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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Ketzer-Containment

Vorab, um Missverständnisse auszuschließen: Ich rate zu Vorsicht und Beachtung der Gesetze. Social Distancing erschien mir bereits zu Beginn der Sars-Cov-2-Krise als ein Gebot der Vernunft, und ich habe mir und meinem Umfeld Schutzmasken zu einem Zeitpunkt besorgt, als man dafür vermutlich noch als Spinner angesehen wurde.

Was mich allerdings fasziniert, ist die Meinungsbildung durch Medienvertreter. Über Viren und Epidemien sowie staatliche Strategien und deren politischen Effekte wussten Journalisten anfangs gar nichts. Das Dilemma bestand für die Informationsvermittler darin, dass auch die konsultierten Experten nur über sehr begrenztes Wissen zur Black Box Sars-Cov-2 verfügen, das Virus ist schlichtweg noch weitgehend unerforscht und wir haben in der globalisierten Welt keine Erfahrungswerte mit einer solchen Pandemie. Selbst Prof. Dr. Drosten beansprucht Kompetenz nur für seinen ganz speziellen Fachbereich innerhalb der Mikrobiologie.

Ganz am Anfang ließen sich Medienvertreter in ihrem Herdentrieb vorschnell dazu hinreißen, die Befürchtung vor dem Virus als Hysterie abzutun. Wer vor dem Virus warnte, wurde vom Bayrischen Rundfunk (im Einklang mit der damaligen Politik) als Panikmacher etikettiert, das Tragen von Mundschutz wurde als „lächerlich“ dargestellt. Wer Grenzschließungen forderte, wurde reflexartige als „rechts“ eingeordnet.

Diese Perspektive drehte sich in Rekordzeit um 180 Grad. Nunmehr wurde umgekehrt zum „Aluhutträger“ ausgerufen, wer sich Schutzmassnahmen verweigerte. Kurios hieran ist, dass ein Aluhut ja eigentlich ausgrechnet eine Schutzmaßnahme ist, wenn auch eine, an deren Wirkungsgrad man zweifeln darf – ebenso wie an dem von Schutzmasken.

Schnell wurden die Experten zu Medienstars hochgejazzt. Der Boulevard versuchte, Rivalitäten etwa zwischen Drosten und Streeck herbeizuschreiben, wohl um den Ausfall der Dramen in Sport und Entertainment zu kompensieren. Damit definierten sie zugleich das Spektrum der zitierfähigen Meinungsführer.

Spannend war allerdings von Anfang an der Umgang mit Ketzern, die nicht dem (aktuell gültigen) Narrativ beipflichteten. So wurde der weltweit renommierte Virologe und Epidemiole Prof. Dr. Bhakdi, der drei Jahrzente ein universitäres Institut für Mikrobiologie geleitet und 12.000 Ärzte ausgebildet hatte, von konventionellen erst ignoriert und dann verteufelt. Ob Bhakdis Ansichten falscher sind als die anderer Virologen (die ihre Meinung im Verlauf der Krise mehrfach änderten), und welchen Todesfallzahlen welche Ursachen tatsächlich zuzuordnen sind, werden Medizinhistoriker zu beurteilen haben (ganz sicher nicht ich, aktuell sieht es eher nach falsch aus.)

Heute nun analysiert SPIEGEL ONLINE die Medienpräsenz von Virologen. Zwei Aspekte fallen darin auf:

So bietet das Magazin auch ein Ranking von 12 der 100 angeblich meistgesehenen Virologen auf YouTube. Nur die ersten sechs haben Zugriffszahlen im Millionenbereich, danach geht es mit 293,9 Tausend abwärts. Warum unterschlägt der SPIEGEL Prof. Bhakdi, der mit einzelnen Videos mehrere Millionen erreicht? Schafft selektive Berichterstattung Glaubwürdigkeit und Vertrauen?

Beim Abarbeiten von Narrativen thematisierte der SPIEGEL dann auch das (biologische) Geschlecht der medienpräsenten Experten (m/w/d). Gut möglich, dass man sich einem Aufruf von pro Quote verpflichtet sah. Deren Empfehlung zu ideologischem Journalismus provozierte natürlich den hartnäckigen Genderforscherinnen-Forscher Hadmut Danisch zu Spott.

Auch sonst verrät viel von dem, was über Sars-Cov-2 geschrieben wird, derzeit mehr über die Perspektive des jeweiligen Autors (m/w/d) als über das Virus und dessen politische Folgen. Dazu passt das hier eingebundene Video von Zapp. Denn wenn Journalisten die Themen ausgehen, befragen und thematisieren sie sich gegenseitig.

Was für das Virus gilt, das gilt auch für Weltanschauungen, tagespolitische Bewertungen und unklare Ereignisse, die vielleicht ein Skandal, vielleicht aber auch nur ein Hirngespinst sind. Halten wir es mit Sokrates, von dem man ein Zitat wissen will, er wisse, dass er nichts weiss. ;)

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Autor:
admin
Datum:
20. Mai 2020 um 10:55
Category:
Allgemein
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