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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


15. Dezember 2013

Mail vom Piraten-Opa

https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=gjOI_U6r5T4

 

Liebe Jeanette,

ich, dein Opa, gratuliere dir hiermit zu deinem 16.Geburtstag und schenke dir einen Gutschein für eine Reise nach Maryland, wo ich dir den Besuch eines ganz bestimmten Museums ans Herz legen möchte.

Heute

Wenn du heute am 15.12.2063 diese Mail bekommst, bin ich vermutlich nicht mehr da oder nicht mehr so richtig fit, daher hatte ich die Mail vorher programmiert. Du darfst ab heute erstmals wählen gehen und mitbestimmen, wie deine nächsten 50 Jahre auf diesem Planeten wohl so aussehen werden. Während es für dich selbstverständlich ist, dass du mehrmals im Jahr unter verschiedenen Programmen und Personen wählen und Versagern das Vertrauen entziehen kannst, war das damals bei uns anders.

Bei uns hatte man praktisch nur alle vier Jahre die Wahl zwischen sogenannten „Parteien“. Das waren politische Vereinigungen, die allerdings nicht den Menschen, sondern der Lobby und der Karriere ihrer Funktionäre verpflichtet waren. Auch, wenn es schwer zu glauben ist: Damals, etwa 2013, war es in Deutschland erlaubt, Politiker zu kaufen. Man konnte ohne Sachverstand Spitzenpolitiker werden und sich nahezu jede Peinlichkeit leisten. Das damalige politische System schreckte die guten Leute ab, in die Politik zu gehen. Das koalitionsbasierte Wahlsystem führte immer dazu, dass man Regierungen bekam, die so eigentlich niemand wollte.

Damals

Damals war vieles anders. Etwa das Gebäude des Ströbele-Instituts, wo deine Mutter arbeitet, war ursprünglich für einen Geheimdienst gebaut worden. Dieser Geheimdienst war der Ansicht, dass er befreundete Länder nicht ausspionieren müsse, war gleichzeitig aber damit einverstanden, von einem befreundeten Land ausspioniert zu werden. Dieses befreundete Land, in dem sich jährlich 30.000 Menschen gegenseitig erschossen, störte sich daran, dass es in Ländern mit Bodenschätzen nicht immer friedlich zuging und tötete daher dort Millionen Menschen für den Frieden. Unser Staat selbst hielt damals alles mögliche geheim, wollte aber über uns so viel wie möglich wissen.

1980

In den 1980er Jahre hatten Menschen eine neue Partei gegründet, die alles anders machen wollte, aber als sie an der Macht waren, bombardierten sie fremde Länder und ließen sich von einem VW-Manager ein Sozialsystem namens „HartzIV“ entwickeln. Die Funktionäre waren offenbar nicht weniger korrupt oder suspekt als bei den anderen Parteien und außerdem der Esoterik aufgeschlossen. 1990 kam eine Partei dazu, die keine Regierungsaussichten hatte und daher lobbyunbeeinflusste Politik vorschlagen konnte. Aber die waren dann immer aus Prinzip gegen alles und hatten weniger Ideen als Ideologien. An der Regierung war damals oft eine Partei, die etwa religiöse Probleme mit deiner Beziehung zu Ayshe gehabt hätte, aber sich auf eine Religionsgemeinschaft berief, in der Männer massenhaft kleine Jungs missbrauchten. Und bis 2013 gab es auch eine Spaßpartei, deren Chef einst gegen die Homoehe stimmte und dann einen Mann heiratete. Es gab schlichtweg keine Partei mehr, die vernunftbegabten Wählern einen vertretbaren Kompromiss geboten hätte. Insbesondere das Internet hatte nicht eine einzige Partei auch nur ansatzweise verstanden, vielmehr versuchte man, es zu als Quelle alles Bösen zu bekämpfen.

2006, 2009, 2011

Freunde von mir aus der Computerszene, die sich selbstironisch „Piraten“ nannten, hatten 2006 selbst eine Partei gegründet, die digitale Bürgerrechte, Mitbestimmung, Transparenz und eine überfällige Anpassung des Urheberrechts einforderte, welches damals die Kommunikation behinderte. 2009 kniffen wir die Parteien da, wo es ihnen am meisten weh tat: Bei den Wählerstimmen. Die hatten so eine Riesenschiss vor uns, dass sie ihre wirren Internetzensurpläne aufgaben und sogar ein internationales Abkommen namens ACTA vorerst aufgaben. Viel früher als geplant, zog diese Partei 2011 und 2012 in vier Länderparlamente ein. Nachdem die Öffentlichkeit diese Partei zuvor ignoriert hatte, stand sie auf einen Schlag im Rampenlicht und weckte Hoffnungen auf einen neuen Politikstil, wie er heute im Jahre 2063 längst selbstverständlich ist. Vor allem faszinierte der Esprit einer schnell populär gewordenen Hoffnungsträgerin, die allerdings eine Auszeit nahm und schwer vermisst wurde.

2012

Leider war diese Partei damals nicht auf ihre Rolle vorbereitet. Die Konzepte harmonierten insbesondere nicht mit den medialen Gewohnheiten der Wähler, die Politikerpersönlichkeiten erst einmal kennenlernen wollen, bevor sie ihnen ihre wertvolle Stimme geben. Der Zeitpunkt, solche Politiker vor der Bundestagswahl von 2013 aufzubauen, wäre 2012 gewesen. In diesem Jahr hatten politische Talente die Chance, bei den Piraten eine Blitzkarriere hinzulegen. Es kam aber leider nur sehr wenig neue Leute, die mehr als Shitstorms zu bieten hatten. Weil Parteiarbeit sehr ätzend und undankbar ist, wollte auch niemand wirklich in den Bundesvorstand, so dass keine kompetente Auswahl zur Verfügung stand. Genau diese Leute aber interessierten die Medienvertreter. Hinzu kam, dass die meist in Berlin ansässigen Journalisten die Partei am Auftreten des Berliner Landesverbands maßen, der es ein bisschen schriller liebte, untereinander zerstritten war und Mitglieder außerhalb Berlins als zu bekämpfende Konkurrenz betrachtete.

Wie dünn die Personaldecke bei den Piraten war, hatte ich erst Ende 2012 so richtig begriffen. Bei einem Parteitag wollten die Hobbypolitiker lieber Wahlprogramme für den eigenen Sandkasten machen, als die offensichtlichen Personalprobleme im Vorstand zu lösen. Man erwartete totale Selbstaufgabe, lehnte Geld für Politiker ab und prügelte primitiv aufeinander ein. Über Urheberrecht und Überwachung sprach kaum noch jemand.

2013

Trotz des Defizits an politischen Talenten fanden sich dann Anfang 2013 durchaus fähige Kandidaten für den Bundestag, die allerdings nach der Wahlniederlage in Niedersachsen niemanden mehr interessierten. Wir haben praktisch ohne Geld versucht, mit dem Blatt zu spielen, das wir hatten, aber die Karten waren nun einmal 2012 gemischt worden. Es ging 2013 nur noch um Haltung und Schadensbegrenzung. Nicht einmal die Enthüllungen des späteren UNO-Präsidenten Snowden halfen uns. Nach der Wahlniederlage im Bund versuchten einige, die Partei wieder aufzubauen, kamen damit jedoch ein Jahr zu spät. Das erneute Bekenntnis zur Unprofessionalität und die Lust der Mitglieder an Selbstbeschäftigung schlossen eine positive Entwicklung leider aus.

Zwar verschwanden die Piraten langfristig wieder aus den Parlamenten, dennoch aber hatten wir die Republik ein Stück weit verändert. Mitglieder von Parteien begannen, Mitbestimmung einzufordern. Eine 150 Jahre alte Partei befragte erstmals ihre Mitglieder um die Erlaubnis, eine Koalition eingehen zu dürfen, und gab allein dafür fast so viel Geld aus wie wir für den halben Wahlkampf aufgewandt haben. Die Forderung nach Transparenz im Staat war mehr als salonfähig geworden. Wer hatten die Politik zumindest eine Zeitlang gezwungen, sich mit Netzpolitik zu befassen und die entsprechend kompetenten Leute in den anderen Parteien aufgewertet. Am Schluss waren wir sogar die erste Partei, die ohne Frauenquote einen mehrheitlich weiblichen Bundesvorstand hatte, obwohl das nicht einmal politisch intendiert war.

2014

In den folgenden Jahren konnten weder das TTPI-Abkommen noch die weiteren Kriege oder die Überwachung abgewendet werden. Das Abmahnen erlebte bei Streaming einen Boom. Ähnlich wie 1963, als zwei Politiker den Kalten Krieg beenden wollten, gab es eine Verlängerung des Kriegs gegen das Internet von drei Jahrzehnten. Besonders düster wurde es in Deutschland im Kabinett von der Leyen.

Nachdem die USA alle Personen, die man als Terroristen etikettieren konnte, vorsorglich getötet hatte, wurden nach entsprechenden Hollywoodfilmen auch in den USA die Menschen kritischer. Nach den Unruhen von 2044 gelang es der UNO, durch Blauhelmeinsätze einen Bürgerkrieg in den USA abzuwenden. Nachdem die Bürgerrechtler die NSA-Zentrale besetzten, wurde vielen US-Amerikanern bewusst, wie sehr sie ihre Freiheit verloren hatten. Das Datensilo in Utha wurde in einem Festakt gesprengt. Inzwischen sind sogar die US-Truppen aus Deutschland nach über 100 Jahren abgezogen. Aber das weißt du ja alles hoffentlich aus dem Geschichtsunterricht!

2063

Unsere Eltern hatten ihre Eltern Ende der 1960er Jahre gefragt: „Wo ward ihr damals?“ Wenn du und deine Mutter uns das fragen wollen, hätte ich mehr als Verständnis. Bitte urteile nicht zu hart über unser Versagen. Wir hatten es wenigstens versucht. Es waren halt andere Zeiten.

Wenn du also nach Maryland reist, schau dir bitte das Computermuseum an, das in dem Gebäude der einstigen NSA untergebracht ist. Es ist sehr wichtig, dass es die Menschheit nie wieder so weit kommen lässt.

Liebe Grüße

Opa Markus

14. Dezember 2013

Melanie …

 

Wenn es auf Weihnachten zugeht, werde ich immer ein bisschen melancholisch. Während meines Studiums in Saarbrbrücken war ich mit einer Hip-Hop-Tänzerin von der dort ansässigen Band La Bouche befreundet, die von Frank Farian aufgebaut wurde. Die unfassbare talentierte Sängerin Melanie Thornton hatte damals einen Song eingesungen, den Coca Cola für seine Weihenachts-Kampagne kaufte. Vermutlich hätte man von ihr noch viel gehört.

Vor ihrem Flug von Berlin nach Zürich im November 2001 sagte sie:

„Wir wissen alle nicht, ob wir morgen noch erleben. Also sollten wir unseren Traum jetzt leben.“

Die Maschine kam nie an. Zwei ihrer Tänzer starben ebenfalls, zum Glück nicht meine damalige Bekannte.

Seit ein paar Jahren befasse ich mich mit beruflich mit Flugzeugunfällen, hatte vor ein paar Jahren auch einmal das Absturzblog.de ins Leben gerufen, das ich schon länger nicht mehr bearbeitet habe. Ich bin immer wieder entsetzt, welche Zustände ausgerechnet in einem so denkbar sensiblen Bereich herrschen und wie der deutsche Staat, respektive das Bundesverkehrsministerium, offensichtliche Missstände hinnimmt. Demnächst werde ich das Blog wieder reaktivieren und ein paar für die Branche eher unwillkommene Informationen verbreiten.

 

13. Dezember 2013

Urnen-Schmuggler

 

Der heutige Bericht über Urnen-Kriminalität erinnert mich an einen schon ein paar Jahre zurückliegendes Fall. Mandant war ein „Urnen-Schmuggler“. ;)

In Deutschland ist es nicht erlaubt, mit der Asche verstorbener gefüllte Urnen privat aufzubewahren oder zu beliebig verstreuen, Urnen müssen hierzulande beerdigt werden. Zur Vermeidung von Eigenmächtigkeiten werden solche bereits im Vorfeld ausgeschlossen, so dass man nicht einfach im Krematorium Urnen ausgehändigt bekommt und in den Schrank stellen kann.

Wer jedoch unbedingt später im Schrank stehen möchte, kann sich im Ausland verbrennen lassen, wo man sich wegen Asche keine solche aufs Haupt streut. Allerdings ist die Einfuhr der Urnenasche offenbar nicht so ganz erlaubt. Und da kommt halt der Urnenschmuggler ins Spiel, der sie dann bei ihrer letzten Reise begleitet. Viel mehr Spaß werden Sie so als Asche vermutlich nicht mehr haben.

Piraten leaken Abmahn-Geheimvereinbarung

 

Gestern Abend leakte die Piratenpartei eine offenbar zwischen einem Pornorechteinhaber und einer Anwaltskanzlei ausgehandelte Vereinbarung über ein Erfolgshonorar für Massenabmahnungen im pornografischen Filesharing-Bereich. Besonders spektakulär ist, dass an der Sache die aktuell wegen der Streaming-Abmahnlawine bekannte Kanzlei U+C beteiligt sein soll.

Die Piraten hatten die Dokumente zuvor vom mit der Abmahnindustrie besonders erfahrenen Kollegen Christian Solmecke analysieren lassen, der sich gestern auch zu einer sehr informativen Audio-Talkshow im Internet einfand, die hier zu hören ist (abmahnfrei).

OFF TOPIC:

Im Verlaufe der Talkshow kam es allerdings zu einem Moment, als das Blut gefror: So wollte sich der Kollege Solmecke von der radikalen Position der Piraten abgrenzen, die ja das Urheberrecht ablehnten …

Wenn ein relativ junger, sehr internetaffiner Rechtsanwalt, der sich hauptsächlich im absoluten Kernthema der Piraten(!) bewegt und den Bundestag beim Anti-Abmahngesetz beriet, nicht die tatsächliche Position der Piratenpartei zum Urheberrecht kennt – dann ist der Vorwurf nicht dem Kollegen zu machen, denn Parteiprogramme liest bekanntlich kein Mensch. Wenn wir nicht einmal einem solch aufgeschlossenen Rezipienten die tatsächliche Piraten-Kritik am Urheberrecht kommunizieren konnten, dann sollte es eigentlich auch dem weltfremdesten Pirat langsam einleuchten, dass mit der Öffentlichkeitsarbeit etwas gewaltig schief gelaufen ist.

Seit dem NRW-Wahlkampf habe ich von den Piraten zum Urheberrecht nichts mehr gehört, schon gar nicht im Bundestagswahlkampf, wo man uns nicht einmal Expertise zur Überwachung zubilligte. Warum die Verantwortlichen nach den Sympathieverlusten Ende 2012 und dem Wahldesaster in Niedersachsen unsere durchaus finanzierten Vorschläge, die öffentliche Kommunikation in professionelle Hände abzugeben, in den Wind schlugen und lieber Plakate mit Nichtkandidaten (Transparenz?), Kleingedrucktem (Medium verstanden?) und Themen hängen ließen, die praktisch alle anderen Parteien auch bedienten, habe ich nie verstanden. Selbst ein kontroverser Auftritt wäre wenigstens wahrgenommen worden.

Entgegen der Meinung mancher Piraten glaube ich nicht, dass es im Spektrum zwischen Grünen und Linken sinnvollen Raum für eine weitere Partei gibt, deren Alleinstellungskriterium sich insoweit auf Unerfahrenheit und Dilettanz beschränkt. Rot, Grün und Dunkelrot verfügen bei den sozialen Themen über dramatische höhere Kompetenz und vor allem Konsens, während sich die Piraten im Sandkasten lieber gegenseitig mit Fäkalien bewerfen.

Wenn die Piraten nach Europa wollen, dann können sie nur mit den Themen punkten, von denen sie etwas verstehen (sollten) und bei denen Konsens besteht, und das sind TTPI, bestehendes EU-Urheberrecht und Überwachung. Wenn die Piraten bei der Europawahl im Mai 2014 ernst genommen werden und sich nicht wieder sogar von einer schmierigen rechts-populistischen Parteineugründung überholen lassen wollen, wird es ohne Professionalität im Wahlkampf nicht gehen. Und die sollten immens wichtige Themen wie TTPI eigentlich mehr als wert sein.

Den Tiefpunkt beim diesjährigen Wahlkampf markierte für mich der unsägliche Wahlspot der Piraten, der ähnlich verstörte wie Batman&Robin (1998).

 

12. Dezember 2013

Hallo liebe Pornofreunde!

Achtung! Ab sofort hier allgemeine Geschäftsbedingung:

  • Sie haben per E-Mail eine Abmahnung „von U+C“ erhalten? -> Bitte löschen und nicht hier anrufen.
  • Sie haben wegen angeblichem Streaming-Gucken bei RedTube eine Abmahnung von U+C erhalten? -> Cool bleiben und in den nächsten Wochen Internet lesen. Reaktion aktuell zu 99,99% entbehrlich. Bitte nicht hier anrufen.
  • Sie gucken gerne und oft Pornos und befürchten, eine Abmahnung zu bekommen. -> Ihr Hobby interessiert mich nicht. Bitte warten Sie, bis Sie eine Abmahnung bekommen. Vorher bitte nicht hier anrufen.
  • Sie haben eine Abmahnung wegen Filesharing bekommen? -> Schicken Sie mir die Abmahnung per E-Mail oder Post, die brauche ich so oder so. Bitte nicht hier anrufen. Ich melde mich dann.
  • Sie sind ein weiblicher Pornostar und kommen demnächst nach Münster? -> Ruf. Mich. An!

Orangene Armee Fraktion (OAF) – @Holgi, der Kampf geht weiter!

 

Nach dem eigenartigen Ausgang der Bayern-Wahl, der von niemandem gewünschten großen Koalition und der sich nunmehr abzeichnenden Apokalypse von Zensursula muss das Konzept der Demokratie als gescheitert gelten. Nachdem die parlamentarische Opposition von Bündnisgrünen und Linkspartei nicht einmal auf 25% kommt und die vormals als Hoffnungsträger gehandelten Piraten in der APO sind, liegt die Weltherrschaft der Nerds in unerreichbarer Ferne.

Daher müssen die Aufrechten nun das Konzept „Stadtguerilla“ aufgreifen und in den Untergrund gehen. Die Gründung einer Organgenen Armee Fraktion, etwa auf dem 30C3, ist daher unvermeidbar. Als geistigen Führer wird man sich wohl auf Fefe berufen, OAF-Anwälte stehen auch schon bereit. Die Details müssen wir noch besprechen … ;)

11. Dezember 2013

Fachliche Kritik am Aufruf der Schriftsteller

 

Die FAZ hatte hierzulande einen Aufruf von über 500 internationalen Schriftstellern veröffentlicht, welche sich für die Verteidigung der Demokratie im digitalen Zeitalter einsetzen wollen.

Kurz darauf setzten Reflexe von Netzaktivisten ein, die an das bisherige Verhalten der schreibenden Intellektuellen in Sachen Netzpolitik erinnerten, das vor allem im letzten Jahr zu wünschen übrig ließ. Auf die Schelte hin riefen jedoch bekannte Netzaktivisten zur Ordnung.

Bevor auch mich jemand zur Ordnung ruft, verstecke ich mich hinter meinem früheren Ausbilder Prof. Dr. Hoeren, der am Dienstag auf einer Veranstaltung den leider nun einmal terminologisch und juristisch misslungenen Schriftsteller-Aufruf fachlich als naiv kritisierte:

  • Überwachung ist nicht „Diebstahl“. (Dieser Vergleich ist ähnlich sinnlos wie der Begriff „Raubkopie“, da er Sachenrecht mit Informationsrecht vermengt.)
  • Die Forderung, dass jeder Bürger das Recht haben müsse, mit zu entscheiden, in welchem Ausmaß seine persönlichen Daten gesammelt, gespeichert und verarbeitet werden und von wem, schießt ein bisschen über das Ziel hinaus, da es nun einmal gesetzliche Befugnisse zum Datensammeln gibt. (Hätte jeder ein Mitspracherecht als Voraussetzung hierzu, könnten wir die Polizei, Staatsanwaltschaften, Finanzämter, das Wahlregister und eigentlich so ziemlich jede Behörde abschaffen …)
  • Auch die Unschuldsvermutung, an welche die Schriftsteller „erinnern“, kann Geheimdienste schwerlich vom Datensammeln abhalten. (Im Gegensatz zu Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten prüfen Geheimdienste keine (Un-)Schuld.)

Hinzuzufügen wäre noch, dass sich der Text auf die „Menschenrechte“ beruft. In der UN-Menschenrechtscharta steht aber (leider) nichts vom Recht auf Freiheit vor Überwachung. So etwas wie die deutschen Grundrechte oder die den US-Bürgern verbrieften Freiheitsrechte, aus denen man etliche Abwehrrechte herleiten kann, gibt es nicht in jedem Land. Der vormaligen Kolonialmacht „Vereinigtes Königreich“ ist nicht einmal Pressefreiheit bekannt.

Die fachlichen Defizite des „Schriftsteller-Aufrufs“ wären vermeidbar gewesen. Man hätte nur mal einen halbwegs Rechtsgelehrten nett fragen müssen.

Weiterhin fällt auf, dass sich in Deutschland mit gerade einmal 79 Schriftstellern erstaunlich wenig für den zweifellos ehrenwert gemeinten Aufruf begeisterten – allein auf der Frankfurter Buchmesse gibt es jährlich über 7.000 Aussteller. Stichproben der mir persönlich überwiegend unbekannten „Schriftsteller“ in der Liste ergaben, dass selbst die Unterschreibenden so prominent und schriftstellend nun auch nicht sind. Schade eigentlich.

UPDATE:

Bei Frau Menasses Qualifikation des Rechts auf Privatsphäre und des Briefgeheimnisses als „hart erkämpfte Menschenrechte“ handelt es sich eher um eine politische Forderung als um eine juristische Beschreibung des gesetzlichen Ist-Zustands. Hierzulande gibt es ein Grundrecht auf Brief- und Fernmeldegeheimnis, auch andere Staaten sehen es als fundamentales Verfassungsrecht an, aber ein „Menschenrecht“ ist das Briefgeheimnis bislang nicht. Auch die Einschränkung der freien Meinungsäußerung ist nicht das Thema der NSA, im Gegenteil sind die ja gerade an unserer Meinung interessiert (auch wenn kundige Überwachte insoweit vorsichtiger werden).

10. Dezember 2013

Abmahnungen aus der Zukunft!

 

Es wird immer krasser mit diesen RedTube-Abmahnungen … Wie der Kollege Dr. Wachs berichtet, werden nun schon „Verstöße“ in der Zukunft (präventiv?) abgemahnt …

Ich habe es mal auf Telepolis kommentiert. ;)

Habe übrigens selbst gerade eine E-Mail-Abmahnung vorgeblich „von U+C“ bekommen. Werde mir dann also am 22.12.2013 einen zweifelhaften Film ansehen …

9. Dezember 2013

World of NSA-Craft

 

Nachdem kürzlich bekannt wurde, dass sich NSA & Co. für das Online-Konsumverhalten bei Pornographie interessiert, kam nun also heraus, dass auch Second Life wie „World of Warcraft“ überwacht wird. Wegen den Terroristen, versteht sich. Da sollen tatsächlich Leute kriegerisch aktiv sein. Hochverdächtig!

Wenigstens ein Gebiet, wo man der NSA zeigen kann, wo der Warhammer hängt …

Dokumente zu TTP geleakt

 

WikiLeaks hat weitere Dokumente zum geplanten Trans-Pacific Partnership Agreement (TPP) veröffentlicht, in dem man uns wieder etwas zum „geistigen Eigentum“ unterjubeln möchte.

Vor zwei Jahren war es aufgrund von WikiLeaks-Veröffentlichungen gelungen, eine breite außerparlamentarische Ablehnung gegen ACTA zu formieren und ACTA von Deutschland aus zu verhindern. Diesmal dürften die US-Strategen mit ihren Plänen durchkommen, denn die große Koalition, die wir ja alle gewollt haben, hat die Zustimmung bereits beschlossen, ohne dass das öffentlich verhandelt wurde. Während in Deutschland Netzpolitik derzeit keine Lobby mehr hat, bleibt eine leise Hoffnung, dass sich sonst wo in Europa die Menschen wahrnehmbar ihres Verstandes bedienen und dieses parlamentarisch wie außerparlamentarisch artikulieren.

Verlässlicher als die meisten anderen hat sich Julian Assange um die Aufklärung im Digitalzeitalter verdient gemacht und gezeigt, wie Kriege, Diplomatie und „Sicherheitspolitik“ wirklich aussehen. Ohne die von ihm aufgebauten Strukturen wüssten wir weder von ACTA noch von TTP. Ohne einen Assange hätte es vermutlich keinen Snowden gegeben, dessen Enthüllungen die vernetzte Welt wohl mehr umkrempeln, als es vielen derzeit bewusst ist. Ich weise deshalb darauf hin, weil gerade einige Leute im Vorfeld des 30.Chaos Communication Congresses erstaunliche Gewichtungen anstellen und lieber keinen Helden wollen als einen, mit dem sie sich nicht zu 100% identifizieren können.