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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Der Pirat und der Schreibtischtäter

Diplomatie hat ihre Berechtigung. Es muss nicht zwingend falsch sein, sich mit der Springerpresse einzulassen, auch wenn uns kürzlich deren abgehalfterter Pausenclown das Eintreten für Liebhaber von Kinderpornografie nachsagte. Vielleicht sehe ich es ja wirklich zu eng, wenn ich die Gesellschaft von Menschenverächtern meide, die faschistische Diktaturen in Südamerika gestützt und sinnlose Vernichtungskriege in Indochina geführt haben, mithin die Verantwortung für millionenfachen politischen Mord tragen.

Und vielleicht war es sogar ein genialer PR-Coup, sich ausgerechnet als Vorsitzender einer hinterzimmerphoben Partei vom wohl begabtesten Strippenzieher der Welt zum Tête-à-tête in das abgeschottete Axel Springer-Hochaus einladen zu lassen. Möglicherweise bestand ja tatsächlich eine Chance, den ultrakonservativen Mr. CIA, der das eigene Parlament täuschte und selbst befreundete Journalisten und Mitarbeiter abhören ließ, für Bradley Mannings Schicksal zu begeistern. Und Flüge nach Europa haben wenigstens den pädagogischen Effekt, dass man Kissinger am Flughafen die Weichteile drückt.

Ob man eiskalten Kriegern wirklich Ehrerbietung zollen muss, darüber kann man geteilter Meinung sein. Vertreter von SPD, GRÜNEN und Linkspartei wollten oder durften nicht.

Ungeachtet unterschiedlicher Ansicht zolle ich dem begabten Politiker Bernd Schlömer jedoch großen Respekt, wie clever er mit einer psychologischen Operation seine Kritiker mundtot gemacht hat. Im Stile Kissingers installierte der Stratege mit zwei simplen Tweets eine Dolchstoßlegende, mit welcher er seine Rolle zu der eines Opfers stilisierte:

Wieso stärken die #Piraten nicht den Rücken, damit das Richtige gesagt werden kann? #Kissinger [link]

Teil 4: Danke für die konkreten Gewalandrohungen gegen meine Person, di ich heute Nacht erhalten habe! [link]

Reflexartig solidarisierten sich etliche Twitterer mit Bernd, dessen Kritiker sich nunmehr in geschickt suggerierter Gesellschaft primitiver Schläger befanden. Hey, was sind schon Millionen echter niedergemetzelte Menschen auf den Reisfeldern in Kambodscha und Vietnam? Was sind schon Zigtausende zu Tode gefolterte Menschen in Südamerika gegen die (angebliche) Gewaltandrohung eines Hitzkopfs (den es immer gibt)? Unter uns: Dass bellende Hunde nicht beißen, wird Bernd als gelernter Kriminologe vermutlich schon einmal gehört haben. Tatsächliche Attacken auf Bernd gab es offenbar nicht. So plump die Taktik war, so effizient funktionierte sie. Das muss man als politische Leistung sportlich anerkennen.

Die richtig guten Politiker spielen halt über die Bande und bleiben selbst außen vor. Nicht nur Twitterer sprangen dem Piraten mit Kissinger-Kontakten bei, sondern auch eine „Journalistin“, welche die substantiierte Kritik an Kissinger unterschlug und sich stattdessen Äußerungen herauspickte, mit denen sie die gesamte Kritik als Verschwörungstheorien zu diskreditieren versuchte. Mal nebenbei: Kissinger wird das Bonmot zugeschrieben, jeder, der in Washington nicht paranoid sei, sei verrückt.

Das einzige, was beim Abwehrzauber fehlte, war die Denunzierung der Kritik als „Antiamerikanismus“. Um weitere Mühen zu ersparen, mache ich das gleich selbst und übergebe an Volker Pispers:

« Klehr ./. Kompa – Das Piratengericht »

2 Comments

  1. Deutsch-Amerikanische Freundschaft | Die Sockenseite

    […] (via @KompaLaw) […]

    #1 Pingback vom 28. Mai 2012 um 18:04

  2. Dies und das – gesammelt und hiermit gezeigt am 29.05.2012 | Der Nachrichtenspiegel

    […] Herr Kompa stört es, daß der Piratenchef mit einem ehemaligen Massenmörder redet (mich übrigens … Und vielleicht war es sogar ein genialer PR-Coup, sich ausgerechnet als Vorsitzender einer hinterzimmerphoben Partei vom wohl begabtesten Strippenzieher der Welt zum Tête-à-tête in das abgeschottete Axel Springer-Hochaus einladen zu lassen. Möglicherweise bestand ja tatsächlich eine Chance, den ultrakonservativen Mr. CIA, der das eigene Parlament täuschte und selbst befreundete Journalisten und Mitarbeiter abhören ließ, für Bradley Mannings Schicksal zu begeistern. Und Flüge nach Europa haben wenigstens den pädagogischen Effekt, dass man Kissinger am Flughafen die Weichteile drückt. […]

    #2 Pingback vom 29. Mai 2012 um 13:59

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