Der Textilhersteller Mediatex GmbH, dessen Marke „Thor Steinar“ laut Presse (2008) im Bundestag nicht getragen werden darf, hat per einstweiliger Verfügung vor dem Landgericht Köln gegen den KiWi-Verlag die Unterlassung („Schwärzung“) folgender Passage mit Bezug zu dem alten Logo der Marke „Thor Steinar“durchsetzen können:
„Die Rechtssprechung darüber ist bis heute nicht einheitlich, in einigen Bundesländern darf es nicht öffentlich gezeigt werden.“
Der KiWi-Verlag konnte sich nicht mit seiner Auffassung durchsetzen, es habe sich bei der fraglichen Formulierung um eine bloße Meinungsäußerung gehandelt, vielmehr qualifizierte sie das Landgericht Köln als falsche Tatsachenbehauptungen – und solche sind grundsätzlich nicht geschützt. Jedenfalls der zweite Teil der Aussage ist definitiv nachprüfbar, also eine Tatsachenbehauptung.
Auch in anderer Hinsicht hat der Thor Steinar-Markeninhaber Gerichtserfahrung gesammelt: So hat Norwegen „Flagge gezeigt„.
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Um die Frage, ob eine Äußerung im Bezug auf das Verhältnis zu Nazis eine Tatsachenbehauptung oder eine freie Meinungsäußerung sei, macht sich auch die konservative Zeitung Junge Freiheit Gedanken und hat erneut das Womblog abgemahnt. Angesichts dieses Urteils scheint mir die Abmahnung unverständlich zu sein.
Update:
Korrektur: Nicht das Womblog wurde diesmal abgemahnt, sondern Autor Mark Seibert.
Wie ein Kollege meldet, hat man mal wieder die Ursache für den Absturz eines Gyrocopters gefunden. Es soll mal wieder ein „Pilotenfehler“ gewesen sein. Den Piloten kann man nicht mehr befragen, denn der ist tot.
Ich vertrete Mandanten aus der Ultra-Leicht-Szene, die akribisch Material über solche Abstürze, seltsame Praktiken der Zulassung und interessante personelle personelle Verflechtungen zusammentragen. Dies UL-Szene schätzt meine Mandanten als Nestbeschmutzer nicht besonders. Wie nicht anders zu erwarten, kam es zu äußerungsrechtlichen Prozessen.
Wir spielen mit dem Gedanken, unsere eigene Öffentlichkeit in Form eines Blogs zu schaffen, das zeitnah die wirklich seltsamen Vorgänge im UL-Bereich dokumentieren und kommentieren wird. Schon irgendwie traurig, dass man so etwas heute praktisch nur noch im Verbund mit einem Medienrechtler machen kann, ohne sich aus Hamburg eine einstweilige Verfügung wegen angeblich unzulässiger Verdachtsberichterstattung einzufangen.
Ein Pfaffe hatte vor einem Jahr seine sieben Sünden vor einem weltlichen Strafgericht gar bitterlich bereut. Jetzt kam sein gepeinigte Geliebte auf die Idee, ein Buch über ihren Seelsorger zu schreiben, wobei auf Namensnennung verzichtet wurde. Nun ist dem gefallenen Engel aufgegangen, dass er zwar im Fegefeuer brennen muss, auf der Erdoberfläche jedoch ein Allgemeines Persönlichkeitsrecht genießt. Da ist ihm plötzlich eingefallen, dass er sich wohl bei seinen Geständnissen geirrt haben muss und die Frau gar lügt. Bei Kirchens weiß man ja schon seit Evas Zeiten, was man vom Weibe zu halten hat! Zur Strafe will er nun die gute Frau ins Loch werfen lassen.
Bei ihrem Buchprojekt steht dem Opfer kein großer Verlag zur Seite, sie hatte es als Book on Demand veröffentlichen wollen.
Der lange Arm aus Karlsruhe reicht bis zum Sievekingplatz in der Freien- und Hansestadt Hamburg. Und dort klatschte dessen Hand vor einem Monat so laut auf die Backen der hanseatischen Richter, dass es nur so knallte …
Man hatte Grässlin verboten, den dubiosen Rücktritt des vormaligen Daimler-Häuptlings Schrempp mit diesen Worten zu kommentieren:
„a) Ich glaube nicht, dass der Rücktritt (des Klägers zu 2 als Vorsitzender des Vorstands der Klägerin zu 1) freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde.
b) … und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat.“
Kontext nicht beachtet, Wertungen als Tatsachenbehauptungen gedeutelt
Diese Ausschnitte aus einem Interview hat sich die Hamburger Pressekammer rausgepickt, ohne den Kontext hinreichend zu beachten – das Standard-Verfahren am Sievekingplatz. Und die Hanseaten wollten darin einen Eingriff in Persönlichkeitsrecht und „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ (muhahaha!) erkennen, da die Äußerungen als Tatsachenbehauptungen einzustufen seien. Selbst bei Einordnung als Verdachtsberichterstattung seien die Voraussetzungen hierzu nicht erfüllt. Diesem Unsinn wollte der BGH jedoch nicht folgen. (more…)
Aus eher formalen Gründen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung gegen eine Michael Jackson-Gedenk-Show abgelehnt worden. Die von der Branche erhoffte Rechtsklarheit über solche Veranstaltungen konnte daher materiellrechtlich nicht herbeigeführt werden.
Wie in dem Video (Halbzeit Superbowl 1993) zu sehen ist, scheint der Mann ja schon zu Lebzeiten sogar eigene Doubles gehabt zu haben …
“Dabei kommt es – jedenfalls wenn es sich, wie vorliegend, um rufbeeinträchtigende Behauptungen handelt – auch nicht darauf an, ob die Behauptung vormals zutreffend und zulässig war.”
Die Tatsache, dass es für Internetmedien in keiner Weise praktikabel ist, mögliche Änderungen von in Artikeln dargelegten Sachverhalten zu antizipieren, um täglich sämtliche Archivinhalte der Realität anzugleichen, ignoriert das Landgericht völlig. Auch die Verbannung älterer Artikel in ein Archiv, das weder mittels Suchmaschinen noch über Links erreichbar ist, kommt einem Berufsverbot für Onlinemedien und Blogger gleich.
(…) Die gängige Abmahnpraxis hinterlässt jedoch den Eindruck, als ginge es nicht um objektive Information, sondern darum, kritische Berichterstatter unter Geiselnahme des Persönlichkeitsrechts mundtot zu machen.
Dann aber werden die Aktien-Blogger irrational:
Wir glauben trotz der jüngsten Entscheidung auch weiterhin an die zweckgerichtete Abwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht und blicken dem für November terminierten Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Hamburg mit Zuversicht entgegen.
Liebe Aktienblogger, ich habe jetzt eine ganz schlechte Nachricht für euch: beim Landgericht Hamburg wird NIE zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht abgewogen. Das passiert erst in Karlsruhe. Und es interessiert an der Außenalster auch niemanden, ob etwas im Internet praktikabel ist. In zwei Jahren dürft ihr dann vielleicht sagen, was ihr über Herrn Frick zu sagen habt.
Aber schön, dass euch aufgefallen ist, dass das Wort „Pressefreiheit“ im Urteil nicht ein einziges Mal auftaucht. Die spielt im Hamburger Landrecht nämlich keine Rolle …
Seit 2006 streiten sich der Doping-Praktiker Jan Ullrich und der Doping-Experte Prof. Werner Franke vor Hamburger Gerichten – natürlich um die Wahrheit bzw. wer die gepachtet hat, genauer: Wer wem welche Wahrheit verbieten darf.
Franke hatte im Prinzip zutreffend behauptet, Ullrich habe an den Doping-Arzt Fuentes Geld gezahlt, was Ullrich in einer eidesstattlichen Versicherung bestritt und hiermit dem Landgericht Hamburg eine einstweilige Unterlassungsverfügung aus dem Kreuz leiern konnte.
Werden wir mal etwas präziser: In einem TV-Interview hatte Franke erklärt,
Ullrich habe in einem Jahr dem spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes 35.000 Euro für Dopingmittel überwiesen.
Franke meinte, damit lediglich die Presse zitiert zu haben. Doch in Zeiten der Stolpe-Rechtsprechung verwiesen ihn die Hamburger darauf, dass Franke als großer Doping-Experte, der auch im Fall selber recherchiere, so zu verstehen sei, als gebe er eigene Erkenntnisse zum Besten.
In Hamburg glaubt man blind, was in eidesstattlichen Versicherungen gelogen wird. Aber im Hauptverfahren, wo man Beweise zu erheben pflegt, könnte es peinlich werden, denn die eidesstattliche Versicherung war offenbar erstunken und erlogen: Laut BKA (Tagesspiegel) hatte der Radfahrer schlappe 80.000,- Euro an Fuentes überwiesen und sich auffällig häufig in Madrid aufgehalten. Anders als bei seinem Frohlocken über das Hamburger Urteil hält sich Ullrich diesmal mit Kommentaren zurück.
Beim Landgericht Stuttgart hat Michael Jacksons Nachlassverwalter beantragt, eine geplante Michael Jackson-Erinnerungs-live-Show zu verbieten, bei der ein Jackson-Imitator dem „King of Pop“ huldigt. Geschäftstüchtig war die Veranstaltung bereits vier Tage nach dem Dahinscheiden des Superstars angemeldet worden. Am 22.10.2009 wird das Gericht zu entscheiden haben, die Branche rechtliche Signale für Revival-Shows.
Auch der Autor dieser Zeilen wird sich ab morgen wieder in Düsseldorf den Bühnenkünsten widmen, wenn auch nicht juristisch. In der neuen Spielstätte „Central“ des Schauspielhauses Düsseldorf steht am Wochenende die politische Inszenierung „Der Zauberlehrling“ der Avantgarde-Theatermacher „Rimini Protokoll“ wieder auf dem Spielplan. Ich freue mich schon auf das Wiedersehen mit der isländischen Eine-Frau-Armee „Herdis“, Stanislaw Petrow, dem „Zauberkönig“ und das Team! Und auf ein paar Tage ohne irgendwelche Abmahnanwälte …
Die Bundesvereinigung der Fachanwälte für Strafrecht e.V. erklärt ausdrücklich das Unverständnis für die Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg. Letztlich würde die Konsequenz aus dieser Entscheidung sein, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit auf unerträgliche Weise eingeschränkt wird. Einer der Verteidiger in dem besagten Verfahren, Rechtsanwalt Walter Teusch aus Saarbrücken, hat der Bundesvereinigung der Fachanwälte für Strafrecht e.V. gegenüber nochmals ausdrücklich bestätigt, dass die Buchautorin Gisela Friedrichsen ausschließlich Informationen verwertet hat, die Gegenstand der öffentlichen Hauptverhandlung geworden sind, so dass diese Entscheidung einem Verbot gleich käme, darüber zu sprechen, was man als Zuschauer eines öffentlichen Verfahrens erfahren hat. Quelle: openpr.de
Nunmehr hat das Landgericht Hamburg einen Rückzieher gemacht, wie beim inzwischen zum Inventar der Pressekammer gehörenden Chronisten nachzulesen ist. Offenbar ging es um Fragen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten minderjähriger Zeugen, die über Sachverhalte aus der Intimsphäre befragt wurden. Das Buch richtete sich jedoch nicht an den breiten Boulevard, sondern an ein kriminologisch interessiertes Fachpublikum. Thema der Autorin waren Suggestivfragen, die gerade bei Kindern hochproblematisch sind.
Es gibt sehr gute Gründe, die ungestörte Entwicklung von Kindern zu schützen. Aber es gibt aber eben auch das Prinzip der Gerichtsöffentlichkeit. Es mag Autoren zuzumuten sein, Zeugen zu anonymisieren und entsprechendes Fingerspitzengefühl zu wahren und die Gerichtsöffentlichkeit nicht zur reißerischen Boulevardberichterstattung zu missbrauchen. Vorliegend kann wohl nicht ansatzweise hiervon die Rede sein.
Wann wird das Landgericht Hamburg endlich akzeptieren, dass es in Karlsruhe eine grundsätzliche Vermutung für die Pressefreiheit gibt?
Auch die Kinder des Nationalheiligen und Kaisers Franz Beckenbauer unterliegen irdisch-bürgerlichem Recht. So wollte Beckenbauer zugunsten seiner Kinder ein präventives Verbot für die Verbreitung von Fotos seiner minderjährigen Kinder durchsetzen. Tatsächlich folgte Richter Buskes Pressekammer beim Landgericht Hamburg dem so nicht im Gesetz vorgesehenen Ansinnen Beckenbauers und sprach ein bis zur Volljährigkeit der Kläger geltendes Unterlassungsgebot aus. Auch das hanseatische Oberlandesgericht sah hierin „keine unzulässige Einschränkung der Pressefreiheit“.
Wie der Bundesgerichtshof heute jedoch in einer Pressemitteilung bekannt gab, kann
Eine solche Interessenabwägung kann nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offen bleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden. Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Kläger noch minderjährig sind. Zwar müssen Kinder und Jugendliche gegen die Presseberichterstattung in stärkerem Umfang geschützt werden als Erwachsene. Doch ist für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung auch bei Minderjährigen eine Abwägung zwischen deren Persönlichkeitsrecht und der Äußerungs- und Pressefreiheit erforderlich. Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist auch bei Kindern und Jugendlichen bei vielfältigen, im Einzelnen nicht vorhersehbaren Lebenssachverhalten denkbar. Ein Generalverbot, welches insbesondere bei jüngeren Kindern bis zu deren Volljährigkeit viele Jahre gelten würde, wird dem nicht gerecht und stellt eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Äußerungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) dar.
Es bleibt also dabei: Man muss in jedem Einzelfall abwägen, ob das Berichtsinteresse überwiegt, oder eben nicht. Das wird bei Kindern von Prominenten, die vom Promi nicht in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt werden, regelmäßig im Interesse des ungestörten Aufwachsens nicht der Fall sein. Aber es ist Sache des Gerichts, Verstöße nachträglich bzw. bei unmittelbarer Drohung gerichtlich zu sanktionieren. Das, was Hamburg da strukturell einstielt, kann man kaum höflicher als „Zensur“ nennen.
Immer wieder das gleiche Spiel: Hamburg verbietet, was das Zeug hält, spricht aberwitzige Geldsummen aus usw., Karlsruhe beendet den Spuk. Wie lange soll diese Sisyphos-artige Farce eigentlich noch die Geldbeutel von Verlagen, Rundfunkhäusern und Bloggern strapazieren? Könnte nicht mal irgendjemand in Hamburg die Fenster aufmachen und mal kräftig durchlüften?