26. Juli 2011
Günther Jauchs Anwalt sieht auf Fotos Dinge, die sonst niemand sieht. Manche Dinge sieht auch das Landgericht Hamburg, das manchmal bei nicht farbechter Wiedergabe eine Persönlichkeitsrechtsverletzung annimmt, weil etwa jemand kränklich aussieht usw. Neulich aber wurde es auch der farbenfrohen Pressekammer zu bunt:
Jauchs Anwalt monierte, dass Jauch nebst Gemahlin (deren Namen man nicht einmal nennen soll) auf der Titelseite der Postille „Viel Spaß“ in einer montierten Weise abgebildet wurde. Wegen der Bildaufteilung hatte man die Eheleute näher aneinander gerückt. Weil in dieser Position die auf der Originalaufnahme von hinten auf Jauchs Schulter gelegte Hand nicht mehr so recht passte, hatte man die Hand weggephotoshoped, zumal eine Kollision mit dem Logo beknackt ausgesehen hätte.
Jauchs Anwalt wollte hierin eine Persönlichkeitsrechtsverletzung erkennen, zumal man die Fotomontage als solche nicht erkennen würde, was ja ganz schlimm sei. Allerdings steht da rechts oben „Fotomontage“ dran, denn auch bis zu „Viel Spaß“ hatte sich die alberne Ron Sommer-Entscheidung herumgesprochen, in der die Erkennbarkeit einer Montage streitig war.
Nach Meinung des Promi-Anwalts würde durch die montierte Position der Eindruck erweckt, zwischen den beiden gäbe es Knatsch. Außerdem wollte der Anwalt erkannt haben, seinem Mandanten sei am Ohr etwas weggeschnitten. Zwar sieht das Ohr tatsächlich eher aus wie das von Mr. Spock auf Drogen, aber das tat es auch schon auf der Originalaufnahme. Wäre diese unglückliche Einstellung geschönt worden, dann wäre der Anwalt wohl erst recht wegen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht auf die Barrikaden gegangen.
Der an Kummer gewohnte Vorsitzende hob die ursprünglich erlassene einstweilige Verfügung wieder auf. Vermutlich hatte er nur nur mit einem Ohr hingehört …
UPDATE: Hier ist das Urteil.
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324 O 246/11

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23. Juli 2011
Carsten Maschmeyer muss in irgendeinem lichten Moment jemand erklärt haben, wie Internet und andere Medien PR-mäßig funktionieren. Dass der Hamburger top of the notches-Medienanwalt für die „richtige Markenstory“ keine sonderlich große Hilfe war, hätte er von mir im Blog vor einem halben Jahr gratis bekommen können. Millionen-Maschi mag es aber lieber teuer und hat laut einem taz-Bericht die Firma Communications & Network Consulting (CNC) aus München angeheuert, die PR-Dienstleistungen anbietet. Die steht nun mit der Positionierung der Marke Maschmeyer vor einer anspruchsvollen Herausforderung.
Auch, wenn der NDR seinen Kompromiss als Sieg verkauft, bleibe ich dabei, dass es für diesen Deal kaum nachvollziehbaren Anlass gibt, insbesondere was die großzügige Kostenteilung betrifft. Die Maßlosigkeit, mit der Maschmeyer die Presseleute einzuschüchtern versuchte, hätte einer eindeutige Antwort und Stehvermögen verlangt. Hier jedoch wurde Schwäche signalisiert.

admin •

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22. Juli 2011
Inzwischen wurde die Anklageschrift gegen die verhafteten angeblichen Mitglieder des Hacker-Kollektivs „Anonymous“ bekannt. U.a. PayPal ist sauer, weil der Bezahldienst wegen des Boykottierens von WikiLeaks mit DOS-Attacken abgeschossen wurde (was auch nicht sonderlich produktiv war, by the way). Ob sich die Abschreckungs-Strategie auszahlt, oder nicht vielmehr lediglich zu einer Professionalisierung von Anonymisierungstechniken führt, wird die Zukunft erweisen.
Ideen kann man nicht töten, ebenso wenig Märtyrer.
21. Juli 2011
Ein im TV posierender Mietrechts-Anwalt hat in eigener Sache gegen eine Mieterin auf Schadensersatz(!) geklagt, weil ihm die Piratenfahne deren Sohnes nicht passte. Die Fahne verschandele das ästhetische Erscheinungsbild des Hauses und schrecke potenzielle Mieter ab.
Statt den übermütigen Anwalt kielholen zu lassen, gab das Amtsgericht Chemnitz der querulatorischen Klage statt. Über einen Anspruch auf Unterlassung hätte man ja streiten können, aber wie der Kollege dem Amtsgericht ein ersatzfähigen Schaden einreden konnte, muss auch dem abgebrühtesten Piratenanwalt Respekt abverlangen.
Wenn das mal besser nicht die Piratenpartei erfährt …
Via Lawblog
15. Juli 2011
Erneut berichtet DER SPIEGEL über den Verdacht, Wiki-Watch-Frontmann Prof. Stock habe in der Wikipedia verdeckt anrüchige PR-Dienstleistungen getätigt. Stock, der auch Dienstleistungen in Krisen-PR anbietet, scheint die eigene Krisen-PR aus dem Ruder zu laufen. Was das eigene Wiki-Watch-Blog betrifft, so scheint dort den Verantwortlichen nicht mehr eingefallen zu sein, als den PR-GAU totzuschweigen. Auch dem Hausherr Prof. Wolff Heintschel von Heinegg scheint langsam die Geduld auszugehen.
Im Lager der Wikipedanten, die bevorzugt von außen unbeobachtet über das Wissen der Welt herrschen wollen, dürfte die sich abzeichnende Implosion des Projekts Wiki-Watch für Hochstimmung sorgen. Der aktuelle Beitrag im Wikipedia-Kurier fällt allerdings angenehm (und für Wikipedia-Community-Verhältnisse überraschend) sachlich aus.
Die in sich zerstrittene deutsche Wikipedia-Community kann ein Feindbild, das die Lager eint, derzeit gut gebrauchen. Nachdem sich die Wikipedanten ähnlich prickelnd wie Prof. Stock verhalten hatten, geht man inzwischen offener damit um, dass es einen unbestreitbaren Rückgang an Qualitätsautoren gibt. Angesichts des aktuellen „Spionage-Skandals“ dürften personelle Probleme nicht nur bei den Autoren liegen.
UPDATE: Süddeutsche

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11. Juli 2011
Den Nachdenkseiten ist der am 05.07.2011 unterzeichnete Deal zwischen Maschmeyer & Co. und den NDR-Leuten zugespielt worden. Tage vorher beim Treffen von Netzwerk Recherche hatten sich der NDR-Justiziar und der Kollege Fricke für ihre heroische Arbeit feiern lassen, den Journalisten den Rücken zu stärken. Obwohl man große Aussichten hatte, die Rechtsstreite zu gewinnen, macht man plötzlich vor Maschi Männchen und teilt sich sogar die Prozesskosten.
Aufgrund der bekannten Vorwürfe jedenfalls ist nur sehr schwer nachzuvollziehen, weshalb der NDR Anlass sieht, sein Rückgrat einzurollen. Selbst, wenn einzelne Anträge etwa wegen der Bildnisse, die Maschi beim Überfallinterview zeigen, verschütt durchgegangen wären, so hätte der NDR den Gebührenzahlern Haltung demonstriert. Da es für die überwiegenden Anträge sehr gut aussah, ist es mehr als unverständlich, warum sich der NDR auf die hälftige Übernahme der Gerichtskosten eingelassen hat. Auch für den Verzicht auf den „Judge’s Cut“ ist schwerlich ein Anlass zu sehen.
Wie auch immer es der Hamburger Kollege geschafft haben mag, den NDR und die ebenfalls involvierten Rechercheure und den Präsentator Lütgert zur Unterschrift zu bewegen, das Ergebnis war wirklich mehr, als man erwarten konnte. Vermutlich kennen wir nicht die ganze Geschichte.
Fachlich interessant ist, dass der NDR in Köln in Anspruch genommen wurde, obwohl Maschis Kanzlei das Hamburger Medienrecht wie keine zweite geprägt hat. Aus dem angesprochenen Bestrafungsantrag darf man auf Rechtsunsicherheiten wegen der Verwendung von einstweilen verbotenen Bildnissen schließen, die sich Lütgert vor der Kamera erneut ansah. Mit den strafrechtlichen Drohungen scheint Maschi ernst gemacht zu haben, obwohl diese lächerlich sind.
Hatte sich der NDR durch seine Haltung gegenüber dem mächtigen Maschi über ein halbes Jahr hinweg profiliert, so dürfte er in der Achtung der Gebührenzahler aufgrund Feigheit vor dem Feind in gleicher Weise wieder gesunken sein.

admin •

18:56 •
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10. Juli 2011
Der Kollege Garcia (de legibus, de jure) nimmt ein Reiseverbot Russlands für Oppositionelle zum Anlass, die legendäre Elfes-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu besprechen – wie stets: lesenswert. Damals ging es um den CDU-Mitbegründer und Oberbürgermeister von Mönchengladbach Wilhelm Elfes, der sich in den 50ern mit Adenauers Politik der Westbindung nicht so recht identifizieren mochte und im Ausland bzw. der DDR „den Eindruck erweckte, als ob die Bundesrepublik den Krieg vorbereite usw. Die Bundesrepublik hatte ihm mit dieser Begründung die Ausreise zu einem „Friedenskongress“ verweigert.
Der Zufall will es, dass ich gerade ein Buch über die deutsch-deutsche Politik lese, die zum Mauerbau führte. Es stammt von den Zeitzeugen Heinz Kessler und Fritz Streletz, die aus ihrer Perspektive als späterer DDR-Verteidigungsminister bzw. NVA-Chef ihre Sicht darstellen. Normalerweise hätten mich ideologische Autoren eher nicht interessiert, aber die dümmliche Polemik, welche neulich die Qualitätskontrolle der Süddeutschen Zeitung passierte, kam mir verdächtig vor. Ich wollte schon genauer wissen, warum ich das Buch nicht lesen soll.
Was die beiden Autoren zu sagen haben, kommt keineswegs als „unverbesserlicher Betonkommunismus“ daher, vielmehr bemühen sich die Autoren um eine sachliche Argumentation und schildern etliche Tatsachen und Zusammenhänge, die mir so bisher noch nicht bekannt waren, zumal einiges damals ja auch geheim war.
Auch aus sonstiger historischer Perspektive muss man Elfes recht geben: Tatsächlich hatten ultrarechte westlichen Strategen in den 50ern einen Angriffskrieg vorbereitet; etliche westliche Militärs waren während der Berlin-Krise und der Kuba-Krise hierzu bereit. Gefährlich waren insbesondere Adenauer und Strauß, die ein bemerkenswert naives Verhältnis zu Nuklearwaffen pflegten und nicht realisierten, dass jeglicher Schlagabtausch beide Teile Deutschlands erneut ruiniert hätte. Auch Bundeswehrhistoriker weisen auf Adenauers aus heutiger Sicht schwer verständliche Mentalität hin, Atombomben als moderne Form der Artillerie zu betrachten. Strauß etwa hielt den Atomgranatwerfer für unverzichtbar.
Auch planten die westlichen Strategen, im Kriegsfall entlang der Ostgrenze einen Korridor nuklear zu verseuchen, wobei man in der eigenen Zivilbevölkerung Opfer in Millionenhöhe in kauf nahm. Das perfide Verbrechen, deutsche Landsleute aufeinander schießen zu lassen, wurde als das geringere Übel zum Kommunismus angesehen. Elfes war übrigens ja nicht einmal Kommunist, sondern wollte fernab ideologischer Scheuklappen schlicht und ergreifend Frieden. Nach solchen Leuten, die Rückgrat bewiesen und unbequeme Wege gingen, sollten Straßen und Plätze benannt werden.
Die seltsamen Querelen um das Wikipedia-kritische Projekt „Wiki-Watch“ und dessen Protagonisten Wolfgang Stock schlagen Wellen. Ein diesbezüglich kritischer Artikel in der FAZ ist nun in überarbeiteter Form wieder online.
Stock wird vorgeworfen, mit seinem Account – allerdings vor dem Wiki-Watch-Projekt – anrüchige PR-Schönungen für einen Konzern zu dessen Wikipedia-Artikel versucht zu haben. Wikipedanten ist es ähnlich wie Politikern zu eigen, bei unerwünschter Kritik Schwächen in der Person des Kritikers zu suchen, um diese mundtot zu machen. Hierzu bietet die „Vorratsdatenspeicherung“ von Wikipedia reichlich Gelegenheit, um Kompromat zu finden.
Praktisch alle professionellen Wikipedanten halten sich daher einen Schwarm an „Sockenpuppen“, um je nach Bedürfnis ihre Identität zu wechseln – so offenbar auch Stocks „Wiki-watch-de“, der allerdings mit dem Account „Diskriminierung“ Übereinstimmungen aufweist. Dieses Sockenpuppen-Mimikri hat längst zur Entwicklung einer Abteilung „Saatssicherheit“ geführt, die verdächtige Accounts in einem „CheckUser“ genannten Verfahren einer Rasterfahndung unterzieht und mit dem Instrumentarium von Kriminalisten und Geheimdienstlern gemeinsame Identitäten aufspürt.
Nach Beobachtung von Kritikern wird das CheckUser-Verfahren ähnlich willkürlich instrumentalisiert wie die Offline-StaSi. Manche sind eben „gleicher“.
In Mitleidenschaft von der Peinlichkeit wurden neben dem bekannten Berliner Medienanwalt Prof. Johannes Weberling auch Prof. Wolff Heintschel von Heinegg gezogen, an dessen Lehrstuhl Stocks Projekt angesiedelt ist. Das Projekt Wiki-Watch dürfte aufgrund des nun gegebenen Defizits an Glaubwürdigkeit erledigt sein, zumal Stock dem konservativen Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft nahe steht, wo man aufklärungsresistentes Gedankengut kultiviert wie die Schnappsidee, Homosexualität sei therapierbar. Da die Wikipedanten einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Homosexuellen aufweisen, dürften solche Positionen kaum auf Gegenliebe stoßen.
9. Juli 2011
Eine Woche, nachdem Maschmeyer nicht, wie zwischenzeitlich abgekündigt, beim Jahrestreffen von Netzwerk Recherche aufgelaufen ist, wird nun bekannt, dass man sich zur „Nichtverfolgung“ der Rechtsstreite entschlossen hat.
Die Süddeutsche deutet an, es sei Maschmeyer gelungen, etliche Kräfte im NDR zu binden. Andere Vorteile aus dem Deal sind kaum erkennbar. So wird der Judge’s Cut entfernt und das Häuschen von Machmeyer darf nicht mehr gezeigt werden – was lächerlich ist, denn zum Protzen ist es doch wohl da. Wenigstens scheint seine Villa, in der unser Bundespräsident zu urlauben pflegte, falls dies nicht ebenfalls mit „Privathaus“ gemeint ist. Für einen öffentlich-rechtlichen Sender, der sich als eines der wenigen Medien einen solchen Rechtsstreit leisten könnte und die Aussichten günstig waren, ist das eher schwach.
Auch Maschmeyer selbst will nun – kein Witz – ins TV-Geschäft einsteigen: Papagei-TV.
UPDATE: Wer trotzdem sehen will, wie der Maschi schön wohnen tut, kann ja bei Google-Streetview die MaschmeyerRürup AG Independent International Consultancy, Hanebuthwinkel, Hannover suchen … :-P

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13:46 •
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7. Juli 2011
Vor einigen Jahren brachte ein Anonymus unter dem Pseudonym „Till Freyberg“ den Schlüsselroman „Die Abzocker“ heraus, in welchem er offenbar autobiographisch seine Erfahrung als Drücker in einem Allfinanzvertrieb verarbeitete. Etwa zur gleichen Zeit veröffentlichte ich mein sarkastisches Pamphlet „Eine Beraterkarriere“, zu dem mich Informanten aus einem Finanzvertrieb inspiriert hatten. Nun erschien ein weiterer Schlüsselroman aus der finsteren Welt der Finanzstrukkibuden, das erneut von einem Anonymus verfasst wurde.
„Maximilian von Ah“ schildert den Aufstieg eines Finanzberaters, der einem Tycoon auf den Leim geht und Kritik wagt. Der Mann wird nach allen Regeln der Kunst fertig gemacht, auch ein Neustart in einem konkurrierenden Unternehmen wird durch Dienstleister fürs Grobe wie Detektive und gewisse Anwälte sabotiert und abserviert. Anders als die vorgenannten Werke spielt Ah’s Geschichte jedoch ein, zwei Stockwerk höher: Der Protagonist war mit der Leitung der Schweizer Dependance beauftragtund rollte einen größeren Ball. Der Schweizer Finanzjongleur, der am Schluss jedoch reichlich Finanzprobleme hat, erleidet zudem den Schicksalsschlag, dass seine Frau an einer Geisteskrankheit erkrankt und im Wahn die Kinder gefährdet. Eine Auswahl ausführlicherer Rezensionen findet man hier.
An dem Detailreichtum und der Sachkenntnis erkennt man schnell, dass man es weniger mit Fiktion zu tun hat, als vielmehr mit einer anonymisierten wie verfremdeten Autobiographie. Bei einem Bösewicht namens „Carl Meyer“ sowie anderen Hinweisen etwa in seinem Blog (den ich mit Rücksicht auf meine Freunde beim Landgericht Hamburg nicht verlinke) muss man auch nicht lange raten, wen der Autor da wohl aufs Korn genommen haben mag. Mich erinnerten die geschilderten Intrigen frappierend an Begebenheiten, die mir die beiden Whistleblower erzählt hatten, welche einen anderen Finanzvertrieb vor ein paar Jahren in Bedrängnis brachten. Die Methoden der Drecksarbeit sind die gleichen. Der Fischer-Verlag begibt sich auf eine juristische Gratwanderung, aber vielleicht hat der Betreffende ja inzwischen gelernt, wie das mit Frau Streisand so läuft …
Wer wissen will, mit welchen Ränkespielen gekränkte Finanzfalschspielerwelt an Abtrünnigen Exempel statuieren, für den bietet das Buch eine Fülle von Anekdoten. Für einen Romanleser jedoch ist die Detailverliebtheit auf die Dauer eher anstrengend. Zweifellos ist das Buch eher eine persönliche Aufarbeitung als ein fiktiver Kriminalroman mit Unterhaltungsambitionen. Aber für Kenner ist nichts spannender als die Wirklichkeit.
Einen Schwachpunkt möchte ich jedoch nicht verschweigen: Der Autor hält seine Künste, die Finanzberatung und den Aufbau von Strukturvertrieben, bei denen 80% der geworbenen Strukkis scheitern, anscheinend ernsthaft für eine sinnvolle Tätigkeit. Offenbar hat er zu seiner Branche an sich ein erstaunlich unkritisches Verhältnis. Finanzvertriebe benötigt die Menschheit jedoch nach meiner Auffassung so dringend wie die Nacktputzagentur.