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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


11. Februar 2014

„Die Harke“ macht sich ein falsches Bild …

Die Zeitung DIE HARKE „rechtfertigt“ ihr Foto, das ihr Reporter von einer Balustrade aus durch das geschlossene Fenster von Edathys Wohnung gemacht hatte. Laut SPIEGEL ONLINE/Reuters will die Zeitung dennoch an Inhalt und Bebilderung des Artikels festhalten:

 „Ja, wir bleiben bei unserer Darstellung“, sagte Autor Reckleben der Nachrichtenagentur Reuters – obwohl der frühere Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses mittlerweile juristische Schritte angekündigt hat. „Die Strafanzeige sehe ich gelassen, da hat er keine Chance“, sagte Reckleben weiter. Edathy sei „kein kleiner Bürgermeister“, sondern „eine veritable Person der Zeitgeschichte“.

Reckleben wird seine Rechtsmeinung wohl etwas relativieren müssen. Auch „Personen der Zeitgeschichte“ sind kein Freiwild, ebenso wenig deren private Räumlichkeiten.

Ein Berichtsinteresse der Öffentlichkeit wird sich für das fragliche Foto kaum begründen lassen, denn dort ist weder Edathy noch irgendetwas zu sehen, was mit den Vorwürfen zu tun haben könnte. Das Zimmer ist von der Privatsphäre geschützt, da es nicht ohne Hindernisse eingesehen werden konnte. Damit liegt mit einiger Sicherheit ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Herrn Edathy vor.

Auch der Pressekodex dürfte verletzt sein:

Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden.

Zutreffend ist allerdings die Einschätzung, was den strafrechtlichen Vorwurf betrifft. So wäre eine Fotografie von Edathys Wohnung nur dann nach § 201a StGB strafbar, wenn dort Personen abgelichtet werden, die zum Schutzkreis der Vorschrift gehören. Abgebildet wurden aber nur Staatsanwälte und deren Hilfspersonen, die gerade nicht die häusliche Abgeschiedenheit einer Wohnung wahrnehmen.

Auf den Aufnahmen sind allerdings künstlerische Bilder an der Wand zu sehen. Sofern der Künstler diese noch nicht offiziell veröffentlicht hat, wozu eine privates Aufhängen in der Wohnung nicht notwendig zählt, dann könnte ein Eingriff in § 12 Abs. 1 UrhG vorliegen.

Edathy und die Unschuldsvermutung

„Ich gehe davon aus, dass die Unschuldsvermutung auch für mich gilt. Ein strafbares Verhalten liegt nicht vor.“

Mit diesen Worten verteidigte sich Herr Edathy (SPD), der vor wenigen Tagen sein Bundestagsmandat so plötzlich aus angeblich gesundheitlichen Gründen niedergelegt hatte. Zu Recht beschwert er sich darüber, dass bei seiner Hausdurchsuchung die Presse dabei war, die etwa darüber berichten konnte, dass die dort präsente Staatsanwältin u.a. für Sexualstraftaten zuständig ist.

Das Thema Unschuldsvermutung interessierte Edathy allerdings nicht so sehr, als es um die Vorratsdatenspeicherung ging, die er so vehement verteidigte. Die aber bedeutet nichts anderes als die Aufgabe der Unschuldsvermutung an uns allen. Wenn man dieser Tage sieht, dass bereits Kontakte zu angeblichen „Terroristen“ und der Besitz eines gebrauchten Handys eines Verdächtigen dazu führen können, dass unsere amerikanischen Freunde ihren Drohnen den Abschussbefehl auf den georteten Besitzer geben, kann man schwerlich bestreiten, dass Metadaten tödlich sind.

Wer gefährlich ist, der soll gezielt verfolgt werden und ein faires Verfahren bekommen – so wie Herr Edathy es für sich einfordert.

Ein faires Verfahren darf übrigens auch nicht die – auf den ersten Blick paranoid erscheinende – Möglichkeit außer acht lassen, dass auf Rechnern kompromittierendes Material untergeschoben wird. Genau so etwas etwa kann und macht nämlich die NSA (auch wenn ich das im vorliegenden Fall für sehr unwahrscheinlich halte).

 

7. Februar 2014

NSA in NRW

Gestern habe ich mir im NRW-Landtag zwei Anhörungen zur Lage der IT-Sicherheit in NRW nach den Snowden Leaks angesehen. Das Sicherheitsniveau der Kommunen ist unterirdischer, als ich es für möglich hielt. Hier mein Bericht NSA in NRW auf TELEPOLIS inklusive Links auf Experten-Meinungen. Hier ein Bericht des WDR.

Obwohl man bundesweit mit Schäden durch Wirtschaftsspionage fremder Staaten zwischen 20 und 50 Milliarden € rechnet, ließ das Interesse der Volksvertreter zu wünschen übrig. Den 7 Piraten saßen insgesamt 7 Vertreter der anderen Fraktionen (überwiegend Grüne) gegenüber. Sicherheit und Wirtschaft scheint insbesondere konservative Politiker nicht zu interessieren.

Wie es ist, abgehört zu werden, durfte Obamas Chefdiplomatin Victoria Nuland erfahren, die dem ukrainischen US-Botschafter „Fuck the EU“ empfahl, wozu dieser beipflichtete. Das sind die Leute, die mit uns eine Freihandelszone machen wollen.

 

2. Februar 2014

Erneut Vorwürfe gegen Woody Allen

 

Gestern Abend nutzte ich noch eine der letzten Gelegenheiten, um mir im Kino den aktuellen Woody Allen-Film „Blue Jasmine“ anzusehen. Zu Recht ist der Streifen dreifach für den Oscar nominiert. Als ich vor einem Jahrzehnt mit dem Schreiben begann, war mein erstes großes Projekt eine eine spezielle Woody Allen-Biographie, für die ich das damalige Gesamtwerk des Filmemachers recherchierte, den ich wie keinen zweiten verehre.

Heute nun wurde erneut eine Anschuldigung wegen Missbrauchs seiner Adoptivkinder öffentlich. Während es früher Allens Ex-Freundin Mia Farrow war, die in einem Rosenkrieg entsprechende Vorwürfe erhob, welche Allens Beziehung zur volljährigen Adoptivtochter seiner Ex-Freundin und heutigen Ehefrau in ein gewisses Licht rückte, melden sich nun eine damals minderjährige Adoptivtochter und sie unterstützend deren Bruder zu Wort. Das kann nicht ganz so einfach ignoriert werden.

Der späte Gang an die Öffentlichkeit wäre für Missbrauchsopfer durchaus typisch. Ich vertrete gelegentlich Missbrauchsopfer, die sich erst im Erwachsenenalter trauten, ihre Peiniger zu benennen. In Deutschland ist das öffentlich allerdings medienrechtlich hochriskant, denn es kommt häufig nicht einmal darauf an, ob die Vorwürfe beweisbar sind: Sind die Straftaten etwa verjährt, haben die einstigen Täter einen Rechtsanspruch auf Resozialisierung. Für die Betroffenen ist diese Situation denkbar ungerecht.

Letztes Jahr reagierte der Bundestag endlich auf die Initiative etwa von „Netzwerk B“ und verlängerte die Verjährungsfristen für Missbrauch von drei auf dreißig Jahre. Vor vier Jahren sprach sich jemand sogar für die totale Aufhebung der Verjährung in solchen Fällen aus – der Mann ist heute Bundesjustizminister. Die geänderten Gesetze haben auch Auswirkung auf presserechtliche Unterlassungsansprüche, die früher nur sehr schwer abzuwehren waren.

Auch, wenn es mir zu glauben sehr schwer fällt, ein brillantes wie symapthisches Genie wie Woody Allen habe eine so dunkle Seite, so ist das nicht ausgeschlossen. Jahrzehntelang kamen etwa hierzulande Tausende auch gut beleumundete Priester und Pädagogen mit ihrer Masche durch, den Opfern hingegen wurde nicht geglaubt. Ein Mainzer Juraprofessor, gegen den in den 1990er Jahren ermittelt wurde, wählte den Freitod. Umgekehrt kann man sich allerdings gegen einen unwahren Vorwurf von Missbrauch allenfalls juristisch, in der Öffentlichkeit jedoch nicht wirklich wirksam verteidigen – irgendwas wird immer hängen bleiben.

In dem Film gestern Abend ging es übrigens auch um die schwierige Frage, ob man Fehltritte von Freunden wirklich wissen will bzw. kolportieren sollte, oder ob der ggf. unsouveräne Umgang mit verletzenden Informationen die Dinge ggf. noch schlimmer macht. „Blue Jasmine“ jedenfalls hatte kein Happy End.

Update: Details zur Beziehung zu Mia Farrow wurden korrigiert. Allen war nie mit Mia Farrow verheiratet und auch nicht der Stiefvater seiner heutigen Frau. Die „neueren“ Anschuldigungen sind mit äußerster Vorsicht zu genießen.

1. Februar 2014

Aktionskünstler darf nicht mit Spielzeugwaffe protestieren

 

Der Aktionskünstler Günter Wangerin testet immer mal wieder die Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit aus. In zweiter Instanz untersagte ihm neulich das Landgericht München, die Bundeskanzlerin in Nazi-Uniform inklusive Hakenkreuz-Armbinde abzubilden. Hakenkreuze  aber sind Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB. Soweit Wangerin sich auf die Meinungsfreiheit berufen will, ist diese zwar in Art. 5 Abs. 1 GG) grundgesetzlich geschützt, dieses aber nicht grenzenlos, denn nach Art. 5 Abs. 2 GG sind dennoch die allgemeinen Gesetze zu beachten, zu denen § 86 StGB gehört.

Allerdings könnte Wangerin die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG zur Seite stehen. Allerdings gibt auch die Kunstfreiheit keine Narrenfreiheit, vielmehr kann die Kunstfreiheit mit anderen Rechten von Verfassungsrang kollidieren, etwa mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das aus Artt. 2 Abs.1,  1 GG hergeleitet wird. In einem solchen Fall ist es Aufgabe der Richter, abzuwägen, welches Interesse im konkreten Einzelfall schützenswerter ist. Bevor es zu einer solchen Frage kommt, müssen die Richter die sensible Frage klären, ob das Wangerinsche Werk als „Kunst“ einzustufen ist. Wenn man großzügig jede Beleidigung, Lüge oder Pöbelei als Kunst definieren würde, wäre das kulturell nicht unbedingt ein Fortschritt … Da heute jeder 8jährige jede Person in eine Naziuniform fotoshopen kann, müsste man schon etwas aufwändiger begründen, warum eine konkrete Collage als Kunst im Sinne des Artikels 5 GG zu werten ist.

Diese Woche nun hat man Wangerin eine Performance am Rande der Münchner Kriegstreiberkonferenz faktisch untersagt. Mit einer Maske als Kriegsverharmloser Gauck verkleidet hatte Wangerin auch eine Attrappe eines Maschinengewehrs dabei, welche die sicherheitsbewussten Sicherheitsbehörden beim Sichern der Sicherheitskonferenz verunsicherte. Die Anscheinswaffe durfte nicht benutzt werden, was die Performance ihres charakterisierenden Elements beraubte. Diese Entscheidung allerdings überzeugt wenig, denn echte Terroristen würden ihre Waffen nicht offen tragen, sondern Tarnwaffen benutzen. Man müsste Wangerins Spielzeugwaffe einmal kontrollieren, ihn im Auge behalten, dass er sie nicht vertauscht, und gut wär’s.

Wenn die Polizei wirklich ihren Job machen würde, dann sollte sie drinnen Herrn Henry Kissinger festnehmen, der in mehreren Ländern dieser Welt wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen und Mord gesucht wird.

 

 

28. Januar 2014

Land unter Kontrolle

 

Die Doku „Land unter Kontrolle“ gestern auf 3sat wirkte auf mich so ein bisschen wie die Verfilmung meiner TELEPOLIS-Beiträge vom letzten Jahr. Ein Wiedersehen mit guten Freunden. ;-)

Angry Lobo-Bird

 

Internet-Erklärer Sascha Lobo hat seine Internet-kaputt-Depression nun überwunden und greift jetzt die Überwachungsesoterik an.

Außerdem hier ein interessantes Interview über Überwachung.

 

Bildnachweis: Angry Bird: Rovio, Sascha Lobo: CC 2.0 by Matthias Bauer

26. Januar 2014

Snowden bei Jauch

Der von mir sehr geschätzte Enthüllungsjournalist Hubert Seipel hatte die Ehre, Edward Snowden vor die Kamera zu bekommen. Das Interview wird heute in Teilen bei Günther Jauch und danach in voller Länge zu sehen sein.

Bei Jauch wird der Chefreporter von BILD die Rolle des Advocatus Diaboli übernehmen und versuchen, Snowden am Zeug zu flicken. Der sollte sich besser warm anziehen, denn das Internet hat seine gefährlichste Waffe in die Show geschickt: Marina Weisband. Der ebenfalls in der Runde sitzende Kollege Ströbele sollte sich besser zwischen beide setzen … ;)

Ebenfalls in der Runde wird der unsägliche John Kornblum herumpöbeln, der Snowden unterstellt hatte, er hätte sein Material mit den Chinesen und Russen geteilt. Tatsächlich aber waren die mitgeführten Notebooks offenbar leer. Als sich Kornblum 1999 den Orden wider den tierischen Ernst verleihen ließ, spottete er über die Regelungswut der deutschenund europäischen Gesetze und zog dann einen Revolver hervor – das sei sein Gesetz. Dieser „Freund“ regele alles und ohne Debatte. Er fand das komisch.

 

24. Januar 2014

Mosley ./. Google: Bildersuche gesperrt

 

Max Mosley, der bizarre Privatpartys zu feiern pflegte, geht bekanntlich seit Jahren gegen Medien und Website-betreiber vor, die entsprechende Fotos verbreiten. Weil ihm das zu mühsam erscheint, pullte er einen Klehr und verklagte gleich Google, weil die Bildersuche zu den Übeltätern führt. Auch in Deutschland und Frankreich fürchtet Herr Mosley um seinen guten Ruf.

Heute hat das Landgericht Hamburg Google zur Zensur bei der Bildersuche verurteilt. Sechs bestimmte Bilder dürfen nicht mehr in der Bildvorschau angezeigt werden. Damit wird eine Tür aufgestoßen, durch vermutlich noch viele gehen werden. Die Chance, dass die Entscheidung vom Oberlandesgericht Hamburg wieder aufgehoben wird, dürfte gering sein, denn dem dortigen Senat sitzt inzwischen ein gewisser Herr Buske vor.

Mosleys Wahn, er könne seinen Ruf durch Flöhen des Internets retten, hatte bereits ganz andere Blüten getrieben. So hatte der  am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßbourg versucht, die Presse zu verpflichten, ihn vor Veröffentlichungen vorab zu befragen. Mit dieser Idee scheiterte er jedoch. Da weder Google noch Mosley nachgeben werden, wird der aktuelle Fall vermutlich auch erst in Straßbourg enden.

22. Januar 2014

Staat ./. „Frag-den-Staat“ #Zensurheberrecht

Den Medienberichten zur aktuellen Posse um eine urheberrechtliche Abmahnung wegen eigenmächtigem Veröffentlichen eines Gutachtens habe ich inhaltlich nichts hinzuzufügen.

Der Staat wäre gut beraten, es nicht auf eine Kraftprobe vor Gericht ankommen zu lassen. Das Schreiben des Kollegen Dr. Angsgar Koreng spricht für sich.