Vor einigen Jahren brachte ein Anonymus unter dem Pseudonym „Till Freyberg“ den Schlüsselroman „Die Abzocker“ heraus, in welchem er offenbar autobiographisch seine Erfahrung als Drücker in einem Allfinanzvertrieb verarbeitete. Etwa zur gleichen Zeit veröffentlichte ich mein sarkastisches Pamphlet „Eine Beraterkarriere“, zu dem mich Informanten aus einem Finanzvertrieb inspiriert hatten. Nun erschien ein weiterer Schlüsselroman aus der finsteren Welt der Finanzstrukkibuden, das erneut von einem Anonymus verfasst wurde.
„Maximilian von Ah“ schildert den Aufstieg eines Finanzberaters, der einem Tycoon auf den Leim geht und Kritik wagt. Der Mann wird nach allen Regeln der Kunst fertig gemacht, auch ein Neustart in einem konkurrierenden Unternehmen wird durch Dienstleister fürs Grobe wie Detektive und gewisse Anwälte sabotiert und abserviert. Anders als die vorgenannten Werke spielt Ah’s Geschichte jedoch ein, zwei Stockwerk höher: Der Protagonist war mit der Leitung der Schweizer Dependance beauftragtund rollte einen größeren Ball. Der Schweizer Finanzjongleur, der am Schluss jedoch reichlich Finanzprobleme hat, erleidet zudem den Schicksalsschlag, dass seine Frau an einer Geisteskrankheit erkrankt und im Wahn die Kinder gefährdet. Eine Auswahl ausführlicherer Rezensionen findet man hier.
An dem Detailreichtum und der Sachkenntnis erkennt man schnell, dass man es weniger mit Fiktion zu tun hat, als vielmehr mit einer anonymisierten wie verfremdeten Autobiographie. Bei einem Bösewicht namens „Carl Meyer“ sowie anderen Hinweisen etwa in seinem Blog (den ich mit Rücksicht auf meine Freunde beim Landgericht Hamburg nicht verlinke) muss man auch nicht lange raten, wen der Autor da wohl aufs Korn genommen haben mag. Mich erinnerten die geschilderten Intrigen frappierend an Begebenheiten, die mir die beiden Whistleblower erzählt hatten, welche einen anderen Finanzvertrieb vor ein paar Jahren in Bedrängnis brachten. Die Methoden der Drecksarbeit sind die gleichen. Der Fischer-Verlag begibt sich auf eine juristische Gratwanderung, aber vielleicht hat der Betreffende ja inzwischen gelernt, wie das mit Frau Streisand so läuft …
Wer wissen will, mit welchen Ränkespielen gekränkte Finanzfalschspielerwelt an Abtrünnigen Exempel statuieren, für den bietet das Buch eine Fülle von Anekdoten. Für einen Romanleser jedoch ist die Detailverliebtheit auf die Dauer eher anstrengend. Zweifellos ist das Buch eher eine persönliche Aufarbeitung als ein fiktiver Kriminalroman mit Unterhaltungsambitionen. Aber für Kenner ist nichts spannender als die Wirklichkeit.
Einen Schwachpunkt möchte ich jedoch nicht verschweigen: Der Autor hält seine Künste, die Finanzberatung und den Aufbau von Strukturvertrieben, bei denen 80% der geworbenen Strukkis scheitern, anscheinend ernsthaft für eine sinnvolle Tätigkeit. Offenbar hat er zu seiner Branche an sich ein erstaunlich unkritisches Verhältnis. Finanzvertriebe benötigt die Menschheit jedoch nach meiner Auffassung so dringend wie die Nacktputzagentur.