14. Mai 2016
In Sachen Erdoğan ./. Döpfner liegen inzwischen die Entscheidungsgründe des Landgerichts Köln vor, das den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in dieser Instanz abwies.
Das Gericht prüfte nicht die Rechtmäßigkeit des Originalwerks, sondern sah in Döpfners Kommentar kein Zu-Eigen-Machen des Böhmermann-Gedichts (das Gericht hat ihn als „Herr C “ anonymisiert):
Die Meinungsfreiheit umfasst als individuelles Freiheitsrecht auch und insbesondere die Freiheit, in einem kontrovers geführten Meinungskampf um die Zulässigkeit einer Äußerung eines Dritten – wie Herrn Cs Text – sich dem Dritten öffentlich solidarisch zur Seite zu stellen und die umstrittenen Äußerungen des Dritten als zulässig zu erachten bzw. das Geschehene gutzuheißen.
Das Gericht sieht in der Prozesshanselei Erdogans ein ausreichendes Berichtsthema:
Der Antragsteller hat als Staatsoberhaupt der Türkei zu dieser Debatte Anlass gegeben, indem er wegen des Gedichts von Herrn C ein Strafverlangen gemäß §§ 103, 104a StGB vorlegte bzw. vorlegen ließ. Er muss daher auch scharfe Kritik an seiner Position hinnehmen.
Spannend wird es, wie das Gericht das ausdrücklich so formulierte „Zu-Eigen-Machen“ Döpfners wertet:
… was bejaht werden kann, wenn die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint oder dargestellt wird. Der Anspruch setzt aber – gewissermaßen vorgelagert – auch voraus, dass die Fremdäußerung selbst verbreitet oder veröffentlicht wird.
Wurde es aber nicht. Das Gericht verweist sogar darauf, dass Döpfners Text auf einen Beitrag zum Thema verlinkte, wo das Gedicht nur in geschwärzter Form präsentiert wurde. (Ich erinnere mich an eine hanseatische Gerichtspraxis, die verlinkte Inhalte nur belastend, nicht aber entlastend zurechnete).
Auch die Wiedergabe des Wortes „Ziegenficker“ in dem Artikel „Solidarität mit C!“ sieht das Gericht nicht als Zu-Eigen-Machen an. Insoweit stellt das Gericht auf den Kontext ab, in dem dieses (ungenaue) Zitat in Bezug zu anderen satirischen Beiträgen gesetzt wird.
Inzwischen hat ein von allen guten Geistern verlassener CDU-Hinterbänkler das Gedicht sogar vollständig(!), aus dem satirischen Kontext gerissen(!) im Bundestag(!) zitiert.
Erstaunlicherweise gefiel dies Erdoğans Kölner Anwalt Prof. Dr. Höcker:
„Der Kontext war ein völlig anderer als bei Böhmermann oder Döpfner. Deshalb habe ich der Bild-Zeitung auf Anfrage gerade mitgeteilt:
Die Rede ist rechtlich vollkommen in Ordnung und ein gutes Beispiel dafür, wie man schlimme Inhalte wiederholen kann, ohne selbst zu beleidigen.“
In Sachen Piratenpartei ./. Polizeipräsident in Berlin wird daher kaum zu begründen sein, weshalb Bruno Kramms Gedichtsinterpretation den Verdacht einer Straftat begründet haben sollte. Mit dieser Begründung war am 22.04.2106 eine Demo vor der türkischen Botschaft in Berlin aufgelöst worden. Eine dann erlassene Auflage sah vor, dass vom Gericht nur der Titel „Schmähkritik“ zitiert werden durfte.
Landgericht Köln, Beschluss vom 10.05.2016 – 28 O 126/16.
Siehe auch Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 06.05.2016 – 1 L 291.16.

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27. Januar 2016
Gerne denke ich an meine Zeit im beschaulichen Lüdinghausen zurück, wo ich einst als Referendar meine Verwaltungsstation ableistete. In dem idyllischen Ort schien es, als sei die gute, alte Zeit stehen geblieben. Einst hatte der Fürstbischof von Lüdinghausen Münster belagert, um die Widertäufer auszurotten. Sieht man mal vom Dreißigjährigen Krieg ab, ging es in Lüdinghausen offenbar ausgesprochen katholisch zu.
Und damit das auch so bleibt, wird gerade jemand der Gotteslästerung angeklagt. Der hatte nämlich seine Heckscheibe mit einer Abwandlung eines gar erschröcklichen Zitats von Wortspielkünstler Friedrich Küppersbusch zum Kruzifix-Urteil verziert:
„Kirche sucht moderne Werbeideen. Ich helfe.
Unser Lieblingskünstler:
Jesus – 2000 Jahre rumhängen
Und noch immer kein Krampf!“
Das Amtsgericht Lüdinghausen wird am 25. Februar über den Frevler zu Gericht sitzen. Wenn ich Zeit haben sollte, werde ich mir das ansehen. Anders als zu Zeiten der Wiedertäufer gibt es nur Geld- oder Haftstrafen, der Scheiterhaufen wird daher wohl nur zum Osterfeuer gebraucht. Der bibelfeste Delinquent hat inzwischen eine Website mit Heckscheibensprüchen eingerichtet.
Ich selbst betreue derzeit am Landgericht Münster ein bizarres Verfahren gegen eine griechische Äbtissin, die einen angeblich telefonisch geäußerten Verdacht untersagen lassen möchte, sie betreibe schwarze Magie. Das Amtsgericht Münster hatte etwas fromm eine entsprechende einstweilige Verfügung erlassen. Ein andermal mehr dazu.
13. Oktober 2015
Fast vier Jahre nach meinem ersten Beitrag über die Masche des Amateurfotografen Dirk Vorderstraße versucht der Hobby-Jurist noch immer, diesen verbieten zu lassen. Herr Vorderstraße verbreitet seine Bildchen über Wikipedia und andere Google-trächtige Websites unter einer nur auf den ersten Blick kostenfreien Lizenz. Wer die Bildchen nicht mit den erforderlichen Angaben versieht, wird üppig zur Kasse gebeten (was die Gerichte so nicht mitmachten).
Letztes Jahr versuchte Herr Vordertraße vergeblich, für sein anrüchiges Geschäftsmodell die domainmäßige Bezeichnung „Abzocker“ zu verbieten. Die Berliner Richter meinten jedoch, dass man dieses getrost so bezeichnen könne und sprachen von „hinterhältig“ und „Falle“. In Vorbereitung eines Verhandlungstermins vor dem Oberlandesgericht Hamm bezeichnete Vorderstraßens Rechtsanwalt Herr Arno Lampmann von der Kanzlei Lampmann Haberkamm Rosenbaum Rechtsanwälte diese Masche nun erstmals als „Nachlizensierungsmodell“.
Dieses Nachlizenzierungsmodell bewerten der Kollege Herr Lampmann und sein Mandant Herr Vorderstraße als Teilnahme am Wettbewerb. Ich lese in § 2 UWG allerdings nur etwas von „Absetzen“ von Waren und Dienstleistungen und „Abschluss und Durchführen“ von Verträgen. Ein Nachlizenzierungsmodell, das auf Ausbeutung provozierter gesetzlicher Schuldverhältnisse beruht, dürfte kaum durch Wettbewerbsrecht gedeckt sein.
Selbst dann, wenn Herr Vorderstraße professioneller Fotograf wäre, so hatte ihn bereits das Oberlandesgericht Frankfurt, Beschl. v. 28.01.2015, Az.: 6 W 4/15, wissen lassen, dass zwischen uns beiden kein Wettbewerbsverhältnis besteht.
Schon früher hatte der Kollege Lampmann Nachlizensierungsmodelle betreut, etwa im Bereich des Filesharing. So verwandte sich der Kollege Herr Lampmann einst für das schöne Werk Die Beschissenheit der Dinge, wo er für seine unverlangten Dienste 1.200,- € verlangte. Für unseren Prozess am OLG Hamm liegen rund 7.000,- € Prozesskosten im Skat.

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17. Juni 2015
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder soll gegenwärtig die Autorität genommen werden. Wer ein Putinversteher ist, muss nun einmal damit rechnen, dass z.B. Geheimdienstinformationen und ähnliches an die Presse gespielt wird. Das ehemalige Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, das Putin nicht jetzt stoppte, aber das vielleicht ja mal später schaffen wird, ist sich natürlich nicht für eine entsprechende Medienoperation zu schade. So bildete man den Kanzler neben zwei weiteren Gestalten des Berliner Politbetriebs auf dem Cover ab.
Dabei bediente sich DER SPIEGEL als Stilmittel in einer Fotomontage der Optik von erkennungsdienstlichen Fotos. Dies ist natürlich insoweit problematisch, als dass die Printmedien dem Kodex des Deutschen Presserats (ha-ha!) zufolge nicht vorverurteilend berichten sollen. Kanzler Schröder ist bekanntlich sehr sensibel und lässt am Landgericht Hamburg schon mal Haare spalten.
Nun hat Schröder den SPIEGEL abgemahnt. Der Schritt dürfte eher ein Pressegag des ehemaligen Medienkanzlers sein, denn als Politiker aus der ersten Reihe muss man eben etwas abkönnen und ein dickes Fell haben. Andererseits muss man ja in der Hamburger Pressekammer mit allem rechnen …
Den Titel „Die Verführung – Das Kasachstan-Komplott. Wie sich deutsche Politiker von den Millionen eines Diktators und seiner Diener locken ließen“ wird man bei entsprechend aufgebotenen Anlasstatsachen als zutreffende Tatsachenbehauptung oder zulässige Meinungsäußerung bewerten dürfen. Allerdings sind meine Erfahrungen mit dem SPIEGEL bei der Recherche nicht durchgehend überzeugend.
Schröder könnte sich indes gegen die Darstellung mit schwarzen Haaren wehren, falls diese sich inzwischen dem Weiß eines berühmten Hamburger Richters angepasst haben sollten. ;)
UPDATE:
Habe jetzt die SPIEGEL-Story durch. Meine Skepsis über die Qualität der SPIEGEL-Recherche war berechtigt. Die Story ist sehr gut (auch wenn mich die vermutlich unappetitliche Quelle interessieren würde), aber einen Gehalt, der eine Kriminalisierung Schröders tragen könnte, habe ich da nicht gefunden.

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21. Mai 2015
Derzeit häufen sich die guten Nachrichten:
Ex-BILD-Mann Nikolaus Blome, in dessen Amtszeit das „Stoppt Putin jetzt!“-Cover fiel, ist nun auch ein Ex-SPIEGEL-Mann. Sein mitstoppender Chef Wolfgang Büchner war bereits gegangen.
Der Bahnstreik wird beendet. Damit endet dann auch die unfassbar plumpe Stimmungsmacher serviler Medien gegen GdL-Chef Weselsky.
DER SPIEGEL hat mir heute Geld überwiesen, und zwar mit Hilfestellung des Landgerichts Hamburg. Während des Bahnstreiks hielten es Blome & Co. nämlich für Journalismus, Gewerkschafter zu dissen, so auch im Fall meiner Mandantin, die aus altruistischen Motiven zur Überbrückung einer vorübergehenden Notlage aus ihren Privatmitteln ein Darlehen gewährt hatte. Dabei hatte sie auf Zinsen verzichtet und war auch in keiner Weise am Gewinn beteiligt. Als sie ein schillernder Zeitgenosse dann auch noch zum Verzicht auf die Rückzahlung bewegen wollte und mit schlechter Presse drohte, lehnte sie dankend ab. Schlechte Presse jedoch kann DER SPIEGEL gut und ließ sich in die unfassbar primitive Nummer einspannen. So bezeichneten Blomes Blattmacher das zinsfreie Darlehen als „stille Einlage“ und stellten die altruistisch handelnde Gewerkschafterin damit als Kapitalistin dar und schrieben noch anderen Dönekes.
DER SPIEGEL muss sich nun künftig ohne Blome blamieren.

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19. Mai 2015
Ein umtriebiger Fotograf streute seine fast durchweg unprofessionellen Knipsbilder im Internet mit kostenlosen Creative Commons-Lizenzen, deren Anforderungen schwer zu finden und für Laien ohnehin missverständlich waren. Wer die Bilder nutzte, ohne Namen und Lizenz zu nennen, bekam saftige Rechnungen nebst Drohung mit Anwalt. Der Knipser erzielte mit seiner Masche ein bemerkenswertes Einkommen.
Solch digitale Straßenräuberei erboste einen Anwalt, der 2011 dieses fragwürdige Geschäftsmodell in einem temperamentvollen Blogposting geißelte. Der Beitrag störte die lukrativen Geschäfte des Knipsers so empfindlich, dass er den renommierenden Anwalt Herrn Arno Lampmann von der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum, Köln, mit einer eigenartigen Abmahnung beauftragte. So forderte der Abmahner wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Wettbewerbsrecht Unterlassung und sogar Schadensersatz. Doch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ist nun einmal für die Lauterkeit von Absatzwettbewerb gemacht, während das abmahnähnliche Geschäftsmodell des Knipsers nicht auf freiwillig geschlossenen Verträgen beruht, sondern auf gesetzlichen Schuldverhältnissen wie § 97 UrhG.
Nachdem der tapfere Anwalt aus Münster diese erste Abmahnung höflich ignorierte, drängelte der Kölsche Kollege mit einer erneuten Fristsetzung. Dessen Bettelei nach einer negativen Feststellungsklage wurde schließlich erhört. Parallel hierzu erhob der Fotograf eine Klage auf Unterlassung und Schadensersatz am Landgericht Köln, das jedoch keine Zuständigkeit für den Münsteraner Anwalt erkennen konnte, so dass der Rechtsstreit endgütlig nach Westfalen verwiesen wurde. Außerdem blitzte der Fotograf noch mit Anträgen auf Erlass einstweiliger Verfügungen, die jedoch allesamt unterbelichtet waren.
Die Landgerichte mochten sich weder in Köln, Frankfurt und nun Münster für die progressive Rechtsauffassung begeistern, dass zwischen einem Anwalt und einem Knipsbildner ein Wettbewerbsverhältnis bestünde. Auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeiktsrechts des gekränkten Fotografen konnte das Landgericht Münster nicht erkennen, denn was der Anwalt über die Schandtaten des Knipsers zu sagen hatte, unterlag der Meinungsfreiheit.
Damit steht es zwischen den Anwälten Kompa und Lampmann derzeit 4:0.
Landgericht Münster, Urteil vom 18.05.2015, 012 O 26/15 (nicht rechtskräftig).

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5. Mai 2015
Das OLG Köln hat die Veröffentlichung der Kohl-Zitate erneut als einen unrechtmäßigen Vertrauensbruch bewertet. Damit bleit Schwans Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ verboten.
UPDATE: Die Berufungsinstanz ging sogar noch über das ursprüngliche Verbot hinaus.

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24. April 2015

Foto: Feuerwerk Kurparkfest 2009 Hamm, „Urheber“: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0
Der Fotograf dieser Aufnahme nimmt gerade am Amtsgericht Bochum diverse Personen vor Gericht in Anspruch. Dabei legt er Wert auf die Einordnung seiner Arbeit als „Lichtbildwerk“ und hält sich für einen Urheber:
„Die streitgegenständliche Fotografie erfüllt im Übrigen die notwendige Schöpfungshöhe und Professionalität als Lichtbildwerk. Als Lichtbilder gelten dagegen allgemein anerkannt lediglich u.a. Fotos von Maschinen (z.B. Passbildautomaten), erkennungsdienstliche Fotos („Verbrecherkartei“) oder auch kartographische Luftaufnahmen. Im Übrigen wurden vom Kläger manuelle Kameraeinstellung vorgenommen.“
Von einem angeblich professionellen Fotografen mit solcher Liebe zur Jurisprudenz hätte man eigentlich erwarten dürfen, dass er wenigstens bei den Grundbegriffen seiner Profession sattelfest wäre. Selbst ein handwerklich noch so perfektes Foto ist im Zweifel lediglich ein Lichtbild nach § 72 UrhG.
Lichtbildwerke hingegen sind solche, bei denen eine persönlich geistige Schöpfung vorliegt, § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG. Eine lediglich gefällige Abbildung ist nicht ausreichend, vielmehr ist in Minimum an geistigem Gehalt erforderlich. Ein Auftragsfotograf, der ein Familienfoto in naheliegender Weise arrangiert, ist grundsätzlich nur ein Lichtbildner. Hat der Fotograf jedoch einen künstlerischen Einfall und fordert etwa eine der Personen auf, sich im Kontrast zu den anderen Familienmitgliedern nackt abbilden zu lasten, könnte ein Kunstwerk vorliegen. Denn dann manifestiert sich eine künstlerische Idee im Lichtbild.

Bild: Uwe Meschede, 2005
Bei diesem künstlerisch hochwertigen Foto etwa hatte der dortige Fotograf einen Fachautor auf dem Gebiet des Falschspiels als Zocker inszeniert. Der Abgebildete ist Nichtraucher, besaß damals keinen Hut und spielt selbst auch nicht. Komposition und Stimmung standen von vorneherein fest, das Shooting war auf mehrere Stunden ausgelegt. Die Aufnahme wurde mit dem Sachverstand eines Industriefotografen aufwändig ausgeleuchtet und farblich verfremdet. Damit liegt unzweifelhaft ein Lichtbildwerk vor.
Auch das Ablichten vorhandener Motive kann Kunst sein, wenn sich hierdurch das Auge des Fotografen manifestiert. So gelingt dies dem zweiten Fotografen durchweg, mit den Werken seines Portfolios Bilder einzufangen, bei denen jeder mit einem Minimum ästhetischen Empfindens sofort merkt: „Ja! Das hat was!“. Nicht nur in der Auswahl der Motive, sondern auch in der technischen Umsetzung zeigt sich fotografisches Können. Ebensowenig wie bei einer Violine reicht der Besitz eines Fotoapparats aus, um Künstler zu sein.
Demgegenüber ist das schlichte Ablichten eines Feuerwerks allenfalls eine handwerkliche Leistung. Das bloße Abknipsen fremder Werke ist nie eine persönlich geistige Leistung, sondern bloße Vervielfältigung, § 16 UrhG. Den Feuerblitz hat der Feuerwerker geschöpft, denn dieser hat alle kreativen Entscheidungen getroffen, die der Fotofreund lediglich dokumentiert. (Der Knipser sollte sich daher fragen, ob er dem Feuerwerker nach § 78 Abs. 2 UrhG bzw. dem Veranstalter nach § 81 UrhG etwas schuldig ist.)
Den Lichtbildschutz aus § 72 UrhG für Arbeiten, die keinen Geistesblitz einfangen, hat seine historische Ursache in den damals hohen Kosten für den erforderlichen Magnesiumblitz. Um ein Urheber nach § 2 UrhG zu sein, benötigt man nun einmal ein gewisses Talent, das bei unserem Fotofreund bislang leider noch immer nicht durchgebrochen ist. Seine Arbeitsproben erschöpfen sich in Banalitäten, die handwerklich meist zu wünschen lassen. Um ein brauchbar beleuchtetes Werk zu bannen, benötigt er offenbar ein Feuerwerk.
Kreativität demonstrierte unser Fotofreund bislang vor allem beim Auslegen der Gesetze, um seine vermeintlichen Honoraransprüche zu begründen. In einer konservativen Branche wie der Jurisprudenz wird Einfalt im Zweifel nicht belohnt.
5. April 2015
Die NPD hatte im Thüringer Landtagswahlkampf versucht, mit Musik populärer Künstler junge Wähler zu begeistern. Das hatten sich diverse Musiker nicht bieten lassen und erwirkten einstweilige Unterlassungsverfügungen, etwa die Höhner und Wir sind Helden, beide bekannt für ihr Engagement gegen Rechts.
Eine Ehrenrunde benötigte die sich unpolitisch gebende Entertainerin Helene Fischer, deren einstweilige Verfügung zunächst aufgehoben wurde. Zuständig für den Erwerb von Rechten zur öffentlichen Nutzung von Werken der Tonkunst sind GEMA bzw. GVL, die nach § 11 WahrnehmungsG gegenüber jedermann zum einräumen von Lizenzen verpflichtet sind.
Nicht zuständig ist die GEMA allerdings für die Nutzung von Musik zu Werbezwecken, wie der BGH 2009 herausfand. Während das bloße Abspielen von Musik bei öffentlichen Werbe-Veranstaltungen durchaus ein GEMA-Fall sein kann, ist eine Grenze da erreicht, wo ein Musikstück etwa als Hymne Wiedererkennungswert hat. Dies war vorliegend bestritten. Allerdings sahen die Richter am Thüringischen Oberlandesgericht zu Jena eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, weil die Künstlerin durch das häufige Abspielen vereinnahmt wurde.
Entscheidend war für die Richter, ob sich ein Durchschnittsbeobachter einer musikbegleiteten Wahlkampfveranstaltung frage, ob die Künstlerin denn etwas mit der NPD zu tun habe. Auf die politische Haltung kam es daher nicht an, auch nicht auf einen Nachweis eines tatsächlichen Schadens, sondern darauf, dass nicht auszuschließen sei, dass dadurch der Ruf der Sängerin beschädigt werden könne.
UPDATE: Thüringer Oberlandesgericht Urteil vom 18. März 2015, Az.: 2 U 674/14
2. April 2015
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sei ein „Gesetz mit experimentellem Charakter“ – so formulierte es einer der Anwälte der LSR-Lobby. Abgesehen von dem Versuch, von Google Zwangsgeld zu pressen, experimentierte aber niemand so richtig, denn meinen Anfragen bei den typischen Pressegerichten zufolge gab es bislang offenbar noch keinen einzigen forensischen Anwendungsfall. Als dann einmal ein Screenshot eines „Presseerzeugnisses“ von einem Gegner eigenmächtig genutzt wurde, sah ich die Chance zu einem Experiment – das unerwartet lustige Ergebnisse zeitigte.
Unsystematisches Gesetz
Das Leistungsschutzrecht ist nicht nur medienpolitisch absurd, auch dessen gesetzestechnische Realisation in §§ 87f-h UrhG ist handwerklicher Murks. So wird in § 87f Abs. 1 UrhG den Presseverlagen ein erstaunlich weitreichendes Leistungsschutzrecht zugebilligt. Nahezu jeder Fitzelkram soll schützenswert sein, und das auch noch ausschließlich gegen jedermann – so § 87f Abs. 1 UrhG. In § 87g Abs. 4 UrhG hingegen wird der Anwendungsbereich auf Gegner beschränkt, die „Suchmaschinen oder entsprechende Dienste“ anbieten. Wäre das Gesetz von Juristen und nicht von Koksnasen geschrieben worden, hätte man den beschränkten Anwendungsbereich bereits von vorne herein definiert. So jedoch nimmt § 87g Abs. 4 UrhG mit der einen Hand, was mit der anderen gerade gegeben wurde.
Der Grund für dieses denkbar unästhetische Gesetz liegt darin, dass ursprünglich tatsächlich ein solches Recht gegen jedermann intendiert war und man nachträglich am Entwurf rumdoktorte.
Lichtbild-Leistungsschützer
Leistungsschutz für eine unkünstlerische Handlung genießen nicht nur Presseverleger, sondern auch Knipsbildner. Während man für ein konventionelles Urheberrecht ein Mindestmaß an Kreativität („persönlich geistige Schöpfung“, § 2 Abs. 2 UrhG) aufbieten muss, um als „Lichtbildwerker“ nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG geehrt zu werden, genügt es für den Leistungsschutz aus § 72 UrhG, wenn jemand auf einen Auslöser drückt. Jeder Fotohandyknipser, der ohne Hinzusehen eine verwackelte Aufnahme produziert, darf sich „Lichtbildner“ nennen und die sogenannte „kleine Münze“ des Urheberrechts beanspruchen.
Zu den Falschmünzern im Urheberrecht gehören jene Knipser, die ihre Werke scheinbar großzügig unter eine kostenlose Creative Commons-Lizenz stellen, dann aber unverschämte Rechnungen verschicken, falls etwa jemand nicht den Namen des Fotograf oder die Lizenzbedingung nennt. Da die CC-Lizenzen für die meisten Rechtslaien un- oder missverständlich sind, liegt der Gedanke an eine Abmahnfalle nicht fern. So sehen es auch das Landgericht Berlin sowie das Kammergericht , als es um die Frage ging, ob man den ehrenwerten Lichtbildner Herrn Dirk Vorderstraße als „Abzocker“ bezeichnen dürfe. Das Oberlandesgericht Köln teilt meine Meinung, dass unter CC kostenlos lizensierte Werke keinen darstellbaren Marktwert haben.
Und ein solcher Leistungsschützer schickte einem Mandanten von mir eine Rechnung, obwohl dieser einen Ausschnitt eines Knipsbilds in einer sogar nach § 24 UrhG zulässigen Weise genutzt hatte. Dass die Forderung weder dem Grunde noch der Höhe nach berechtigt war, hatten wir dem Leistungsschützer freundlich und ausführlich erklärt. Umso erstaunter waren wir, als der Leistungsschützer in Selbstvertretung am Amtsgericht sein vermeintliches Honorar einklagte.
Online-Screenshot-Piraterie
Wann immer ein Knipsbildner Urheberrecht – meiner Meinung nach – missbraucht, ist er allerdings bei mir an der denkbar falschen Adresse. Und wenn dann der Leistungsschützer selbst fremde Rechte nicht beachtet … Don Alphonso würde sagen: „Da hat wieder jemand am Watschenbaum gerüttelt!“
So hatte nämlich der Leistungsschützer einen Screenshot gemacht und diesen auch seinem Lizenzeintreibeschreiben beigefügt. Zusätzlich und ohne jegliche Notwendigkeit hatte er den Screenshot aber auch im System seiner Online-Bildverwaltung eingestellt und uns die Zugangsdaten zugesandt. Der Direktlink der Bilddatei setzte sich u.a. aus Login und Password zusammen und konnte direkt angeklickt werden. In diesem Moment gefriert einem gestandenen Urheberrechtler das Blut, denn das ist ein Fall des § 19a UrhG. Dass die URL ggf. nur Berechtigte kennen, ist ohne Belang, denn öffentliches Zugänglichmachen setzt keine Heimlichkeit voraus. Etwa Webcrawler wie die von Google erfassen ganz gerne mal Bilddateien, wenn diese nicht mit robots.txt markiert sind.
Der Mandant fragte sich, wie dem Leistungsschützer denn wohl seine eigene Medizin schmecken würde. Also drehten wir den Spieß um, mahnten den Leistungsschützer wegen der dortigen Inhalte (urheberrechtlich geschützte Graphiken, Texte usw.) ab und erhoben entsprechende Wiederklage, in der wir natürlich auch (moderaten) Schadensersatz wegen der Nutzung forderten. Erstaunlicherweise wollte uns der Leistungsschützer nicht glauben und veröffentlichte weiterhin „seinen“ Screenshot. Das fanden wir dann doch ein bisschen dreist und beschlossen aus pädagogischen Gründen, eine einstweilige Unterlassungsverfügung zu beantragen.
Verbotene Früchte
Den Unterlassungsanspruch stellte ich – wie man das als gewissenhafter Anwalt nun einmal tut – auf alle möglichen wie unmöglichen Anspruchsgrundlagen. Die Unterlassung ist durch die genutzten geschützten Werke durch konventionelles Urheberrecht begründet. Da der Mandant jedoch auch Presseverleger war, schlug ich vor, zusätzlich auch dieses neue Recht einmal mit aufzuführen und der Rechtsprechung Gelegenheit zu geben, etwas über „entsprechende Dienste“ in § 87g Abs. 4 UrhG und überhaupt zum LSR zu sagen. Die Anwendung des Leistungsschutzrechts war vor allem deshalb witzig, weil zwar nicht der Gegner eine Suchmaschine oder einen „entsprechenden Dienst“ betrieb – dafür aber der Mandant! Und der hält vom LSR genauso wenig wie ich … ;)
Ein Suchmaschinenbetreiber, der einen Piratenanwalt mit der allerersten Geltendmachung des LSR beauftragt – wir konnten einfach nicht widerstehen! Wirtschaftlich ist dieser Rechtsstreit weder für meinen Mandanten noch dessen Anwalt interessant, zumal wir ihn auch mit dem konventionellen Urheberrecht gewinnen werden.
Oups!
Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ich im Briefkasten die antragsgemäß erlassene einstweilige Verfügung fand, bei der sich das Gericht einzig mit § 87f UrhG begnügt hatte. Das LSR ist deshalb verführerisch, weil man nicht lange und breit darlegen muss, dass man die reklamierten Rechte auch wirklich besitzt, denn das LSR bekommt man sogar, wenn man selbst geklaute Inhalte publiziert. Es reicht der Nachweis, dass der Streitgegenstand aus einem Presseerzeugnis stammt. Das macht die Schriftsätze und Urteile natürlich schlank und erspart damit Arbeit.
Nicht nur das Gericht scheiterte an dem unübersichtlichen Gesetz, auch insgesamt mindestens drei Anwälte, welche der gegnerische Leistungsschützer bemühte, sahen den versteckten § 87g Abs. 4 UrhG nicht. Und so wurde die einstweilige Verfügung in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
In meiner Stellungnahme zum Leistungsschutzunrecht für den Landtag NRW vom 03.03.2015 wies ich auf die Unbrauchbarkeit des nur in den Einschränkungen des § 87g Abs. 4 UrhG geltenden Gesetzes hin und gestand auf S. 7 sogar:
Das einzige dem Verfasser bekannte Verfahren, in dem eine Unterlassung erfolgreich mithilfe des Leistungsschutzrechts der Presseverleger durchgesetzt wurde, vertritt kurioserweise der Verfasser.
Aber das hat offenbar niemand gelesen. :(
Spielverderber
Gerne hätte ich die Rechtskraft der Rechtsstreite abgewartet, um dann eine Bilanz des LSR-Abenteuers zu ziehen. Überraschend schnell jedoch wurde das Urteil veröffentlicht und provozierte in diversen Medien kritische Reaktionen. Besonders gefreut habe ich mich über den kritischen Kommentar eines Fachanwalts für gewerblichen Rechtsschutz, des Kollegen Herrn Arno Lampmann von der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum, der es ebenfalls nicht schaffte, einen Paragraphen weiter zu lesen.
Doch dann stieß ausgerechnet ein befreundeter Anwalt den Dolch in den Rücken, der mich selbst etwa gegen Dr. Klehr vertritt: Dem denkbar kompetenten IT-Rechtler Thomas Stadler fiel natürlich sofort § 87g Abs. 4 UrhG ins Auge. Das nächste Mal werde ich ihn in solch subversive Aktionen einweihen müssen …
Durch den Fall wurde auch ein weiterer Geburtsfehler des LSR transparent: Der in § 87g Abs. 2 UrhG auf ein Jahr begrenzte Unterlassungsanspruch wird im August vermutlich von selbst auslaufen, möglicherweise bevor die Gegenwehr gegen die einstweilige Verfügung Wirkung zeigt. Damit sind Prozesse gegen den Unterlassungsanspruch einigermaßen witzlos.
Ungeheime Geheim-URL
Die spannende Rechtsfrage, ob die geheime URL wegen ihrer angeblichen Nichterratbarkeit keinen Fall des § 19a UrhG darstellte, wird in diesem Rechtsstreit allerdings nicht mehr entschieden werden. Denn erstaunlicherweise wurde der kryptische Teil der beiden URL im Urteil 1:1 veröffentlicht, und es ist bereits mehreren Personen gelungen, die Parteien und damit auch die Domain des Leistungsschützers zu identifizieren. Nunmehr sind die URL also nicht mehr geheim, und da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, wird der Gegner unter dieser URL keine Inhalte mehr einstellen dürfen. Tja …
Fazit
Anders, als es vielleicht die meisten Kommentatoren argwöhnten, stand hinter der Abmahnung kein gieriger Presseverleger, der ein Geschäft mit dem Leistungsschutzrecht machen wollte, sondern in Wirklichkeit ein erklärter Gegner desselben. Das nächste Google wird garantiert nicht in einem Land entstehen, das strukturpolitisch so weltfremde Gesetze macht wie in Neuland.

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