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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


7. März 2012

Euroweb hat Freunde!

Der Düsseldorfer Anbieter für sogenannte „Internetsystemverträge“ EUROWEB hat immer wieder mit unschöner Berichterstattung zu kämpfen und ist daher für die eifrige Pflege seines Unternehmenspersönlichkeitsrechts bekannt.

Euroweb werden in den Presse, TV und im Internet immer wieder häßliche Vorwürfe gemacht. Sogar auf Parodien hat es das Unternehmen gebracht. Sicher sind diese seit Jahren erhobenen Vorwürfe nur tausendfache Missverständnisse, oder es gibt ein „schwarzes Schaf“ im Vertrieb, die Leute müssen doch ihre Verträge  vor Unterschrift genau lesen, und überhaupt … Und weil die Leute nicht zahlen wollen, verklagt Euroweb dem Vernehmen nach bereits über 2.000 Kunden.

Während man also über die Firma so viel Negatives liest, so erfreut es doch das Auge, dass es in der Schar der juristischen Blogs offenbar eine mutige Stimme gibt, die dem anständigen deutschen Unternehmen das Wort redet. So bejubelt Gerichtsreporterin Gisela“ einen Prozess gegen den MDR, der EUROWEB angeblich „massiv verunglimpft“ habe! “ Hört, hört!

Der Knaller aber ist, dass es im berichteten Prozess gegen den MDR darum ging, dass die Kölner Pressekammer dem MDR das angebliche zu-Eigen-machen der Äußerungen einer verärgerten EUROWEB-Kundin feststellte und die Vorsitzende eine gebotene Distanz vermisste. „Gisela“ applaudiert der Entscheidung altklug, scheint jedoch selbst keine Distanz zu wahren …

Gisela aus Düsseldorf bloggt übrigens bislang ohne Impressum. ;-)

4. März 2012

Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt kommt (15)

Mein eifriger Blogleser Dr. Nikolaus Klehr hatte mir letztes Jahr durch die Hamburger Pressekammer unter dem damaligen Vorsitzenden das Einbinden eines auf Youtube gehosteten Beitrags auf WISO verbieten lassen, der ihm nicht gefallen hat. Das letzte Wort in der Sache ist indes noch lange nicht gesprochen. Um meine medizinisch interessierten Leser nicht darben zu lassen, mache ich solange Ersatzprogramm …

1. März 2012

Wikimedia e.V.: Achim Raschka macht den Wulff!

Der sich von der Presse bedroht fühlende Wikipedant Achim Raschka eiferte offenbar Präsident a.D. Wulff nach, der per Mailbox einen BILD-Artikel ver- oder behindern wollte. So versuchte Raschka, Einfluss auf SPIEGEL ONLINE zu nehmen, wo er einen neuen Artikel des investigativen Journalisten Marvin Oppong befürchtet.

Oppong hatte im Dezember 2010 für seine Recherche „Von Editierkriegen und Löschhöllen – Auftrags-PR in der deutschen Wikipedia“ über mangelnde PR-Hygiene einen mit 5.000,- Euro dotierten Preis der Otto Brenner-Stiftung erhalten. Nun hat der im Beitrag kritisierte Raschka offenbar Wind davon bekommen, dass Oppong an einem weiteren Artikel arbeiten soll. Der Fürst des „freien Wissens“ Raschka versuchte nun in schönster Wikipedanten-Manier, die Sache „hintenherum“ zu erledigen und postete auf die Vereinsliste:

(…) Ich möchte Meinungen und Ideen hören, wie wir ehrenamtliche Autoren vor dieser Situation schützen können – was wir und was WMDE machen kann, um einen erneuten Artikel dieser Art und vor allem dieser unterirdischen Qualität zu verhindern, der sich erneut auf einzelne Autoren einschiesst. Any ideas?

Darüber hinaus konkret die Frage an die Kurt und evtl. Michail: Habt ihr die Möglichkeit herauszufinden, ob Oppong wirklich im Auftrag von spon schreibt und habt ihr die Möglichkeit, die zuständige Redaktion auf dessen Arbeitsweise und seine Qualität hinzuweisen und damit für diesen Artikel auf die Bremse zu treten? (…)

Um diesen Optimismus des gekränkten Wikipedanten zu verstehen, muss man wissen, dass DER SPIEGEL seit Jahren in seiner Suchmaschine Wikipedia eingebunden hat und dort mit dem geschützten „Puzzleball“-Logo von Wikimedia werben darf. In zeitlich auffälliger Koinzidenz zum Beginn dieser mysteriösen Partnerschaft haben zwei Leute von Wikimedia e.V. Arbeitsplätze im Hause SPIEGEL erhalten, wobei unklar ist, was sie dort genau machen und für was sie insofern qualifiziert sein sollen. Es handelt sich um Herrn Kurt Jansson (vormals Vorsitzender von Wikimedia e.V.) und Herrn Michail Jungierek (vormals Beisitzer von Wikimedia e.V.).

Die Offenheit, in welcher Klüngeler Raschka seine Zensurwünsche anmeldet, ist schon bemerkenswert und lässt Rückschlüsse darauf zu, wie das wohl hinter den Kulissen abläuft. Mir sind da so einige Texte geleaket worden, über die wir mal lieber den Mantel des Schweigens legen …

Herr Kachelmann, Herr Schälike und die Chemtrailer

Die Verwirklichung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit setzt voraus, dass man auch die Freiheit hat, gelegentlich mal Unsinn zu reden. Ohne Freiheit zu Thesen, Modellvorstellungen, Irrtum und das Prinzip wissenschaftlichen Zweifels würde der wissenschaftliche Diskurs gefährdet. Gewisse Dinge muss man in einer Demokratie halt aushalten.

Am Landgericht Berlin fanden sich am 17.02.2012 drei Leute ein, die sowohl Spaß an Physik, Wetter als auch an Presserecht haben:

  • Der eine ist ein bekannter Meteorologe und war lediglich anwaltlich vertreten,
  • der andere ist nicht bekannt, befasst sich aber mit dem angeblichen Phänomen der Chemtrails,
  • der dritte ist ein Kernphysiker, der das Presserecht mit naturwissenschaftlicher Herangehensweise erforscht und Anwälte, Richter und Unterlassungskläger generell für bekloppt hält.

Herr Kachelmann fand es hilfreich, Vertreter zur Chemtrail-These, deren Auffassungen er nicht teilt, als „verrückt“ oder „Nazis“ zu diskreditieren. Das hatten sich die Chemtrailer nicht bieten lassen und erwirkten gegen den presserechtsgestählten Meteorologen eine einstweilige Verfügung.

Die lustige Widerspruchsverhandlung verlief leider ergebnislos, denn der Promi-Anwalt des Widerspruchsführers hatte keine Vollmachtsurkunde dabei … Dann gibt es wohl bald ein Nachtreffen!

Von den Äußerungen der Personen insbesondere im verlinkten Video sowie denen im verlinkten Bericht distanziere ich mich mal besser … ;)

Wilde Kerle: BVerfG hebt mal wieder Hamburg auf …

Die Kindlein eines bekannten Schauspielers, die selbst in einem Film mitwirkten und im TV präsent waren, ließen es 2008 krachen.

In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2008, der in Bayern sogenannten „Freinacht“, waren die Kläger mit ca. acht weiteren Freunden in der Innenstadt von München unterwegs. Die Gruppe wurde dabei beobachtet, wie sie Fahrräder traktierte, Blumen aus einem Blumenbeet herausriss sowie den Telefonhörer in einer Telefonzelle abriss. Herr O. soll für den abgerissenen Telefonhörer verantwortlich sein, Herr O. für das Herausreißen einiger Tulpen aus einem Beet. Herr O. wurde von der Polizei aufgegriffen und auf die Wache mitgenommen, wohin ihn sein Bruder O. begleitete. Beide wurden nach Feststellung der Personalien entlassen. Gegen keinen von beiden wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber online, etliche Medien griffen die Posse auf, so auch die Sächsische Zeitung. Familienvater Buske zeigte Verständnis für das Persönlichkeitsrecht der beiden jungen Racker und verbot:

  • Polizei schnappt O.-Söhne,
  • er und sein Bruder haben Fahrräder traktiert, Blumenbeete zerstört und eine Telefonzelle auseinandergenommen.
  • im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten
  • er hat den Hörer aus der Telefonzelle gerissen.
  • im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten.

Die Pressekammer meinte,

das Gewicht des Informationsinteresses verringere sich dadurch, dass Gegenstand der Berichterstattung durchaus keine spektakulären Straftaten gewesen seien, die im Gegensatz zu Kapitalverbrechen nicht als solche von überwiegendem Allgemeininteresse seien. Die Berichterstattung über eine begangene Straftat unter Namensnennung des Täters stelle für diesen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar, weil die Bekanntmachung seines Fehlverhaltens zu einer negativen Bewertung des Betroffenen in der Öffentlichkeit führe (BVerfGE 35, 202). In diesem Zusammenhang gewinne besondere Bedeutung, dass die Kläger zum Zeitpunkt des Vorfalls und der Veröffentlichung erst 18 bzw. 16 Jahre alt gewesen seien, also junge Menschen bzw. Jugendliche, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen sei, und die ihren sozialen und beruflichen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden hätten. Ihr öffentliches Auftreten als Nachwuchskünstler schränke ihren Anonymitätsschutz gegen die beanstandete Berichterstattung aus einem von ihrer beruflichen Tätigkeit zu unterscheidenden persönlichen Lebensbereich nicht ein.

(Das Argument der Schwere oder Leichtigkeit eines Vorwurfs streitet allerdings nicht nur für ein Recht auf Anonymität, sondern relativiert in gleichem Maße den Eingriff bzw. steigert das öffentliche Berichtsinteresse. Darüber wurde in der Hamburger Pressekammer erst vorletzte Woche wieder eifrig diskutiert.)

Das Bundesverfassungsgericht kam – wie bei Beschwerden gegen Hamburger Presseurteile fast immer – zu anderen Ergebnissen und sprach von „Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes“: (more…)

Das Wikimedia-Experiment – Folge 1

Vor Jahren befanden Enthusiasten des damals neuen Internetprojekts „Wikipedia“ diese großartige Idee für so wichtig, dass sie für das private Projekt spenden wollten. Da man sich mit Spenden in die USA schwer tat, nicht ohne weiteres Spendenquittungen ausgestellt werden konnten und sich die Community auf die deutschsprachige Wikipedia beschränken wollte, gründeten Aktivisten 2004 einen Verein. Wesentlicher Zweck des „Wikimedia e.V.“ war es ursprünglich also gewesen, die deutschen Spenden zu verwalten. Die Wikimedia Foundation in San Francisco gestattete dies und kooperierte mit „Wikimedia Deutschland e.V.“, so dass dieser Verein mit Werbebannern in der Wikipedia um Spenden werben durfte, obwohl der Verein rechtlich (angeblich) nichts mit der Wikipedia zu tun hat und lediglich als loses „Chapter“ der Wikimedia Foundation „freies Wissen fördern“ will.

Zum Mitschreiben: Die Wikipedia wird ausschließlich in den USA gehostet. Zum Betrieb der Wikipedia ist keine Spende an den deutschen Wikimedia-Verein erforderlich. Wikimedia e.V. bestreitet auch, inhaltlich für die Wikipedia verantwortlich zu sein oder hierauf Einfluss nehmen zu können. (Die Tatsache, dass sich der Verein aus der Wikipedia-Elite rekrutiert, die sehr wohl alle denkbaren Zugriffsrechte hat, soll hierbei nicht weiter irritieren …)

In ersten Jahren versuchten die Leute von Wikimedia e.V. erfolglos, den zunehmend guten Namen der Wikipedia auf andere Weise zu versilbern, etwa mit der Herausgabe einer „gedruckten Wikipedia“ oder einer „Wikipedia-CD“ bzw. „DVD“, was bei einer Internet-Enzyklopädie schon ein bisschen einfältig war. Als Häuptling tat sich Kurt Jansson hervor. Auch ein gewisser Arne Klempert mischte u.a. als Geschäftsführer mit, der allerdings dann irgendwann unter dubiosen Umständen den Hut nehmen musste. Ein umtriebiger Internetunternehmensberater namens Sebastian Moleski nutzte 2009 die Gunst der Stunde und griff zum Zepter.

Nachdem das Spendenaufkommen in den letzten Jahren unerwartet hoch ausfiel, wussten die neureichen Wikimedianer gar nicht, wohin damit. Die Wikipedia-Datenbank organisierte sich selbst, die Autoren arbeiteten kostenlos. Im Wiki-Umfeld schwirrten jedoch allerhand Leute, die plötzlich ihren eigenen Bedarf am Wikimedia-Schatz entdeckten. Der gemeinnützige Verein konnte natürlich nicht ohne Weiteres die Taschen der Bedürftigen füllen. Doch obwohl dieser Verein praktisch nichts zu tun hatte, als Spenden zu verbuchen,- insbesondere weder redaktionell, noch administrativ in die Wikipedia eingreift –  wurde eine gewisse Anzahl an „Arbeitsplätzen“ geschaffen und fieberhaft nach Aufgabenfeldern gesucht, mit denen man das Spendeneinnehmen rechtfertigen könnte.

So leistet sich dieser Verein eine eigene Pressesprecherin, obwohl bei der Öffentlichkeitsarbeit in den Medien eigentlich eher die Funktionäre und der Geschäftsführer auftreten. Die Pressesprecherin etwa beantwortet E-Mails von Journalisten häufig gar nicht oder mit erstaunlicher Verzögerung. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil sie zu dieser beschwerlichen Aufgabe sogar zwei Assistenten hat ( Community Assistent und dem PR-Assistent), die ebenfalls fürs E-Mailen überfordert scheinen. Sofern es ihre kommunikative Aufgabe gewesen sein sollte, der Öffentlichkeit zu erklären, dass Wikimedia e.V. nicht die Wikipedia sei, Spenden an Wikimedia e.V. also zum Erhalt der Wikipedia gar nicht nötig sind, darf man dieses Anliegen wohl als gescheitert ansehen. Wäre ja auch blöd für das Spendenaufkommen, denn welcher Wikipedia-Nutzer würde für einen derartig sinnlosen Verein Geld erübrigen?

Wie die Pöstchen bei Wikimedia e.V. vergeben werden, wäre ein Thema für sich. Bemerkenswert ist schon, dass die Angestellten dort als erstes Qualifikationsmaßnahmen bezahlt kriegen. So werden den angestellten Wikimedianer üppig Englischkurse spendiert, was die Frage aufwirft, warum Wikimedia bei der Auswahl nicht gleich qualifizierte Leute einstellt. Aber irgendwo muss das Geld ja hin.

Ein weiterer Ansatz zum Abbau des gemeinnützigen Vereinsvermögens war das Verprassen von Spesen. Die Wikimedia-Aktivisten jetteten um den halben Globus zu Wikimedia-Treffen, hielten bei den Wikipedia-Stammtischen Hof und leisteten sich innerhalb Deutschlands „Forschungsreisen“, um es mal so zu nennen. So mieteten sich die Wiki-Mächtigen in einem Spaß-Hotel in Kaiserslautern ein, um über eine – belanglose – Veranstaltung mit Dinosaurierpuppen in der damaligen Landesgartenschau zu schreiben. (Abgesehen davon, dass der Beitrag absolut unspektakulär war und ihn genau so gut auch pfälzische Wikipedianer hätten schreiben können, stehen eigene Forschungen doch eigentlich im Widerspruch zum Wikipedia-Dogma „no orginal research“  …).

Als originell erwies sich eine anrüchige Partnerschaft mit einem Unternehmen, das für nachwachsende Rohstoffe stand. Wikimedia-Spendengelder gingen – warum auch immer – an dieses Unternehmen, das wiederum einen bekannten Wiki-Funktionär beschäftigte.

Als die in die Kritik geratenen Wikipedanten 2009 das erste Mal selbst eine öffentliche Veranstaltung, nämlich eine Podiumsdiskussion durchführten, geriet die Sache zu einem derartigen Desaster, dass die Peinlichkeit nicht einmal im eigenen Jahresbericht erwähnt wurde. (Ich allerdings habe sie erwähnt, übrigens wesentlich deftiger auch Christopher Lauer.)

Doch auch die ausgeprägte Reisefreudigkeit der bespendeten Wikimedianer reichte nicht aus, um den Inhalt des Geldspeichers unters Wikipedanten-Volk zu bringen. Neben vielen Pseudoprojekten, die sich die Wikimedia-Promis so ausknobelten, kam dann eines Tages jemand auf die Idee, mit dem Geld vielleicht wirklich sinnvolle Dinge zu tun. Hierzu sollte eine Ausschreibung für Projektvorschläge gemacht werden, die sich in etwa am Modell der Filmförderung orientieren. Bereits nach der ersten Durchführung dieses sogenannten „Community Budget Projects“ fiel auf, dass die Entscheidungsfindung zur Vergabe von Projekten ein bisschen „intransparent“ war.

Letztes Jahr nun hat Wikimedia e.V. erneut ein Community Budget Project ausgeschrieben. U.a. um herauszufinden, wie man bei Wikimedia e.V. mit der Vergabe der gemeinnützigen Spendengelder umgeht und mit den Antragstellern kommuniziert, hatte ich selbst ein Projekt eingereicht.

Ob man bei Wikimedia e.V. seit dem Kindergarten von 2009 etwas dazu gelernt hat, werde ich in der Fortsetzung verraten.

Geheimes Rechtsgutachten zu ACTA

Gestern habe ich einen EU-Experten ausgequetscht, der erfolglos einen Antrag auf Freigabe eines Rechtsgutachtens zu ACTA gestellt hat. Aus irgendeinem Grund meint das Europaparlament, eine Freigabe könne die Staaten, die ACTA noch nicht ratifiziert hätten, irritieren. Weiter auf TELEPOLIS.

UPDATE: Das geheime ACTA-Dokument SJ-0501/11 wurde inzwischen geleakt und findet sich im Anhang von dieses Dokuments.

Indes hat sich auch Prof. Thomas Hoeren zum aktuell diskutierten „Warnhinweismodell“ geäußert, das die CDU-Internetausdrucker sich ausgekaspert hatten. Wenig überraschend hat er „Bedenken“.

28. Februar 2012

Liebe Tagesschau,

ich hatte ja eigentlich vor Jahren die konventionellen Medien abgeschrieben. Besonders sauer war ich auf die öffentlichen-rechtlichen Medien, weil die in meinen Augen ihren Programmauftrag und ihr Privileg der Staatsferne nicht wahrnahmen. Medienkritiker sprechen insbesondere über die schreibende Zunft völlig zu Recht vom „Medienbordell“, gegen das jeder echte Puff eine hochmoralische Anstalt sei.

Doch in letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass du, liebe Tagesschau, gewisse Themen nicht tabuisierst und richtig gewichtest. Während etliche Pfeifen im Print-Journalismus etwa versuchen, die ACTA-Demos zu beschweigen, lächerlich zu machen oder zu diskreditieren, habt ihr das Thema vor zwei Wochen sogar zur Eröffnungsmeldung gemacht. Insbesondere Tagesschau.de und die Tagesschau-App sind Qualitätsjournalismus, wie er sein sollte. Und heute habe ihr mit WikiLeaks wirklich super gefeatured.

Liebe Tagesschau, ich werde langsam wieder mit euch versöhnt. Wollte ich euch nur mal sagen, obwohl ich eigentlich nicht sonderlich sentimental bin. Vielleicht fange ich ja doch eines Tages wieder mit Fernsehen an. Hach …

27. Februar 2012

WikiLeaks: Der Geheimdienst des Volkes sendet wieder!

Mehr als ein Jahr beschränkte sich Julian Assange in der Öffentlichkeit praktisch auf die Rolle einer Drama-Queen; nun hat er in der Nacht, in welcher die USA sich selbst bei den Oscars feiern, einen sorgfältig orchestrierten Coup gelandet:

Assange waren etliche E-Mails des privaten Geheimdienstes STRATFOR zugespielt worden. Ebenso, wie große Teile des US-Militärs privatisiert wurden und obskure Firmen wie Blackwater groß machten, wurden unter Bush beträchtliche Teile der Geheimdienste outgesourced. Insbesondere aus der CIA wurden etliche Leute abgeworben, die ihr Wissen nun zum vielfachen Preis den Diensten von Außen her anbieten. Eine solche Firma ist STRATFOR, die ein weltweites Netz an konspirativ bezahlten Agenten unterhält.

Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Private Geheimdienste können sich der parlamentarischen Überwachung leichter entziehen, als staatliche.
  • Die Bosse dieser Einrichtungen sind mit Spitzenpolitikern eng verbandelt, die Wege kurz.
  • Die Elite kann sich die steuerfinanzierten Geheimdienstetats direkt in die Taschen schaufeln. Die USA geben für ihre Geheimdienste mehr Geld aus als Deutschland für die gesamte Bundeswehr

Zu den Aufgaben von Stratfor gehört auch klassische CIA-Drecksarbeit wie Schmutzkampagnen, so etwa gegen die Yes Men, welche das zynische US-Untzernehmen Union Carbide vorführten. Die Yes Men hatten gegenüber der Presse einen Sprecher der übernehmenden Firma inszeniert, der die Entschädigung der Opfer der Katastrophe in Bophal versprach, siehe obiges Video.

So verwundert es auch nicht, dass der Name des „Staatsfeindes Nr. 1“ Assange häufig in den E-Mails auftaucht. Zweifellos wurden die Sachverhalte, wegen denen Assange in Schweden beschuldigt wird, politisch benutzt. (Die Ursache von Assange juristischen Problemen hat allerdings mit Sicherheit kein Geheimdienst gesetzt.)

Stratfor wurde offenbar von Anonymous gehackt, wie bereits im Dezember bekannt wurde. WikiLeaks hat diesmal etliche Medien ins Boot geholt, darunter offenbar auch den NDR. Wenig überraschend fehlt als Kooperationspartner DER SPIEGEL. Als 2010 das Geschacher um die Cabels unappetitliche Ausmaße annahm, hatten die Hamburger bewiesen, dass sie beim falschen Spiel mindestens ebenbürtig waren. Als Cablegate dann schließlich anrollte, hatte man fast den Eindruck, DER SPIEGEL sei um Schadensbegrenzung bemüht, denn in den Fokus rückte vor allem Boulevard-Zeugs, während die wirklich wichtigen Dinge so klein gehalten wurden, dass sie publizistisch versenkt wurden. Unter den Umständen hätte DER SPIEGEL dem Pentagon schwerlich gefälliger sein können.

UPDATE: Meine Kurzfassung der Pressekonferenz auf TELEPOLIS.

22. Februar 2012

Georg Schramm will das Bundespräsidentenamt abschaffen

Als es vor zwei Monaten mit Wulff peinlich wurde, flachsten Leute aus dem Berliner Chaos Computer Club über eine mögliche Kandidatur von Georg Schramm. Als man Wulff den Schuh zeigte, hatte sogar jemand ein entsprechendes Plakat dabei. Anfang Januar nahm ich den Ball auf und schrieb eine launige Glosse, die eigentlich nur dem Leser ein Schmunzeln hätte schenken sollen. Der eigentlich belanglose Artikel wurde jedoch von den Lesern exorbitant oft angeklickt und erfuhr letzten Freitag nach dem Wulff-Rücktritt wieder eine gewisse Aufmerksamkeit. Das halbe Internet glühte für Schramm, die Presse griff das Thema auf, und sowohl die Piraten als auch die Linkspartei spielten mit dem Gedanken an eine Nominierung.

Heute nun machte Schramm Aschermittwoch und sagte ab. Stattdessen schlägt er vor, das Amt abzuschaffen, wie kürzlich der Kollege Wegener. Ein Königsmacher bin ich also doch nicht … ;) . Die Linkspartei hat indes einen schönen Vorschlag: Beate Klarsfeld. Moral trifft Doppelmoral. Wie werden unsere Realsatire also doch noch bekommen …

UPDATE: Schramms Absage generierte über 200 Pressemeldungen …