen muss. Auch für Verdachtsberichterstattung gibt es gewisse Regeln.
  • Die WikiLeaker sind Kollegen von Journalisten, die euch kostenlos zuarbeiten. Gewisse Dinge tut man einfach nicht.

Die Firma, die Schraven gnädigerweise befragte, blieb locker: Privatsache ist Privatsache, soziales Engagement von Mitarbeitern wird sogar geschätzt. Warum Schraven zur Hetzjagd aufruft und hirnrissige Verschwörungstheorien ausgibt, muss man nicht verstehen.

UPDATE: Schraven ist offenbar nicht mehr bei den Ruhrbaronen.

15. September 2010

BILD-lesende Schöffin lässt Prozess platzen

Hatte die BILD-Zeitung diese Woche mit einer Philippika gegen die sexualisierten Show-Stars gewettert, die unsere Kinder verderbten, so besann sich das Blatt nunmehr wieder auf seine Qualitäten und offerierte heute links oben die in Berufskleidung gewandete Lady Gaga, also ob nichts gewesen sei.

Doch nunmehr griff die BILD-Zeitung auch in einen ernsthaften Prozess am Landgericht Darmstadt ein, denn sie hielt es für eine gute Idee, nicht unkenntlich gemachte Fotos der Angeklagten zu veröffentlichen. Als der Anwalt diesen Pranger tadelte, meinte eine Laienrichterin:

„Wo sind wir denn?“, fragte daraufhin die Schöffin. Sie fuhr fort: „In einem Pädophilenprozess. Die haben Straftaten begangen.“

Oups. Anders als in der Presse bildet man sich im Gerichtssaal (hoffentlich) erst am Ende des Prozesses eine Meinung.

Ich persönlich habe nie verstanden, wieso man noch immer Laienrichter mit der Strafrechtspflege betraut, zumal sich der Vorsitzende Berufsrichter praktisch immer durchsetzt. Aber ich will mich nicht beschweren: mir ist es einmal gelungen, ein Schöffengericht zu einem so milden Urteil zu bewegen, das ich aus juristischer Sicht nie für möglich gehalten hätte. Das war allerdings wirklich mehr Glück als Verstand.

23. August 2010

Markwort verhindert Ribéry-Rportage

Helmut Markwort ist nicht dafür bekannt, sich um Pressefreiheit sonderlich verdient gemacht zu haben:

Mit seiner schließlich in Karlsruhe gescheiterten Klage gegen die Saarbrücker Zeitung wegen eines Irrtums eines Interviewpartners hatte er einen nicht zu entschuldigenden Tiefpunkt gesetzt. Als das Satiremagazin Titanic den Slogan „Fakten, Fakten, Fakten“ durch ein weniger schickliches Wort mit „F“ ersetzte, hatte Markwort nichts besseres zu tun, als die Anwälte von der Kette zu lassen.

Nun wurde bekannt, dass Markwort eigenhändig einen Bericht zur Ribéry-Afäre vom Band genommen hat – der Publizist steht dessen Verein FC Bayern allerdings etwas sehr nahe, wie die Süddeutsche berichtet.

Der Münchner Journalist sieht dem Franzosen selbst an jedem Wochenende beim Dribbeln zu – von der Ehrentribüne aus. Markwort ist seit vielen Jahren Mitglied im Verwaltungsrat des FC Bayern und seit 2003 im Aufsichtsrat  des Vereins. Bei Heimspielen sitzt er auf der Tribüne der Arena in Fröttmaning, zu den Auswärtsspielen begleitet er die Mannschaft zu und sitzt nach Partien mit den Akteuren beim Bankett.

Ich hatte kürzlich mal einen FOCUS in der Hand gehabt. Im Inhaltsverzeichnis war ein Foto des anscheinend genesenen Fidel Castro, versehen mit dem Kommentar, Castro möchte weiter sein Volk unterdrücken. Wenn das die Fakten sind, die FOCUS primär zu dem Mann einfallen, können sie ihre Fakten behalten.

21. August 2010

„kontraste“ macht Kriegspropaganda

Seit ich angefangen hatte, mich systematisch mit politischer Medienmanipulation und der Qualität unserer angeblich „unabhängigen“ Medien zu befassen, hatte ich vom TV mangels Zuverlässigkeit als Informationsmedium Abstand genommen. Aufgrund dieser Abstinenz werden mir Beiträge wie neulich der von „kontraste“ erspart, der hier auf „fernsehkritik.tv“ analysiert wird.

Man muss sich langsam wirklich fragen, ob wir gebührenfinanzierten Rundfunk tatsächlich brauchen, wenn solch dümmliche Propaganda die redaktionelle Abnahme schafft. „kontraste“ (SFB/RBB) hält Krieg offenbar für gut, die Darstellung von Krieg hingegen für schlecht. Da stellen die an WikiLEaks allen ernstes die Frage, warum man nicht über die Verbrechen der Taliban berichtet. Nun ja: WikiLeaks ist spezialisiert auf die Veröffentlichung von Dokumenten, kein AgitProp. Die würden selbstverständlich auch Taliban-Dateien hochladen, falls es welche gibt.

Seit dem Afghanistan-Leak wurden ca. 100 Afghanen durch das Militär getötet. Dass jemand durch den Afghanistan-Leak getötet wurde, ist nicht bekannt. Die Verbrechen der Taliban, über die berichtet wurde, wurden trotz der Anwesenheit des Militärs begangen und haben mit den Leaks nichts zu tun. Die Koalitionstruppen sind auch nicht nach Afghanistan gekommen, um sich für Frauenrechte usw. einzusetzen.

@kontraste: Hab ihr sie noch alle?

Berichtet doch mal lieber über eure Interviewpartnerin Elke Hoff, die gegenüber dem Bundestag nicht angemeldet hatte, dass sie einen Sitz im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) hatte! Rüstungslobbyisten als Experten im Qualitätsfernsehen – was für eine Scheiße.

20. August 2010

FAZ: Constanze Kurz über Zensur gegen Blogger

Die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie fasst Constanze Kurz, Pressesprecherin des Chaos Computer Clubs, anhand der Duisburger Gängelei in der FAZ zusammen:

Wenn die Zensur reichlich alt aussieht

Heute haben die Kollegen Udo Vetter und Dominik Boecker bekannt gegeben, dass sie mit der Abwehr gegen das u.a. auf Urheberrecht gestützte Zensurbegehren beauftragt wurden.

Mal gespannt, wie sich die Duisburger Politfuzzies als nächstes blamieren.

18. August 2010

Thailand blockiert WikiLeaks

Wie schön die Zukunft mit Internetsperren werden wird, demonstriert gerade Thailand, wo man dem Volk politische Geheimnisse nicht zumuten will. Nachdem der Duisburger OB Sauerland inzwischen ja die inländischen Sperren hochgefahren hat, weil unliebsame Dokumente im Netz kursieren, dürfte klar sein, was hierzulande Politiker machen würden, wenn sie könnten: Die Internetsperren nutzen, die man über das Vehikel KiPo den Wählern untergejubelt hat.

Duisburg lässt Gutachten in Blog löschen

Die Stadt Duisburg, die mit dem wahrheitsliebenden Bürgermeister, hat Bloggern durch das Landgericht Köln das Veröffentlichen eines geleakten Gutachtens zur Loveparade-Katastrophe untersagen lassen.

Das Landgericht Köln hält das Gutachten für eine persönlich geistige Schöpfung und macht Urheberrecht fruchtbar. Bei 300 Seiten scheint das wohl vertretbar. Eine interessante Frage ist, warum man nach Köln ging, denn Duisburg hätte doch „näher“ gelegen. Nun ja: Bei Leaks haben die Kölner sich einen gewissen Ruf erworben.

Ich hatte in der Kölner Pressekammer mal erlebt, dass die einer gemailten Löschungsaufforderung, die aus zwei Sätzen bestand, Urheberrechtsqualität beigemessen hatte. Als ich denen ob diesen groben Unfugs die Augen geöffnet hatte, kam der Vorsitzenden eine neue Idee: das Briefgeheimnis! Eine Information, die aufgeschrieben ist, scheint in Köln automatisch ein von Dritten zu wahrendes Geheimnis zu sein. Das entsprechende Urteil, in dem man sich dann auch mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht behalf, wurde natürlich nie rechtskräftig.

Nun gut, lieber Oberbürgermeister! Sein Sie bitte nicht böse, wenn das Ding bei WikiLeaks auftaucht! Manche werden das Internet hat nie begreifen …

13. August 2010

Landgericht Hamburg verweigert Ex-Kanzler Richtigstellung wegen angeblichen Käßmann-Beifahrens

Hamburg verboten

Die Hamburger Morgenpost hatte über den Fall eines sympathischen Hamburger Anwalts berichtet, dem das Landgericht Hamburg die Blog-Behauptung untersagt hatte, ein ehemaliger Bundeskanzler habe eine ehemalige Päpstin oder so ähnlich bei einer Trunkenheitsfahrt begleitet. Der Bericht über das Dementi des Ex-Kanzlers war diesem zu viel und er klagte. Der Ex-Kanzler, der die Hamburger Pressekammer schon früher wegen Haarspaltereien behelligte, wollte den Abdruck einer redaktionellen Richtigstellung erreichen.

Unstreitig war zwischen den Parteien, dass der Ex-Kanzler nicht bei der Fahrt anwesend gewesen sei. Den Anspruch auf redaktionelle Richtigstellung lehnte der für seine Weisheit bekannte Vorsitzende mit der Begründung ab, die Berichterstattung enthalte keine ansehensmindernden Elemente von erheblichem Gewicht. Rumms!

Anders als für den Anspruch auf redaktionelle Richtigstellung werden für den Unterlassungsanspruch solche Elemente allerdings nur im Ausnahmefall benötigt. Nicht bekannt ist, was aus dem Fall des Hamburger Anwalts wurde, dem einstweilig noch ein Berichtsverbot auferlegt wurde.

Sollte für die Hamburger Richter der Eindruck entstanden sein, der hiesige Blogbetreiber wolle sich die Behauptung über die Anwesenheit des Ex-Kanzlers im Pkw der heiligen Frau zu Eigen machen, so distanziert sich der Blogbetreiber rein vorsorglich. Er hat hierzu keine Meinung und teilt die des Hamburger Kollegen nur im Ausnahmefall.

UPDATE: Der Hamburger Kollege hat seine Behauptung inzwischen längst zurückgenommen. Also bleibt die spannende Frage nach Käßmanns geheimnisvollen Begleiter offen. Hatte Kachelmann eigentlich schon ein Alibi?

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12. August 2010

„Ballack ist ein Schuft!“

Das meint zumindest BUNTE-Chefin Patricia Riekel. Wer sich für das geheimnisvolle Privatleben des Herrn Ballack interessiert, dem sei die heutige BILD oder BILD-online empfohlen, wo man sich in Andeutungen ergeht. Auch im FOCUS werden Boulevard-Leser bedient.

BUNTE und FOCUS gehören übrigens zum BURDA-Verlag, dem gerade Spekulationen zum beruflichen Karriereende von Ballack verboten worden waren. Daher ist man natürlich vorsichtig mit Spekulationen zu Ballacks Karriere in Herzensangelegenheiten. Da aber in Hamburg auch die Mitteilung wahrer Tatsachen verboten wird, wenn hierdurch ein unerwünschter Eindruck erweckt werden könnte, bewegt sich Frau Riekel auf gefährlichem Terrain.

Wie nach Auffassung des Landgerichts Hamburg künftig kommuniziert werden darf, ist Spekulation. Sicherheitshalber distanziere ich mich von Frau Riekels Äußerungen, sowohl hinsichtlich der Tatsachen, als auch der Schmähung als „Schuft“.

10. August 2010

Landgericht Hamburg: Prognose über Ballacks Karriere verboten

Hamburg verboten

Die Meinung der Super-Illu, die Karriere von Ballack sei mit der Verletzung beendet, wurde nun vom Landgericht Hamburg verboten. Eine einstweilige Verfügung gegen Burda (Offenburg bzw. München) mit dem Streitwert von 20.000,- Euro wurde am Dienstag bestätigt. Denn die Meinung sei eine Tatsachenbehauptung.

Damit hat das Landgericht Hamburg einen weiteren Rubikon überschritten, denn bislang galten wertende Äußerungen über künftige (Nicht-)Entwicklungen als von der Meinungs- und Pressefreiheit geschützt. Nunmehr müssen sich geäußerte Einschätzungen wie Tatsachenbehauptungen an Wahrheitsgehalt und Beweislast messen lassen. Wie Meinungen über Tatsachen (über was sonst?) in Hamburg definiert werden, ist schwierig zu prognosdizieren. Bei der Googlesuche nach „Ballack“ und „Karriereende“ werden 236.000 Ergebnisse angezeigt – also viel zu tun für die Anwälte!

Was kommt als nächstes? Wird man die Prognose, dass Buske eine Prognose verbieten will, als zu beweisende Tatsachenbehauptung einstufen und präventiv verbieten? Gegenwärtig hat das Landgericht Hamburg in einem anderen Fall eine unstreitig wahre Gerichtsberichterstattung verboten, weil jemand auf die (unstreitige) Existenz von Zeugenaussagen hingewiesen hatte, die eine Äußerung bestätigten, die (ohne Beweisaufnahme) einstweilig verboten worden war.

Wird demnächst dann auch die Einschätzung verboten, dass diese Entscheidung nicht in den oberen Instanzen bestätigt werden wird? Muss Kachelmann demnächst wieder einrücken, wenn er Prognosen über das Wetter macht?

Und was sind das für Fußballer, die nichts Besseres zu tun haben, als solch hirnverbrannte Prozesse zu führen? Die Anwaltskanzlei und der verbietende Richter waren die gleichen, welche die Meinungsäußerung verboten hatten, Gerhard Schröder färbe sich die Haare, weil diese (nie durch Beweis widerlegte) Einschätzung eine Tatsachenbehauptung sei. Der Karriere Schröders hatte die Farce eher nichts genutzt. Ob es bei Ballack Karriere helfen wird, ist eine Prognose, die sich nur betuchte Verlage leisten sollten.