29. November 2013
Nach der gestrigen Panorama-Doku zum „Geheimen Krieg“ war Prof. Werner Weidenfeld (ehem. Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit) in der Talkshow „Beckmann“ zu Gast. Dabei erzählte er ab Minute 21, dass die (US-)Amerikaner die besten Freunde seien, solange man mit ihnen Konsens habe. Bei Abweichen bei zweitrangigen Fragen kommen Vorwürfe der Undankbarkeit. Aber wenn man in einer ernsten Frage unterschiedlicher Meinung sei, käme sofort das Geheimdienstmaterial auf den Tisch, das Deutschland belaste.
Mit anderen Worten: Die Informationen, welche die US-Dienste vorgeblich gegen „Terroristen“ sammelt, werden zur Erpressung deutscher Entscheidungsträger eingesetzt. Nur, falls sich irgendwer wundert, warum unsere Politiker zu NSA, CIA und JSOC so gastfreundlich sind.
27. November 2013
Der Bayrische Rundfunk hat sich das Verdienst erworben, die unfassbar anmaßenden Forderungen der im EU-Hinterzimmer geplanten Freihandels-Abkommens zu dokumentieren, die neulich geleakt wurden. Besonders krass sind die geplanten Schiedsgerichte, die eine neue Praxis der Staatshaftung gegenüber unverschämten Konzernen vorsehen. Unbedingt lesen sollte man auch diesen Beitrag von Le Monde diplomatique. Alle mir bekannten Experten gehen übrigens davon aus, dass der Nutzen dieses Abkommens vor allem bei den USA liegen wird, während die europäischen Verbraucher weiter das Niveau ihrer Ernährungskultur abbauen sollen. Die ersten, welche die geplanten Sauereien im Netz visualisierten, waren vor zwei Wochen übrigens die Leute von der AG Netzpolitik der Piraten:
UPDATE: Zeitpunkt verpasst: Die große Koalition hat es bereits abgenickt.
24. November 2013
Zum 50.Jahrestag des Kennedy-Mords machten die öffentlich-rechtlichen Sender eine vergleichsweise gute Figur. Über das, was Print- und Online-Medien geboten haben, möchte ich lieber höflich schweigen.
Das ZDF bot eine durchaus interessante Doku über Kennedys Frauen-Affären, die durchaus politisch von Interesse sind, da er sich hiedurch in mehrfacher Hinsicht erpressbar machte, etwa Unterweltgestalten und Schlapphüten Kompromat frei Haus lieferte und sich bei FBI-Chef Hoover gewissermaßen verschuldete. Die patriotische Presse ließ sich damals allerdings überwiegend staatstragend einschüchtern. Erstaunlicherweise hat das ZDF die meines Erachtens bemerkenswerteste Kennedy-Freundin übersehen: Mary Pinchot Meyer, die den ursprünglich Kalten Krieger zu einem Friedensapostel machen wollte – und das möglicherweise auch geschafft hat.
Das Desinteresse der Medien an Mary Meyer ist erstaunlich, denn sie dürfte eine der bemerkenswertesten Feministinnen überhaupt gewesen sein. Wie Kennedy wurde sie durch Kopfschuss niedergestreckt.
Was hätte Kennedy wohl dazu gesagt, wenn er sehen müsste, wie sein Nachfolger mit Militär und Geheimdiensten ebenfalls wie Heckenschützen Menschen auf offener Straße liquidieren, nämlich mit Drohnen?
Eine „Smoking Gun“ zum Kennedy-Mord kann natürlich heute niemand mehr liefern. Mich würde es allerdings nicht überraschen, wenn sein vorzeitiges Ableben mit dem „Nuclear Gun“ zusammenhinge. Da hatte ein General LeMay fast zwei Jahrzehnte damit zugebracht, einen atomaren Angriffskrieg auf die Sowjetunion zu organisieren, und dann kommt so ein krankes Millionärssöhnchen daher, nimmt der Luftwaffe den Zugriff auf die Bombe weg und will die dann auch noch ganz abschaffen? Das geht ja mal gar nicht …
17. November 2013
https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=-mk0fOavKxw
Vor fünf Jahren hatte ich auf TELEPOLIS hierzulande praktisch als erster die sowjetische Kriegsangst von 1983 dargestellt. Deutsche Historiker hatten das Thema bis dahin ausgelassen, obwohl die BBC bereits 2007 eine Doku gesendet hatte. Erfreulicherweise bot 2011 das ZDF eine aufwändig gemachte Darstellung „1983 – Welt am Abgrund“.
Doch ausgerechnet Cowboy Ronald Reagan, dessen unfassbare Verantwortungslosigkeit damals die Menschheit ohne jede Not an den Rand eines ggf. wegen Fehlalarms ausgelösten Atomkriegs geführt hätte, wurde in der ZDF-Doku zum Helden des Dramas gemacht. Die CIA habe vor der Kriegsangst der Russen gewarnt und Reagan von der NATO-Übung ABLE ARCHER abgezogen, die man im Kreml für die Vorbereitung eines Überraschungsangriffs gehalten habe. Um die Russen zu beruhigen habe man ihn auf seine Ranch gebracht und idyllische TV-Bilder gesendet. So einer, der macht doch jetzt keinen Krieg …
Dieses doch etwas dick aufgetragene Heldengemälde des politisch als konservativ geltenden ZDF lässt sich allerdings nicht mit der dieses Jahr nochmals angewachsenen Aktenlage in Einklang bringen. Meine Fragen an das ZDF, auf welche Quellenlage sich diese Darstellung stützt, wollte man dort nicht beantworten. Zutreffend ist wohl einzig die aus dem Tagebuch stammende Information, dass Reagan nach der Vorführung von „The Day After“ erstmals ein Licht aufgegangen ist, dass ein Atomkrieg auch für den „Sieger“ vielleicht nicht so toll wäre.
Den 30. Jahrestag von ABLE ARCHER haben nur wenige Medien gewürdigt. Daher habe ich heute auf TELEPOLIS den Stand der Forschung zusammengefasst. Für uns Deutsche ist interessant, dass London und Washington ihre NATO-Partner hereingelegt haben. Gegner war mehr oder weniger die Deutsche Friedensbewegung.
Entgegen der ZDF-Darstellung wurde Stanislaw Petrow übrigens nicht bestraft.
Programmhinweis:
Für die Freunde des Kalten Kriegs lese ich kommenden Sonntag, den 24.11.2013, 16.00 Uhr, aus meinem eBook COLD WAR LEAKS im café arte, Königsstr. 43, Münster.
15. November 2013
Jeremy Hammond, der Anonymous-Hacktivist Millionen an E-Mails des privaten US-Geheimdienstes Strategic Forecasting (Stratfor) an WikiLeaks geliefert hatte, wurde zu einer Haftstrafe von 10 Jahren verurteilt.
Die eigentliche Widerwärtigkeit der Sache besteht darin, dass Hammond von einem Lockspitzel des FBI geführt wurde, der ihn ans Messer lieferte. Ein anderer bekannter Hacktivist, Aaron Swartz, hatte in ähnlicher Situation im Januar Suizid verübt.
Solange nicht die Verbrecher ins Gefängnis müssen, sondern diejenigen, die Verbrechen aufdecken, läuft irgendwas gewaltig schief.
Zum Stratfor Leak:
13. November 2013
Auf ZEIT ONLINE berichtet „Lady Hekate“ über ihren Einstieg in das horizontale Gewerbe, das mit den Unzulänglichkeiten von Hartz IV zusammenhing. Ihr unkonventioneller Nebenerwerb wurde ihr jedoch eines Tages von der Lokalpresse unter die Nase gerieben. So hatte ein Denunziant ihre Internetseite einem Schmierfink gewissenhaften Enthüllungsjournalisten geliefert und deanonymisiert. Als die aufgrund ihres Engagements in der Öffentlichkeit stehende Frau aus Scham die Identität abstritt, brachte das Blatt die voyeuristische Boulevardstory gesellschaftspolitisch wertvolle Information, denn es hat ja einen Riesennachrichtenwert, dass entsprechende Anbieter auch ein bürgerliches Leben führen, in dem sie für sich und ihre Familie den üblichen Respekt beanspruchen natürlich nicht belassen werden dürfen.
Was tut jemand, der aus dem Hinterhalt attackiert und mit etwas konfrontiert wird, das er zwar gern tut, aber nicht unbedingt an die große Glocke gehängt haben will?
Der Gang zum Anwalt wäre nicht die schlechteste Idee gewesen. Zwar hatte die Redaktion dann den bürgerlichen Namen nicht genannt, sondern nur ihren „Künstlernamen“, aber offensichtlich war sie erkennbar gewesen, so dass sie einen Großteil ihrer sozialen Existenz aufgeben musste. Sie hätte sich in dem Falle sogar präventiv wehren können.
Grundsätzlich hat man aber einen Anspruch auf Anonymität, sprich: nicht identifizierende Berichterstattung. Die nachvollziehbare Annahme einer Erkennbarkeit im Bekanntenkreis kann bereits ausreichen, um eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu begründen, wenn man unfreiwillig in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Wenn eine Redaktion trotzdem eine solche Schmuddelstory bringen möchte, dann müsste sie ein überwiegendes Berichtsinteresse der Öffentlichkeit geltend machen können. Bei 400.000 Prostituierten in Deutschland hält sich der Nachrichtenwert, dass das jemand als Nebenjob horizontal anbietet, in überschaubaren Grenzen. Ich habe sogar von Rechtsreferendarinnen gehört, die entsprechend anboten.
Die Betroffene hatte übrigens als Beisitzerin im Journalistenverband fungiert, bis sie denen nicht mehr fein genug war. Die Frau war also mehr oder weniger sogar eine Kollegin des Schreibers, der sie in die Pfanne haute. Ich finde da die andere Branche der Frau weitaus anständiger.
6. November 2013
Elmar Theveßen, Geheimdienstexperte und stellvertretender Chefredaktuer des ZDF, hatte mich dieses Jahr eigentlich positiv beeindruckt. So war er diesen Sommer für seine sehenswerte Doku „World Wide War“ über Prism & Co eigens zu uns zur OHM in die Niederlande gereist. In Talkshows machte er zur NSA eine kompetente Figur.
Doch seit heute Abend hat Theveßen mit einer provokanten Aufforderung an Snowden Kritik auf sich gezogen. So erkennt er ihm Nobelpreis ab, verweigert ihm Asyl und verlangt vor allem, Snowden möge nicht mehr scheibchenweise leaken, sondern alle Dokumente ins Netz stellen und fertig.
Die Forderung Theveßens, alles auf einmal ins Internet zu stellen, erinnert jedoch genau an den Fehler, den WikiLeaks seinerzeit gemacht hatte. Das undosierte Leaken hatte zwei fatale Effekte:
1. Etliche wichtige Geschichten wurden im Windschatten „beerdigt“. Die Medien berichteten ausgiebig über die Boulevardstorys, wie sich die US-Diplomaten über die internationalen Politiker lustig machten.
2. Weil alle Medien plötzlich alle Daten hatte, machte es für Medien keinen Sinn, in eine vertiefte Recherche zu einzelnen Themen zu investieren. Denn wenn man es nicht exklusiv hat, muss man damit rechnen, dass ein Mitbewerber mit der Story einen Tag vorher rauskommt, also Zeit und Geld in den Sand setzt.
Hätte Snowden die Dokumente im Juni alles auf einmal platzen lassen, wäre das Thema nach einem Monat durch gewesen, und wir würden uns heute über andere Tagespolitik unterhalten. So ähnlich hatten es sich ja auch Pofalla & Co. vorgestellt, die ja schon den Skandal für beendet erklärt hatten.
Es gäbe übrigens noch jemanden, der alles auf den Tisch legen könnte: Die NSA. Daher wäre es doch ungleich cooler, die Aufforderung nicht an den mutigen Whistleblower, sondern an die NSA zu richten.
Was aber übel aufstößt, ist der negative Spin, den Theveßen gegen die Person von Snowden dreht. Das Timing ist insoweit erstaunlich, als dass sich diese Woche auch die BILD-Zeitung für die NSA positionierte und auf der Klaviatur des Terrorismus spielte. Das ist für einen öffentlich-rechtlichen Journalisten keine angemessene Gesellschaft.
By the way: Auf den unfassbar platten BILD-Artikel hatte ich mit dieser sarkastischen Parodie geantwortet.
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21:26 •
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1. November 2013
Ein Watchblogger, der ein grundsätzlich inspiriertes, aber letztlich dann doch tendenziöses Blog über die Piratenpartei veröffentlichte, lässt diesen seltsamen Text (wohl) über mich verbreiten, mit dem er mich offensichtlich in Misskredit bringen möchte: (more…)
6. September 2013
https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=o7XrAZFCrao
Für heute hatte ich eigentlich wenigstens von der ZEIT erwartet, dass sie auf den 50. Jahrestag eines ihrer wichtigsten – und erstaunlich aktuellen – Artikels hinweist. Damals hatte die ZEIT mit ihren Enthüllungen die Abhöraffäre in Gang und den Innenminister Hermann Höcherl in Bedrängnis gebracht. Der wiegelte ab wie Pofalla:
„Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.“
Einen Tag vor der „Freiheit statt Angst“-Demo hätte ein Hinweis auf diesen Enthüllungsartikel gut gepasst.
Alles muss man selber machen.
Jedes Jahr treffen sich in Pamplona etliche Vollidioten, um andere Vollidioten zu beeindrucken.
Dieses Bullenrennen war möglicherweise Namensgeber für das NSA-Programm Bullrun, dessen Gefährlichkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Indem wir unsere IT-Infrastruktur mit Produkten aufgebaut haben, die Schadcode der NSA enthalten, haben wir uns wie die Vollidioten in Pamplona selbst in Gefahr gebracht.
Es wird nun langsam Zeit, dem Silicon Valley Lebewohl zu sagen und alternative IT-Umgebungen aufzubauen. Der europäische Stier ist mir lieber als der Bullrun. Dass unsere Politiker weder die Brisanz des Themas noch die Chance für den IT-Standort Europa erkennen, sondern vor angeblichem Antimarikanismus warnen, ist mir unbegreiflich. Was muss eigentlich noch passieren?
UPDATE: Namensgeber dürfte eher die Schlacht am Bull Run im US-Bürgerkrieg gewesen. Der Krieg gegen die eigenen Bürger hat in den USA ja Tradition …