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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


15. Januar 2014

Anfrage an die NSA

 

Sehr geehrte Damen und Herren Spione,

nach knapp vier Jahren wird es Zeit, dass ich meinen ächzenden Rechner in die wohlverdiente Rente schicke und durch ein neues Modell ersetzte.

Da Sie ein Interesse am optimalen Funktionieren meiner IT haben, bitte ich Sie freundlich um

  • Beratung, mit welchem aktuellen Modell wir denn in nächster Zeit gemeinsam am besten zusammenarbeiten können,
  • Unterbreiten eines Angebots finanzieller Beteiligung.

Bitte informieren Sie mich auch über Ihre neuartigen Angebote in Sachen WLAN.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Kompa

8. Januar 2014

Die „Bürgerkommission zur Untersuchung des FBI“

 

Was für eine unglaublich großartige Geschichte!

Eine letztes Rätsel der Vietnamära ist nunmehr gelöst. So hatte die Öffentlichkeit erstmals 1971 durch einen geheimnisvollen Einbruch in ein FBI-Gebäude erfahren, dass die Geheimdienste systematisch die Friedens- und Bürgerrechtsbewegung ausspionierten und mit aktiven Zersetzungsmaßnahmen bekämpften. In den Akten, welche die Einbrecher an die Washington Post sandten, fand man damals erstmals die Abkürzung COINTELPRO. Die Enthüllungen führten zusammen mit dem Watergate-Skandal Mitte der 1970er zu den Untersuchungskommitees, welche den FBI-Terror beendeten und die CIA kastrierten, sowie zur Einrichtung des (witzlosen) FISA-Courts bei der NSA.

Nunmehr haben sich die geheimnisvollen Einbrecher nach fast 43 Jahren zu erkennen gegeben. Hier die Story auf TELEPOLIS.

 

3. Januar 2014

BPT 14.1 Bochum – Kandidatenaufstellung zur Europawahl

Politik ist weder Wunschkonzert noch Stellungskrieg, sondern das Ringen um sinnvolle Kompromisse. Für politische Ämter gibt es daher keine perfekten Kandidaten, schon gar keine, die es allen Recht machen. Entgegen einer weltfremden Ansicht benötigt man in der Politik Köpfe, die Botschafter ihrer Sache sind und bei den Wählern Vertrauen schaffen.

Nach den Erfahrungen im Bundestagswahlkampf wären die Piraten gut beraten, solche Bewerber zu wählen, die sich bereits als offensive und selbständige Wahlkämpfer bewährt haben. Die Wahl ist bereits in vier Monaten, Newcomer wird man in dieser Zeit nicht etablieren können.

Wer keinen Wahlkampf kann, hat im Zweifel auch nichts in der politischen Arena zu melden. Nachdem es im Bundestagswahlkampf nur wenigen Piraten gelang, einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erwerben, wird es im medial gesehen weniger bedeutenden Europawahlkampf nicht anders laufen.

Eine 2%-Partei hat nur geringe Ansprüche auf mediale Aufmerksamkeit, daher werden es die Kandidaten reißen müssen. Die Euopawahl ist zu wichtig, als dass man ihren Erfolg durch persönliche Befindlichkeiten, alte Geschichten oder politische Differenzen gefährden sollte, solange ein Kompromiss möglich ist. Viel wichtiger als persönliche Identifikation ist die Frage, ob der Bewerber einen starken Wahlkampf macht. Der Gegner heißt TTIP.

Nach den von mir genannten Kriterien kommen als Spitzenkandidaten einzig in Betracht:

  • Katta, die meine obige Behauptung widerlegt, es gäbe keine perfekten Piraten-Kandidaten.
  • Bruno Kramm, der schon mit seinem ACTA-Video maßgeblich zur damaligen Kampagne für dieses Thema beigetragen hat.
  • Anke Domscheit-Berg, die in Brandenburg einen effizienten Wahlkampf vorlegte und in den Medien ein gutes Standing hat.

Außerdem möchte ich wegen ihrer Kompetenz auch auf der Liste sehen:

  • Julia Reda
  • Jens Seipenbusch
  • Jens Stomber
  • Patrick Schiffer
  • Markus Drenger
  • Gilles Bordelais

Ja, ich weiß, diese Piraten sind unterschiedlich drauf, haben Ecken und Kanten. Wie wir alle. Wie jeder Politiker. Eine Partei, in der alle das gleiche denken müssen (woran etwa auf Twitter gerade einige „arbeiten“), wäre mir unsympathisch. Außer den Genannten gibt es noch ein paar andere, die einen guten Eindruck machen.

Werden die Piraten DIE Anti-TTIP-Partei?

Bei der Europawahl gibt es genau ein Tema: TTIP.

Was da auf uns zurollt, wäre nur sehr schwer wieder aus der Welt zu schaffen. Ich werde genau die Partei wählen, die sich am vehementesten hiergegen einsetzt. Ob das die Piraten sein werden, Die Linke oder Bündnis90/Die Grünen, spielt für mich keine Rolle. Ich möchte nicht in einem Rechtssystem leben, das die Politik faktisch an die Konzerne delegiert.

An diesem Wochenende versammeln sich unerschütterliche Piraten in Bochum, um ihre Liste für die Europawahl aufzustellen. Während neulich in Bremen das Interesse an Parteiämtern überschaubar war, fühlen sich für das Straßburger Parlament wieder jede Menge Leute berufen, darunter wieder etliche unbekannte Newcomer, die glauben, dass sie in ihren drei Minuten das Vertrauen der nun einmal sehr agrwöhnischen Piraten gewinnen können. Sportlich! ;)

Qualitätswähler hatten die ursprünglich eher liberalen Piraten 2009 bis Anfang 2012  solchen Parteien vorgezogen, die ideologische Symbolpolitik boten und sich billig auf Religion und -Ismen beriefen. Seit sich einige Piraten intolerant ideologisch gebärden und damit etablierte Anbieter unbeholfen kopieren, reduzierte sich der Konsens angesprochender Wähler auf ein Viertel. Es wäre hilfreich, wenn die Piraten demokratisch klarstellen, ob sie diese ideologische Herangehensweise billigen oder ablehnen.

Noch immer hoffen einige Piraten, intelligente Wähler würden ihnen Kompetenz außerhalb ihrer Kernthemen zubilligen, obwohl sie bei der Bundestagswahl nicht einmal einen professionellen Wahlkampf boten. Statt der ganzen Plakate, die zu 95% mit dem Repertoire der anderen Parteien identisch waren, wäre es sinnvoll gewesen, genau ein Plakat zu nutzen, und zwar in der Art:

Was da gerade mit TTIP passiert, ist nichts für die Selbsterfahrungsgruppe, gefragt sind entschlossene Kämpfer, und zwar keine Hitzköpfe, sondern solche mit Ausdauer, die auch das bürgerliche Lager überzeugen, anstatt es kindisch zu beschimpfen. Salonkommunisten und Selbstoptimierer sind überflüssig – in jeder Partei.

2. Januar 2014

Block-Partei

 

Vor gut zwei Wochen legte jemand aus dem Piratendunstkreis einen anonymen Twitter-Account an, in dem er „Blockempfehlungen“ für solche Piraten aussprach, die bestimmten Strömungen, die ich vor allem mit gewissen (Ex-)Piraten im Raum Berlin verbinde, nicht völlig unkritisch gegenüber stehen. Accounts, die häufig gespamblockt werden, kriegen offenbar seitens Twitter Probleme.

Eigentlich sollte offensichtlich sein, dass in einer Partei, die zur Förderung von Informationsfluss und Meinungsfreiheit gegründet wurde, derartige Eingriffe nicht gehen und unter Trollerei fallen. Statt so etwas geringes wie einen hitzköpfigen Twitter-Account einfach zu ignorieren, haben etliche wohlmeinende Piraten für diese Kinderei unfreiwillig die PR besorgt. Ein zarter Gruß von Frau Streisand an beide Seiten.

Erstaunlicherweise haben auch zahlreiche bekannte Piraten diesen Account durch Besprechungen und sogar durch Folgen(!) aufgewertet und dessen Betreiber, der wie jeder Troll in erster Linie Aufmerksamkeit sucht, auch noch belohnt. Die alberne Story hat es inzwischen in die Blogosphäre geschafft, wo sich nun die Leute gegenseitig ihre Missbilligung bekunden oder Haltungen unterstellen. Wissen nicht einmal Piraten, dass man Trolle nicht füttert …? Habt ihr nichts sinnvolles zu tun? Wie wäre es mit Computerspielen?

Erfahrungsgemäß entwickeln Streite eine Eigendynamik, die weit über ihren Anlass hinausgeht. Wenn sich ein Gegner nicht sachlich äußern kann, führt jede Reaktion nur zu persönlicher Anfeindung und Zeitvernichtung. In den meisten Fällen ist es daher die sinnvollste Strategie, persönliche Angriffe zu ignorieren, allenfalls sachlich zu kommentieren oder maximal einen Facepalm m( zu vergeben. Twitterer, die nicht nur ein schlechtes Benehmen haben, sondern aufdringlich pöbeln, blocke ich übrigens sofort. Dazu brauche ich keine Blockempfehlung … ;)

 

16. Dezember 2013

Gysi-Doku

Seit fast drei Jahren berichte ich über den Rechtsstreit zwischen Gysi und NDR. Es geht um Gysis Verhältnis zum Ministerium für Staatssicherheit und den Vorwurf von Mandantenverrat. Wie manch anderer war Gysi mit einer eidesstattlichen Versicherung zur Hamburger Pressekammer getingelt, das immer wieder gerne eidssstattlichen Versicherungen ausreichen lässt, zuletzt beim Limburger Bischof.

Heute Abend nun um 23.55 Uhr zeigt die ARD eine neue Gysi-Doku, falls seine Anwälte nicht noch schnell eine einstweilige Verfügung zustellen. Bärbel Bohley, der er die Behauptung des Parteiverrats untersagen ließ, hatte sich nie an das Verbot gehalten und ihre Vorwürfe zeitlebens aufrecht erhalten. Die streitigen Vorfälle liegen inzwischen drei Jahrzehnte zurück.

Tragisch ist, dass Gysi derzeit der Oppositionsführer ist, und zwar einer, der dringend gebraucht wird. Der „Witz“ ist ja, dass der deutsche Staat es derzeit zulässt, dass die gesamte Telekommunikation – und damit auch Anwaltsgespräche und Mails – abgehört werden, möglicherweise selbst mithört. Zu den heutigen informationstechnischen Möglichkeiten der Geheimdienste verhält sich das Wissen des MfS nahezu homöopathisch. Zur NSA habe ich von Rot und Schwarz nicht viel gehört, während Gysi Klartext liefert:

 

5. Dezember 2013

Tegtmeier klärte auf!

 

Vor 30 Jahren erklärte Tegtmeier in einer Folge (bitte ganz schnell ins Internet befreien!) die Nation darüber auf, was man den im Orwelljahr zu erwarten habe. Nachdem er in einem Kaufhaus einen venezianischen Spiegel entdeckte hatte, hinter dem der Hausdetektiv den Laden überwacht, traute er keinen Spiegeln mehr, die er folgerichtig auch in Umkleidekabinen abdeckte.

Im Verlauf der Folge kriegte er auch mit, dass sich jeder Lautsprecher im Prinzip auch zu einem Mikrofon umfunktionalisieren lässt. tegtmeier folgerte messerscharf, dass das auch für Fernseher zutreffen könne, und befürchtete, durch seine Mattscheibe zurück beobachtet zu werden. Daher gab Tegtmeier den Rat aus, beim Fernsehen stets zu lächeln. :)

Inzwischen sind wir soweit. LG fiel neulich damit auf, dass die TV-Geräte meldeten, welches Programm man gerade sah. Im Prinzip kann man ein Programm auch über den Stromverbrauch identifizieren, da die Helligkeit von Bildstellen unterschiedlich Strom verbraucht. Wer dem Programm am Notebook oder Tablet folgt, blickt meist auch in eine Kamera, von der man nicht zuverlässig erkennen kann, ob diese auch wirklich ausgeschaltet ist.

Für die mobile Überwachungswanze, vulgo „Handy“, fehlten sowohl Orwell als auch Tegtmeier die Fantasie. Nunmehr wissen wir von Snowden, dass die NSA anlaßlos Milliarden an Bewegungsdaten speichert – und auch in Jahren noch weiß, wann Sie im Swinger Club, beim spezialisierten Arzt und bei Strohwitwen etc. waren. Oder an Orten, wo typischerweise Drogen gehandelt werden. Durch den Abgleich mit anderen weiß die NSA, wen sie getroffen haben – oder glaubt dies zumindest.

Durch den Anstieg an Daten steigt auch das Risiko von Verwechslungen. Unter den Menschen, die jahrelang in Guantánamo festgehalten wurden oder von Drohnen auf verdacht getötet werden, befanden sich etliche, bei denen dies aufgrund von Verwechslungen geschah. Wie im dystopischen Film Brazil, wo im „Informationsministerium“ eine Fliege einen Namen veränderte.

 

1. Dezember 2013

Sigmar Gabriel ist die neue Zensursula

 

Auf Sigmar Gabriel, einstiger „Pop-Beauftragter“ der Spezialdemokraten, wurde ich erstmals 2007 in Richter Buskes Hamburger Pressekammer aufmerksam. Dort hatte ich eines Vormittags gemeinsam Termin mit Siggis Parteifreund Marcel Bartels, einer der deutschen Politblogger-Pioniere. Damals wehrte sich „Siggi Pop“ gegen eine despektierliche Bildunterschrift, was für einen Spitzenpolitiker halt ein wenig dünnhäutig wirkte. Nachdem ihm Barbara Streisand die Bude einrannte, zog er irgendwann zurück.

Den Boulevardstreit mit Frau Slomka, der derzeit von Wichtigem ablenkt, möchte ich nicht weiter kommentieren.

ABER DAS, WAS GABRIEL DA MIT DEN ERMORDETEN KINDERN VON NORWEGEN MACHT, IST NICHT ANSATZWEISE TOLERIERBAR.

Entgegen Gabriels Behauptung wurden die Attentate nicht durch die Vorratsdatenspeicherung erkannt oder aufgeklärt, die war in Norwegen nicht einmal umgesetzt. Eine spezifische Überwachung der Quellen für die Beschaffung von Sprengstoffen und Waffen, sowie die Auswertung des rassistischen Drecks, den Breivik in einem rechtsextremen Forum veröffentlicht hatte, wäre hingegen sinnvoll gewesen. Die Festnahme des Attentäters hatte nicht das geringste mit Fahndungserfolg zu tun, vielmehr wollte der Wahnsinnige ja genau das.

Inzwischen wird Gabriel auch seinen Genossen peinlich. Gut so.

Schlecht ist aber, dass die ehemalige Volkspartei SPD offenbar ein massives Personalproblem hat. Wenn Siggi Pop, Andrea „Pippi“ Nahles und mein Duz-Freund Frank Walter das Spitzenpersonal der Sozis darstellen, dann hat man den Piraten viel Unrecht getan …

24. November 2013

Mary Meyer

 

Zum 50.Jahrestag des Kennedy-Mords machten die öffentlich-rechtlichen Sender eine vergleichsweise gute Figur. Über das, was Print- und Online-Medien geboten haben, möchte ich lieber höflich schweigen.

Das ZDF bot eine durchaus interessante Doku über Kennedys Frauen-Affären, die durchaus politisch von Interesse sind, da er sich hiedurch in mehrfacher Hinsicht erpressbar machte, etwa Unterweltgestalten und Schlapphüten Kompromat frei Haus lieferte und sich bei FBI-Chef Hoover gewissermaßen verschuldete. Die patriotische Presse ließ sich damals allerdings überwiegend staatstragend einschüchtern. Erstaunlicherweise hat das ZDF die meines Erachtens bemerkenswerteste Kennedy-Freundin übersehen: Mary Pinchot Meyer, die den ursprünglich Kalten Krieger zu einem Friedensapostel machen wollte – und das möglicherweise auch geschafft hat.

Das Desinteresse der Medien an Mary Meyer ist erstaunlich, denn sie dürfte eine der bemerkenswertesten Feministinnen überhaupt gewesen sein. Wie Kennedy wurde sie durch Kopfschuss niedergestreckt.

Was hätte Kennedy wohl dazu gesagt, wenn er sehen müsste, wie sein Nachfolger mit Militär und Geheimdiensten ebenfalls wie Heckenschützen Menschen auf offener Straße liquidieren, nämlich mit Drohnen?

Eine „Smoking Gun“ zum Kennedy-Mord kann natürlich heute niemand mehr liefern. Mich würde es allerdings nicht überraschen, wenn sein vorzeitiges Ableben mit dem „Nuclear Gun“ zusammenhinge. Da hatte ein General LeMay fast zwei Jahrzehnte damit zugebracht, einen atomaren Angriffskrieg auf die Sowjetunion zu organisieren, und dann kommt so ein krankes Millionärssöhnchen daher, nimmt der Luftwaffe den Zugriff auf die Bombe weg und will die dann auch noch ganz abschaffen? Das geht ja mal gar nicht …

Annett Meiritz, Kontaktpflegerin – Journalisten unter Piraten (4)

Eigentlich wollte ich meine Serie über journalistische Glanzleistungen im Bezug auf die Piraten mit der Würdigung des Werks einer Person beenden, die wie keine zweite die öffentliche und vor allem die Selbstwahrnehmung der Piraten geprägt haben dürfte und interessante Akzente in der – wie sie es nennt – „Kontaktpflege“ setzte. Ein solcher Kommentar von mir wurde auch von vielen erwartet. Obwohl ich bereits vor Wochen eine Entwurfsfassung geschrieben hatte, werde ich diese in der Schublade lassen – aus Gründen.

Was bisher geschah:

  • Im Frühjahr 2012 hatte ich auf einen rechten und einen linken Missgriff von Dominik Rzepka hingewiesen. Seit diesen Tadeln, die ihm nicht entgangen sind, lieferte Rzepka vorbildlichen Journalismus sowohl über die Piraten als auch über ihre Themen ab.
  • Vor einem Jahr summierte ich die Fehlleistung einer Print-SPIEGEL-Journalistin, die nachhaltig durch unprofessionelles journalistisches Handwerk die Partei und dann eine von mir besonders geschätzte Piratin in Misskredit brachte. Sie schrieb nach meiner Kritik nie wieder über die Piraten und wechselte alsbald ihren Arbeitgeber.
  • Nach der Bundestagswahl wies ich daraufhin, dass ich keinesfalls der Presse die Schuld für den hausgemachten Fail gebe, allerdings Missstände zu beklagen habe.
  • Einer dieser Missstände betraf eine Autorin, deren subjektiv-selektive Sicht eher eine einfältig-naive Projektion als ein handwerklich vertretbares Ergebnis journalistischer Arbeit war. Schlichte Gemüter interpretierten meinen Text als anti-feministisch und meinten, ihrer edlen Sache mit einem Shitstorm zu dienen.
  • Danach habe ich Caspar C. Mieraus Blog „Popcornpiraten“ beleuchtet, das so unabhängig/überparteilich, wie es tat, dann wohl doch nicht war.
  • Und jetzt wäre eigentlich die SPIEGEL ONLINE-Debütantin Annett Meiritz fällig gewesen.

Was geschehen würde:

Meine Analyse der Symbiose von Frau Meiritz mit vor allem Berliner Piraten ist sehr lang geraten und würde allein deshalb die Lesekompetenz der an Twitter gewöhnten Zeitgenossen überfordern, jedenfalls in Kreisen, in denen man der Bildung nur eingeschränkt huldigt. Fanatiker wie Anatol Stephanowitsch würden sich wieder unter ihr Niveau begeben und mir auf Twitter vermutlich Äußerungen und Haltungen in den Mund legen, die nicht die meinen sind, um mich in Misskredit zu bringen. Journalisten, in deren Kreisen sich Frau Meiritz persönlicher Beliebtheit erfreut, werden sich wieder wie auf dem Schulhof benehmen. Und denen, die gerade die Piratenpartei wieder aufbauen wollen, würde ich Knüppel zwischen die Beine werfen – eine Passion, die ich lieber Piraten vor allem aus dem Raum Berlin überlassen möchte, die haben da mehr Erfahrung. Ein Depp wie ein gewisser „Korbinian Polk“ würde mich als „rechts“ denunzieren.

Mit meiner Medienkritik würde ich jedenfalls nichts Positives bewirken. Aber aus Gründen der Selbstachtung kann ich die Angelegenheit nicht völlig unter den Teppich kehren, sondern sage das, was aus Sicht eines Medienkritikers zu sagen ist, in abstrakter Form.

Dilemma der journalistischen Distanz

George Orwell soll einmal gesagt haben:

Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem jemand will, dass es nicht gedruckt wird. Alles andere ist Public Relations.“

Diese Definition ist natürlich mehr als zugespitzt. Niemand lässt auf der Toilette die Tür aufstehen, es gibt berechtigte Anliegen wie Privatsphäre usw. (sogar solche von Pseudo-Enthüllungsjournalistinnen), und auch nicht jede Unterhaltung gehört in die Öffentlichkeit. Das bei den Piraten gepflegte Dogma der Transparenz gerät leider häufig zur Heuchelei, denn auch dort werden die wirklich heiklen Sachen nicht im Stream besprochen, sondern in der Raucherpause, am Telefon oder in der C-Base. Aufgabe von Journalisten ist es, die für die Leser wichtigen Dinge zu erkennen, zu gewichten und den kleinen Ausschnitt an publizistischer Aufmerksamkeit für das Thema effizient zu nutzen.

Journalisten, die etwas auf sich halten, reichen keine Pressemitteilungen durch, sondern recherchieren die Dinge und pflegen hierzu Insiderkontakte. Letzteres allerdings provoziert die sogenannten „Unschärfen“. Je näher man seinem Berichtsobjekt kommt, desto unschärfer wird das Bild, weil man die Beziehung zur Quelle nicht gefährden möchte. Auf der Journalistenschule lehrt man daher Hanns Joachim Friedrichs Haltung:

Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“

Wenn man mit dem Berichtsthema und den Politikern persönlich sympathisiert, fehlt irgendwann die professionelle Distanz. Spätestens dann, wenn man im Blatt leicht verfolgen kann, mit wem ein Journalist geredet hat und mit wem offenbar nicht, wem sein – mitunter auch sehr subjektives – Wohlwollen gilt, und mit wem er sogar persönlichen Streit hat, wird es peinlich – oder wie Frau Meiritz es formulieren würde: „zum Fremdschämen“.

Wenn sich ein Politiker auf dauernde Medienpräsenz einlässt, so steigt die Gefahr, dass er in Gegenwart eines Journalisten einen fahren lässt. Manchem entfährt es durch den Mund, etwa ein Vergleich der eigenen Partei mit der NSdAP. Ist es da wirklich Journalismus, auf einen stilistischen Missgriff zu fokussieren?

Wenn sich die Piraten bewusst in der Öffentlichkeit streiten, sollte da ein aufgeweckter Journalist nicht wissen, dass Streit – woanders hinter verschlossenen Türen – zum politischen Alltag gehört, insbesondere in einer nicht ideologisch verfassten Partei? Ob wohl die Streiterei bei SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE, die mit der Entpflichtung der Star-Journalisten endete, weniger temperamentvoll ausgetragen wurde?

Ein Politiker wird sich darüber freuen, wenn über seine Partei positiv oder wenigstens nicht negativ berichtet wird. Ein Medienkritiker hingegen ist an negativer Berichterstattung interessiert, wenn diese langfristig zu einer Besserung von Missständen führen könnte. Nun bin ich glücklicherweise kein Politiker mehr, aber es ist dennoch nicht meine Aufgabe, aus meiner Partei zu kolportieren, so dass ich meine Kritik anhand von drei fiktiven Fallbeispielen darstellen werde.

Fälle, in denen ein Journalist hätte kritisch berichten müssen

Fiktiver Fall 1: Peinliches Buch

Ein Pirat in gehobener Position verrät alle Werte der Partei, Journalist berichtet nicht, Blatt berichtet dann negativ über die Kritiker.

Nehmen wir einmal an, ein Pirat, der häufig öffentlich für die Partei aufgetreten ist, dabei mit vulgären Beschimpfungen Urheber provoziert hat und für höchste Vorstandsämter kandidiert, lässt sich ausgerechnet von Verwertungsrechtsgigant Bertelsmann kaufen und schreibt ein Buch. Der Pirat akzeptiert für sein für Sachbücher ungewöhnlich hohes Honorar, dass der Verlag gegen die von den Piraten geforderte DRM-freie Digitalkopie vorgeht. Der Pirat unterläuft die Kernforderung der Piraten nach Datenschutz und Privatsphäre, indem er sich als digitaler Exhibitionist positioniert. Das Buch wird erwartungsgemäß von der Presse als Steilvorlage zur Widerlegung der Glaubwürdigkeit der Piraten benutzt und erweist sich für die Öffentlichkeitsarbeit insoweit als Super-GAU – macht aber wenigstens den Pirat reich.

Praktisch alle anderen Medien sehen sich zu Kritik an dem Buchdeal veranlasst. Wenn ein Journalist jedoch den betreffenden Piraten und seine Freunde häufig trifft, sich mit ihnen duzt, mit ihnen feiert und trinkt, – dann hat der Journalist nun einmal einen Interessenkonflikt. Man würde das Thema lieber an einen Redaktionskollegen abgeben wollen. Und man man fände es angenehm, wenn ein Beitrag mit einem Spin wie „Shitstorm gegen die arme Frau! Das hat sie nicht verdient! Diese gemeine Partei.“ erscheinen würde.

Damit niemand auf die Idee kommt, ein Pirat würde sich für Geld für ein derart groteskes wie parteischädliches Buch ohne geistigen Mehrwert hergeben oder jemand würde Kritik daran als überzogen darstellen, habe ich das fiktive Beispiel bewusst dick aufgetragen. Ich habe mich hierzu von einer wohl satirischen Buchbesprechung von Anatol Stephanowitsch über ein sicherlich frei erfundenes Werk inspirieren lassen.

Fiktiver Fall 2: Peinlicher Termin

Ein Pirat in gehobener Position verrät alle Werte der Partei, Journalist berichtet nicht.

Nehmen wir einmal an, ein einflussreicher wie rechtspopulistischer Verlag, der für die Einführung eines neuen, die Freiheit des Internets gefährdenden Urheberrechts eintritt, lädt etliche bekannte Piraten ausgerechnet in das am besten abgeschirmteste Hinterzimmer Berlins ein. Stargast ist ein amerikanischer Kriegsverbrecher und Geheimdienstdrahtzieher, der seine Dienstleistungen noch heute für Geld an die Wirtschaft verkauft. Alle angefragten Piraten sagen empört ab – außer einem, der gegenüber dem intriganten US-Massenmörder für WikiLeaks werben und sich feinsinnig über das Urheberrecht der Erben von Loriot unterhalten will (der dem Massenmörder kaum die Hand gegeben hätte).

Über eine solche Peinlichkeit kann man als professioneller Journalist schon deshalb nicht berichten, weil man ja dann auch den gastgebenden Verlag kritisieren müsste. Aber einer anderen Krähe das Auge auszuhacken dürfte im Hauptstadtjournalistenbiotop der Kontaktpflege nicht förderlich sein. Außerdem kann man ja nicht ausschließen, dass jemand aus der Chefredaktion dieses Verlags in die eigene wechselt. Immer schön geschmeidig bleiben!

Fiktiver Fall 3: Peinliche Abgeordnete

Piraten in gehobener Position verraten alle Werte der Partei, Journalist berichtet durchgestochene Kolportage über Piraten, mit denen kein Kontakt gepflegt wird.

Nehmen wir einmal an, Piraten innerhalb eine Zwangsgemeinschaft Abgeordneter verbinden mit einem Journalist einen gemeinsamen Gegner unter den Abgeordneten. Sie finden heraus, dass in dessen Einflussbereich ein faules Ei agiert. Das faule Ei wiederum steht im Verdacht, krumme Geschäfte zu machen mit einer faulen Tomate, die das Ei auch mit anderen Piraten bundesweit in Kontakt bringt. Die Abgeordneten stechen ihr Wissen an den Journalisten durch, in der Hoffnung, dass der lästige Abgeordnetenkollege mundtot gemacht wird und Piraten außerhalb ihrer Stadt ihnen nicht den Glanz in der Hauptstadt streitig machen.

Ein Journalist müsste nun dreierlei abwägen:

  1. Ist es wirklich meine Aufgabe, mich mit einer relativ unbedeutenden Story, die Dritte unverschuldet in Misskredit bringt, für Schmierlappen zum Schmierfink zu machen?
  2. Bringe ich stattdessen nicht besser die Story über intrigante Piraten, die nach außen hin einen auf Transparenz und „Wir sind so anders“ machen, tatsächlich aber ihre eigenen Kollegen opfern – eine deutlich schwerwiegendere Affäre als eine temperamentvolle SMS?
  3. Mache ich, was Klicks bringt, mich als Enthüllungsjournalist profiliert und meine Kontaktpflege mit den Abgeordneten zementiert (statt sie gefährdet)?

In letzterem Fall, wäre es professionell, die Bombe nicht erst sofort platzen zu lassen, sondern zunächst jeweils eine unbedeutende Story über das faule Ei und die faule Tomate zu machen, damit diese dem Leser zwecks Fallhöhe eingeführt sind. Notfalls provoziert man halt selbst einen Zwischenfall, um einen Vorwand zum Berichten zu haben. Und dann in einem dritten Beitrag das längst durchgestochene Material nutzen, um den großen Enthüllungsjournalisten zu spielen. Die nicht Kontakt pflegenden Piraten, die völlig überrascht werden, stehen da wie die letzten Idioten; die intriganten Abgeordneten erreichen ihr taktisches Ziel.

Wie gesagt, diese drei Beispiele sind völlig fiktiv, denn nie würden echte Piraten so tief sinken, um auf so schäbige Weise ihre Ideale und ihre Kollegen für so wenig Ertrag zu verraten.

Epilog

Meine Zeit als aktiver Politiker begann, als die Partei bereits am Ende war, nämlich bei der Aufstellungsversammlung Ende Januar 30.01.2013, als wir wieder 2%-Partei waren. Es ging mir einzig darum, Haltung zu beweisen und den anderen Parteien Wählerstimmen streitig zu machen, wie damals, als man uns bei den Netzsperren und ACTA ignorierte, dann aber klein beigab. Ich hatte genau einen glücklichen Moment, nämlich bei der Anti-Prism-Demo in Frankfurt.

Mein Leben als Politiker endete am 22.09.2013, 18.00 Uhr.

Es wäre wichtig gewesen, wenn wir im Wahlkampf alle an einem Strang gezogen und Animositäten und Eitelkeiten hintangestellt hätten. Das desaströse Abschneiden der Piraten hatte auf den Berliner Politikbetrieb verheerendere Folgen gehabt, als erwartet. Nachzulesen in den letzten Wochen bei Heise, Netzpolitik.org und Fefe. Die Parteien haben ihre Netzpolitiker an die kurze Leine genommen, in den Koalitionsverhandlungen spielten Netzpolitik und Überwachungswahn keine Rolle. An der Abmahnpraxis – dem Gründungsmythos der Piraten – sind kaum Änderungen spürbar. Die aktuelle Legislaturperiode bedeutet für das Urheberrecht vier verlorene Jahre.

Mein Versuch, ein schmutziges Spiel wie Politik sauber zu spielen, war naiv. Ich überlasse das Feld nun den „Vollprofis“ vor allem denen aus Berlin. Speziell mit den Piraten aus dem Abgeordnetenhaus, die sich sogar damit gebrüstet haben, nichts für den Wahlkampf zu tun, möchte ich nichts mehr zu schaffen haben. Society-Piraten, die lieber im Schatten des Berliner NSA-Abhörnests für Obama die Jubelperser geben, statt wie die aufrechten Piraten an der Siegessäule gegen den Dronenmordpräsidenten und Snowdenverfolger zu demonstrieren, können mir samt ihren Kontaktpflegern gestohlen bleiben. Den Piraten, welche gerade die Trümmer zusammenfegen, wünsche ich, dass die Partei eines Tages so ernst genommen werden wird, dass ihr die Redaktionen zur Abwechslung auch mal Journalisten schicken.