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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Anmerkungen zur Wahlarena-Entscheidung

Der WDR in Vertretung der ARD hatte sich geweigert, die neue Partei BSW in die ARD Wahlarena einzuladen. Dort wolle man nur Parteien sehen, die 2019 den Sprung ins Europaparlament geschafft und eine gewisse aktuelle Bedeutung hätten – darunter die nur in Bayern wählbare CSU sowie FDP und Linkspartei.

Die Freiheit des Rundfunks hat Verfassungsrang – Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Ebenso jedoch der Anspruch auf Chancengleicheit politischer Parteien aus Art. 3 , 21 Abs. 1 GG. Hieraus folgt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Pflicht zur Berücksichtigung in der Wahlberichterstattung nach dem Prinzip der abgestuften Chancengleichheit. Den „Yogischen Fliegern“ muss nicht in gleichem Maße Sendezeit eingeräumt werden wie etwa traditionell erfolgreichen Volksparteien.

Der WDR hatte für die Wahlarena ein Sendekonzept behauptet, das Fragen zur parlamentarischen Arbeit in der abgelaufenen Legislaturperiode vorsah, denen BSW naturgemäß nicht hätte antworten können. Tatsächlich aber wurde keine einzige Frage zur Vergangenheit gestellt. Die Fragen kamen außerdem nicht von der Redaktion, sondern von Zuschauern, und die konnten sich die jeweiligen Politiker frei aussuchen.

Der WDR hatte behauptet, eine weitere Partei würde die Sendung zerfasern. Warum das bei acht statt sieben Gästen der Fall sein sollte, blieb unklar, vielmehr hätte man bei asymmetrischer Anzahl von Gästen sogar ein Problem beim Separieren der beiden Gruppen gehabt. Die Befragungen wurden auch nicht paritätisch durchgeführt, sondern willkürlich.

Der WDR zog für die Beurteilung der aktuellen Bedeutung von BSW die Belastbarkeit von Demoskopie in Zweifel. Tatsächlich aber war das höhere Rangverhältnis von BSW im Bezug auf FDP und Linkspartei seit März 2024 in allen Meinungsumfragen stabil.

Das Verwaltungsgericht Köln maß Faktoren wie Resonanz in Social Media wenig Aussagekraft bei. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht aber ließ sich nicht einreden, der hohe Zulauf von BSW bei Kundgebungen sei mit dem Wetter zu erklären, in Köln kamen die Leute sogar bei Regen. Die Kundgebungen der politischen Mitbewerber waren durchweg gefloppt.

Wie erwartet, wurde BSW auf Anbieb bundesweit fünftstärkste Kraft. Im Osten schnitt BSW sogar an dritter Stelle ab, auch im Westen nähert man sich immerhin der 5 %-Marke. Bei den Landtagswahlen im Herbst wird BSW wegen Koalitionsausschlüssen bereits in drei Landesregierungen gesehen.

Es wäre für den WDR peinlich gewesen, wenn er dieser Partei weniger Aufmerksamkeit als CSU, FDP und Linkspartei zugebilligt hätte.

Der WDR ist nach §§ 4 und 5 WDR-Gesetz wie folgt verpflichtet:

Der WDR hat in seinen Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. (…) Für die Angebote des WDR gilt die verfassungsmäßige Ordnung. (…) Der WDR trägt darüber hinaus in besonderem Maße der Einhaltung journalistischer Standards Rechnung. (…) Der WDR soll die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit achten und in seinen Angeboten eine möglichst breite Themen- und Meinungsvielfalt ausgewogen darstellen. Der WDR stellt sicher, daß 1. die Vielfalt der bestehenden Meinungen und der religiösen, weltanschaulichen, politischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Richtungen im Gesamtprogramm der Anstalt in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet, 2. die bedeutsamen gesellschaftlichen Kräfte im Sendegebiet im Gesamtprogramm der Anstalt zu Wort kommen, 3. das Gesamtprogramm nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dient. (…) Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairness zu entsprechen. Ziel der Berichterstattung ist es, umfassend zu informieren.

Wie das gehen soll, wenn man eine deratige politische Kraft ausspart, bleibt rätselhaft.

Gleich zu Beginn ihrer Abschlusskundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz feierte die Parteichefin die einzig richtige Entscheidung.

OVG NRW, 13 B 494/24 (I. Instanz VG Köln 6 L 928/24)

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