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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Das Wikimedia-Experiment – Folge 1

Vor Jahren befanden Enthusiasten des damals neuen Internetprojekts „Wikipedia“ diese großartige Idee für so wichtig, dass sie für das private Projekt spenden wollten. Da man sich mit Spenden in die USA schwer tat, nicht ohne weiteres Spendenquittungen ausgestellt werden konnten und sich die Community auf die deutschsprachige Wikipedia beschränken wollte, gründeten Aktivisten 2004 einen Verein. Wesentlicher Zweck des „Wikimedia e.V.“ war es ursprünglich also gewesen, die deutschen Spenden zu verwalten. Die Wikimedia Foundation in San Francisco gestattete dies und kooperierte mit „Wikimedia Deutschland e.V.“, so dass dieser Verein mit Werbebannern in der Wikipedia um Spenden werben durfte, obwohl der Verein rechtlich (angeblich) nichts mit der Wikipedia zu tun hat und lediglich als loses „Chapter“ der Wikimedia Foundation „freies Wissen fördern“ will.

Zum Mitschreiben: Die Wikipedia wird ausschließlich in den USA gehostet. Zum Betrieb der Wikipedia ist keine Spende an den deutschen Wikimedia-Verein erforderlich. Wikimedia e.V. bestreitet auch, inhaltlich für die Wikipedia verantwortlich zu sein oder hierauf Einfluss nehmen zu können. (Die Tatsache, dass sich der Verein aus der Wikipedia-Elite rekrutiert, die sehr wohl alle denkbaren Zugriffsrechte hat, soll hierbei nicht weiter irritieren …)

In ersten Jahren versuchten die Leute von Wikimedia e.V. erfolglos, den zunehmend guten Namen der Wikipedia auf andere Weise zu versilbern, etwa mit der Herausgabe einer „gedruckten Wikipedia“ oder einer „Wikipedia-CD“ bzw. „DVD“, was bei einer Internet-Enzyklopädie schon ein bisschen einfältig war. Als Häuptling tat sich Kurt Jansson hervor. Auch ein gewisser Arne Klempert mischte u.a. als Geschäftsführer mit, der allerdings dann irgendwann unter dubiosen Umständen den Hut nehmen musste. Ein umtriebiger Internetunternehmensberater namens Sebastian Moleski nutzte 2009 die Gunst der Stunde und griff zum Zepter.

Nachdem das Spendenaufkommen in den letzten Jahren unerwartet hoch ausfiel, wussten die neureichen Wikimedianer gar nicht, wohin damit. Die Wikipedia-Datenbank organisierte sich selbst, die Autoren arbeiteten kostenlos. Im Wiki-Umfeld schwirrten jedoch allerhand Leute, die plötzlich ihren eigenen Bedarf am Wikimedia-Schatz entdeckten. Der gemeinnützige Verein konnte natürlich nicht ohne Weiteres die Taschen der Bedürftigen füllen. Doch obwohl dieser Verein praktisch nichts zu tun hatte, als Spenden zu verbuchen,- insbesondere weder redaktionell, noch administrativ in die Wikipedia eingreift –  wurde eine gewisse Anzahl an „Arbeitsplätzen“ geschaffen und fieberhaft nach Aufgabenfeldern gesucht, mit denen man das Spendeneinnehmen rechtfertigen könnte.

So leistet sich dieser Verein eine eigene Pressesprecherin, obwohl bei der Öffentlichkeitsarbeit in den Medien eigentlich eher die Funktionäre und der Geschäftsführer auftreten. Die Pressesprecherin etwa beantwortet E-Mails von Journalisten häufig gar nicht oder mit erstaunlicher Verzögerung. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil sie zu dieser beschwerlichen Aufgabe sogar zwei Assistenten hat ( Community Assistent und dem PR-Assistent), die ebenfalls fürs E-Mailen überfordert scheinen. Sofern es ihre kommunikative Aufgabe gewesen sein sollte, der Öffentlichkeit zu erklären, dass Wikimedia e.V. nicht die Wikipedia sei, Spenden an Wikimedia e.V. also zum Erhalt der Wikipedia gar nicht nötig sind, darf man dieses Anliegen wohl als gescheitert ansehen. Wäre ja auch blöd für das Spendenaufkommen, denn welcher Wikipedia-Nutzer würde für einen derartig sinnlosen Verein Geld erübrigen?

Wie die Pöstchen bei Wikimedia e.V. vergeben werden, wäre ein Thema für sich. Bemerkenswert ist schon, dass die Angestellten dort als erstes Qualifikationsmaßnahmen bezahlt kriegen. So werden den angestellten Wikimedianer üppig Englischkurse spendiert, was die Frage aufwirft, warum Wikimedia bei der Auswahl nicht gleich qualifizierte Leute einstellt. Aber irgendwo muss das Geld ja hin.

Ein weiterer Ansatz zum Abbau des gemeinnützigen Vereinsvermögens war das Verprassen von Spesen. Die Wikimedia-Aktivisten jetteten um den halben Globus zu Wikimedia-Treffen, hielten bei den Wikipedia-Stammtischen Hof und leisteten sich innerhalb Deutschlands „Forschungsreisen“, um es mal so zu nennen. So mieteten sich die Wiki-Mächtigen in einem Spaß-Hotel in Kaiserslautern ein, um über eine – belanglose – Veranstaltung mit Dinosaurierpuppen in der damaligen Landesgartenschau zu schreiben. (Abgesehen davon, dass der Beitrag absolut unspektakulär war und ihn genau so gut auch pfälzische Wikipedianer hätten schreiben können, stehen eigene Forschungen doch eigentlich im Widerspruch zum Wikipedia-Dogma „no orginal research“  …).

Als originell erwies sich eine anrüchige Partnerschaft mit einem Unternehmen, das für nachwachsende Rohstoffe stand. Wikimedia-Spendengelder gingen – warum auch immer – an dieses Unternehmen, das wiederum einen bekannten Wiki-Funktionär beschäftigte.

Als die in die Kritik geratenen Wikipedanten 2009 das erste Mal selbst eine öffentliche Veranstaltung, nämlich eine Podiumsdiskussion durchführten, geriet die Sache zu einem derartigen Desaster, dass die Peinlichkeit nicht einmal im eigenen Jahresbericht erwähnt wurde. (Ich allerdings habe sie erwähnt, übrigens wesentlich deftiger auch Christopher Lauer.)

Doch auch die ausgeprägte Reisefreudigkeit der bespendeten Wikimedianer reichte nicht aus, um den Inhalt des Geldspeichers unters Wikipedanten-Volk zu bringen. Neben vielen Pseudoprojekten, die sich die Wikimedia-Promis so ausknobelten, kam dann eines Tages jemand auf die Idee, mit dem Geld vielleicht wirklich sinnvolle Dinge zu tun. Hierzu sollte eine Ausschreibung für Projektvorschläge gemacht werden, die sich in etwa am Modell der Filmförderung orientieren. Bereits nach der ersten Durchführung dieses sogenannten „Community Budget Projects“ fiel auf, dass die Entscheidungsfindung zur Vergabe von Projekten ein bisschen „intransparent“ war.

Letztes Jahr nun hat Wikimedia e.V. erneut ein Community Budget Project ausgeschrieben. U.a. um herauszufinden, wie man bei Wikimedia e.V. mit der Vergabe der gemeinnützigen Spendengelder umgeht und mit den Antragstellern kommuniziert, hatte ich selbst ein Projekt eingereicht.

Ob man bei Wikimedia e.V. seit dem Kindergarten von 2009 etwas dazu gelernt hat, werde ich in der Fortsetzung verraten.

« Geheimes Rechtsgutachten zu ACTA – Wilde Kerle: BVerfG hebt mal wieder Hamburg auf … »

Autor:
admin
Datum:
1. März 2012 um 13:24
Category:
Allgemein,Internet,Medienmanipulation,Politik,Zensur
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3 Comments

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    […] 2009, am 23. November 2011 und am 3. Januar 2012. Ergänzend hierzu empfehle ich die Lektüre von Das Wikimedia-Experiment, Folge 1 von RA Markus Kompa: In ersten Jahren versuchten die Leute von Wikimedia e.V. erfolglos, den zunehmend guten Namen der […]

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