6. April 2015
https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=ykfGWcmUbbk
Der politische US-Comedian traf Edward Snowden in Moskau zu einem Interview. Dabei konfrontierte er Snowden zunächst mit der Beobachtung, dass die US-Bevölkerung mit seinem Namen wenig verbindet und grundsätzlich Spionage für eine tolle Sache hält. Eine Frage allerdings änderte die Haltung zum Spitzeldienst fundamental. Bitte unbedingt ansehen! ;)
5. April 2015
Die NPD hatte im Thüringer Landtagswahlkampf versucht, mit Musik populärer Künstler junge Wähler zu begeistern. Das hatten sich diverse Musiker nicht bieten lassen und erwirkten einstweilige Unterlassungsverfügungen, etwa die Höhner und Wir sind Helden, beide bekannt für ihr Engagement gegen Rechts.
Eine Ehrenrunde benötigte die sich unpolitisch gebende Entertainerin Helene Fischer, deren einstweilige Verfügung zunächst aufgehoben wurde. Zuständig für den Erwerb von Rechten zur öffentlichen Nutzung von Werken der Tonkunst sind GEMA bzw. GVL, die nach § 11 WahrnehmungsG gegenüber jedermann zum einräumen von Lizenzen verpflichtet sind.
Nicht zuständig ist die GEMA allerdings für die Nutzung von Musik zu Werbezwecken, wie der BGH 2009 herausfand. Während das bloße Abspielen von Musik bei öffentlichen Werbe-Veranstaltungen durchaus ein GEMA-Fall sein kann, ist eine Grenze da erreicht, wo ein Musikstück etwa als Hymne Wiedererkennungswert hat. Dies war vorliegend bestritten. Allerdings sahen die Richter am Thüringischen Oberlandesgericht zu Jena eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, weil die Künstlerin durch das häufige Abspielen vereinnahmt wurde.
Entscheidend war für die Richter, ob sich ein Durchschnittsbeobachter einer musikbegleiteten Wahlkampfveranstaltung frage, ob die Künstlerin denn etwas mit der NPD zu tun habe. Auf die politische Haltung kam es daher nicht an, auch nicht auf einen Nachweis eines tatsächlichen Schadens, sondern darauf, dass nicht auszuschließen sei, dass dadurch der Ruf der Sängerin beschädigt werden könne.
UPDATE: Thüringer Oberlandesgericht Urteil vom 18. März 2015, Az.: 2 U 674/14
2. April 2015
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sei ein „Gesetz mit experimentellem Charakter“ – so formulierte es einer der Anwälte der LSR-Lobby. Abgesehen von dem Versuch, von Google Zwangsgeld zu pressen, experimentierte aber niemand so richtig, denn meinen Anfragen bei den typischen Pressegerichten zufolge gab es bislang offenbar noch keinen einzigen forensischen Anwendungsfall. Als dann einmal ein Screenshot eines „Presseerzeugnisses“ von einem Gegner eigenmächtig genutzt wurde, sah ich die Chance zu einem Experiment – das unerwartet lustige Ergebnisse zeitigte.
Unsystematisches Gesetz
Das Leistungsschutzrecht ist nicht nur medienpolitisch absurd, auch dessen gesetzestechnische Realisation in §§ 87f-h UrhG ist handwerklicher Murks. So wird in § 87f Abs. 1 UrhG den Presseverlagen ein erstaunlich weitreichendes Leistungsschutzrecht zugebilligt. Nahezu jeder Fitzelkram soll schützenswert sein, und das auch noch ausschließlich gegen jedermann – so § 87f Abs. 1 UrhG. In § 87g Abs. 4 UrhG hingegen wird der Anwendungsbereich auf Gegner beschränkt, die „Suchmaschinen oder entsprechende Dienste“ anbieten. Wäre das Gesetz von Juristen und nicht von Koksnasen geschrieben worden, hätte man den beschränkten Anwendungsbereich bereits von vorne herein definiert. So jedoch nimmt § 87g Abs. 4 UrhG mit der einen Hand, was mit der anderen gerade gegeben wurde.
Der Grund für dieses denkbar unästhetische Gesetz liegt darin, dass ursprünglich tatsächlich ein solches Recht gegen jedermann intendiert war und man nachträglich am Entwurf rumdoktorte.
Lichtbild-Leistungsschützer
Leistungsschutz für eine unkünstlerische Handlung genießen nicht nur Presseverleger, sondern auch Knipsbildner. Während man für ein konventionelles Urheberrecht ein Mindestmaß an Kreativität („persönlich geistige Schöpfung“, § 2 Abs. 2 UrhG) aufbieten muss, um als „Lichtbildwerker“ nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG geehrt zu werden, genügt es für den Leistungsschutz aus § 72 UrhG, wenn jemand auf einen Auslöser drückt. Jeder Fotohandyknipser, der ohne Hinzusehen eine verwackelte Aufnahme produziert, darf sich „Lichtbildner“ nennen und die sogenannte „kleine Münze“ des Urheberrechts beanspruchen.
Zu den Falschmünzern im Urheberrecht gehören jene Knipser, die ihre Werke scheinbar großzügig unter eine kostenlose Creative Commons-Lizenz stellen, dann aber unverschämte Rechnungen verschicken, falls etwa jemand nicht den Namen des Fotograf oder die Lizenzbedingung nennt. Da die CC-Lizenzen für die meisten Rechtslaien un- oder missverständlich sind, liegt der Gedanke an eine Abmahnfalle nicht fern. So sehen es auch das Landgericht Berlin sowie das Kammergericht , als es um die Frage ging, ob man den ehrenwerten Lichtbildner Herrn Dirk Vorderstraße als „Abzocker“ bezeichnen dürfe. Das Oberlandesgericht Köln teilt meine Meinung, dass unter CC kostenlos lizensierte Werke keinen darstellbaren Marktwert haben.
Und ein solcher Leistungsschützer schickte einem Mandanten von mir eine Rechnung, obwohl dieser einen Ausschnitt eines Knipsbilds in einer sogar nach § 24 UrhG zulässigen Weise genutzt hatte. Dass die Forderung weder dem Grunde noch der Höhe nach berechtigt war, hatten wir dem Leistungsschützer freundlich und ausführlich erklärt. Umso erstaunter waren wir, als der Leistungsschützer in Selbstvertretung am Amtsgericht sein vermeintliches Honorar einklagte.
Online-Screenshot-Piraterie
Wann immer ein Knipsbildner Urheberrecht – meiner Meinung nach – missbraucht, ist er allerdings bei mir an der denkbar falschen Adresse. Und wenn dann der Leistungsschützer selbst fremde Rechte nicht beachtet … Don Alphonso würde sagen: „Da hat wieder jemand am Watschenbaum gerüttelt!“
So hatte nämlich der Leistungsschützer einen Screenshot gemacht und diesen auch seinem Lizenzeintreibeschreiben beigefügt. Zusätzlich und ohne jegliche Notwendigkeit hatte er den Screenshot aber auch im System seiner Online-Bildverwaltung eingestellt und uns die Zugangsdaten zugesandt. Der Direktlink der Bilddatei setzte sich u.a. aus Login und Password zusammen und konnte direkt angeklickt werden. In diesem Moment gefriert einem gestandenen Urheberrechtler das Blut, denn das ist ein Fall des § 19a UrhG. Dass die URL ggf. nur Berechtigte kennen, ist ohne Belang, denn öffentliches Zugänglichmachen setzt keine Heimlichkeit voraus. Etwa Webcrawler wie die von Google erfassen ganz gerne mal Bilddateien, wenn diese nicht mit robots.txt markiert sind.
Der Mandant fragte sich, wie dem Leistungsschützer denn wohl seine eigene Medizin schmecken würde. Also drehten wir den Spieß um, mahnten den Leistungsschützer wegen der dortigen Inhalte (urheberrechtlich geschützte Graphiken, Texte usw.) ab und erhoben entsprechende Wiederklage, in der wir natürlich auch (moderaten) Schadensersatz wegen der Nutzung forderten. Erstaunlicherweise wollte uns der Leistungsschützer nicht glauben und veröffentlichte weiterhin „seinen“ Screenshot. Das fanden wir dann doch ein bisschen dreist und beschlossen aus pädagogischen Gründen, eine einstweilige Unterlassungsverfügung zu beantragen.
Verbotene Früchte
Den Unterlassungsanspruch stellte ich – wie man das als gewissenhafter Anwalt nun einmal tut – auf alle möglichen wie unmöglichen Anspruchsgrundlagen. Die Unterlassung ist durch die genutzten geschützten Werke durch konventionelles Urheberrecht begründet. Da der Mandant jedoch auch Presseverleger war, schlug ich vor, zusätzlich auch dieses neue Recht einmal mit aufzuführen und der Rechtsprechung Gelegenheit zu geben, etwas über „entsprechende Dienste“ in § 87g Abs. 4 UrhG und überhaupt zum LSR zu sagen. Die Anwendung des Leistungsschutzrechts war vor allem deshalb witzig, weil zwar nicht der Gegner eine Suchmaschine oder einen „entsprechenden Dienst“ betrieb – dafür aber der Mandant! Und der hält vom LSR genauso wenig wie ich … ;)
Ein Suchmaschinenbetreiber, der einen Piratenanwalt mit der allerersten Geltendmachung des LSR beauftragt – wir konnten einfach nicht widerstehen! Wirtschaftlich ist dieser Rechtsstreit weder für meinen Mandanten noch dessen Anwalt interessant, zumal wir ihn auch mit dem konventionellen Urheberrecht gewinnen werden.
Oups!
Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ich im Briefkasten die antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung fand, bei der sich das Gericht einzig mit § 87f UrhG begnügt hatte. Das LSR ist deshalb verführerisch, weil man nicht lange und breit darlegen muss, dass man die reklamierten Rechte auch wirklich besitzt, denn das LSR bekommt man sogar, wenn man selbst geklaute Inhalte publiziert. Es reicht der Nachweis, dass der Streitgegenstand aus einem Presseerzeugnis stammt. Das macht die Schriftsätze und Urteile natürlich schlank und erspart damit Arbeit.
Nicht nur das Gericht scheiterte an dem unübersichtlichen Gesetz, auch insgesamt mindestens drei Anwälte, welche der gegnerische Leistungsschützer bemühte, sahen den versteckten § 87g Abs. 4 UrhG nicht. Und so wurde die einstweilige Verfügung in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
In meiner Stellungnahme zum Leistungsschutzunrecht für den Landtag NRW vom 03.03.2015 wies ich auf die Unbrauchbarkeit des nur in den Einschränkungen des § 87g Abs. 4 UrhG geltenden Gesetzes hin und gestand auf S. 7 sogar:
Das einzige dem Verfasser bekannte Verfahren, in dem eine Unterlassung erfolgreich mithilfe des Leistungsschutzrechts der Presseverleger durchgesetzt wurde, vertritt kurioserweise der Verfasser.
Aber das hat offenbar niemand gelesen. :(
Spielverderber
Gerne hätte ich die Rechtskraft der Rechtsstreite abgewartet, um dann eine Bilanz des LSR-Abenteuers zu ziehen. Überraschend schnell jedoch wurde das Urteil veröffentlicht und provozierte in diversen Medien kritische Reaktionen. Besonders gefreut habe ich mich über den kritischen Kommentar eines Fachanwalts für gewerblichen Rechtsschutz, des Kollegen Herrn Arno Lampmann von der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum, der es ebenfalls nicht schaffte, einen Paragraphen weiter zu lesen.
Doch dann stieß ausgerechnet ein befreundeter Anwalt den Dolch in den Rücken, der mich selbst etwa gegen Dr. Klehr vertritt: Dem denkbar kompetenten IT-Rechtler Thomas Stadler fiel natürlich sofort § 87g Abs. 4 UrhG ins Auge. Das nächste Mal werde ich ihn in solch subversive Aktionen einweihen müssen …
Durch den Fall wurde auch ein weiterer Geburtsfehler des LSR transparent: Der in § 87g Abs. 2 UrhG auf ein Jahr begrenzte Unterlassungsanspruch wird im August vermutlich von selbst auslaufen, möglicherweise bevor die Gegenwehr gegen die einstweilige Verfügung Wirkung zeigt. Damit sind Prozesse gegen den Unterlassungsanspruch einigermaßen witzlos.
Ungeheime Geheim-URL
Die spannende Rechtsfrage, ob die geheime URL wegen ihrer angeblichen Nichterratbarkeit keinen Fall des § 19a UrhG darstellte, wird in diesem Rechtsstreit allerdings nicht mehr entschieden werden. Denn erstaunlicherweise wurde der kryptische Teil der beiden URL im Urteil 1:1 veröffentlicht, und es ist bereits mehreren Personen gelungen, die Parteien und damit auch die Domain des Leistungsschützers zu identifizieren. Nunmehr sind die URL also nicht mehr geheim, und da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, wird der Gegner unter dieser URL keine Inhalte mehr einstellen dürfen. Tja …
Fazit
Anders, als es vielleicht die meisten Kommentatoren argwöhnten, stand hinter der Abmahnung kein gieriger Presseverleger, der ein Geschäft mit dem Leistungsschutzrecht machen wollte, sondern in Wirklichkeit ein erklärter Gegner desselben. Das nächste Google wird garantiert nicht in einem Land entstehen, das strukturpolitisch so weltfremde Gesetze macht wie in Neuland.
admin •
07:38 •
Abmahnung,
Allgemein,
Die lieben Kollegen,
einstweilige Verfügung,
Fotorecht,
Internet,
Landgericht Berlin,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Urheberrecht,
Wettbewerbsrecht,
Zensur •
Comments (2)
31. März 2015
Beim jährlichen Hacker-Kongress des Chaos Computer Clubs zwischen den Jahren ist die Fnord-News-Show Kult. Darin spotten die beiden Nerds Frank Rieger und Felix „Fefe“ von Leitner über Fails in Politik, Wirtschaft, IT-Welt und Gesellschaft. Als eine Art öffentlichen Notizblock setzte Fefe am 31.03.2005 ein Blog auf, in dem er Skurrilitäten und Pannen aufspießt.
Daraus entwickelte sich ungeplant das wohl mächtigste Blog der deutschen IT-Szene. Verlinkungen von Fefe sind so effektiv, dass entsprechender Traffic von Providern häufig als DDoS-Angriffe interpretiert werden und oft sogar Websites runterfahren. Fefes Meinung kleidet er in kompromissfreien Klartext und etablierte das Emiticon m( für „facepalm“. Wenn Fefe über jemandem den Stick bricht, kann der sich gleich löschen.
Fefe war der Programmierer des Google News-Vorläufers Paperboy, der deutsche IT-Rechtsgeschichte geschrieben hat. Seither hasst er Abmahnanwälte. Umso größer war die Irritation in der Szene, als er mich vor einem Jahr mit einer speziellen Abmahnung beauftragte … ;) Eine Geburtstagsrede hält Peter Mühlbauer.
30. März 2015
Zur Berichterstattung über die Katastrophe ist eigentlich genug geschrieben worden. Ich habe mich unter anderem deshalb zurückgehalten, weil ich einen Bezug zu Haltern am See habe, das von Münster eine halbe Autostunde entfernt liegt. Zwei Anmerkungen möchte ich noch loswerden:
Bei der Aufklärung von Flugzeugabstürzen sollte man die Nachrichtenlage mit äußerster Vorsicht beurteilen. Vor fünf Jahren habe ich mich intensiv mit Abstürzen befasst, insbesondere im Ultraleichtflugbereich. Dabei habe ich mir insbesondere eine Meinung über die Arbeit der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BfU) gebildet, in die ich kein Vertrauen habe. Anders als Justiz und Staatsanwaltschaft ist die BFU nicht im Justiz- oder Innenministerium organisiert, sondern untersteht dem Bundesverkehrsministerium. Dort ist aber auch das Luftfahrtbundesamt aufgehängt, was die Unabhängigkeit der BfU mindestens relativiert. Beide Behörden sitzen in Braunschweig in der gleichen Straße, man speist in der gleichen Kantine. Auch sonst gibt es bei der BfU und in der überschaubaren Fliegerszene abenteuerliche Interessenkonflikte. Über die Arbeitsweise dieser Behörde hat mir ein ehemaliger BfU-Mitarbeiter einiges erzählt, und auch dieser Insider erwies sich als inkompetent und charakterlos. Da einflussreiche Firmen, Verbände und Flugvereine ein fundamentales Interesse daran haben, dass Abstürze möglichst „Pilotenfehlern“ zugeschrieben werden, kann man sich einen Reim darauf machen, mit welchem Befund sich die BfU wohl den geringsten Ärger einhandelt.
Zur Frage, ob die Presse den Namen des verdächtigen Co-Piloten nennen darf: Presserechtlich ist dies angesichts der substantiierten Verdachtslage und dem hohen Berichtsinteresse der Öffentlichkeit an diesem zeitgeschichtlich hochrelevanten Ereignis zulässig. Die Pressefreiheit entbindet allerdings nicht von der Selbstverantwortung etwa gegenüber den unbeteiligten Angehörigen oder Personen, die zufällig den gleichen Namen haben. So gibt es zufällig sogar einen Journalist, der genauso wie der tote Co-Pilot heißt. Welchen Mehrwert die Namensnennung haben soll, ist demgegenüber nicht nachvollziehbar. Das allerdings ist keine juristische Frage.
23. März 2015
Man kann geteilter Meinung sein, ob es guter Stil ist, aufdringlich eine Show zu stören, auch wenn man sich einer guten Sache verschreibt. In Berlin ist man bei der „Cinema for Peace“-Gala ja noch halbwegs souverän mit der Situation umgegangen.
Was aber gar nicht geht: Gegen die Presse vorzugehen, wenn diese nicht die PR-Coverstory transportieren will. Sehr peinlich …
-> Taz
22. März 2015
Leipzig – „Unter Druck! Medien und Politik“ von VV_LeipzigFernsehen
Dieses Wochenende fand in Leipzig die Konferenz von Netzwerk Recherche e.V. zum Presserecht statt. Dabei war ich Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, in der es um die Nutzung von Inhalten aus sozialen Netzwerken ging. Aufhänger war natürlich das SPIEGEL-Cover „Stoppt Putin jetzt!“, bei dem die SPIEGEL-Zeitung die Bilder der Getöteten verwandte, um ihnen eine politische Aussage unterzujubeln und damit Hass in eine Richtung zu kanalisieren. Während die SPIEGEL-Leute kniffen, war BILD.de-Chef Jens Reichelt so sportlich, sich der Dikussion zu stellen und auch das SPIEGEL-Cover gleich mit zu verteidigen.
Ich bewerte dieses Cover nicht als Berichterstattung (im Beitrag ging es gar nicht um die Opfer), sondern als Kriegspropaganda. In jedem Krieg und erst recht im Bürgerkrieg kommt es zu ungeplanten Situationen, etwa Eigenmächtigkeiten von lokalen Kommandeuren, dem, was Zyniker als „friendly fire“ und „collateral damage“ bezeichnen oder schlichtweg Zufall, etwa ein Flugzeug aus Malaysia über ukrainischem Kriegsgebiet. Betrachtet man etwa die Kubakrise aus historischer Perspektive, war es pures Glück, dass am Schwarzen Donnerstag keines der aus Moskau und Washington unkontrollierbaren Ereignisse einen Nuklearkrieg auslöste. Ein solches Ereignis in einer Spannungslage willkürlich herauszugreifen und einer Partei die Schuld zu geben, ist kein Journalismus, sondern Agenda.
Reichelt hielt den Fall MH17 für aufgeklärt und verurteilte Putin dafür, die eine Seite mit einer BUK ausgerüstet zu haben. Daher dürfe man die Bilder der Opfer auch zeigen und ihm die Sache zurechnen. Da das eigentliche Thema nicht der Ukraine-Konflikt war, sondern Recherche in Social Media, habe ich nicht weiter dagegen gehalten, zumal ich dafür bin, sogar noch sehr viel mehr Opfer zu zeigen, damit Krieg nicht verharmlost wird. Insoweit sei jedoch nachgetragen:
Ich kann nicht die Waffenlieferung der einen Seite als Verbrechen geißeln, wenn ich der Waffenlieferungen der anderen Seite und ihrem Zündeln („Fuck the EU“) applaudiere. Ich kann auch nicht die Bilder der Opfer der einen Seite zeigen, wenn die Opfer der anderen Seite bestenfalls Zahlen bekommen. Hat BILD die Bilder der Gewerkschafter gezeigt, die in Odessa lebendig in einem Haus vom ukraninisch-nationalistischen Mob verbrannt wurden? Und wann zeigt der SPIEGEL auf dem Cover die Gesichter der über 4.000 Drohnenopfer, die nicht etwa ungeplant, sondern absichtlich von Herrn Obama (der jeden Abschussbefehl persönlich unterschreibt) liquidiert wurden?
Reichelt führte auch seine Kompetenz als Kriegsberichterstatter an. Unter uns: Beeindruckt mich als Leser von Phillip Knightleys brillantem Sachbuch „The First Casualty: The War Correspondent as Hero and Myth-Maker From the Crimea to Kosovo“ so gut wie gar nicht. Die Gründe, warum Kriege geführt werden, findet man selten an der Front, sondern eher im Wirtschaftsteil des Handelsblatts. Stattdessen machen sich einseitige Frontberichterstatter mitschuldig am größten Verbrechen überhaupt: Krieg.
Der kriegsgestählte Reichelt geriet in dem Talk vor allem durch den Kollegen Dr. Schertz unter Beschuss, der das Geschäftsmodell des Boulevardsjournalismus nicht gutiert. Reichelt muss man den Respekt zollen, dass er sich dem Treffen der eher für Qualitätsmedien arbeitenden Journalisten gestellt hat und nicht als Sieger vom Platz gehen konnte, während die SPIEGEL-Leute noch an ihrem neuesten Cover herumschraubten, das ich lieber nicht kommentiere.
Außerdem hatte ich noch auf einem Panel Gelegenheit, gegen den fliegenden Gerichtsstand zu wettern. Der ist inzwischen bei Verbreitung im Internet von der Rechtsprechung im Persönlichkeitsrecht weitgehend zurückgefahren worden, nicht allerdings im Printbereich, wo nach wie vor bayrische Fälle in Hamburg verhandelt werden. Auch im Urheberrecht wird er außer in den Fällen des § 97a UrhG noch geflogen.
Die Konferenz war auch ansonsten sehr spannend und hochkarätig besetzt. Mich beeindruckten vor allem die beiden Journalisten, die den Sachsensupf trockenlegten und dabei unter skandalösen Umständen strafrechtlich angeklagt und publizistisch angegangen wurden. Die beiden sind schließlich freigesprochen worden, wurden aber für den Ärger, denen ihnen die Gerichte und Staatsanwaltschaften machten, nie entschädigt.
Außerdem gab es eine abendliche Sonderführung durch die wirklich hervorragende Ausstellung „Unter Druck. Medien und Politik“. Im Museum kann man u.a. die berühmte Mailbox-Nachricht von Wulff beim BILD-Chef abhören, die einen von den Medien getriebenen Menschen das höchste Staatsamt kostete.
admin •
13:55 •
Allgemein,
Beweise,
Bildnis,
Die lieben Kollegen,
fliegender Gerichtsstand,
Internet,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Politik,
PR,
Verdachtsberichterstattung,
Zensur •
Comments (0)
19. März 2015
Dieses Wochenende findet eine Fachkonferenz zum Presse- und Medienrecht in Leipzig statt. Ich habe das Gefühl, dass es einen zusätzlichen Programmpunkt geben wird … ;)
admin •
10:21 •
Allgemein,
Beweise,
Internet,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Recht am eigenen Bild,
Verdachtsberichterstattung,
Zeugen •
Comments (0)
12. März 2015
Auf diesem Video erklärt der Kollege Richter die gegenwärtige Rechtslage zum Rundfunkbeitrag. Die Süddeutsche hat eine Kurzfassung zum Streitstand.
Im Kern geht es um die Kuriosität, dass für den Rundfunk ein an die Existenz von Haushalten geknüpfter Beitrag erhoben wird. Dieser wird auch dann fällig, wenn keine Rundfunkempfangsgeräte im Haushalt vorhanden sind, die Beweohner der deutschen Sprach nicht einmal mächtig sind oder aus religiösen Gründen dem Funkwellengenuss entsagen. Damit ist der Rundfunkbeitrag einer Steuer ähnlicher als einer Abgabe, die normalerweise sachbezogen und für eine Gegenleistung erhoben wird.
Das fanden ein paar Leute doof und haben Feststellungsklagen gegen den WDR eingereicht. Nachdem diese jeweils an den Verwaltungsgerichten Arnsberg und Köln abgewiesen wurden, traf man sich heute am OVG Münster, wo die Verfassungsmäßigkeit des Rudfunkbeitrags verhandelt wurde. Die Debatte wurde sachlich und seitens jedenfalls eines der Klägers mit großer Leidenschaft geführt. Die Richter erwogen sogar, die Sache nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Vorhin wiesen die Richter die Klagen ab.
11. März 2015
Der Verlag von Buchautor Heribert Schwan hat wohl auch am Oberlandesgericht Köln keinen Erfolg.
Das OLG Köln ist wie das Landgericht der Ansicht, dass Dr. Schwan im Verhältnis zum Kläger eine vertragliche Geheimhaltungsverpflichtung traf. Die Verträge zwischen dem Kläger und dem Drömer Knaur Verlag einerseits und diesem und Dr. Schwan andererseits sähen vor, dass Dr. Kohl das Letztentscheidungsrecht über die Verwendung seiner Äußerungen als solche wie auch über den konkreten Inhalt und den Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung zustehe. Beide Verträge des Verlags seien inhaltlich aufeinander abgestimmt und dem jeweils anderen Vertragspartner bekannt gewesen, der Vertrag zwischen Verlag und Schwan sei Kohl vereinbarungsgemäß zur Billigung vorgelegt worden. Das vertragliche Gefüge sei insgesamt dahingehend zu bewerten, dass Dr. Schwan im Rahmen seiner Tätigkeit in dienender Funktion gehandelt habe und er auch gegenüber Kohl zur Geheimhaltung verpflichtet gewesen sei. Dementsprechend habe Schwan keine der Äußerungen Kohls, die in der Zusammenarbeit erfolgt sind, verwenden dürfen, es sei denn, diese seien ohnehin bereits öffentlich bekannt gewesen.
Damit wird der Rechtsstreit primär vertragsrechtlich entschieden, ohne dass es auf es auf einen Rückgriff auf Persönlichkektsrecht oder Urheberrecht ankommen wird. Die Verträge zwischen den Beteiligten lagen mir leider nicht vor, als ich mal die Rechtslage kommentierte (Heribert Schwans Ko(hl)portage).
Die Entscheidung soll am 05.05.2015 verkündet werden.