Das Wochenende habe ich 50 Jahre in der Vergangenheit verbracht. Inzwischen wurde nämlich ein streng geheimer Plan aus der Nixon-Ära freigegeben, mit dem ultrarechte Einflüsterer im Weißen Haus Oppositionelle wie etwa die Schwarzen-Bewegung unter Kontrolle bringen wollten. Federführend war ein rechter Polititaktivist Tom Huston, der den Geheimdiensten verfassungswidrige Methoden unterjubeln wollte, welche sie teils allerdings so ähnlich ohnehin schon praktizierten. Hier kann man ihn bei der Anhörung zur
Die ultrarechten Strategen in Washington glaubten damals an ausländische Einflüsse aus dem Ausland, die das politische Klima in der 1970ern anheizten, obwohl es wohl eher der US-Rassismus und der Vietnamkrieg waren, welche die Leute auf die Straße brachten. Auch heute noch erzählt man uns ganz gerne, das für hausgemachte Probleme ausländische Desinformationskapmpagnen schuld seien.
Ebenfalls heute tagte für drei Stunden das parlamentarische Kontrollgremium öffentlich. Unsere drei Geheimdienstchefs machen einen ungleich besseren Eindruck als die Kollegen in der Nixon-Ära. Einen breiten Raum nahmen darin die Zustände auch im Kommando Spezialkräfte ein. Die sind auch ein Thema in meinem neuen Roman, und bei vielem, was ich vorhin heute, sehe ich mich in meiner Einschätzung bestätigt. „Innere Unsicherheit“ erscheint am 06. Juli, hier gibt es eine Leseprobe.
Diesen Mittwoch wird in Hamburg die grüne Landesvorsitzende Anna Gallina als neue Justizsenatorin vereidigt. Die 36jähre Nichtjuristin wird dann als Leiterin der Justizbehörde Hamburg die Gerichte, die Staatsanwaltschaft und den Strafvollzug unter sich haben – sowie die Behörden für Datenschutz und Korruptionsbekämpfung.
Die fachfremde Berufspolitikerin führt dann die Aufsicht über Tausende Juristen, die eine anspruchsvolle Ausbildung mit zwei Staatsexamina insbesondere in methodischer Hinsicht absolviert haben. Juristen lernen das qualifizierte Bemühen um Objektivität durch Techniken wie Unschuldsvermutung, Anhören beider Seiten, Beweislehre und professionellen Umgang mit Interessenkonflikten (z.B. Befangenheit). Ob ausgerechnet Frau Gallina zu derartigem in der Lage wäre, erscheint anhand der nachfolgenden Arbeitsproben zweifelhaft.
In der oben verlinkten Rede sprach sich die Politikerin außerdem gegen Hass im Netz, Hetze gegen Andersdenkende und Rassismus aus. Damit könnte sie bei ihrem eigenen Umfeld anfangen.
Der Reihe nach:
Im Januar 2019 hatte Frau Gallinas damaliger Lebensgefährte Herr Dr. Michael Osterburg beim Aufstellungsparteitag für den Hamburger Bezirk Mitte überraschend schwach abgeschnitten. (Das Verfehlen seines innerparteilichen Wahlziels beendete offenbar andere Verfehlungen, denn gegen den vormaligen Fraktionsgeschäftsführer Herrn Osterburg ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue. Im Skat liegen 67.000,- €.)
Für seine Wahlniederlage machte Herr Osterburg neueingetretene Grüne verantwortlich. Das Hamburger Abendblatt schrieb:
Mobilmachung gegen Osterburg?
Dabei dürfte Osterburg auf parteiinterne Querelen anspielen. So scheiterte der Grüne im Wahlkreis Hamm in der vergangenen Woche bei der Kandidatur um Platz 2 für die Wahlen zur Bezirksversammlung mit 17:8 Stimmen. Dem Vernehmen nach soll es zahlreiche Neueintritte bei den Grünen in Mitte gegeben haben. Das hatten offensichtlich „Parteifreunde“ organisiert, die wenig Sympathie für Osterburg hegen.
Von diesen Neumitgliedern hatten viele einen Migrationshintergrund. Einen von ihnen hatte Osterburg sogar „befragt“, warum er „abgewählt“ woden sei, schrieb Die WELT.
Für die Dauer des Wahlkampfs waren diese Kandidaten den Grünen gut genug für das Werben um das Vertrauen von türkisch- und afghanischstämmigen Wählern – in Hamburg ein beträchtliches Potential. Doch nach der Wahl wurden sie von UnbekanntIn abserviert.
Inquisition
Ein/e UnbekanntIn schwärzte zwei Wahlkämpfer gegenüber den Hamburger Grünen mit haltlosen Gerüchten und konstruierten Vorwürfen an, um sie als vermeintliche Islamisten erscheinen zu lassen.
Einem Bezirksvertreter mit türkischen Wurzeln wurden islamistische Äußerungen in den Mund gelegt, obwohl er sogar deren Gegenteil gesagt hatte, und man warf ihm die Mitgliedschaft in einer (harmlosen) islamischen Studentenvereinigung vor – was bei einem Islamwissenschaftler allerdings nichts Ungewöhnliches ist. Einem Bezirksvertreter mit afghanischen Wurzeln warf man vor, dass dieser vor Jahren auf Facebook dreimal Spenden iHv 15,- € an eine islamische Hilfsorganisation kommuniziert hatte. Ihm war damals unbekannt, dass westliche Geheimdienste dieser die Unterstützung von Islamisten nachsagten (ohne eine solche jemals zu beweisen).
Die Parteispitze zitierte autoritär die beiden Grünen per unverschlüsselter (!) E-Mail wegen dieser nicht einmal halbgaren Vorwürfe binnen 10 Stunden (!) zum persönlichen Rapport (!). Der eine befand sich jedoch bei einer Beerdigung in der Türkei, wo man für islamkritische E-Mails ins Gefängnis kommen kann. Der andere bat vergeblich um zwei Stunden Aufschub, da er außerhalb Hamburgs arbeitstätig war. Eine Antwort bekam er nie.
Rufmord
Tags drauf waren beide ruiniert. Ein/e UnbekanntIn mit offenbar exzellenten Medienverbindungen und wenig Achtung vor Persönlichkeitsrechten und Datenschutz hatte diese Räuberpistolen an die Presse durchgestochen. Eine Boulevardzeitung wähnte daraufhin auf Seite 1 eine neue Hamburger Terrorzelle, die wohlfeile Hysterie fand bundesweiten Niederschlag.
Die beiden politisch unerfahrenen jungen Männer traf diese Hexenjagd unvorbereitet. Über Nacht verloren sie ihren Arbeitsplatz und ihre soziale Existenz, politisch wurden sie isoliert, einer erlitt ein Magengeschwür. Kein potentieller Arbeitgeber, der googlen kann, gibt ihnen eine Chance. Dass dieser Rufmord auch Familienmitglieder traf, versteht sich von selbst.
Zu keinem Zeitpunkt stellte sich die Parteichefin Frau Gallina schützend vor ihre (tatsächlich unbescholtenen) Parteifreunde oder forderte die Achtung vor der Unschuldsvermutung. Im Gegenteil beteiligte sich die Parteiführung an diesem Mobbing sogar aktiv, denn beide wurden ohne jede Klärung der offensichtlich haltlosen Vorwürfe von der Fraktionsgründung ausgeschlossen. Gegen den/die unbekannte/n VerleumderIn ermittelte Frau Gallina jedoch nicht, obwohl es sich hierbei eindeutig um parteischädigendes Verhalten handelte.
Ihren Interessenkonflikt, nämlich die Partnerschaft mit dem schlechten Wahlverlierer Herrn Osterburg, hatte Frau Gallina nicht offen gelegt oder einen Anlass gesehen, die Iquisition in unbefangene Hände zu legen.
„Im Zweifel gegen die Angeklagten“
Die angehende Justizsenatorin hielt von Unschuldsvermutung nicht allzu viel. Ohne die Angeschwärzten auch nur anzuhören, verkündete die Parteichefin öffentlich „begründete Zweifel“, ob sich die beiden in vollem Umfang zum Grundgesetz und unseren Grundwerten bekennen. Für eine Zusammenarbeit müssten die „Vorwürfe“ vollständig ausgeräumt werden. Wörtlich zitierte sie der NDR:
„Wir zeigen immer klare Kante gegen Rechts und geben auch sonst niemandem einen Rabatt aufs Grundgesetz.“
Kein Staatsanwalt und kein Richter dürfte sich derart vorverurteilend äußern, auch die Pressekammer des Landgerichts Hamburg versteht keinen Spaß bei einseitiger Verdachtsberichterstattung, wenn den Betroffenen keine zumutbare Gelegenheit zur Stellungsnahme geboten wurde.
Der unprofessionelle Umgang mit den schwerwiegenden Anschuldigungen fiel auch der seriösen Presse auf. Die ZEIT titelte sogar Im Zweifel gegen die Angeklagten.
Das fragwürdige Verfahren stieß vier weiteren Bezirksverordneten übel auf. Entsprechend dem Grünen Grundkonsens („Unsere Politik beruht auf Einmischung und Solidarität mit den Betroffenen und richtet sich gegen Gleichgültigkeit und Ignoranz.“) erklärten sie sich mit den beiden solidarisch. Eine weitere, eine Anwältin mit Migrationshintergrund, gab ihr Mandat gleich ganz zurück.
Die Hamburger Grünen bestraften jedoch solche Unbotmäßigkeit und schlossen auch die vier solidarischen Bezirksvertreter von der Fraktionsgründung aus. Als die insgesamt sechs ausgeschlossenen Bezirksvertreter daraufhin die Wählerinteressen notgedrungen in einer eigenen Fraktion vertreten wollten, wurde deren alternativlose Reaktion als parteischädigendes Verhalten gegeißelt. Die Parteispitze forderte nun alle unter Androhung von Parteiordnungsmitteln zum Parteiaustritt auf – darunter zur Hälfte Frauen, insoweit wahrte man/frau die Quote.
Während Frau Gallina viel Zeit darauf verwendete, ihr antrünniges Parteivolk zu disziplinieren und rauszumobben, ist hier nicht bekannt, dass sie gegen den/die unbekannte/n BüchsenspannerIn ermittelte, auch nicht, dass sie diese/n nicht kennen würde.
Wegen parteienrechtlicher Verfahren erteilten mir zunächst fünf der Bezirksverordneten damals ein Mandat. Der Grünen-Vorstand bat zu einem Gespräch, dem wir jedoch nur unter der Bedingung zustimmten, dass es konstruktiv zur Ausräumung von Missverständnissen und Differenzen dienen sollte, nicht aber zu einem Tribunal. Entgegen entsprechender Zusicherung wurde allerdings deutlich erkennbar, dass es einzig um die Vorbereitung von Parteiausschlussverfahren ging, die längst beschlossene Sache waren.
Was mich am meisten faszinierte, war die Bereitschaft des restlichen Grünen-Vorstands zum Mitläufertum, die ich bei den Grünen eher nicht erwartet hätte. Auch dieses Duckmäusertum wird gerade mit Pöstchenvergabe belohnt.
Grüne Unregelmäßigkeiten
Die bittere Ironie ist, dass es im Gegenteil ausgerechnet Parteichefin Frau Gallina war, die nicht nur eklatant gegen rechtsstaatliche Standards verstieß, sondern auch explizit gegen die Grünen Regeln Hamburg. Daher konterten meine inzwischen sechs Mandantinnen und Mandanten mit eigenen Anträgen auf Verhängung von Parteiordnungsmitteln gegen drei Grüne:
U.a. Frau Gallina verletzte den Grünen Grundkonsens, wie er am 16./17. Januar 1993 in Hannover beschlossen wurde und seit 14. Mai 1993 in Kraft ist:
Frau Gallina verletzte den Grundkonsens 1.1 (6), da die vorverurteilende Hexenjagd nicht mit dem dort proklamierten Demokratieprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip in Einklang zu bringen ist.
Frau Gallina verletzte den Grundkonsens 1.1 (9) und (10), da die religiöse Diskriminierung nicht mit den dort proklamierten Menschenrechten auf Religion (Artikel 2 Abs. 1 und Artikel UN-Menschenrechtskonvention) vereinbar ist.
Frau Gallina nahm die Religiosität der Antragsteller zu 1) und 2) zum Anlass, um gegen diese mindestens indirekt zu hetzen.
Ferner ist auch die Unschuldsvermutung in Art. 11 ein Menschenrecht, dem Frau Gallina keine Bedeutung beimaß.
Frau Gallina verletzte den Grundkonsens 2 (54), (60) und (61), da sie ihre politische Macht missbrauchte und sich unsachlich verhielt. Die Religion von Bezirksvertretern rechtfertigt keine öffentlichen Zweifel an deren Verfassungstreue oder absurde Verschwörungstheorien. Der Zugang zu Medienvertretern durch Parteifunktionäre läßt einen verantwortungsvollen Umgang vermissen.
Frau Gallina verletzte den Grundkonsens 3 (64), da sie die innerorganisatorischen Abläufe intransparent gehalten und den Minderheitenschutz nicht beachtet hat.
Die angehende Justizsenatorin hatte es also in erstaunlichem Maße an Empathie und Sensibilität fehlen lassen.
Verbrannte Erde
Sämtliche Verfahren erledigten sich jedoch, nachdem meine Mandantinnen und Mandanten infolge ausbleibender Solidarität der Hamburger Grünen angewidert zur SPD übertraten, die nunmehr im Hamburger Bezirk Mitte stärkste Kraft ist. Frau Gallina hat mit ihrer kurzsichtigen Taktik erstaunlich viel Porzellan zerschlagen und bei der Wählerschaft mit Migrationshintergrund verbrannte Erde hinterlassen.
Aufgrund des Greta-Hypes konnten die Grünen ausbleibende Stimmen verprellter Wähler kompensieren. Die ökologischen Wahlversprechen allerdings haben sich die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen weitgehend heraus verhandeln lassen, trotz des nahezu verdoppelten Wahlergebnisses. Statt ökologischer Sachpolitik hat man stattdessen einen zusätzlichen Senatorenposten erwirtschaftet, der im Ergebnis nun Frau Gallina zugute kommt. Alles richtig gemacht!
Mitläufer Cem Özdemir
Inzwischen hatte sich auch der grüne Berufspolitiker Cem Özdemir in die Hexenjagd gegen meine Mandanten verstricken lassen – die für und mit ihm persönlich Wahlkampf gemacht hatten. In einer in türkischer Sprache erscheinenden Online-Zeitung ordnete er sie Islamisten zu. Im ausführlichen O-Ton-Interview konnte man die unwahre Behauptung lesen, meine Mandanten hätten sich nach der Wahl anders als vorher geäußert.
Vor Gericht ließ Herr Özdemir behaupten, das Interview sei in deutscher Sprache geführt und nicht mitgeschnitten und autorisiert worden, es müsse sich um einen Übersetzungsfehler handeln. Warum der türkische Journalist mit dem türkisch sprechenden Herrn Özdemir für ein in türkischer Sprache erschienenes Interview deutsch gesprochen haben sollte und wie er in der Lage gewesen sein könnte, das sehr lange Interview ohne Aufzeichnung wörtlich wiederzugeben, bleibt hier rätselhaft.
Außerdem trug Herr Özdemirs Anwalt vor, ihm hätten zwei Hamburger Grüne aus erster Hand bestätigt, dass sich einer meiner Mandanten bei der Aufstellungsversammlung wie von Herrn Özdemir unterstellt geäußert hätten (was ja dann allerdings vor der Wahl gewesen wäre …). Mit wem der Anwalt gesprochen hatte, wollte er nicht verraten, aber es wäre wohl unprofessionell, wenn er ausgerechnet die Hamburger Parteispitze übergangen hätte.
Was Herr Özdemir tatsächlich gesagt haben will und warum er gegen das angeblich falsch übersetzte Interview nicht vorgeht, wird er demnächst vor dem Landgericht Hamburg erklären müssen.
Strafanzeige
Gegen Frau Gallina und zwei weitere Grüne hatte ich am 04.11.2019 im Auftrag meiner Mandanten Strafanzeige wegen des Verdachts auf Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung sowie Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens erstattet. Den naheliegenden Verdacht, dass die Karrierepolitikerin selbst hinter dieser Intrige stehen könnte, vermochte Frau Gallina auch nach einem halben Jahr nicht auszuräumen.
Die von uns befasste Staatsanwaltschaft ermittelt also gegen eine Person, die nunmehr deren übergeordnete Behörde leiten will, was selbst die taz als „pikant“ bewertete. Wie ernst man ein Justizprüfungsamt nehmen soll, dessen Chefin nicht einmal zur Prüfung zugelassen würde, ist unerfindlich.
An der Hamburger Juristenspitze steht ab Mittwoch keine Spitzenjuristin, sondern eine opportunistische Selbstoptimiererin, die sich nicht scheut, Ressentiments gegen Menschen mit Migrationshintergrund politisch einzusetzen. Weder in der Justiz und schon gar nicht bei den Grünen sollte derartiges salonfähig sein.
Der Bundesgerichtshof kassiert das Verbot der Afghanistan-Leaks
Nach einem über sieben Jahre währenden Stellungskrieg hat ein Zeitungsverlag den Angriff der Urheberrechtskompanie zurückgeschlagen. Die Bundeswehr hatte sich dagegen gewehrt, dass für die Unterrichtung des Parlaments verfasste Berichte über den Afghanistan-Einsatz, die an einen Zeitungsverlag geleakt worden waren, im internet geleakt wurden. Da Geheimhaltungsvorschriften nicht greifen konnten und das Material ohnehin inzwischen bei Wikileaks lag, versuchte es die Truppe mit dem eigentlich nicht für die Kriegskunst, sondern für die schönen Künste geschaffenen Urheberrecht.
Was bisher geschah:
Die Künstler-Kompanie – Bundeswehr kämpft ab sofort mit Wunderwaffe Urheberrecht, 27.07.2013
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr den Leak nach dem Ausflug an die europäische Front wieder zugunsten der Pressefreiheit erlaubt. Es könne offenbleiben, ob die für die für die Unterrichtung des Parlaments geschaffenen Berichte urheberrechtlich als Schriftwerke geschützt sind. Der Verlag hat durch die Veröffentlichung der diese jedenfalls ein daran bestehendes Urheberrecht nicht widerrechtlich verletzt. Zu seinen Gunsten greift vielmehr die Schutzschranke der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) ein.
Eine Berichterstattung im Sinne dieser Bestimmung liegt vor. Das OLG Köln hatte bei seiner abweichenden Annahme, es habe keine journalistische Auseinandersetzung mit den einzelnen Inhalten der jeweiligen Bundeswehr-Berichten stattgefunden, nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Verlag diese nicht nur auf ihrer Website veröffentlicht, sondern sie auch mit einem Einleitungstext, weiterführenden Links und einer Einladung zur interaktiven Partizipation versehen und in systematisierter Form präsentiert hat.
Die Berichterstattung hat auch ein Tagesereignis zum Gegenstand. Sie betrifft die Frage, ob die jahrelange und andauernde öffentliche Darstellung des auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Texte auf der Internetseite der Beklagten noch stattfindenden und damit aktuellen, im Auftrag des deutschen Bundestages erfolgenden Einsatzes der deutschen Soldaten in Afghanistan als Friedensmission zutrifft oder ob in diesem Einsatz entgegen der öffentlichen Darstellung eine Beteiligung an einem Krieg zu sehen ist.
Die Berichterstattung hat zudem nicht den durch den Zweck gebotenen Umfang überschritten. Nach der Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG, deren Umsetzung § 50 UrhG dient und die bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung zu beachten ist, darf die fragliche Nutzung des Werks nur erfolgen, wenn die Berichterstattung über Tagesereignisse verhältnismäßig ist, das heißt mit Blick auf den Zweck der Schutzschranke, der Achtung der Grundfreiheiten des Rechts auf Meinungsfreiheit und auf Pressefreiheit, den Anforderungen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) entspricht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es für die Frage, ob bei der Auslegung und Anwendung unionsrechtlich bestimmten innerstaatlichen Rechts die Grundrechte des Grundgesetzes oder die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union maßgeblich sind, grundsätzlich darauf an, ob dieses Recht unionsrechtlich vollständig vereinheitlicht ist (dann sind in aller Regel nicht die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich) oder ob dieses Recht unionsrechtlich nicht vollständig determiniert ist (dann gilt primär der Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes). Im letztgenannten Fall greift die Vermutung, dass das Schutzniveau der Charta der Grundrechte der Europäischen Union durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitgewährleistet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13, GRUR 2020, 74 Rn. 71 – Recht auf Vergessen I). Da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Art. 5 Abs. 3 Buchst. c Fall 2 der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen ist, dass er keine Maßnahme zur vollständigen Harmonisierung der Reichweite der in ihm aufgeführten Ausnahmen oder Beschränkungen darstellt, ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Anwendung des § 50 UrhG danach anhand des Maßstabs der Grundrechte des deutschen Grundgesetzes vorzunehmen.
Im Blick auf die Interessen der Bundeswehr ist zu berücksichtigen, dass die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten ausschließlichen Verwertungsrechte zur Vervielfältigung und zur öffentlichen Zugänglichmachung der Bubdeswehr-Berichte allenfalls unwesentlich betroffen sind, weil diese nicht wirtschaftlich verwertbar sind. Das vom Urheberpersönlichkeitsrecht geschützte Interesse an einer Geheimhaltung des Inhalts des Werks erlangt im Rahmen der im Streitfall vorzunehmenden Grundrechtsabwägung kein entscheidendes Gewicht. Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt nicht das Interesse an der Geheimhaltung von Umständen, deren Offenlegung Nachteile für die staatlichen Interessen der Bundeswehr haben könnte. Dieses Interesse ist durch andere Vorschriften etwa das Sicherheitsüberprüfungsgesetz, § 3 Nr. 1 Buchst. b IFG oder die strafrechtlichen Bestimmungen gegen Landesverrat und die Gefährdung der äußeren Sicherheit gemäß § 93 ff. StGB – geschützt. Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt allein das urheberrechtsspezifische Interesse des Urhebers, darüber zu bestimmen, ob er mit der erstmaligen Veröffentlichung seines Werkes den Schritt von der Privatsphäre in die Öffentlichkeit tut und sich und sein Werk damit der öffentlichen Kenntnisnahme und Kritik aussetzt. Dieses Geheimhaltungsinteresse kann nach den Umständen des Streitfalls das durch die Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG geschützte Veröffentlichungsinteresse nicht überwiegen. Dem Interesse an einer Veröffentlichung der hier in Rede stehenden Informationen kommt im Blick auf die politische Auseinandersetzung über die Beteiligung deutscher Soldaten an einem Auslandseinsatz und das damit berührte besonders erhebliche allgemeine Interesse an der öffentlichen und parlamentarischen Kontrolle von staatlichen Entscheidungen in diesem Bereich größeres Gewicht zu.
BGH, Urteil vom 30. April 2020 – I ZR 139/15 – Afghanistan Papiere II
„Das wird ganz groß!“ hatte mir mein Kontaktmann bei WikiLeaks vor zehn Jahren gemeldet. Er hatte recht behalten. Über Nacht verwandelte sich das eher Nerds und Aktivisten bekannte Projekt WikiLeaks durch Collateral Murder zum Internationalen Begriff für zivilen Ungehorsam im Netz. Bemerkenswert an diesem Game Changer war die Tatsache, dass das Video vorher konventionellen Medien zugespielt worden war, diese sich jedoch in patriotischer Selbstzensur übten. Und dass, obwohl ein Reuters-Fotograf seinen Beruf mit dem Leben bezahlen musste.
Zehn Jahre später haben sich die Hoffnungen, dass die Welt sich vom Feuer der Wahrheit und Erkenntnis erleuchten lassen würde, nicht wirklich erfüllt. Die Mörder aus dem Hubschrauber laufen frei herum, die Whistleblowerin wurde erst nach zwei Suizidversuchen aus dem Folterknast entlassen, und die Medienmeute beteiligt sich noch immer treudoof an der Diskreditierung von Julian Assange.
Nach wie vor haben insbesondere die US-Amerikaner zu ihrem Militär ein ungetrübt positives Verhältnis; wer sich für die Friedensbewegung engagiert, hat auch in Deutschland gute Chancen, in eine Spinnerecke geschrieben zu werden. Die Alt-68er staunen nicht schlecht, was ihre Kinder und Enkel im Blätterwald so fabrizieren. Auch ein noch so seltsamer US-Präsident ist für führende deutsche Journalisten kein Anlass, die Nibelungentreue zu Washington und NATO infrage zu stellen.
Man lässt US-Präsidenten ihre Drohnenbombardements durchgehen und hofiert sie sogar beim evangelischen Kirchentag. Stattdessen jedoch kritisiert man Russland für Hilfslieferungen mit Hygieneartikeln nach Italien und sogar die USA, das sei ja nur Propaganda. Ich bin gespannt, wie künftige Generationen über unser Zeit urteilen werden.
Nach wie vor machen bei uns Comedians einen deutlich besseren Job als so mancher Journalist.
Ein gewisser „Feliks“ hatte am Landgericht Hamburg zunächst eine einstweilige Verfügung erstritten, die es den Mandanten verbot, Feliks echten Namen zu verraten. Feliks gehört zu den ca. 300 Wikipedia-Autoren, die in kontroversen Beiträgen im Ergebnis die Macht haben, diese zu kontrollieren – dieses, obwohl er häufig extrem subjektiv editiert und Interessenkonflikte nicht offenlegt. So kontrollierte er eine beträchtliche Anzahl an Wikipedia-Biographien von Politikern der Linkspartei sowie politische Lemmata, obwohl er selbst Mitglied der Linken ist, sogar mal im Vorstand der bayrischen PDS saß. Wer immer Feliks‘ (extreme) Meinung zum Nahost-Konflikt nicht teilte, musste damit rechnen, gebrandmarkt und verächtlich gemacht zu werden.
Das Landgericht Hamburg hatte vor einem Jahr die einstweilige Verfügung unter anderem in diesem Punkt wieder einkassiert, denn wenn jemand andere ausgiebig anprangert und sehr, sehr einseitig und irreführend dar- und bloßstellt, der müsse sich halt auch die eigene Medizin schmecken lassen. Der Serienrufmörder ging in Berufung.
Das Oberlandesgericht Hamburg ließ in der Berufungsverhandlung erkennen, dass es an dieser Bewertung nicht nur festhält, sondern die Hürden für eine De-Anonymisierung sogar deutlich niedriger legt. Laut dem Bundesverfassungsgericht hat der Einzelne eine Unterlassungsanspruch, gegen seinen Willen nicht ohne besondern Anlass etwa in einem Text identifiziert zu werden. Wenn sich jemand aber an einer Diskussion über politische oder historische Themen beteiligt, tendiert das OLG Hamburg dazu, eine Deanonymisierung zu gestatten. Mit anderen Worten: Die Denunziationen und Interessenkonflikte, die Feliks nachgewiesen werden konnten, waren nicht einmal nötig, um ihn beim Namen nennen zu dürfen.
Feliks hat damit den anderen Heckenschützen in der Wikipedia einen Bärendienst erwiesen, denn jeder, der nicht gerade zu Themen wie „Algebra“ editiert, muss nun damit rechnen, mit seinen Hinterlassenschaften öffentlich konfrontiert zu werden. Ein Urteil hierzu wird es nicht geben, denn mangels Erfolgsaussicht nahm Feliks diesen und weitere Anträge im Gerichtssaal auf Anraten seiner Anwältin zurück.
Anders als das Landgericht Hamburg vermochte das Oberlandesgericht aus den Äußerungen keinen zwingenden Eindruck zu konstruieren, Feliks sei Mitarbeiter eines Geheimdienstes. Den Mandanten war aufgefallen, dass es sehr schwierig war, ein Foto von Feliks zu finden, was einen Mandanten, einen renommierten Geheimdienstexperten, eben an Geheimdienstler erinnerte, die Weisung haben, jegliche Fotos zu vermeiden.
Erfolgsaussichten hat Feliks jedoch mit einem Antrag gegen die berichtete Behauptung eines Zeugen, dieser habe auf einem Foto eine bestimmte Uniform getragen. Im Verfügungsverfahren konnte Feliks die Mandanten mit einer eidesstattlichen Versicherung in Beweisnöte bringen. Im Rahmen der allerdings von den Mandanten erhobenen negativen Feststellungsklage am Landgericht München wird ihm dieses „Beweismittel“ nicht zur Verfügung stehen.
Die Verhandlung war auch prozessrechtlich interessant. Eine einstweilige Verfügung ist nur zulässig, wenn man mit dem Antrag nicht zu lange trödelt. Vorliegend hatte sich Feliks allerdings in mehrfacher Weise dringlichkeitsschädlich verhalten:
Die Enthüllung war ihm angekündigt worden, sodass er eine Woche zuvor sogar anwaltlich auf Unterlassung abmahnen ließ, dann aber keine Unterlassung gegen eine Erstveröffentlichung durchsetzte.
Feliks ließ nach dem Zeitpunkt der behaupteten Kenntnisnahme fünf Wochen Zeit verstreichen.
Es gibt starke Indizien dafür, dass Feliks die Enthüllung bereits am Tag der Veröffentlichung und nicht erst am Folgetag gekannt haben dürfte.
Die Zivilprozessordnung definiert nicht, wann eine Sache dringlich ist und wann nicht mehr. Normalerweise zählen die Umstände des Einzelfalls. In Hamburg gibt es allerdings eine Tradition, dass man dort „sehr strikt“ an einer Ausschlussfrist von fünf Wochen festhält, die Feliks nach unserer Auffassung um ein paar Stunden verpasst hätte.
Das Landgericht hatte einer einsilbigen eidesstattlichen Versicherung von Feliks Glauben geschenkt, das OLG hingegen meint, dass es auf ein paar Stunden mehr gar nicht ankomme. Das ist insbesondere dann sehr großzügig, wenn man bedenkt, dass Feliks ja nach seiner Abmahnung noch eine Woche ins Land gehen ließ und keine weiteren Maßnahmen ergriff, etwa die Erstveröffentlichung zu unterbinden.
Es bleibt dabei, dass Feliks die ursprünglich mit einem Streitwert von 216.000,- € angesetzte einstweilige Verfügung, die es in der Berufung noch immerhin auf 108.000,- € brachte, fast vollständig verloren hat. Den Rest machen ihm die Mandanten am Landgericht München streitig. Unterm Strich dürfte Feliks das Hamburg-Abenteuer knapp 30.000,- € gekostet haben. Dafür hätte man auch anders Spaß haben können.
Der Rechtsstreit hat noch eine ironische Wendung: Der Titel der ersten Dokumentation eines der Mandanten über Manipulationen in der Wikipedia lautete „Zensur“. Die ist Feliks nun im wahren Leben nicht gelungen.
Dieses Wochenende lief im ZDF ein Spionagethriller „West of Liberty“ (Mediathek), bei dem es um einen Julian Assange nachempfundenen Betreiber einer Leak-Platform „HydraLeaks“ ging, der sich in Berlin in der syrischen Botschaft versteckt bzw. gefangen gehalten wird. Der alternde CIA-Stationschef möchte den Mann während eines von ihm inszenierten Sturm syrischer Protestler auf die Botschaft entführen. Zwischen die Fronten gerät eine Anwältin, die sich für den Hacker einsetzt und an die Leak-Plattform glaubt. Tatsächlich aber hat der Hacker alle verraten.
Ich musste ein bisschen schmunzeln, denn vor genau zehn Jahren kam ich mit WikiLeaks in Kontakt und wurde gelegentlich um meine anwaltliche Meinung gefragt. Leider wurde ich auch Zaungast des Streits zwischen den Betreibern.
Die sehr freie Darstellung von WikiLeaks-Betreibern in der Fiktion, um Julian Assange zu dämonisieren, ist nicht neu. In „Jason Bourne“ etwa gab es ebenfalls einen fiesen politischen Hacker, von dessen Extremismus sich der Protagonist ausdrücklich distanziert und seinen Gegner im mannhaften Duell tötet. Das war zwar billige Propaganda, wenigstens aber in einem sehr aufwändigen, spannenden und ansonsten sehr intelligenten Thriller.
Warum das öffentlich-rechtliche TV so ein Propagandstück finanziert, ist für mich nur sehr schwer nachvollziehbar. Die Rundfunkgebühren häte das ZDF deutlich besser in einer TV-Doku über den echten Politthriller um Julian Assange anlegen können, der sich gerade in London abspielt. Die unmenschlichen Haftbedingungen eines politischen Gefangenen sollten eigentlich für Medienaufmerksamkeit ausreichend sein.
Letzte Woche fand in den Berliner Räumen der Mozilla-Foundation ein zweitäiges Treffen von internationalen Anwälten, Aktivisten und Forschern statt, die den Einfluss von Algorythmen auf die Gesellschaft kritisch beobachten.
Der Digital Freedom Fund hatte mich eingeladen, um über das von mir für einen Mandanten gegen den Google-Konzern erstrittene Urteil Oberlandesgericht Köln, 15 U 56/17 zu referrieren. Damals war durch ein irreführendes Suchergebnis ein Mensch sozial und geschäftlich erledigt worden. Mir war nicht bewusst gewesen, dass dieser Fall sogar im Ausland registriert wurde.
Die Geschichten der anderen Vortragenden waren ähnlich krass. So kürzte ein Programm mit mäßigem Sachverstand mal eben die Zuteilung von Pflegekräften für extrem hilfsbedürftige Menschen. In einem anderen Fall gerieten Hunderte von Menschen durch einen EDV-Fehler in Misskredit, was eine Kaskade an weiteren Problemen auslöste. Wir leben in spannenden Zeiten.
2017 musste ich mich nahezu full time mit Reichsbürgern, rechtspopulistischen Verlagen und deren Influencern herumschlagen. Diese Leute verbreiteten in den (a)sozialen Medien über meinen Mandanten eine hirnverbrannte Schnapsidee, die bei schlichten Gemütern erstaunlich große Resonanz fand.
Ein vergleichbarer Fall, in dem eine verblendete Meute ein schamloses und offensichtlich substanzloses Gerücht derart massiv und aufdringlich wiederkäute, ist mir zumindest in Deutschland nicht bekannt. Ich bin ja eher zurückhaltend mit dem politischen Kampfbegriff Verschwörungstheoretiker, aber für diese wirren Eiferer, die meinen Mandanten mit einem buchstäblichen Shit-Tsunami überzogen, trifft er die Sachlage brauchbar.
Zu den Internet-Trollen gesellte sich auch der Verlag des Compact-Magazins, den wir in zwei Instanzen erfolgreich verklagt hatten. Weil das OLG Köln hiergegen keine Revision zuließ, erhob der Verlag Beschwerde beim Bundesgerichtshof. Letzte Woche nun wies der 6. Zivilsenat des BGH die Beschwerde als unbegründet ab. Dieser Rechtsstreit kostet die Gegenseite damit rund 25.000,- €.
Mit dieser BGH-Entscheidung sind nunmehr alle von uns erstrittenen Unterlassungsurteile rechtskräftig. Lediglich ein seltsamer Autor des Kopp-Verlags, der offenbar als erster das Gerücht ausgebrütet hatte, war mit einer Berufung überraschend erfolgreich, weil das Oberlandesgericht Köln dessen spökenkieckerisches Raunen als gerade noch zulässig ansah.
Da der in diesem Prozess mitverklagte Verlag die Berufung im Gegensatz zum Autor aber zuvor zurückgenommen hatte, ist das Urteil gegen den Verlag trotzdem rechtskräftig. Der Kopp-Verlag muss daher ohne meinen Mandanten auskommen und wieder über Reichsflugscheiben, Echsenmenschen und Mondlandungslüge drucken.
Im Mai letzten Jahres hatte der Mandant bei einer Konferenz in Berlin einen Vortrag über seinen Kampf gegen die Hetzer gehalten und mich kurzfristig um fachliche Mitwirkung gebeten. Dafür, dass wir den vor 2.000 Anwesenden gehaltenen Vortrag nicht geprobt, sondern erst am Vorabend beim Griechen abgesprochen hatten, ist das Ergebnis eigentlich ganz brauchbar geworden.
Die letzten Jahre waren insbesondere für meinen Mandanten eine extrem harte Zeit, allerdings gab es trotz des bitteren Themas sogar auch lustige Momente, etwa die hysterischen Reaktionen auf die Pfändung der Rechte an der Domain des Compact-Magazins. Das Blatt bekam dann in einem Kölner Gerichtssaal auch noch einen Cameo-Auftritt in einem launigen Musikvideo …
Zum Fall des Pegidioten von Dresden haben sich bereits die geschätzten Kollegen Herr Stadler, Herr Dr. Sajuntz und Frau Bölke (am Ende des obigen Videos) qualifiziert und der nicht geschätzte Kollege Herr Dr. Bittner unqualifiziert geäußert. Hier mal eine systematische Darstellung:
Grundsätzlich hat man einen Unterlassungsanspruch aus § 22 KunstUrhG gegen das Verbreiten oder öffentlich-zur-Schau-stellen identifizierender Abbildungen. Das Anfertigen und Speichern der Aufnahme selbst ist zwar eigentlich keine Tathandlung im Sinne des Gesetzes, allerdings wenden Gerichte ergänzend das allgemeine Persönlichkeitsrecht an, etwa dann, wenn man nicht mit Aufnahmen rechnen muss oder aufgrund Social Media zu erwarten ist, dass die Bilder sofort online gehen und dann irrevisible Fakten geschaffen werden. Gerichte haben auch Polizisten das Recht zugestanden, vor Ort Löschung zu verlangen.
Anders als die Kollegin Frau Bölke im obigen Video meint, hat der Hutbürger das Filmen allerdings gerade nicht „billigend“ inkauf genommen, sondern missbilligend. Damit fehlt es eindeutig an einer Einwilligung nach § 22 KunstUrhG. Der Mann handelt auch (insoweit) nicht widersprüchlich, denn er hat ein berechtigtes Interesse, seinen Widerspruch dokumentiert zu sehen.
Theoretisch wäre ein Verstoß gegen § 22 KunstUrhG tatsächlich eine „Strofdood“, denn § 33 KunstUrhG sieht eine Strafe von bis zu einem Jahr vor. Ein Anwendungsfall dieser historischen Vorschrift wäre mir allerdings nicht bekannt und würde auch das Filmen selbst gar nicht erfassen, sondern erst die Veröffentlichung (§ 22 KunstUrhG).
Vorliegend allerdings hatte das Kamerateam die Absicht, eine Demonstration und deren unmittelbares Umfeld zu filmen. Für Versammlungen, Aufzügen und ähnliche Vorgänge, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, sieht § 23 Abs. 1 KunstUrhG eine Ausnahme vor. Bei einer Demonstration dürfen Personenmehrheiten also auch dann gezeigt werden, wenn die einzelnen Teilnehmer dabei identifiziert werden können. Zu den Teilnehmern zählen die Gerichte übrigens auch Polizisten, welche dort beruflich wirken und zum Anliegen der Demonstranten keinen Bezug haben. Es ist auch nicht erforderlich, dass man die Versammlung vollständig zeigen muss, ein repräsentativer Ausschnitt reicht. Und genau das hatten die ZDF-Leute ursprünglich auch gemacht, bis der gute Mann plötzlich ausfallend wurde.
Von der Abbildung einer Personenmehrheit kann dann keine Rede mehr sein, wenn man aus einem Gruppenfoto gezielt jemanden ausschneidet oder an eine Person heranzoomed. Anders liegt der Fall aber, wenn jemand aus dieser Personenmehrheit zum Protagonist wird und besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht, etwa ein Steinewerfer, jubelnder Fan oder eine Busenherzeigerin. Es ist umstritten, ob Einzelaufnahmen dann zulässig sind, wenn sie für die Veranstaltung repräsentativ bzw. charakteristisch sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das beim Hutbürger für eine Pegida-Demo der Fall war …
Weitere Einschränkung ist nach § 23 Abs. 2 KunstUrhG, dass kein berechtigtes Interesse des Abgebildten verletzt wird, etwa wenn in die Privatsphäre einegriffen oder der Mensch einer Gefährdung ausgesetzt würde. Tja, Freunde, also das muss man sich halt vorher überlegen, wenn man auf eine Demo geht, bei der Vermummungsverbot gilt. Denn da geht es halt darum, für eine Sache sein Gesicht zu zeigen, und da muss man halt damit rechnen, dass Medienvertreter filmen. (Ein berechtigtes Interesse wäre allerdings dann verletzt, wenn jemand die Abbildung kommerziell vermarktet, etwa auf T-Shirts aufbringt.)
Kommt man zum Ergebnis, dass die erste Einschränkung greift, wäre eine weitere Ausnahme zu prüfen: Eine Einwilligung ist auch dann entbehrlich, wenn Ereignis des Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG berichtet wird und hieran ein besonderes Berichtsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Das Anpöbeln des Kamerateams und die Polizeischikane, die zur Feststellung der Personalien eine Dreiviertelstunde gebraucht haben will, dürften ein solches Ereignis darstellen, denn die sächsischen Politiker meldeten sich zu Wort und immerhin die Bundeskanzlerin persönlich hat den Vorfall kommentiert (und sich dabei für Pressefreiheit ausgesprochen). Inzwischen hat es der Skandal bundesweit in die Medien geschafft, hier in NRW beginnt der WDR heute sogar die stündliche Nachrichtensendung mit dem Thema. Inzwischen wurde auch noch bekannt, dass der Hutbürger ein LKA-Mann ist und ausgerechnet Zugriff auf sensible Daten wie die Ausländerdatenbank hat – bei einem Pegida-Demonstrant drängt sich da der Verdacht eines Interessenkonflikts auf.
Das dürfte für ein Berichtsinteresse der Öffentlichkeit locker reichen.
Streng genommen müsste man an dieser Stelle nun die Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung auf die Meinungs- und Pressefreiheit diskutieren. Denn das Anfertigen und Speichern von Bildnissen ist ein personenbezogenes Datum und damit auch nach der DSGVO prinzipiell zustimmungsbedürftig. Der deutsche Gesetzgeber hat leider bislang verpasst, den Ausnahmenkatalog des § 23 KunstUrhG auf die Verbote der DSGVO gemäß der Öffnungsklausel Art. 85 DSGVO auszuweiten. Die Fachdiskussion ist in vollem Gange, allerdings hat kaum jemand Zweifel daran, dass Gerichte – mit welchem juristischen Kunstgriff auch immer – künftig zu gleichen Ergebnissen kommen werden wie schon zur bislang geltenden Rechtslage. Da es sich vorliegend um ein Kamerateam des ZDF handelt, greift in diesem Fall die Privilegierung aus § 9c des Rundfunkstaatsvertrags.
Ergebnis: Das Filmen des Hutbürgers ist weder eine Straftat noch wäre ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch sonderlich aussichtsreich.
Update: Zum gleichen Ergebnis gelangt der geschätzte Kollege Solmecke, der es bereits für ausreichend hält, dass der Mann auf die Kamera zugegangen ist und hierdurch Aufmerksamkeit provoziert hat. Ob das alleine ausreicht, habe ich so meine Zweifel. Vorliegend allerdings rechtfertigen die konkreten Umstände und die politischen Reaktionen jedenfalls vorliegend die Annahme eines Berichtsinteresses der Öffentlichkeit.
Das gegen den Google-Konzern erstrittene Urteil Oberlandesgericht Köln, 15 U 56/17 ist nunmehr rechtskräftig. Mein Mandant war durch ein zusammengepuzzletes Suchergebnis in den falschen Anschein geraten, ein nicht-therapiefähiger Sexualstraftäter zu sein, der sich an kleinen Mädchen vergehe. Diese an erster Stelle erscheinende Verleumdung hatte den Mann als Unternehmer und Privatmann praktisch erledigt.
Google hat nun entschieden, eine Revision doch nicht weiter zu verfolgen. Für den Mandanten endet nun eine schreckliche Zeit und ein ca. drei Jahre andauernder harter Prozess. Beharrlichkeit führt zum Ziel.
Das Urteil erschloss nicht nur eine bislang unbekannte Fallgruppe, sondern hat auch auf der Rechtsfolgenseite Neuland betreten. So muss Google auch Suchergebnisse unterlassen, wenn solche nicht über google.de sondern auch über google.com initiiert wurden.