Die Kulturnation Frankreich drohte sich mit einem von der Lobby aufgedrückten Gesetz lächerlich zu machen, in dem gegen Filesharing durch Sperrungen und offensiven Einsatz von Strafen vorgegangen werden sollte. Nun haben die französischen Verfasssungsrichter diesen kulturellen Rückschritt gekippt. Das im Mai verabschiedete Gesetz verstoße gegen die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Das Gericht meint, die darin enthaltene Kommunikationsfreiheit umfasse auch die Freiheit des Zugangs zum Internet.
Man darf gespannt sein, ob die Franzosen sich die derzeit von der Regierung geplanten Sperrwünsche der französischen Zensursula bieten lassen werde. Vive la révolution!
Auch beim Mautsystem hieß es ursprünglich, es sei rein zu Verkehrszwecken gedacht. Inwzischen forderte Schäuble ja ganz offen, das System auch zur polizeilichen Überwachung zu nutzen, wozu es ganz offensichtlich ausgestattet und wohl auch konstruiert wurde. Unter Hinweis auf die Erfahrung mit den Kollegen mit Verfassungsschutz und BND möchte man kaum die Hand dafür ins Feuer legen, dass die Nachrichtendienste das System nicht schon längst nutzen …
Ein Sänger bekam von der Hamburger Pressekammer 40.000,- Euro Geldersatz („Schadensersatz“, „Schmerzensgeld“) zugesprochen, weil man Nacktfotos vom FKK-Urlaub geschossen und verwertet hatte. Nach Auffassung der Beklagten seinen die dramatischen Stellen jedoch unkenntlich gemacht.
Der Fall selbst ist nicht neu, denn einer bekannten Autorin und dann einem Spitzenpolitiker war bereits ähnliches widerfahren.
Geld gibt es in solchen Paparazzi-Fällen aber nur dann, wenn von einer „schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung“ ausgegangen werden muss. Hier ist das Landgericht Hamburg sehr großzügig, wird aber häufig von BGH und Bundesverfassungsgericht wieder aufgehoben. Ist den Hamburger Richtern allerdings egal.
Maßgeblich war vorliegend, dass die Fotos in „örtlicher Abgeschiedenheit“ entstanden waren. Im Urteil heißt es:
Die streitgegenständlichen Fotos greifen in die Intimsphäre des Klägers ein. Sie stellen ihn vollständig unbekleidet dar. Trotz gewandelter Moralanschauung liegt bei einer ungerechtfertigten Verbreitung von Aufnahmen des unbekleideten Körpers in aller Regel ein Eingriff von erheblichem Gewicht vor (vgl. Soehring, Presserecht, 2. Auflage 1995, Rz. 32.21). Der Umstand, dass ihm von der Beklagten in der Zeitschriftveröffentlichung über Teile seines Schambereichs ein Laubblatt aufgezeichnet worden ist, vermag dies nicht maßgeblich zu ändern. Für den Betrachter ist zu erkennen, dass der Kläger unbekleidet ist. Der Kläger steht erkennbar entblößt dar. Dieser Eindruck wird durch die Textberichterstattung noch verstärkt, in der es in Bezug auf den Kläger heißt: (more…)
Vor knapp zwei Jahren erschien auf Telepolis mein Beitrag „Der Gerichtsreporter und die Kammer des Schreckens“, mit dem ich versuchte, eine breite Öffentlichkeit für die aberwitzigen Zustände im gegenwärtigen Presse- und Medienrecht zu sensibilisieren. Zum Missbrauch einladender Schwachsinn wie der „fliegende Gerichtsstand“, unverhältnismäßige Tendenz zum Persönlichkeitsrechtsschutz zulasten der Meinungs- und Pressefreiheit, schmutzige Tricks zum Erzielen einer einstweiligen Verfügung usw. sollten für Nichtjuristen halbwegs unterhaltsam dargestellt werden.
Nun bin ich sicherlich nicht der erste Fachkritiker der Hamburger Zustände, wohl aber einer der lautesten. Steter Tropfen hölt den Stein. Auch andere Medien haben inzwischen die Demutshaltung aufgegeben und thematisieren offensiv den kulturellen Rückschritt des Landgerichts Hamburg.
Neulich brachte ZAPP einen sehenswerten Beitrag über meinen gelegentlichen Arbeitsplatz, wo man viele bekannte Gesichter sieht. (Natürlich nie das von Richter Buske, da wird er sich zu wehren wissen.) Auch dieser Beitrag ist manipuliert, denn weder in Hamburg, noch in Berlin sind die Pressekammern so ansehnlich möbliert. In Hamburg sieht es eher aus, wie einem Schulsaal. In Berlin gibt es für die Parteien nicht einmal Tische und Stühle, vielmehr wird Stehvermögen verlangt – kein Witz!
Kaum ist man einmal ein paar Wochen weg, schon wetteifert die Szene der Zensurwünschenden um den Preis für die hirnrissigste Leistung auf dem Gebiet des Medienrechts:
Beim Landgericht Waldshut-Tingen hatte eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen einen Stadtrat wegen einer angeblichen Äußerung erlassen, die anscheinend gar nicht gefallen war. Vielleicht wird sich das ja mit „Stolpe“ irgendwie hinbiegen lassen …
Das Landgericht Hamburg ist immer schnell dabei, wenn jemand im Medienrecht etwas verbieten will. So wollte denn auch die Telekom anderen den Gebrauch der Marke „Gelbe Seiten“ verbieten lassen. Doch das OLG Hamburg drehte den Spieß um: Jetzt muss die Wortmarke „Gelbe Seiten“ gelöscht werden.
Die FDP-„Politikerin“ Sylvana Koch-Mehrin – oder wie sie die BILD nennt: „schöne EU-Politikerin“ – forderte über den FDP-Niebel und ihre Anwälte beim SWR Hofberichterstattung ein und war gegen die Ruhrbarone vorgegangen. Selbst meinen Freunden vom Landgericht Hamburg war das zu blöd.
Gegen die Ausstrahlung einer bereits abgedrehten RTL-Sendung beantragten irgendwelche freundlichen Menschen eine einstweilige Verfügung, weil man die Kunder schützen müsse, oder so. Vergeblich. Hier ein FAZ-Kommentar von Stefan Niggemeier.
Ach ja: Die No Angels-Sängerin hät nicht mehr an ihrer Absicht fest, der BILD-Zeitung Kumnmer zu machen. Hier spricht der Kollege Schertz höchstpersönlich.
Zu den derzeit peinlichsten Versuchen der Medienmanipulation gehört der Internetfilter „JusProg“.
Nachdem mein Kumpel vom Denkfabrikblog.de „standard gesperrt“ wurde, hat es jetzt auch mein Hausblatt Telepolis erwischt. Die Nachdenkseiten werden großzügig als „individuell gesperrt“, ebenso das Lawblog und vieles mehr, was mit Pornographie nichts zu tun hat.
Wer steckt hinter dem JusProg? Ausgerechnet er Bundesverband Erotikhandel e.V. und Bild.de – zwei an Verlässlichkeit und Seriosität schwer zuüberbietende gesellschaftliche Kräfte.
Liebe JusProgger, ich möchte bitte auch standard gesperrt werden! Sonst verliere ich doch gegenüber dem denkfabrikblog mein Gesicht!
Ach übrigens … Die Zeitung, die täglich mit einem Tittenbild nebst dümmlichen Kommentar aufmacht und um keine Geschmacklosigkeit verlegen ist, wird so bewertet:
Die Seite bild.de wird von uns für unbedenklich gehalten.
Zum 60-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes konnte man allerhand Lobeshymnen vernehmen. Die FAZ hingegen hat ein bisschen genauer hingesehen:
Auch die seriöse Berichterstattung ist spürbar schwerer geworden. Wo die Grenzen für eine an sich durchaus erlaubte Berichterstattung verlaufen, wenn beispielsweise Behörden gegen namhafte Zeitgenossen wegen des Verdachts auf eine Straftat ermitteln, kann seither kein Presserechtler und kein Verlagsjustitiar mehr auch nur annähernd vorhersagen. Obwohl Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof oft genug unterstrichen haben, dass Unschuldsvermutung, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre nicht in jedem Fall einer ausgewogenen Wahrnehmung der Chronistenpflicht entgegenstehen.
Sogar mir neu ist diese Praxis:
Mancher Mandant soll Presseanwälten seine Vollmacht sogar erst erteilt haben, nachdem diese bereits zugeschlagen haben – eine Form kalter Akquise, die in anderen Branchen als unlauterer Wettbewerb eingestuft würde.
Nicht laut genug kann man den zum Missbrauch einladenden „fliegenden Gerichtsstand“ beklagen:
Was ebenfalls maßgeblich zur Verwilderung der Sitten beiträgt, ist eine Besonderheit der deutschen Zivilprozessordnung: der „fliegende Gerichtsstand“. Wer Medien auf Unterlassung verklagen will (für das Begehren einer Gegendarstellung gilt das hingegen nicht), kann sich seinen Richter fast beliebig aussuchen. So kommt es, dass „Personen der Zeitgeschichte“, wie es im Presserecht heißt, besonders gern vor jenen ein oder zwei Landgerichten in der Bundesrepublik prozessieren, die als besonders „prominentenfreundlich“ gelten. Dabei garantiert das Grundgesetz den „gesetzlichen Richter“: Nur nach objektiven und vorab festgelegten allgemeinen Kriterien darf entschieden werden, wer jeweils dazu berufen ist, ein Urteil zu fällen. Darauf sollten doch verklagte Medien gleichfalls einen Anspruch haben.
Und ebenfalls mit Recht kritisiert FAZ-Autor Joachim Jahn das seltsame Ansinnen, via Persönlichkeitsrecht das Gedächtnis der Welt löschen zu wollen:
Mittlerweile sind überdies Zeitungsarchive, die jeder Bürger gegen eine Gebühr über das Internet nutzen kann, in die Zwickmühle geraten. Inhaftierte Straftäter (besonders gerne übrigens Mörder) ziehen serienweise vor den Kadi – ebenfalls wieder vertreten von einschlägigen Anwaltskanzleien – und fordern im Interesse ihrer „Resozialisierung“ die Löschung ihrer Namen. Aus Artikeln wohlgemerkt, die einst tatsächlich erschienen sind und deren Richtigkeit unumstritten ist.
Es ist an der Zeit, dass sich die Presse der absurden Zustände an den Pressekammern bewußt wird und die offensiv anprangert – bevor der nächste Krieg mit einer Lüge legitimiert wird, der nächste Blogger aufgrund anwaltlicher Winkelzüge im Knast landet oder kleine Verlage in den Ruin getrieben werden. Eine Zensur findet nämlich statt – täglich in Form der Selbstzensur.
Als sich Mitte der 90er Jahre das Internet als Massenmedium durchsetzte, bekamen es viele mit der Angst zu tun:
Was würde passieren, wenn die klassischen Medien ihren Status als Gatekeeper verlieren? Würden die Journalisten und Redakteure Ihren Anspruch auf Meinungsführerschaft einbüßen? Würden die Massen merken, dass sie Mumpitz konsumieren, die Medien nicht wirklich unabhängig sind, möglicherweise durch aufgeklärte Menschen sogar eine soziale Revolution ausbrechen? Wie sollte man die Bevölkerung weiter belügen, wenn ein jeder eine Website mit aufklärerischem Gedankengut verbreiten könne?
Sofort erhob sich ein Chor an Bedenkenträgern, die vor der Verbreitung von allerlei bösen Dingen warnen: Bombenbauanleitungen, Nazi-Propaganda, Kinderpornographie, Snuff-Movies … 10 Jahre später steht fest: Weder das eine, noch das andere trat ein. Die Internet-vernetzten Massen blieben genauso dumm, wie sie es schon immer waren, und die an die Internet-Wand gemalten Schreckensszenarien traten so, wie man es uns prognosdiziert hatte, nicht ein. Nach den Inhalten, die Frau von der Leyen angeblich so sehr fürchtet, sucht man im normalen Internet vergeblich.
Indem man nun Hand an die Provider anlegt und die Strukturen etabliert, um Verbindungen ins in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit tolerantere Ausland zu kappen, trägt man ein gutes Jahrzehnt an Kommunikationskultur mündiger Individuen zu Grabe.
Halten wir uns also wieder an die Massenmedien. Alles, was hierzu zu kommentieren wäre, überlassen ich Georg Schramm im oben verlinkten Video.
Wer hierzulande die Medien zensieren will, tut dies am elegantesten durch Stimulation vorauseilenden Gehorsams, etwa durch wirtschaftliche oder politische Verflechtungen mit dem Medienbetrieb. Notfalls – etwa bei nicht in am Tropf der medialen Verwertungskette hängenden Bloggern – bemüht man willfährige Gerichten wie dem Landgericht Hamburg, dass der Pressefreiheit nur noch einen marginalen Stellenwert beizumessen scheint.
Andernorts bedient man sich dem Primitivsten zur Einschüchterung: Gewalt und Mord. Den Wenigsten dürfte präsent sein, dass wir heute den von den Vereinten Nationen ausgerufenen Tag der Pressefreiheit begehen.
Der Österreicher Europa-Abgeordnete Hans-Peter Martin ist ein unbequemer Geist, der aneckt: Der vormalige SPIEGEL-Journalist, Greenpeace-Aktivist und Enthüllungsbuchautor in Sachen Pharma-Industrie und Österreicher Politik wurde selbst Zielscheibe mancher Anschuldigung, welche dieser als Kampagne wertet. Wenn eine Botschaft nicht bekämpft werden kann, dann muss man halt deren Überbringer mundtot machen.
Nun möchte der ehemalige Bundeskanzler der Alpenrepublik, Alfred Gusenbauer, gegen einige Behauptungen in Martins neuem Buch „Die Europafalle“ juristisch vorgehen. So erhielt der Piper-Verlag eine Abmahnung, der nun ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung folgt. Was genau Herr Gusenbauer nicht in der Öffentlichkeit sehen möchte, ist derzeit noch nicht bekannt.
Martin nutzt seine von Gusenbauer geschenkte PR-Chance und veranstaltet am Montag eine Pressekonferenz, für die er ein neckisches Wortspiel verwendet: „H.P. Martin schwärzt sein Buch wegen den Roten“