Wer hierzulande die Medien zensieren will, tut dies am elegantesten durch Stimulation vorauseilenden Gehorsams, etwa durch wirtschaftliche oder politische Verflechtungen mit dem Medienbetrieb. Notfalls – etwa bei nicht in am Tropf der medialen Verwertungskette hängenden Bloggern – bemüht man willfährige Gerichten wie dem Landgericht Hamburg, dass der Pressefreiheit nur noch einen marginalen Stellenwert beizumessen scheint.
Andernorts bedient man sich dem Primitivsten zur Einschüchterung: Gewalt und Mord. Den Wenigsten dürfte präsent sein, dass wir heute den von den Vereinten Nationen ausgerufenen Tag der Pressefreiheit begehen.
Offenbar erst jetzt ist eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 17.06.2008 bekannt geworden, bei der ein Rechtsanwalt seine Anwaltskünste durch Bezugnahme auf eine große Firma (offensichtlich Ebay) anpreisen wollte und diese hierzu in diversen Domains nannte.
Dass man fremde Marken nicht ausbeuten soll, um damit seine eigenen gewerblichen Interessen zu bewerben, ist alles andere als überraschend. Um Markenrecht anwendbar zu machen genügt es bereits, wenn eine eigene Website „irgendwie“ kommerziell ist – ausreichend sind Werbebanner oder Google-Adwords.
Etwas trickreicher ging daher unsere Mandantschaft vor, die vor zwei Jahren ein Watchblog gegen ein bestimmtes Unternehmen gestartet hatte: Man nahm den Unternehmensnamen, kombinierte ihn mit der Bezeichnung „Blog“, handelte jedoch nicht zu Zwecken des Wettbewerbs. Damit fiel der Hamburger Kollege, der eine einstweilige Verfügung (natürlich am Landgericht Hamburg) beantragt hatte, sogar bei den Hanseaten gewaltig auf die Schnauze.
Allerdings kam der Kollege dann auf die eigenartige Idee, die Firma hätte ja ein „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ und könne sich daher auf Namensschutz aus § 12 BGB berufen. Und mit dieser absurden Nummer kam er beim OLG Hamburg sogar durch. Meine von der einstweiligen Verfügung völlig überraschte Mandantschaft entschied damals, aus Kostengründen keine weiteren Prozessrisiken einzugehen und den Richterspruch hinzunehmen.
Die Entscheidung wurde nicht nur in Fachkreisen berühmt (Im aktuellen „Handbuch des Domainrechts“ wird sie als „Unternehmensblog.de“-Entscheidung bezeichnet), sondern auch in der Tagespresse eifrig dikustiert, etwa bei SPIEGEL-online. Überwiegend wurde die Entscheidung für falsch gehalten. Für meine Mandantschaft war die Angelegenheit jedoch eine erstklassige PR gewesen. Das Bloggen gab man wohl auf, aber wie dem Spiegel-Artikel zu entnehmen ist, wurde das Projekt von Amerikanern unter ähnlicher Bezeichnung fortgeführt. Ein bei der World Intellectual Property Prganisation (WIPO) gestarteter Angriff wegen Verletzung von Marken- bzw. Namensrechten hatte keinen Erfolg, weil die Blogger nicht zu Wettbewerbszwecken, sondern zu solchen zulässiger Unternehmenskritik handelten. Auch dieser Fall brachte den Bloggern in erster Linie PR ein, der Schuss ging komplett nach hinten los.
Im obigen Video gibt der Kollege Udo Vetter (Lawblog) Basis-Tipps für Blogger.
Und meinen Respekt, dass Sie es durchgezogen haben!
Mit Urteil vom 03.02.2009 hat Ihnen der Bundesgerichtshof bestätigt, dass die Pressekammer des Landgerichts Hamburg und das angeschlossene OLG Hamburg einfach ihren Job nicht machen.
Risiko Unternehmenskritik
Wer immer etwas gegen einen finanziell übermächtigen Gegner zu sagen hat, bekommt deswegen einstweilige Unterlassungsverfügungen und Kostendruck. Seit der in Hamburg exzessiv betriebenen Stolpe-Rechtsprechung können findige Anwälte praktisch jede Kritik in eine angebliche Tatsachenbehauptung umdeuten, mit der Folge, dass der Äußernde die ihm unterstellte „Verdachtsberichterstattung“ zu beweisen hat.
Daraus folgt, dass Journalisten ohne (und selten genug mit) starker Rechtsabteilung nicht mehr kritisch berichten können – erst recht keine Kleinen wie freie Publizisten, Blogger usw. Öffentliches Äußern ist heutzutage zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden. Verdachtsberichterstattung ist praktisch seit einigen Jahren tot. Wer genug Geld hat, kann schalten und walten, wie er will.
Hamburger Humbug
Die Urteilsgründe in der aktuellen Entscheidung sind alles andere als neu, wie man an den zahlreichen Rechtsprechungszitaten leicht ersehen kann. Trotzdem war der Gang nach Karlsruhe nötig, denn die Hamburger Presserichter scheren sich schlicht und ergreifend nicht um BGH und Bundesverfassungsgericht.
Wie oft habe ich die Hamburger angefleht, bei der Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und von der Meinungsfreiheit besonders geschützten Werturteilen den Kontext heranzuziehen, wie es eigentlich höchstrichterlich Brauch ist? Interessiert die Hanseaten nicht. Sollen die Leute doch erst einmal zwei Jahre Rechtsstreit in kauf nehmen!
Nachhilfe des BGH zwischen den Zeilen
Der BGH hat das Verfahren nicht etwa an die Hamburger mit Hinweis zur Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsauffassung zurückverwiesen, sondern selbst die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht habe die Äußerungen nicht als Meinungsäußerungen qualifiziert, und so sei insoweit keine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht geboten gewesen.
Das war noch sehr höflich, denn diese gebotene Abwägung, macht die Hamburger Pressekammer so gut wie nie, sondern löst ihre Probleme durch schematische Qualifikation einer Äußerung als angebliche Tatsachenbehauptungen, die vom Äußernden bewiesen werden muss. Richter Buske nennt das dann „Meinungsäußerung mit Tatsachenhintergrund“. Und – Zack! – wird’s verboten!
„Unternehmenspersönlichkeitsrecht“
Da die Meinungsäußerung vom Bundesgerichtshof nicht verboten wurde, stellte sich ihm erst gar nicht die noch immer spannende Frage, ob es denn ein presserechtliches „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ überhaupt gibt. Dazu hat man in Karlsruhe bislang nie Stellung genommen, und es gibt sehr gute Gründe, diese Konstruktion für ein Hamburger Hirngespinst zu halten.
Richterliche Unabhängigkeit
Ändern wird das neue Urteil freilich nichts. Die Hamburger werden auch künftig die Rechtsprechung aus Karlsruhe einfach weiterhin ignorieren und das Wasser die Elbe herunterfließen lassen. Recht bekommen ist im Presserecht nur etwas für betuchte Leute, die den unnützen Hamburger Rechtsweg beschreiten.
Herr Prof. W., Sie sind über zweieinhalb Jahre einen weiten Weg gegangen, haben sich von Richtern mitleidig ansehen und wie einen Querulanten behandeln lassen müssen. Sie haben Ihr Grundrecht in Anspruch genommen und sind standhaft geblieben. Und nun dürfen Sie endlich Ihre Meinung („Lüge“, „Täuschung“ und „Vertuschung“) sagen. Respekt, Herr Prof. W.!
Als „Sohn eines Kuhfladens“ bezeichnet zu werden ist im wahrsten Sinne des Wortes beschissen. Jedenfalls keine allzu gelungene Satire. Und das hat ein prominenter Sänger gerade verbieten lassen.
Der Betroffene war schon häufiger Objekt von Satire. Berühmt ist sein Rechtsstreit um die Markenrechte an „Heino“. Damals stritt sich der „echte“ Heino mit dem „wahren“ Heino, bürgerlich Norbert Hähnel. Auch der hatte einen Hang zur Fäkalsprache, besaß etwa einen „Scheißladen“. Als Hähnel damals eine einstweilige Verfügung kassierte hatte, lehnte er die Offerte der Rockband „Die toten Hosen“ ab, die ihm ein gegen ihn verhängtes Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,- DM sponsern wollten und saß freiwillig 20 Tage in Ordnungshaft ab.
Leute, die aus solchem Holz geschnitzt sind, imponieren mir. Ein früherer Mandant von mir hat ähnliches einmal durchgezogenen, was ihm den Respekt vieler Anwälte einbrachte, die sich seither zweimal überlegen, ob sie ihn angehen – denn Einschüchterung ist offensichtlich zwecklos.
Als meine Freunde vom Landgericht Hamburg mich selbst einmal des Verstoßes gegen eine dubiose einstweilige Verfügung zeihten, der natürlich keiner war, hatte auch ich angekündigt, demonstrativ in den Knast zu gehen. Ein großes deutsches Nachrichtenmagazin in Hamburg wollte darüber berichten, und vielleicht hätte sich der freundliche Hamburger Kollege, der mich auftragsgemäß infam denunziert hatte, vielleicht doch ein bisschen geschämt. Leider wurde aus dem PR-Gag nichts, denn meine Beschwerde beim OLG Hamburg hatte auf ganzer Linie Erfolg. Schade aber auch …
Wie bereits berichtet, hatte das OLG Hamburg dem permanenten Umfug des Landgerichts Hamburg gewisse Grenzen gesetzt. So verweigerten die hanseatischen Oberrichter den Hamburger Hardlinern die Gefolgschaft, welche durch ihre grotesk überspannten Anforderungen an Selbstzensur den Betrieb von Internetforen zu einem ruinösen Risiko machen.
Die Richter Rachow (Kammer für Urheberrecht) und Buske (Kammer für Medienunrecht) werden wohl umdenken müssen. Für einen meiner Mandanten kommt diese Kehrtwende leider zu spät. Wie haben jedoch Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die eigenwilligen Richtersprüche vom Landgericht Hamburg haben selten in Karlsruhe Bestand.
Wie Heise heute meldet, zeichnet sich bzgl. des Abmahnunwesens in Internet-Foren ein Trend in Richtung Vernunft ab. So soll es bei Urheberrechtsverstößen durch Dritte in Internet-Foren (user generated content) erst auf die konkrete Kenntnis des Forenbetreibers ankommen. Mit einer Vorab-Prüfungspflicht, wie man sie am Landgericht Hamburg für realistisch hält, will man sich am hanseatischen Oberlandesgericht nicht so recht anfreunden.
Diese Erkenntnis kommt reichlich spät und dürfte weitaus eher der Auffassung „des Volkes“ entsprechen, in dessen Namen man in Hamburg Fälle entscheided.
Ausführlich zum Thema äußert sich der Kollege Sascha Kremer, der heute den Verhandlungen in Hamburg beiwohnte.
Sofern diese sich abzeichnende Rechtsprechung auch auf das Äußerungsrecht übertragen wird, werde ich bald riskieren, hier Blog-Beiträge zuzulassen.
Das obige Foto habe ich mal sicherheitshalber bei Wikipedia unter GNU-Lizenz eingelinkt. Falls jemand Wikipedia ein Ei gelegt hat, wäre Wiki fein raus und dann wäre ab deren Kenntnisnahme bei mir auch automatisch das Bild weg.
Und jetzt wird es Zeit zum Abendessen. Nicht hierzu empfehle ich Marions Kochbuch! ;-)