Zum Inhalt springen


Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


6. August 2014

Affiger Urheber

 

Die Internet-Community hat gerade Spaß an einem Rechtsstreit um die Urheberrechte an einem Selfie, das ein Affe selbst ausgelöst hat.

Wikimedia argumentiert, da der Affe den Auslöser gedrückt habe, besitze dieser auch die Rechte an seinen Selbstportraits, es gebe also keinen menschlichen Urheber.

Die englischsprachigen Wikipedia-Leute weigern sich, das Bild zu löschen. Weitere Einzelheiten hat der Dayly Telegraph.

Lichtbildwerk?

Nach deutscher Rechtskonzeption können nur Menschen Urheber eines Kunstwerks nach § 2 UrhG sein. Vorliegend hat aber der Affe selbst auf den Auslöser gedrückt. Eine „persönlich geistige Schöpfung“ wird der Affe nicht reklamieren können.

Lichtbild?

Es könnte jedoch Leistungsschutz am Lichtild nach § 72 UrhG bestehen, also an künstlerisch uninspirierter Knipserei. Auch der Lichtbildner muss seine Leistung grundsätzlich „persönlich“ erbringen. Erforderlich ist ein „minimaler Gestaltungsspielraum“, innerhalb dessen der Lichtbildner tätig wird. Ein solcher kann auch im Aufstellen automatischer Kameras liegen.

Das Aufstellen einer Fotovorrichtung alleine reicht nicht – etwa beim Paßbildautomaten ist der Abgebildete der Lichtbildner, der den Vorgang steuert (vgl. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 1997, Rn 646). Der Vorgang muss allerdings willensgesteuert sein, was etwa beim Auslösen eines Blitzers der Verkehrsüberwachung nicht der Fall ist.

Vorliegend soll der Affe sich spontan die Kamera gegriffen und ausgelöst haben. Weder wusste der Affe, dass das Geräusch ein Foto auslöst noch wird der Besitzer des Fotoapparats dieses Verhalten geplant haben. Damit könnten nach deutschem Urheberrecht weder Affe noch Fotoapparatbesitzer Leistungsschutz an dem Bild beanspruchen. Auch ein Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild nach § 22 KunstUrhG ist für Tiere bislang nicht vorgesehen.

Obwohl Affen eigentlich nicht klagebefugt sind, sieht man sie häufig als Prozessparteien, vor allem am Landgericht Hamburg.

31. Juli 2014

Durfte DER SPIEGEL Fotos der Opfer von MH 17 verbreiten?

Mehrfach kam die Frage auf, ob das Agitprop-Magazin DER SPIEGEL für seinen aktuellen Titel die privaten Fotos der beim Flug MH 17 getöteten Menschen benutzen durfte.

Zivilrecht

Sofern nicht die Angehörigen eingewilligt haben: NEIN.

Wer in Deutschland Fotos verbreiten oder zur Schau stellen will, auf denen Gesichter zu erkennen sind, benötigt grundsätzlich nach § 22 KunstUrhG die Einwilligung entweder des Abgebildeten oder nach dessen Tod die von den Angehörigen (bis zum Ablauf von zehn Jahren).

Eine solche Einwilligung wäre entbehrlich in Fällen eines gewichtigen Berichtsinteresses der Öffentlichkeit, § 23 KunstUrhG. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, denn DER SPIEGEL hat kein Flugzeugunglück berichtend illustriert, sondern „Stoppt Putin“ bebildert. Wenn die Betroffenen oder deren Angehörige diesen politischen Apell nicht teilen, liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vor.

Etwas anderes könnte aber gelten, wenn Bildrechte nach § 22 KunstUrhG wirksam übertragen wurden. Dem Vernehmen nach soll sich DER SPIEGEL aus sozialen Netzwerken bedient haben. Wenn man selbst Fotos von sich ins Netz stellt, gibt man insoweit ein Stück Privatsphäre von sich faktisch auf. Dies beinhaltet jedoch nicht automatisch die Erlaubnis, dass auch Dritte solche Fotos nutzen dürfen (zumal auch das Urheberrecht des Fotografen geschützt ist, sogar gegenüber dem Abgebildeten). Die Einwilligung nach § 22 KunstUrhG reicht grundsätzlich nur soweit, wie es dem Betreffenden vernünftigerweise erkennbar war. Wird man z.B. bei einem nicht öffentlichen Anlass gefilmt und lässt die Aufnahmen zu, bedeutet dies nicht, dass man pötzlich im landesweiten TV zu sehen sein will. Die Reichweite einer Einwilligung nach § 22 KunstUrhG ist regelmäßig Streitfrage am Richtertisch und wird in den Instanzen unterschiedlich beurteilt.

Bei Facebook heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedinungen:

(…) Du erteilst uns deine Erlaubnis zur Nutzung deines Namens, Profilbilds, deiner Inhalte und Informationen im Zusammenhang mit kommerziellen, gesponserten oder verwandten Inhalten (z. B. eine Marke, die dir gefällt), die von uns zur Verfügung gestellt oder aufgewertet werden. Dies bedeutet beispielsweise, dass du einem Unternehmen bzw. einer sonstigen Organisation die Erlaubnis erteilst, uns dafür zu bezahlen, deinen Namen und/oder dein Profilbild zusammen mit deinen Inhalten oder Informationen ohne irgendeine Entlohnung für dich zu veröffentlichen. (…)

Außerdem ist Facebook der Ansicht, dass jedweder Anspruch, Klagegegenstand oder Streitfall (Anspruch), den man gegenüber Facebook Ireland Limited hat und der sich aus der Erklärung gegenüber Facebook oder in Verbindung mit dieser bzw. mit Facebook ergibt, ausschließlich vor dem für den nördlichen Bezirk von Kalifornien zuständigen US-Bezirksgericht oder vor einem Staatsgericht in San Mateo County zu verhandeln sei, wobei die Gesetze des Bundesstaates Kalifornien unter Ausschluss der Bestimmungen des internationalen Privatrechts anzuwenden seien.

Das Landgericht Berlin teilte allerdings 2010 freundlich mit, dass in Deutschland deutsches Recht anzuwenden sei und auch hierzulande geklagt werden könne. Das Urteil wurde dieses Jahr vom Kammergericht bestätigt.

Die Frage also, inwieweit ein Verlag für einen Printtitel von Facebook wirksam Rechte Dritter nach § 22 KunstUrhG erwerben kann, wäre daher auch hierzulande justiziabel. Wie gesagt, die Reichweite solcher Einwilligungen ist im Einzelfall eine diffizile Angelegenheit. Die Rechtsansicht, dass man auf Facebook wirksam darin einwilligt, in politische Kampagnen eingespannt zu werden, halte ich für abwegig.

UPDATE:

BILDblog hat sich die SPIEGELBILDerei vorgenommen. Dort ließen sich die SPIEGEL-Leute wie folgt ein:

„Wir halten die Optik für angemessen, denn es handelt sich um Opfer der ruchlosen Machtpolitik des russischen Präsidenten Putin. Dies rechtfertigt nicht nur eine so starke, emotionale Optik, es macht sie geradezu notwendig – und zwar im Interesse der Opfer und ihrer Angehörigen.“

UPDATE: Unabhängig vom Aspekt der Persönlichkeitsrechte sind natürlich auch die Urheberrechte der Fotografen betroffen.

Pressekodex

Der Verlag des SPIEGEL hat sich dem – nicht vor ordentlichen Gerichten justiziablen – Pressekodex unterworfen:

§ 1 (…) Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

§ 8 (…)

Richtlinie 8.2 – Opferschutz
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen  zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

Richtlinie 8.3 – Kinder und Jugendliche
Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.

§ 11 (…)

Richtlinie 11.3 – Unglücksfälle und Katastrophen
Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.

§ 13 (…)

Richtlinie 13.1 – Vorverurteilung
Die Berichterstattung über Ermittlungs- und Gerichtsverfahren dient der sorgfältigen Unterrichtung der Öffentlichkeit über Straftaten und andere Rechtsverletzungen, deren Verfolgung und richterliche Bewertung. Sie darf dabei nicht vorverurteilen. Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind.

Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines „Medien-Prangers“ sein. Zwischen Verdacht und erwiesener Schuld ist in der Sprache der Berichterstattung deutlich zu unterscheiden.

27. Juli 2014

Im Westen nichts Neues …

 

Bekanntlich befasse ich mit der Geschichte des Kalten Kriegs. Diese ist insoweit meine eigene, weil ich in den 1980er Jahren das, was ich im TV sah, für die Realität hielt. Nach Abgleich der historisch gesicherten Fakten war die westliche Darstellung des Kalten Kriegs etwas …, ähm …, nun ja …, „einseitig“.

Seit ich mich mit Medienmanipulationen und politischer PR („Propaganda“) befasse, hat sich mein Blick ein wenig geschärft. Dass es aber ausgerechnet in Zeiten von Internet, in dem die Bedeutung des Medienkartells eigentlich gebrochen sein sollte, noch möglich wäre, dass sich unsere Redaktionen so plump und durchschaubar gebärden, ernüchtert.

Obwohl es für Moskau nicht das geringste schlüssige Interesse geben kann, zivile Passagiermaschinen vom Himmel zu holen oder Verbündete bei derartigem Terrorismus zu unterstützen, titeln unsere deutschen „Qualitätsmedien“ unisono gegen Putin. Nun bin ich gewiss kein Freund totalitärer Staatsformen, und gegen den Ex-Geheimagent und Ex-General Putin persönlich gibt es gewiss viel zu sagen. Aber was wir da gerade an „Expertise“ geboten bekommen, ist kaum geeignet, dass nachhaltig angeschlagene Vertrauen hierzulande in die „unabhängigen“ Medien zu stärken.

Umso dankbarer bin ich, dass etwa der Heise-Verlag mit TELEPOLIS besonneneren Stimmen Raum gibt. So hat gestern der ehemalige verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU und Ex-Vizepräsidenten der OSZE zur westlichen Propaganda im Ukraine-Konflikt deutliche Worte gefunden.

Noch feister hetzen die US-Medien. Putin scheint es gelassen hinzunehmen. In der Pressekammer des Landgerichts Hamburg habe ich noch keine Putin-Anwälte gesehen (aber die von Westerwelle, Schröder, Gabriel, Wulff …).

Spannend finde ich übrigens die „Hellsichtigkeit“ Hollywoods, wo man das Böse aus Moskau schon vor ein paar Jahren erkannt hat. So spielen die Fortsetzungen von „Mission Impossible“ (Teil 4, 2011), „Stirb Langsam“ (Teil 5, 2013) und „Jack Ryan“ (Teil 5, 2014) in Moskau, wobei jeweils CIA-Leute zu edelsten wie unkaputtbaren Helden stilisiert werden. In den beiden letztgenannten Streifen werden die Russen als abgrundtief böse dargestellt und dürfen wie wilde Tiere hemmungslos abgeballert werden. Für das deutsche Publikum spricht, dass diese beiden im Vergleich zu den Vorgängern ausgesprochen langweiligen Filme nach wenigen Wochen wieder aus den Kinos verschwunden waren.

7. Juni 2014

Verfalldatum für Nackedeis?

Die Schauspielerin Corinna Drews brachte es 1986 zu einer gewissen Bekanntheit in „Kir Royal“, wo sie ausgerechnet ein Starlet spielte, das von einem Klatschreporter berühmt gemacht werden wollte. Dreimal posierte sie auf dem Titel des Anatomie-Fachmagazins „Playboy“, wo sie ihr Gesicht und andere Körperteile in die Kamera schwenkte (bei Interesse bitte selber googeln …). Erstmals hatte sie 1981 für das Fachblatt blank gezogen und darüber informiert, ihr Sport seien Männer.

33 Jahre später war dem gereiften Nackedei die Aktion irgendwie peinlich, was deshalb verwunderlich ist, weil sie das peinlichste machte, was man tun kann: In eine RTL-Containercampwasweißichprollshow zu gehen. Sauer wurde Frau Drews, als eine für BILDberichterstattung bekannte Boulevardzeitung dieses Ereignis mit einem historischen Playboyfoto von 1981 illustrierte. Sie zog vor das Landgericht München, wo sie anders als aus der Show nicht bei der ersten Gelegenheit rausflog, und begehrte Unterlassung. Und Geld hätte sie dafür natürlich auch gerne.

Grundsätzlich ist eine nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligungserklärung in das Verbreiten und Zur-Schau-Stellen eines Portraitfotos unwiderruflich. Ob man beim Foto bekleidet war oder nicht, spielt normalerweise keine Rolle. Anders als etwa im Urheberrecht gibt es kein „Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung“. Andernfalls wäre jedes Foto, auf dem jemand erkennbar ist, mit unkalkulierbaren Rechtsunsicherheiten belastet. Der Playboy hatte damit grundsätzlich das zeitlich unbegrenzte Recht zur Auswertung erworben, soweit nichts anderes vereinbart war. Möglicherweise war der Verlag sogar zur Weiterlizenzierung berechtigt.

Gerichte legen den Umfang von Einwilligungserklärungen nach § 22 KunstUrhG allerdings einschränkend aus. Wer etwa gefilmt wird, muss eine ungefähre Vorstellung haben, wofür die Aufnahmen verwendet werden. Zur klassischen Frage, welche Rechte einem Nacktmodell zustehen, das inzwischen zur Tugend gefunden hat und nur noch züchtig bekleidet durch den Blätterwald rauschen will, gibt es nur wenig bekannte Entscheidungen, weil in solchen Fällen meist Vergleiche geschlossen werden.

Das Landgericht München nun entschied der Süddeutschen Zeitung zufolge, die zu Be­ginn der 1980er Jahre erklärte Einwilligung Einwilligung zur Veröffentlichung der Fotostrecke Anfang der Achtzigerjahre gelte nicht auch für eine Bildveröffentlichung 2014. Zumal keinerlei Zusammenhang zwischen der seinerzeitigen Veröffentlichung und dem umstrittenen Bericht bestehe. Die bloße Assoziation, Dschungelcamper entblößten sich regelmäßig im wörtlichen oder übertragenen Sinne, ließen sie nicht gelten. Ebenso wenig käme es darauf an, dass die Zeitung eine Lizenz beim Playboy erworben hätte.

Unverkennbar schwingt bei dieser Sicht die Caroline-Entscheidung mit, die bei unfreiwilliger Bildberichterstattung stets einen konkreten Anlassbezug fordert. Die Münchner Richter gingen offenbar so weit, dass man es nach 33 Jahren nicht mehr hinnehmen müsse, mit einer Jugendsünde konfrontiert zu werden. Dem zufolge hätte die Zeitung selbst dann keine lizenzierten Bilder verwenden dürfen, wenn sie inhaltlich über das Fotoshooting von 1981 berichtet hätte. Konsequenterweise dürfte nun nicht einmal der Playboy die Aufnahmen von Frau Drews aus dem Archiv wieder ins Blatt holen. Wenn das Urteil Schule macht, wird die Zweitverwertung älterer Nacktaufnahmen ein medienrechtliches Risiko.

Nun möchte Frau Drews in einer weiteren Klage auch noch Geld für die Reaktualisierung sehen. Das halte ich für optimistisch, aber nicht für ausgeschlossen.

Der Zeitungsverlag könnte allerdings versuchen, im Gegenteil sogar selbst von Frau Drews Geld zu verlangen, nämlich Schadensersatz. Denn etwa auch ein launischer Künstler, der sein Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung geltend macht, muss für seine Eigenwilligkeit den Inhaber eines Nutzungsrechts „angemessen entschädigen“, § 42 Abs. 3 UrhG . Allerdings hat das Landgericht München offenbar die Einwilligung als von vorneherein beschränkte ausgelegt. Bei dieser Konstruktion aber wäre nicht einmal ein Widerruf nötig, wobei unter uns Pfarrerstöchtern wohl eher anzunehmen ist, dass Frau Drews der Gedanke nachträglich kam.

Ich wäre nicht überrascht, wenn der Verlag diese Sache durch die Instanzen treibt. Möglicherweise handelt es sich bei dem Fotoshooting durchaus um ein zeitgeschichtliches Ereignis, denn die B.Z. spricht immerhin vom „schönsten Busen der 80er“. Den mir bekannten Fotos nach zu urteilen könnte das hinkommen. Ich hoffe jedenfalls auf weitere aussagekräftige Abbildungen in den juristischen Fachzeitschriften. ;)

Eines allerdings ist sicher: Ab Montag wird jeder professionelle Aktfotograf seinen Models eine deutlich ausführlichere Einwilligungserklärung abfordern.

Ironie am Rande: Frau Drews ist inzwischen Textilunternehmerin. Da senden Nacktfotos eher die falsche Botschaft … ;)

Via Strafakte.

22. Mai 2014

Lila Bikini

 

Manchmal frage ich mich schon, was einige Leute so für Vorstellungen vom Medienrecht haben. So machte anscheinend ein Kollege einer Klägerin Hoffnung, sie könne von einer Boulevardzeitung eine Geldentschädigung verlangen, weil sie im Bikini auf ein Foto gerutscht war.

Während ein Unterlassungsanspruch mangels legitimen Berichtsinteresse der Öffentlichkeit am Dekolleté der Klägerin aussichtsreich war, hätte man sich die Klage auf Geldentschädigung und erst recht die Berufung sparen können. Den Geldentschädigungsanspruch (vulgo „Schmerzensgeld“) gibt es nur dann, wenn eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, die anders nicht kompensiert werden kann. „Schwere“ Persönlichkeitsrechtsverletung? Bikini-Foto am öffentlichen Strand? Hallo?

Von „schwerer“ Persönlichkeitsrechtsverletung spricht man bei Bezug zu Sexualität, Indiskretionen und krassen Lügen usw.. Geld gibt es nur ganz ausnahmsweise. Sicher aber nicht bei situationsadäquater Bekleidung am Ballermann.

Nächster Versuch: Weil in dem Beitrag über einen ausgeraubten Fußballer berichtet wurde, der in „pikanter Frauenbegleitung“ gewesen sei, argumentierte die „bloßgestellte“ Klägerin, Teile der Leserschaft könnten die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen, ob es sich bei der Klägerin um eben diese handele. Hm … Sogenannte „Andeutungen“ kann man zwar nicht nur mit Text, sondern auch mit Bildern machen, die unzutreffende Schlussfolgerungen suggerieren. Eine solche scheint vorliegend so zwingend aber nicht gewesen zu sein. Da sich die Klägerin nicht auf den realistischen Unterlassungsanspruch beschränkte, hat sie sich nun unnötige Prozesskosten produziert.

Noch rätselhafter als den untauglichen Geldanspruch finde ich allerdings, dass in dem Urteil die Farbe des Bikinis genannt wurde. Eine Relevanz dieses Details wäre mir bislang nicht aufgefallen. Mich hätten in dem Zusammenhang andere Dinge mehr interessiert … ;)

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 14.05.2014 – 6 U 55/13

UPDATE (24.04.2015): Der BGH hat die Entscheidung bestätigt.

29. April 2014

Team Wallraff!

 

Letztes Jahr wollte Günter Wallraff nach einem wie immer unterhaltsamen Gerichtstermin noch irgendwo einkehren. Als wir bei einem Fast Food-Anbieter vorbeikamen, meinte ich sarkastisch, da solle er doch mal eine Undercover-Recherche machen. Darauf antwortete Wallraff lässig: „Hab ich schon.“ Er schenkte mir sein Buch „Aus der schöne neuen Welt“ und machte mich auf ein Kapitel über den Arbeitsrechtsanwalt Naujoks aufmerksam. Aus Gründen von Standesrecht werde ich mir Kommentare zu diesem Kollegen verkneifen.

Am Montag nun lief bei RTL die von Wallraff betreute Recherche bei einem anderen Fast Food-Anbieter, die es mal wieder in sich hat. Und auch dort ist der Kollege Naujoks zu sehen. Damit Wallraff den ihm persönlich bekannten Anwalt undercover begegnen konnte, griff er diesmal besonders tief in die Trickkiste der Maskerade. Ich kenne nur wenige Journalisten, die auch nur annähernd so krass drauf sind wie Günter Wallraff.

Ich bin gespannt, ob RTL erfolgreich wegen der versteckten Kamera angegangen wird. Die Rechtsabteilung der RTLis ist nicht dafür bekannt, kampflos klein bei zugeben.

Wenn jetzt wieder die Spiegelleute versuchen, Wallraff am Zeug zu flicken, wirkt das schon irgendwie sehr bemüht. Eine Recherche beim Burgerbrater hätte auch das führende Magazin für investigativen Journalismus längst machen können. Haben sie aber nicht. Da fehlen vermutlich die Cochones.

8. April 2014

Recht am Bild am eigenen Hund – Amtsgericht Bonn, 109 C 228/13

Inzwischen ist das von der Lokalpresse berichtete Urteil des Amtsgerichts Bonn online, das einem selbsternannten Umweltschützer verboten hatte, (heimlich) den Halter eines unangeleinten Hundes im Naturschutzgebiet zu fotogragieren, um ihn an die Behörden zu verpetzen. Die Bilder wurden nicht veröffentlicht, sondern für einen Rechtsstreit verwendet.

Das in den §§ 22 ff. KunstUrhG geregelte „Recht am eigenen Bild“ regelt zwar, ob man angefertigte Fotos von Personen auch veröffentlichen darf, nicht aber verbietet das KunstUrhG das Fotografieren (andere Ansicht: RA’in Janina Ruland). Grundsätzlich ist allerdings das Anfertigen von Fotografien in der Öffentlichkeit erlaubt, solange man nicht gerade ein militärisches Sperrgebiet ablichtet oder die „Öffentlichkeit“ zufällig eine öffentliche Sauna oder ähnliches ist. Juristisch ist Fotografieren von der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.

Vereinzelt gibt es Entscheidungen, die etwa fotografierten Polizisten vor Ort das Löschen von Fotos erlaubten, da diesen nicht zumutbar sei, eine drohende Veröffentlichung abzuwarten. Das Abfilmen von öffentlichem Raum mit Überwachungskameras kann gegen Datenschutzbestimmungen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen, etwa dann, wenn die Kamera auf den Hauseingang des Nachbarn gerichtet ist. Ggf. ist auch Haus- und Urheberrecht ist zu beachten.

Vorliegend aber war der Fotograf alles andere als aufdringlich, sondern fotografierte sogar heimlich. Die Bilder waren nicht zur Veröffentlichung oder zu einem Missbrauch bestimmt, sondern gingen ausschließlich an die Behörden, die sogar nach § 24 KunstUrhG und § 45 UhrG privilegiert sind. Angeblich hatte sie der Fotograf sogar anschließend gelöscht. Sie kamen dem Hundehalter erstmals im Wege einer Akteneinsicht zur Kenntnis:

(…) mit 18 dokumentierten und fotografierten Verstößen an dem streitursächlichen Tag und gut 35 mögliche Verstößen in einer Woche zielgerichtet letztlich an behördenstatt Ordnungswidrigkeiten festhält und die Personen während ihres Aufenthaltes systematisch überwacht ohne dass dies dem Kläger als Betroffenen zuvor bekannt gemacht worden wäre. (…)

Das Amtsgericht bewertete die Fotonachstellungen als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Hundehalters, der nicht gerechtfertigt gewesen sei. Der selbsternannte Hilfssherrif hätte sich durch Notieren des Autokennzeichens behelfen und die Behörden ihren Job machen lassen können. Daher verurteilte es den Fotofreund zur Unterlassung und erkannte auf einen für Persönlichkeitsrechtsstreitigkeiten sensationell niedrigen Streitwert von 500,- €.

Unabhängig von der Frage, ob man das Gestalke von solch selbsternannten Wildhütern nun schätzt oder nicht: Juristisch ist das Urteil nicht ganz so überzeugend. Die vom Amtsgericht angeführten Urteile befassen sich nicht mit gezielter detektivischer Dokumentation von Hundeunrecht, sondern mit penetranter dauerhafter Videoüberwachung und betreffen überwiegend schon nicht den Unterlassungsanspruch.

1. Eingriff in allgemeines Persönlichkeitsrecht?

Während das Amtsgericht Bonn sich ausgiebig damit befasste, dass der Eingriff nicht gerechtfertigt gewesen sei, hielt es sich bei der Begründung, ob überhaupt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorläge, nicht allzu lange auf. Ein allgemeines „Recht aufs Nichtfotografiertwerden“ im öffentlichen Raum gibt es aber derzeit nicht. Soweit in jenem Nachbarschaftsfall von 1995 die Kameraüberwachung verboten wurde, ging es um einen Überwachungsdruck, der massiv in das Persönlichkeitsrecht eingriff.

2. Güter- und Interessenabwägung

Im bezogenen Urteil machte der BGH eine in derartigen Fällen nun einmal gebotene Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Eingriff ins allgemeine Persönlichkeitsrecht (grundrechtlich geschützt aus Art.. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) und dem Interesse des Filmers, der seinerzeit das Abladen von Unrat auf seinem Grundstück dokumentieren wollte (grundrechtlich ebenfalls geschützt, nämlich durch die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG). Letzteres sah der BGH in diesem konkreten Fall als weniger gewichtig an.

Beweisverwertung

Das Amtsgericht Bonn bezog sich auf zwei weitere Zivilurteile, in denen es allerdings nicht um Unterlassung ging. So hatte das OLG Köln die Beweisverwertung von Videoaufnahmen in einer Waschküche abgelehnt, weil diese heimlich angefertigt worden waren, was als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bewertet wurde. Ebenso erkannte als OLG Karlsruhe, als jemand sein Auto gegen Vandalismus verdeckt überwachen wollte. Ggf. wäre es sinnvoll gewesen, mit der gleichen Argumentation auch im Bonner Hunde-Fall einer Verwertung der Bilder durch die Behörden zu widersprechen.

Unterlassungsanspruch?

Ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch gegen das Anfertigen von Fotos ist außer in § 201a StGB nicht vorgesehen. Einem Richter ist es auch nicht ohne weiteres gestattet, selbst Gesetze zu erfinden oder nicht anzuwenden, vgl. Art. 100 GG. Wenn nunmehr ein Richter unter extensivem Heranziehen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts das Dokumentieren von Rechtsverstößen verbietet und damit Fotografen eine Rechtfertigung für seine Fotos aufbürdet, dann steht künftig jeder Fotograf mit einem Bein mindestens im Gerichtssaal. Wenn etwa heimliches Fotografieren verboten ist, werden darüber vermutlich Privatdetektive nicht allzu glücklich sein. Betroffen wären jedenfalls definitiv die Dashcams, die ja derzeit auch datenschutzrechtlich in der Kritik stehen. Teleobjektive werden demnächst dann wohl waffenscheinpflichtig.

Wie gesagt, dem Denunziantentum gilt grundsätzlich nicht meine Sympathie. Aber solange sich ein Umweltfreund rechtstreu verhält und die Behörden unterstützen möchte, kann man dem Leinenmuffel durchaus zumuten, als Fotomotiv herzuhalten, wenn dies nur den dargestellten Zweck betrifft. Es wäre Sache des Gesetzgebers, hier Änderungen ausgestalten.

Jedenfalls der Hund hat ganz sicher keinen Anspruch auf Unterlassung, vgl. § 1 BGB.

18. August 2013

Mimimi mit dem Technoviking

Die Legal Tribune Online hat mich gebeten, rechtliche Risiken bei Internetmems zu skizzieren. Anlass war das Urteil des Landgerichts Berlin zum Technoviking. Für den Titel „Mimimi mit Mems“ beanspruche ich natürlich Titelschutz! ;)

 

1. Juni 2012

Paparazzi-Foto: BGH urteilt ausnahmsweise mal schärfer als die Hamburger Pressekammer

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Pressemitteilung über ein Urteil zugunsten des inzwischen verstorbenen Gunther Sachs gegen den Axel Springer-Verlag veröffentlicht. Sachs hatte gegen die Verwendung eines Paparazzi-Fotos geklagt, auf dem er „BILD am Sonntag“ lesend zu sehen war.

Sachs begehrte

  • Unterlassung bzgl. des Fotos,
  • Unterlassung des Begleittextes,
  • Zahlung einer fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 50.000,- €, weil das Foto zu Werbezwecken verwendet worden sei.

Die Hamburger Pressekammer verbot 2009 einzig den Begleittext. Der Unterlassungsantrag wegen des Fotos hatte an einer handwerklichen Schwäche gelitten, weil dieser wertende Elemente enthielt. Die begehrte Lizenzgebühr für das grundsätzlich rechtswidrige Paparazzi-Foto scheiterte an der Bewertung durch Kammer als redaktioneller Inhalt. Für publizistische Verwendung könne nach der Verkehrssitte grundsätzlich kein Entgelt beansprucht werden.

Die Berufung zum OLG Hamburg hatte 2010 mit nachgebessertem Unterlassungsantrag zum Foto den gewünschten Erfolg. Auch die Lizenzgebühr wurde zugesprochen:

(…) Bei redaktionellen Beiträgen kommt allerdings im Regelfall weder ein Bereicherungsanspruch noch ein Schadensersatzanspruch in Betracht, da nach der Verkehrssitte für derartige Berichterstattungen kein Honorar gezahlt wird. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, angesichts der weitreichenden Kommerzialisierung des Rechts auf Schutz der Privatsphäre, wie sie etwa in der Verbreitung von Homestories zum Ausdruck kommt, die von den Betroffenen gegen Entgelt ermöglicht werden, im Falle eines Eingriffs in die Privatsphäre zugleich einen Eingriff in vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrecht zu sehen, der zu einem Lizenzanspruch führt (Götting/Schertz/Götting, Handpunkt des Persönlichkeitsrechts, §45, Rn. 4.; HH-Ko/MedienR/Wanckel, 44,43). Ob eine derartige Ausweitung von Lizenzansprüchen mit dem Recht der Presse auf freie Berichterstattung in Einklang zu bringen ist, erscheint fraglich. Zweifel ergeben sich schon deshalb, weil oftmals die Grenzen des Privatsphärenschutzes unklar sind, so dass in Zweifelsfällen die Bedrohung mit einem Anspruch auf Lizenz zu einem Einschüchterungseffekt und damit einer unangemessenen Einschränkung der Pressefreiheit führen kann. Dies kann im vorliegenden Fall jedoch dahin stehen.

25

Dieser ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte mit dem offenkundig rechtswidrigen Beitrag unter Verwendung der Abbildung des Klägers in Verbindung mit dem Begleittext offen für ihr Produkt wirbt. Im Unterschied zu einer Maßnahme zur Förderung des Verkaufs einer konkreten Ausgabe eines Presseprodukts, die mit der Veröffentlichung eines unzulässigen Beitrags über das Privatleben Dritter oder mit dem unrechtmäßigen Abdruck eines Bildnisses auf der Titelseite geschieht, hat der hier in Frage stehende Artikel generell werbenden Charakter für das Produkt der Beklagten. Insofern ähnelt der in Frage stehende Beitrag inhaltlich weitgehend einer Werbeanzeige für BILD am SONNTAG.

26

Zwar ist für den Leser erkennbar, dass der Kläger nicht bewusst als Testimonial für die Zeitung wirbt, sondern dass es sich um ein ohne seine Einwilligung gefertigtes Paparazzi-Foto und um einen von der Redaktion gefertigten Text handelt. Ein Eingriff in die vermögensrechtlichen Aspekte des Persönlichkeitsrechts kann aber auch dann vorliegen, wenn der Abgebildete nicht als Testimonial fungiert, wenn aber durch das unmittelbare Nebeneinander der Ware und des Abgebildeten das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die Ware übertragen wird, weil der Betrachter eine gedankliche Verbindung zwischen dem Abgebildeten und dem beworbenen Produkt herstellt, der zu einem Imagetransfer führt (BGH AfP 2009, 485; BGH AfP 2010, 237ff). (…)

Der Beitrag hatte nach Auffassung des OLG inhaltlich ganz überwiegend den Charakter einer Werbeanzeige für das Produkt der Beklagten, obgleich dieser in redaktioneller Form erschienen.

Der BGH schloss sich dieser Auffassung offensichtlich nun an.

Landgericht Hamburg 324 O 338/09; OLG Hamburg 7 U 130/09; BGH I ZR 234/10

29. Mai 2012

Verpixelter Augenbalken

Wenn die Presse über Menschen in der Weise berichten will, dass diese identifiziert werden können, dann muss sie von gewissen Ausnahmen abgesehen diese Leute um ihr Einverständnis ersuchen. Insbesondere Namen und Gesichter von Verbrechensopfern haben ansonsten nichts in der Öffentlichkeit verloren. Die BILD-Zeitung war da allerdings immer schon anderer Ansicht.

Heute beweist die BILD-Zeitung mal einen besonderen Humor. Früher war es üblich, Bildnisse mit Augenbalken „unkenntlich“ zu machen. Dieses Feigenblatt jedoch erfüllt in den seltensten Fällen die Anforderung einer aus § 22 KunstUrhG gebotenen Anonymisierung. Daher ist es längst Standard, Gesichter zu verpixeln oder mit „Eierköpfen“ unkenntlich zu machen.

Die BILD-Zeitung kam natürlich an der jungen „deutschen Sklavin“, die auch missbraucht worden sein soll, nicht vorbei. Sie „darf“ heute für die Voyeure das Seite 1-Mädchen der BILD geben. Hierzu  wurde sie „unkenntlich“ gemacht, in dem man ihr einen „verpixelten Augenbalken“ aufsetzte. Verpixelter Augenbalken? Hallo?!?

Falls sich jemand beim Antreffen der Frau unsicher sein sollte, ob sie es auch wirklich ist, dem liefert BILD denn auch gleich ihren Vornamen. Wie praktisch!

Na ja, da wird Axel Springers Portokasse wieder einen Kollegen aus Berlin oder Hamburg reich machen.