31. Dezember 2014
Foto: Feuerwerk Maximilianpark 2010, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0
Foto-Freund Dirk Vorderstraße kassiert seit Jahren seine Mitmenschen mit unverschämten Lizenzforderungen für die Nutzung von Lichtbildern ab, die er unter eigentlich kostenlose Creative Commons-Lizenzen stellt. Wer jedoch den Urheber und die Lizenzbedingungen nicht nennt, kriegt ungebetene Post von Herrn Vorderstraße. So will er bisweilen vierstellig honoriert werden und droht mit Kosten für eine „Abmahnung durch einen Fachanwalt“.
Mit diesem Abzockmodell ist jedenfalls in Berlin Schluss.
Das Berliner Kammergericht hat mir zum Jahresausklang nun einen Beschluss geschickt, nach dem Fotofreund Dirk Vorderstraße auch künftig die Kritik meines Mandanten in voller Breitseite hinnehmen muss. Auch eine „Zuordnungsverwirrung“ durch die Domain mit Namensbestandteil ist durch die ersichtlich kritische Domain nicht gegeben. In dem Verfahren selbst ging es nicht direkt um Urheberrecht, sondern um Meinungsäußerungen über Herrn Vorderstraßes Abzocke sowie die instruktive Domain Foto-Abzocker-Dirk-Vorderstrasse.
Der eigentliche Silvesterknaller aber ist die Beurteilung des Landgerichts Berlin über Herrn Vorderstraßes Geschäftsmodell. Dessen Verhalten lasse durchaus darauf schließen, er wolle „insbesondere sorglosen Internetnutzern eine Kostenfalle stellen“. Wenn ein Fotograf bei einem unter CC-Lizenz stehenden Foto bereits in der Wikipedia ohne (hinreichend erkennbare) Benennung veröffentlicht, wertet das Berliner Kammergericht ein entsprechendes Säumnis eines Nutzers als „bloße Bagatelle“. Soweit Herr Vorderstraße frech auch die unterbliebene Lizenznennung versilbern will, bewertet dies das Kammergericht als widersprüchliches Verhalten, denn Herr Vorderstraße selbst veröffentlicht seine Werke in der Wikipedia, wo die Benennung regelmäßig nicht sichtbar ist.
Jedenfalls Rechtslaien dürfen solche Abzock-Schreiben wie die von Herrn Vorderstraße „Abmahnung“ nennen (andere wohl auch, denn eine Abmahnung erfordert nicht notwendig die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung). Soweit Herr Vorderstraße in seinen Lizenz-Eintreibeschreiben mit Kosten einer Abmahnung durch einen Fachanwalt droht, folgt das Kammergericht ausdrücklich meiner Rechtsauffassung zur Nichterstattungsfähigkeit von Kosten einer Zweitabmahnung (vgl. BGH – Kräutertee).
UPDATE: Nach seinem Scheitern im einstweiligen Rechtsschutz hat Herr Vorderstraße nun die Möglichkeit, eine Hauptsacheklage zu erheben, wenn er sich davon etwas verspricht.
Im kommenden Jahr werden wir miteinander noch einigen Spaß haben. Unter anderem will mir Herr Vorderstraße die Formulierung verbieten:
Die Berliner Gerichte haben allerdings eine gesunde Auffassung zu Fotografen, welche die Nutzung ihrer Bilder kostenlos und ohne Namensnennung dulden, dann aber eines Tages ange******en kommen und von Gott und der Welt Geld sehen wollen.
Dank der Prozessfreudigkeit von Herrn Dirk Vorderstraße und seinem umtriebigen Rechtsanwalt Herrn Arno Lampmann von der Kanzlei Lampmann Haberkamm Rosenbaum, die wegen des nicht mehr ganz so fliegenden Gerichts (more…)
admin •
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29. Dezember 2014
Am Amtsgericht Köln unterlag eine eBay-Foto-Abmahnerin gegen einen sogar kommerziellen Nutzer. Der Beklagte hatte sich nicht einmal gewehrt und sogar den Gerichtstermin geschwänzt. Die Kölner Amtsrichter jedoch befanden die Klage als überwiegend unschlüssig.
Zwar war der Unterlassungsanspruch offensichtlich gegeben – den insoweit für das Anwaltshonorar wichtigen Streitwert dampfte das Gericht auf läppische 2.000,- € ein. Die für den Fotograf interessante Lizenzkostenforderung wies es als überwiegend unbegründet ab. Zutreffend stellte das Amtsgericht Köln fest, dass die Honorarempfehlungen der MFM „Fantasie“ seien. Eine Verdoppelung von Lizenzkosten wegen unterlassener Urheberbenennung gibt es auch in Köln nicht. Außerdem vermutete das Amtsgericht eine (rechtswidrige) Beteiligung des Anwalts am Abmahngeschäft.
Die sehr deutlichen Worte, die das Amtsgericht fand, ähneln frappierend dem, was in meinen Schriftsätzen zu solchen Fällen zu finden ist. ;)
Das Interesse der Klägerin an der exklusiven Nutzung ihres Fotos erscheint als überschaubar. Es übersteigt das Interesse an der Unterbindung einer privaten Urheberechtsverletzung – das nach § 97 Abs. 3 UrhG regelmäßig auf 1.000,00 EUR zu veranschlagen ist – kaum. Es ist nicht erkennbar, dass die illegale Nutzung ihres Fotos durch den Beklagten die Klägerin ernsthaft tangiert; daher erscheint ein höherer Streitwertansatz als nicht gerechtfertigt. Das Zuerkennen von Fantasiestreitwerten durch manche Gerichte ist auch deswegen abzulehnen, weil nach aller Lebenserfahrung der Urheberrechtsinhaber und Anwalt die “erbeuteten” Beträge nach vereinbarten Quoten unter sich aufteilen, so dass eine Praxis gefördert wird, die mit Schadensersatzrecht sehr wenig zu tun hat. Nicht von ungefähr hat der Gesetzgeber bei der neuerlichen Deckelung der Abmahngebühren durch § 97 a Abs. 3 UrhG n. F. von unseriösen Geschäftspraktiken gesprochen und es spricht rein gar nichts dafür, dass sich diese Wertung einzig und allein auf die privaten Urheberrechtsverletzungen beziehen sollte.
Via Dr. Damm & Partner
26. Dezember 2014
Zu Weihnachten mal ausnahmsweise mal nichts Kontroverses:
Morgen beginnt die dritte Tournee der Ehrlich Brothers. Die beiden haben dieses Jahr endgültig zu ihrem Stil gefunden, ihre Show ist mit nichts vergleichbar. Werbung machen muss man eigentlich nicht mehr, denn die regulären Tourneetermine sind fast alle ausverkauft, allerdings wurden etliche Zusatzshows eingeschoben.
Ich berate die beiden nicht nur rechtlich, sondern auch künstlerisch, wobei mein Anteil allerdings gering ist. Dieses Jahr hatte ich denen auch eher kein Glück gebracht. So war ich zufällig bei der inzwischen legendären Vorstellung in Osnabrück anwesend, als Chris Ehrlich mit einem Feuereffekt versehentlich Feueralarm und Sprinkleranlage auslöste. Während es in einem Teil der Halle „regnete“ und Alarmsignal und Durchsage zum Verlassen des Gebäudes aufforderten, dachte das Publikum nicht daran, sondern zollte den beiden eine Standing Ovation.
Beim Tourfinale in der TUI Arena in Hannover, dem 10.000 Zuschauer beiwohnten, blieben überraschend vier Plätze neben mir leer. Der Abend wurde mit TV-Kameras aufgezeichnet wurde, so dass leere Plätze auf den Bildern doof ausgesehen hätten. Also bat ich Sitznachbarn, Jacken über die Plätze zu legen, damit die Stuhllehnen in der Totale nicht optisch herausstachen. Die Kameras waren ja weit weg – dachte ich. Wie es der Zufall wollte, wurden genau meine Sitznachbarn für eine Mitmachnummer ausgewählt. Zuerst flitzte eine Spidercam heran, dann schwenke ein Kamerkran rüber und schließlich zwängte sich ein mobiles Kamerateam in die Reihe. Näher hätten sie wirklich nicht kommen können … ;)
Obwohl die Ehrlich Brüder gelegentlich sogar schweben, sind sie alles andere als abgehoben, sondern im Gegenteil sehr bodenständig. Direkt neben ihrer Zauberwerkstatt auf dem Land bei Bünde betreiben sie sogar Viehzucht. Das im Sommer eingeweihte vergrößerte Atelier bietet professionelle Arbeits- und Probemöglichkeiten. Ein erstes Ergebnis präsentierten die beiden neulich in der ARD. Experten sind sich einig: 2nd to nobody.
24. Dezember 2014
Wer GEMA-frei Weihnachtslieder singen will, bitte einmal hier entlang!
Allen Lesern meines Blogs sowie ganz besonders dem Leser Dirk Vorderstraße wünsche ich friedliche Feiertage.
23. Dezember 2014
BOGIDioten hatten für die Demonstration ihrer Doofheit ausgerechnet mit dem Slogan „Arsch huh Zäng Ussenander“ geworben. Das aber war genau das Motto, mit dem prominente Kölner Musiker seit 1992 gegen Ausländerfeindlichkeit Position beziehen. Wie der WDR meldet, ließen sich die Kölner das nicht bieten und erwirkten heute vor dem Landgericht Bonn eine einstweilige Unterlassungsverfügung.
Vermutlich wurde das Titelschutzrecht (§ 5 MarkenG) an der Konzertbezeichnung geltend gemacht, das ähnlich wie eine Marke wirkt. Nach § 15 Abs. 2 MarkenG ist es Dritten verboten, den Titel im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit dem geschützten Titel hervorzurufen. Das setzt die Einordnung einer Demonstration als geschäftlichen Verkehr voraus.
Wie auch immer, die Kölner Musiker haben Arsch in der Hose und kriegen ihn hoch.
22. Dezember 2014
Ein Paparazzo lichtete den Barden Herbert Grönemeyer am Flughafen Köln/Bonn ab. Das passte dem Superstar nicht, und es kam aus irgendwelchen Gründen zum Vollkontakt der Beteiligten. Grönemeyers Anwalt lässt laut T-Online mitteilen:
Keinesfalls habe Grönemeyer den Fotografen mit seinen Händen geschlagen. Er habe vielmehr lediglich versucht, „die Fotografen körperlich wegzudrängen, um sie vom weiteren Fotografieren abzuhalten“.
Paparazzi halten für gewöhnlich Abstand zu ihren Objekten, schon um der Schärfe der Aufnahmen wegen. Nicht selten nutzen sie sogar Teleobjektiven. Und Herr Grönemeyer will uns erzählen, er habe Fotografen „wegdrängen“ wollen? Mysteriös …
Außerdem bemerkt der Anwalt:
„Nach geltendem Recht in Deutschland müssen es auch Prominente nicht dulden, dass Fotos aus ihrem Privatleben oder im privaten Alltag veröffentlicht und verbreitet werden.“
Soweit der Kollege darauf hinweist, dass auch Promis die Veröffentlichung von Fotos aus dem Privatleben nicht dulden müssen, trifft dies zu. Vorliegend allerdings hat sich Grönemyer nicht gegen die Veröffentlichung, sondern gegen das Fotografieren gewehrt. Das Anfertigen von Aufnahmen allerdings ist im öffentlichen Raum grundsätzlich zulässig.
Eine andere Frage ist, ob gegen einen zudringlichen Fotografen ein Notwehrrecht besteht, was vorliegend eher zweifelhaft sein dürfte. Auch ein Promi hat grundsätzlich kein Recht zur Selbstjustiz. Einer der Beteiligten hat eine Strafanzeige angekündigt.
Dr. Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, hat 9 Thesen zum rechtspolitischen Handlungsbedarf angesichts des NSA-Skandals aufgestellt:
These 1: Ohne Whistleblower sind wir den Datenangriffen der NSA und anderer Dienste weithin schutzlos ausgeliefert, weil wir nicht einmal davon erfahren.
These 2: Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts, also von tatsächlichen Anhaltspunkten für die Möglichkeit eines Verstoßes von Nachrichtendiensten gegen Strafrechtsnormen zum Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses und persönlicher Daten muss entsprechend dem Legalitätsprinzip unverzüglich von den Strafverfolgungsbehörden ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wirksam betrieben werden. Dies gilt nicht nur dann, wenn es um das Abhören des Mobiltelefons der Bundeskanzlerin geht.
Gegen jeden Amtswalter, der sich weigert, wirksame Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten und durchzusetzen, muss ein Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt durch die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft eingeleitet werden.
These 3: Art. 10 Grundgesetz (GG) und das G-10-Gesetz müssen reformiert werden.
These 4: Die parlamentarischen Kontrollrechte gegenüber den deutschen Nachrichtendiensten sind unzureichend und müssen gestärkt werden. Dabei geht es auch um deren Zusammenwirken mit ausländischen Diensten.
These 5: Angesichts der globalen Betätigungsfelder der Nachrichtendienste reicht einzelstaatlicher Grundrechtsschutz nicht aus. Wir benötigen zusätzlich baldmöglichst eine EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), die die Grundrechte im EU-Raum wirksam schützt.
These 6: Die EU sollte mit den USA ein Abkommen über den Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts sowie der Integrität der IT-Systeme aushandeln und völkerrechtlich wirksam abschließen („EU-US-Datenschutzabkommen“).
These 7: Das NATO-Truppenstatut (NTS) und das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS), in dem eine Vielzahl früherer besatzungsrechtlicher Regelungen Niederschlag gefunden hat, bedürfen einer grundlegenden Revision; die 1993 erreichten Änderungen reichen nicht aus.
These 8: Der mit den USA (sowie dem U.K. und Frankreich) abgeschlossene Aufenthaltsvertrag muss neu verhandelt werden.
These 9: Die Altlasten des sog. General- oder Deutschland-Vertrages vom 24.10.1954 (DV) müssen beseitigt werden. Alle während seiner Geltung von Deutschland abgeschlossenen geheimen Verträge, Abkommen pp. müssen ausnahmslos gegenüber dem Parlament offengelegt und publiziert werden.
Eine ausführliche Begründung gibt er auf TELEPOLIS.
21. Dezember 2014
Udo Jürgens — Der gläserne Mensch – MyVideo
In seinem letzten Album „Mitten im Leben“ textete Udo Jürgens bemerkenswert politisch. Insbesondere griff er den NSA-Überwachungsskandal auf. Den Wert der Privatsphäre besang er u.a. 1977 („Ein ehrenwertes Haus“), als sich impertinente Nachbarn an einer „wilden Ehe“ störten (wie sie heute unser moralinsaurer konservativer Bundespräsident vorlebt). Auch mit der BILD-Zeitung sammelte Jürgens seit den 1960er Jahren seine Erfahrungen:
„Ja. Ich bin kraft meines Berufes sehr bekannt, weit über 90 Prozent, und ständiger Gast in wahren und unwahren Geschichten des Springer Verlags. Das Verhältnis ist aber ausgezeichnet.“
2002 war Udo Jürgens Gast in Richter Buskes Hamburger Pressekammer, wo er persönlich als Zeuge über ein angebliches Techtelmechtel mit Dauerklägerin Caroline von Monaco aussagen und sehr private Fragen beantworten musste. Jürgens selbst war alles andere als ein Prozesshansel:
„Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“
20. Dezember 2014
Nachdem die Hacktivisten von Anonymous in den letzten Jahren mehrfach(!) bei Sony hackten und damit Anlass zu Verbesserung der IT-Sicherheit lieferten, gab es nun also angeblich einen Cyber-Angriff staatlicher Hacker aus Nordkorea auf Sony. Die Drohung gegen den zum 25.12. geplanten Filmstart der Politsatire „The Interview“ zeigte Wirkung. Im Gegensatz zu Batman, bei dem es tatsächlich zu einem Anschlag gekommen war, soll der Film nun erst einmal nicht in den Verleih gehen.
Wie inzwischen aus geleakten E-Mails bekannt wurde, hatte man wegen Bedenken die schwarze Komödie vorab dem US-Außenministerium gezeigt, die den Film gebilligt habe – inklusive einer Szene, in der Kim Jong Un getötet wird. Damit erscheint die Sache aus nordkoreanischer Sicht als Propaganda. Bereits Vater Kim Jon Il war von Hollywood getötet worden.
Diese Woche wurde vorgeschlagen, den Film sofort außerhalb von Kinos zu veröffentlichen, damit dort niemand gefährdet wird, aber die Politsatire nicht unterdrückt werden kann.
19. Dezember 2014
In der Bevölkerung wurde vor allem im Bezug auf die Berichterstattung zur Ukraine-Krise ein breites Unbehagen gegenüber den konventionellen Medien immer stärker spürbar. Gerade hat die Legal Tribune Online gemeldet, dass mein Beitrag zum unsäglichen Propaganda-Cover des SPIEGEL („Stoppt Putin jetzt!“) der am meisten geklickte dieses Jahres war.
Bei TELEPOLIS, einem vergleichsweise unabhängigen Medium, haben verschiedene Autoren unabhängig voneinander die berechtigte Skepsis gegenüber den Schreibtisch-Kriegsberichterstattern thematisiert. Nunmehr ist eine Sammlung Medien im Krieg – Zwischen Leitmedien und ihren Rezipienten erschienen. Meine Polemik Deutsche Elite-Journalisten setzen den Stahlhelm auf hat es leider nicht hineingeschafft, wurde dafür aber mehr oder weniger ja sogar verfilmt.
ZAPP hat nun eine Studie zur Glaubwürdigkeitskrise veröffentlicht. Die Medien sind sich kaum einer Schuld bewusst, und selbst Stefan Niggemeier, der zwischenzeitlich zu Hochform auflief, irritiert durch eine bestenfalls naive Einschätzung zum Interessenkonflikt atlantischer Klüngelei bei Alpha-Journalisten.
Mit dem NSA-Skandal und dem CIA-Folter-Skandal wurden etliche zuvor als „antiamerikanistische Verschwörungstheoretiker“ gebrandmarkte Mahner bestätigt. Doch ein Obama kann es sich leisten, seine Freunde abzuhören, mit fliegenden Killerrobotern Tausende Menschen (darunter Hunderte Kinder) auf Verdacht abzuknallen und Europa von seinem riesigen Nachbarn zu isolieren. Wegen Menschenrechtsverletzung tritt doch niemand aus der Atlantik-Brücke aus! Auch auf die erste Doku zur Atlantik-Brücke oder dem German Marshall Fund wird man wohl noch etwas warten müssen. Eine solche würde eher von RT Deutsch als vom NDR zu erwarten sein, der bei weitem nicht so unabhängig ist, wie er von Verfassungs wegen sein sollte.
2003 jubelte DER SPIEGEL über das „Geständnis“ zu 9/11. Bereits damals wiesen etliche Mahner darauf hin, dass ein durch Folter erpresstes Geständnis nichts wert ist. Dies unterstrich kürzlich der vormalige CIA-Chef-Ermittler im Nahen Osten Robert Baer, der in seinen lesenswerten Büchern zwischen den Zeilen einräumt, dass er selbst bei der Wahl seiner Methoden „nicht schüchtern“ war. TELEPOLIS-Autor Paul Schreyer hat den SPIEGEL zum Umgang mit der damaligen journalistischen Fehlleistung befragt: Der Spiegel, die Folter und 9/11. Anlass zur Distanzierung von den einstigen Propaganda-Meldungen der Bush-Ära sieht man dort nicht wirklich.
Mit Selbstkritik tat man sich im Hause SPIEGEL schon immer schwer. Als ich 2011 (bei weitem nicht als erster) auf den Einfluss von SS-Leuten in den ersten Jahrzehnten des SPIEGEL hinwies, wollte man mir bei der Recherche nicht so recht Auskunft geben, sondern zog es bis zum 50. Jahrestag der SPIEGEL-Affäre vor, das Thema zu tabuisieren. Auch die Verstrickung des einstigen SPIEGEL-Mannes Becker mit dem BND waren dem SPIEGEL kürzlich im Nachruf auf Becker keine Zeile wert.