Das Aktien-Blog hatte über ein für „Finanzexperten“ Markus Frick ungünstiges Urteil berichtet, jedoch nicht im Text darauf hingewiesen, dass dieses noch nicht rechtskräftig sei. Die Blogger meinen, dass insoweit ein Link zu einem weiterführenden Artikel, in dem sämtliche relevanten Details des Urteils dargelegt werden, ausreichend sei.
Ferner wurde über einen Sachverhalt berichtet, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels am 12. August zwar vorlag, der inzwischen überholt worden sei.
Fricks Anwalt tat das einzig Richtige in solchen Situationen: Er stiefelte nach Hamburg und bekam seine einstweiligen Verfügungen.
Die Hamburger Rechtsauffassung, dass man zwar für verlinkte Inhalte haften, umgekehrt diese aber nicht als erläuternder Kontext einer Äußerung bewertet werden, habe ich selbst vor Jahren bei Richter Buske erleben müssen.
Schlechte Erinnerung weckt auch die zweite Unterlassungsverfügung: Ich hatte einmal einen Fall vertreten, bei dem einem Blogger eine angebliche Verdächtigung (indirekte Strafanzeige) unterstellt wurde. Da die Strafanzeige jedoch nie als solche gestellt worden war, sei dies eine Falschbehauptung. Wir stellten nun die Anzeige tatsächlich und argumentierten, dass es nunmehr keine Wiederholungsgefahr geben könne, denn der Sachverhalt habe sich entsprechend geändert. Hat Buske aber nicht interessiert.
Einstweilige Verfügungen werden in Hamburg prinzipiell nicht gekippt – schon gar nicht aufgrund vernünftiger Argumente oder irgendwelcher Sachfragen. Das werden die Aktienblogger bald am eigenen Leib erfahren:
„Da wir die Vorwürfe von Markus Frick für nicht gerechtfertigt halten und in der gegen Aktien-Blog erwirkten einstweiligen Verfügung eine Gefahr für die grundrechtlich garantierte Presse- und Meinungsfreiheit sehen, haben wir uns zu Gegenmaßnahmen entschlossen: Aktien-Blog erhebt daher negative Feststellungsklage gegen beide in der Abmahnung formulierten Vorwürfe, sowie Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg.“
Auch Andreas Buske (52), der sich oft am U-Bahnhof Hoisbüttel aufhält, kennt das: „Sobald die Leute weg sind, werden die Räder demoliert.“
Darüber können wir hier in Münster nur staunen. Hier lieben die Leute ihre Fahrräder. Sie lieben sie sogar so sehr, dass sie beim Wunsch, kriminelle Energie auszuleben, die Räder nicht demolieren, sondern klauen. Ist mir gerade letzte Woche wieder passiert (also passiv, leider).
Wenn Buske das obige Video guckt, wird er allerdings in erster Linie darüber nachdenken, ob die beiden freundlichen Herren einen Unterlassungsanspruch gegen die Verbreitung wegen ihres Rechts am eigenen Bild haben …
Der richterliche Aberglaube an die Existenz eines „Unternehmenspersönlichkeitsrechts“ hält sich hartnäckig. Dieser vor allem in Hamburg grassierenden Irrlehre zufolge haben juristische Personen im Endeffekt ein universales Abwehrrecht gegen alle Informationen, die ihnen nicht passen.
Gegen den Betreiber eines Videoportals, in dem jedermann Videos uploaden kann oder woanders upgeloadete Videos eingebunden werden können, erließ die in Sachen Internet bereits unangenehm aufgefallene Pressekammer des Landgerichts Köln eine einstweilige Unterlassungsverfügung. Ein Benutzer hatte nämlich einen Mitschnitt eines TV-Beitrags, der sich kritisch mit der Antragstellerin befasst hatte, hochgeladen. Der fragliche Beitrag enthielt angeblich eine Falschbehauptung. Auf eine entsprechende Abmahnung reagierte das Videoportal nicht, da eine Falschbehauptung nicht nachgewiesen sei.
Normalerweise prüft das Videoportal von Nutzern eingestellte Inhalte nicht – und könnte derartiges ohne eine Rechtsabteilung in der Größenordnung von öffentlich-rechtlichen TV-Sendern auch gar nicht vorab leisten. In der Widerspruchsverhandlung verteidigte sich das Videoportal mit dem Argument, die Anspruchstellerin habe die Falschbehauptung nicht nachgewiesen und es liege auch sonst kein evidenter Fall einer Rechtsverletzung vor.
„Durch den Hinweis „hochgeladen by B“ sowie dem „B“ Logo sei für jedermann erkennbar, dass es sich um fremde Inhalte handele, welche sich die Verfügungsbeklagte nicht zu Eigen mache. Sie hafte auch nicht als Störerin. Allein aufgrund der unstreitig erfolgten Löschungsaufforderung liege keine Verletzung eigener Prüfungspflichten der Verfügungsbeklagten vor.“
Das Landgericht Köln bestätigte die einstweilige Verfügung.
Es bejaht das Vorliegen und Betroffensein eines Unternehmenspersönlichkeitsrechts:
„Denn bei den Fragen, wie die Verfügungsklägerin mit den persönlichen Daten und Angaben ihrer Kunden umgeht und ob eine Löschung ohne weiteren möglich ist, werden die unternehmensbezogenen Interessen der Verfügungsklägerin betroffen.“
Ausnahmsweise dürfte die Entscheidung der Kölschen Presserichter in der Sache selbst nicht ganz daneben liegen: Denn bei der Antragstellerin handelte es sich um ein Dating-Portal, in welchem sensible private Informationen preisgegeben werden und der Flirtsuchende jederzeit die Möglichkeit hat, die Information wieder zu löschen. Dann ist es nun mal ein bisschen unanständig, diese Info durch TV bzw. Upload des Mitschnitts zu konservieren, insofern treffen das Dating-Portal durchaus gewisse Sorgfaltspflichten ihren Kunden gegenüber. Es geht also faktisch um die Wahrung von Persönlichkeitsrechten Dritter, für deren Wahrnehmung man die Antragstellerin als aktivlegitimiert betrachtet.
Im Rahmen von einstweiligen Verfügungen geht es nicht um „Beweise“, ausreichend ist plausibles Vorbringen, weshalb Anwälte diese unfaire Verfahrensart so lieben. So weit, so schlecht. Daher trägt nun einmal der Äußernde die „Beweislast“. Und „Äußernder“ bzw. Haftender ist ein Hoster von User Generated Content jedenfalls dann, wenn er eine Beanstandung wie z.B. „Petz-Button“ oder Abmahnung ignoriert.
Das (einen Steinwurf von meiner Kanzlei beheimatete) Weblog telemedicus.org bewertet es als „heikel, dass der Betreiber des Flirt-Portals lediglich behauptet hatte, dass der Bericht des Sat.1-Magazins falsch sei.“
Hm. AUFWACHEN! Das ist genau das Problem des durch einstweilige Verfügungen dominierten Presserechts. Die Antragsteller dürfen Lügen wie die Kesselflicker, bekommen zur Belohnung ihre Verfügung und dürfen in der Widerspruchsverhandlung dem Gegner nochmals die Zunge rausstrecken – und ihn mit den Kosten belasten. Das ist die tägliche Realität in Deutschlands Pressekammern.
Telemedicus verweist auf ein neueres Urteil des Landgerichts Berlin vom 11.09.2008, das ein sogenanntes „Laienprivileg“ festgestellt hat, wenn ein Privatmann einen Zeitungsartikel auf seiner Website wiedergibt:
„Der Presse obliegt zwar nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte eine besondere Sorgfaltspflicht bei der Verbreitung nachteiliger Tatsachen. Vom Einzelnen darf eine vergleichbare Sorgfalt aber nur verlangt werden, soweit er Tatsachenbehauptungen aus seinem eigenen Erfahrungs- und Kontrollbereich aufstellt. Dagegen ist es ihm bei Vorgängen von öffentlichem Interesse, namentlich solchen aus nicht transparenten Politik- und Wirtschaftsbereichen, regelmäßig nicht möglich, Beweise oder auch nur Belegtatsachen aufgrund eigener Nachforschungen beizubringen. Er ist insoweit vielmehr auf die Berichterstattung durch die Medien angewiesen.“
Dieser vernünftige Ansatz war vom Kammergericht am 29.01.2009 bestätigt worden. Ob sich dieser Trend generell in der Rechtspraxis durchsetzen wird, insbesondere in Hamburg, wo man maßlos mit der Sense über alle Äußernden hinwegfährt und den kleinsten Blogger wie die BILD-Zeitung behandelt, darf man bezweifeln.
Vorliegend dürfte auch insoweit die Berliner Rechtsprechung nicht fruchtbar zu machen sein, denn hier waren die Parteien nicht privat, sondern stehen als gewerbliche Informationsanbieter in einem Wettbewerbsverhältnis (->UWG), und da weht der Wind ohnehin schärfer. Außerdem waren die Infos über Datingwünsche nun einmal privat, auch wenn sie durch die Hände des TV-Senders gegangen sind.
Niemand Geringeres als das Oberlandesgericht München folgt in einem Beschluss der Rechtsansicht des Landgerichts Krefeld, das häufig als abwegig diskreditiert wird:
„In der neueren Rechtsprechung ist ohnehin eine Tendenz zu beobachten, den „fliegenden Gerichtsstand der bestimmungsgemäßen Verbreitung“, der als zu ausufernd empfunden wird, einzuschränken und zusätzlich einen gewissen Ortsbezug bzw. die bestimmungsgemäße Auswirkung des Verstoßes im betreffenden Gerichtsbezirk zu fordern […]. Bei dieser Sachlage konnte das Amtsgerichts München seine Zuständigkeit durchaus verneinen.”
Heute Vormittag hatte ich mich angesichts der hier berichteten Urteile zur Forenhaftung der OLGe Hamburg und Zweibrücken entschieden, die Kommentarfunktion freizuschalten, da man nunmehr wohl nicht mehr für unbekannte Kommentare haftet.
Beide haben übrigens den gleichen Presseanwalt. Dass dessen unverhältnismäßige Attacke gegen die Medien mit dem Zweck der Geheimhaltung der Angelegenheit absolut kontraproduktiv gewesen ist, liegt auf der Hand. Nun verwertet man halt selbst die Story. Da stören dann weder Persönlichkeitsrechte, noch schämt sich ein Günther Jauch, eine junge Frau vor laufender Kamera nach ihren intimen Praktiken zu fragen.
Dem Kommentar der Süddeutschen ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
„Mann“ hat es halt nicht leicht als geschiedener Vater. Seine Lebensgeschichte und die von weiteren Leidensgenossen hat ein Filmemacher thematisiert und dabei auch ein acht Jahre altes Foto von sich und seiner heute elfjährigen Tochter verwendet – was ihm nun das Landgericht Düsseldorf per einstweiliger Verfügung untersagte.
Die zugrundeliegende Rechtsfragen gehören zu den noch immer ungelösten Problemen im „Recht am eigenen Bild“. So ist völlig ungeklärt, wer bei der Abbildung von Minderjährigen die Einwilligung nach § 22 KunstUrhG erteilen darf. Haben etwa Erziehungsberechtigte, die das Kind laut § 107 BGB vertreten, auch eine Einwilligungsbefugnis, die sie gegen den Willen des Kindes ausüben dürften? Eher nicht.
Hier wird sich die Sache aber um eine andere Rechtsfrage drehen: Eine Einwilligungserklärung ist nämlich gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 4 KunstUrhG dann entbehrlich, „wenn die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.“ Dieses künstlerische Interesse muss allerdings gemäß § 23 Abs. 2 KunstUrhG mit den berechtigten Interessen des Kindes abgewogen werden, ist also kein pauschaler Freibrief. Und wie das nun mal mit dem Persönlichkeitsrecht so ist (nichts anderes ist § 22ff KunstUrhG), wird dieses im Zweifel überwiegen. Der Regisseur und Vater wird sich fragen lassen müssen, ob die Bloßstellung seiner Tochter vor der Öffentlichkeit bzgl. eines privaten Themas wirklich eine so gute Idee ist.
Albern ist vorliegend allerdings, dass es sich hier um ein Foto einer damals wohl Dreijährigen handelt, die heute 11 Jahre als ist. Ein wesentliches Kriterium für die Annahme eines Anspruchs aus § 22 KunstUrhG ist nämlich die Erkennbarkeit, die rein optisch wohl ausscheiden dürfte. Doch andererseits kann auch eine Erkennbarkeit durch Kontext ausreichen – und der ist nun mal wohl gegeben.
Alles in allem dürfte die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf im Einklang mit der Rechtsprechung stehen. Die Verhandlung am 07. Juli wird daher mit einem Vergleich enden oder ein reiner PR-Termin für den Filmemacher werden.
Wer den Gag an der obigen Überschrift nicht versteht, ist definitiv im falschen Blog.
Mal wieder hat sich gezeigt, wie schnell die Internet-Community reagieren kann – und da sind die Politiker jener Partei, die Zensursulas Unfug mitgetragen hat, eine willkommene Zielscheibe.
Was die armen Ruhrbarone nicht wissen: Sie müssen gar nicht „gesagt“ haben, was man ihnen verbieten will. Ausreichend ist nämlich seit der Stolpe-Rechtsprechung der bloße Eindruck, etwas angedeutet zu haben. Verdachtsberichterstattung ist hierzulande nämlich praktisch nahezu unzulässig geworden. Und deshalb hat der Anwalt der SPD-Frau bei gewisser Chuzpe gute Chancen, in Berlin oder Hamburg eine einstweilige Verfügung zu erwirken.
Doch den Ruhrbaronen sprang als Engel in der Not SPIEGEL-Online bei, das als Leitmedium gesehen wird. Und viel schöner kann man sich in der Online-Gemeinde (und um die ging es ja) anscheinend gar nicht blamieren. Die SPD-Frau hat also an der PR-Front ein gewaltiges Eigentor geschossen und sollte sich ganz schnell Gedanken um Schadensbegrenzung machen. Sollte sie die Sache tatsächlich vor den Kadi bringen, wird man ihr politischen Sachverstand absprechen dürfen. Um sich vom Verdacht des Zensierens reinzuwaschen sind die Ankündigung von privatrechtlicher Zensur und die hiermit verbundene Einschüchterung das denkbar ungeschickteste Mittel.
Nachdem die Bundesregierung den FDP-Vorschlag zur Regulierung der Forenhaftung und weiterer Missstände nicht folgen wollte (oder konnte, weil unsere Politiker nun einmal Internet nur durch ausgedruckte Seiten kennen), bleiben die Probleme der weiterhin der Rechtsprechung überlassen.
Erfreulicherweise folgte in Sachen Forenhaftung das pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken den Richtern des hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, welche in dieser Frage eine vernünftigere Einstellung haben als das berüchtigte Landgericht Hamburg:
„Die Pflicht des Betreibers zur Überprüfung der eigenen Internetplattform darf nicht so weit gehen, dass der Diensteanbieter „pro-aktiv“, d.h. anlassunabhängig, nach Rechtsverletzungen jedweder Art zu suchen hat. (…) Dies folgt auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der den Plattformbetreiber (…) nicht zu einer vorsorglichen Überprüfung sämtlicher Inhalte auf etwaige Rechtsverletzungen verpflichten will (…) Die Pflicht allgemein, auch bereits vor Eintritt einer Rechtsverletzung bzw. der konkreten Gefahr einer Rechtsverletzung nach Schutzrechtsverletzungen zu suchen, gefährdet rechtlich zulässige Geschäftsmodelle, bei denen die Tätigkeit des Betreibers nur auf den technischen Vorgang des Speicherns und der Zugänglichmachung von Inhalten, die Dritten zur Verfügung gestellt werden, bezogen ist.
Eine einschränkungslose Prüfpflicht kommt lediglich in solchen Fällen in Betracht, in denen das konkrete Geschäftsmodell des Plattformbetreibers von der Rechtsordnung nicht mehr zu billigen ist ( BGHZ 173, 188 – jugendgefährdende Medien bei ebay). Dies kann z.B. der Fall sein, wenn massenhaft eine völlig anonyme Nutzung der jeweiligen Internet-Plattform zu rechtswidrigen Zwecken vom Betreiber ermöglicht wird (…).“
Weitere Details und Kommentare bei der Kollegin Denise Himburg.
Vor knapp zwei Jahren veröffentlichte ich bei Telepolis den Artikel „Der Gerichtsreporter und die Kammer des Schreckens“ ein Beitrag über Rolf Schälike, der die Ereignisse in der Hamburger Pressekammer in seinem Blog kundtut. In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung widmet sich fast eine ganze Seite dem Richter- und Anwaltsschreck, den sie als „Der einzige Zeuge“ betitelt.
Ich selbst kann über Schälike mangels gebotener journalistischer Distanz nicht mehr schreiben, denn ich hatte ihn letztes Jahr in einigen Medien-Angelegenheiten anwaltlich vertreten. Derlei Probleme hat Autor Birger Menke nicht:
„Schälikes Einsatz ist so bewundernswert wie sein aufklärerisches Motiv, sein Sachverstand dagegen eher zweifelhaft. Selbst unterlegene Anwälte erkennen in den Berichten gelegentlich den Fall nicht wieder, was oft ganz einfach daran liegt, dass Schälike in der Regel nur mitbekommt, was vor Gericht verhandelt wird – ohne Akteneinsicht.“
Lassen wir das mal so stehen.
Der Artikel bringt wenig Neues, läßt aber vieles wie die „Stolpe-Entscheidung“ aus.
Auch schreibt die Sonntags-FAZ die Spottbezeichnung „Kammer des Schreckens“ dem FOCUS zu – der sie sich bei mir entliehen hatte. Hm. Sollte ich vielleicht die FAZ verklagen …? ;-)