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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


20. Januar 2011

Kachelmann ./. BILD: Viel Lärm und dann nichts

Nachdem die Anwälte des Wettermoderators der BILD eine gekachelt hatten, was dann beim Landgericht Köln wieder relativiert wurde, hat man sich am OLG Köln geeinigt:

In der Berufungsverhandlung am Dienstag äußerte das Oberlandesgericht nun Zweifel daran, ob die Verdachtsberichterstattung von BILD.de Kachelmann überhaupt in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt hat. Ohnehin sei aber zum jetzigen Zeitpunkt das ursprüngliche Verbot der BILD-Berichte durch das Landgericht nicht mehr haltbar. Damit sei auch die zwischenzeitlich erhobene Klage Kachelmanns gegen BILD.de hinfällig. Der Senat empfahl, beide Verfahren insgesamt zu beenden, der Streit mache „keinen Sinn mehr“. Kachelmanns Anwälte erklärten daraufhin das Verfügungsverfahren nebst Klage für erledigt und verzichteten zugleich auf ihre ebenfalls eingeklagten Abmahnkosten. Damit war auch BILD.de einverstanden.

Maschmeyer-Show geht heute weiter

Heute wird Maschmeyer in Panorama zu sehen sein.
UPDATE: ZAPP: Die Medienstrategie des Carsten Maschmeyer

IM Notar oder halt nicht

Die ARD befasst sich Donnerstag Abend in einer Doku mit dem Kollegen Dr. Gregor Gysi, den sie der informellen Arbeit für das Ministerium für Staatssicherheit verdächtigt.

Zwar schätze ich den obskuren Historiker Hubertus Knabe, den die ARD offenbar bemüht, absolut nicht. Was Gysis Tätigkeiten betrifft, so hatte ich hierüber Ende 2009 mit Gysis früherer Mandantin Bärbel Bohley diskutiert, der Gysi vom Landgericht Hamburg den Stasi-Vorwurf hatte untersagen lassen. Bereits Bohleys vorheriger Rechtsanwalt Wolfgang Schnur hatte 1990 seine Tätigkeit als als „IM Torsten“ eingeräumt.

Von Gysi sieht sich Bohley verraten, da in ihrer Akte ein Vier Augen-Gespräch mit ihrem damaligen Anwalt protokolliert ist, dessen Quelle mit „IM Notar“ bezeichnet worden war. Gysi dagegen bestreitet eine Zusammenarbeit mit der StaSi, die Information müsse durch Abhören oder auf anderem Wege gewonnen worden sein. Tatsächlich gibt es erwiesene Fälle, in denen als Quellenbezeichnung für mit „Wanzen“ gewonnene Informationen in den Akten z.B. „IM Otto“ benutzt wurde. Doch u.a. Bohleys Erfahrung etwa mit ihrem anderen Anwalt Wolfgang „IM Torsten“ Schnur, der später ebenfalls eine politische Karriere verfolgt hatte, bis den Opportunisten seine StaSi-Vergangenheit einholte, prägt ihr Misstrauen. Als Kennerin des DDR-Apparats, in dem sich Anwälte nun einmal mit dem System arrangieren mussten, lasse sie sich ihre Meinung nicht verbieten, da könne sie das Hamburger Gericht 100 mal verurteilen und maßregeln. Trotz des Verbots hat die in Hohenschönhausen an Gefängniszellen gewöhnte Bürgerrechtlerin ihre Verdächtigungen mehrfach wiederholt, würde sogar eine Ordnungshaft inkauf nehmen. Da schlafe man gut, da werde man ja auch gut bewacht.

Keine Ahnung, ob Bohley richtig gelegen hat. Dieses Land jedenfalls könnte deutlich mehr solch couragierte Frauen vertragen. Das würde allerdings bei Bezeichnung von Gysi als „IM Notar“ rund 2.000,- Euro kosten, wie er sagt.

19. Januar 2011

Käfer-Zelt

Ein aus dem Unterschichten-TV bekanntes Dschungelcamp hatte ein Zelt, in welchem offenbar Insekten verzehrt oder sonstig verwendet werden, als „Käfer-Zelt“ beschriftet. Das störte einen Münchener Edelgastronomen, dessen Name hier nicht erwähnt werden soll, der auf dem Oktoberfest ebenfalls Mahlzeiten in einem Zelt anbietet. Der Koch erwirkte am Landgericht München gegen den Krawallsender eine einstweilige Verfügung, damit die Zelte künftig nicht mehr verwechselt werden.

In der Hamburger Pressekammer hätte die dort vor zwei Jahren beschäftigte Richterin Frau Dr. Käfer wohl ebenfalls Verständnis gehabt …

18. Januar 2011

Euroweb lernt den Streisand-Maschmeyer-Effekt – und biedert sich bei der Wikipedia an

Der Ruf der Firma Euroweb ist zweifelhaft. Schon öfters ist die Firma juristisch aggressiv gegen kritische Blogger vorgegangen. Nunmehr verstieg sich Euroweb dazu, die Domain des beliebten Blogs NERDCORE zu pfänden, was der Szene selbstverständlich nicht entgehen konnte.

Peinlich wird jedoch, was Euroweb mit dem zu erwartenden Gewinn der Versteigerung der gepfändeten Domain machen möchte. So zitiert die TAZ den Geschäftsführer:

Stattdessen solle Nerdcore nächste Woche zu einem guten Zweck versteigert werden. Der Betrag gehe zu gleichen Teilen an die Wikipedia und den Freischreiber e.V.

Ob sich die Wikipedanten diese Anbiederung bieten lassen? Nicht alle Wikipedianer sind davon begeistert …

Bemerkenswert ist, dass die Firma offenbar über keinen eigenen Eintrag in der Wikipedia verfügt. Für gewisse Unternehmen ist das auch besser so, denn da würde ja vermutlich genau das drin stehen, was man den Bloggern verbieten will … Euroweb hat also allen Grund zur Dankbarkeit.

Nerdcore jedenfalls wurde eines Eintrags für würdig befunden. Und Nerdcore lässt sich nicht über ein Domain-Gegrabsche zensieren. Recht so!

UPDATE: Die Freischreiber scheißen auf das Angebot.

Tunesisches Jugendministerium geentert!

Ein Aktivist der Piratenpartei, der vor ein paar Tagen wegen seines Eintretens für Pressefreiheit ins Gefängnis gesteckt wurde, ist nunmehr Mitglied der Übergangsregierung. Der Minister für Jugend und Sport heißt ab sofort Slim Amamou.

Hierzulande steht die Revolution noch aus. So will Bayern u.a. medienrechtlich enger mit Ungarn zusammenarbeiten, und zwar unter dem Segel angeblicher Maßnahmen gegen Kinderpornographie. Ungarn, das sind die mit der offiziellen Zensurbehörde.

Gerade hat der Branchenverband eco übrigens bestätigt, dass das Konzept „Löschen“ von entsprechenden Inhalten funktioniert. Die Sperren hingegen laden zum Missbrauch ein, etwa zur Zensur missliebiger Leak-Websites.

17. Januar 2011

Wallstreet 1 1/2

Als ich neulich die Fortsetzung von „Wallstreet“ sah, hatte ich etliche Dejás Vues. In dem Film ging es nämlich um Lügen in der Finanzbranche, Insiderhandel, Hedgefonds, Kursmanipulationen, Shorten und um eine linke Website. Ich hatte das Gefühl, dass sich Regisseur Oliver Stone aus einem kuriosen Abschnitt meines Lebens bediente, nämlich meinem über Jahre währenden Kleinkrieg mit der Finanzindustrie.

Vor einigen Jahren hatte ich mich über einen Finanzvertrieb geärgert, eine bewusst krawallige Website ins Netz gestellt und die Reaktionen getestet. Als die Firma juristische Schritte unternahm, wurde das Internetforum von WALLSTREET(!)-online zum Kampfplatz. Nachdem das Forum mehrfach vor den Anwälten der Firma einknickte, eröffnete ich mein erstes Blog – was u.a. eine Entscheidung nach sich zog, die man heute in jedem Markenrechtsbuch als „Unternehmens-Blog.de“ nachlesen kann. Nach Einstellung des Blogs entstand in den USA ein anonymes Blog, das so richtig böse wurde … Selbst ein bei der WIPO angestrengtes Domain-Verfahren überstand diese Website und ging gestärkt daraus hervor.

Die Webaktivitäten, welche über den Streisand-Effekt und Google-Ranking extrem bekannt wurden und der Firmenkommunikation beträchtlichen Schaden zufügten, zeitigten auch andere Effekte. Als zur Gallionsfigur und zum Sprachrohr gewordener Kritiker fanden etliche ehemalige Firmenangehörige ihren Weg in mein Lager, darunter der Whistleblower, der vor Jahren 8 Milliarden Euro Luft aus der Firmenaktie gelassen hatte. Dessen Einschätzung zufolge hatten aktuelle Kursschwankungen unmittelbar mit den Aktivitäten des ursprünglichen bzw. des anonymen Blogs zu tun, das sich inzwischen zur inoffiziellen Firmenzeitung entwickelt hatte. In dieser Zeit erfuhr ich mehr über die Firmengeschichte, als sich die meisten Firmenangehörigen träumen ließen.

Aber auch andere verfolgten die Aktivitäten, etwa ein sehr bekannter Hedgefonds-Manager, der seinerzeit durch Shorten an der Firma ein beträchtliches Vermögen verdient hatte. Die Vorstellung, dass man mit ein bisschen Tippern auf der Tastatur exorbitant Geld verdienen könnte, erschien zwar sexy, aber das Studium des Wertpapierhandelsgesetz verhinderte, dass ich einen unmittelbaren Kontakt zu dem geheimnisvollen Mann suchte. Ich bin ein kleiner, freundlicher Mann, der von gewissen Dingen halt lieber die Finger lässt und sich ohne Scham im Spiegel sehen möchte. Manche Storys sieht man sich besser im Kino als im Leben an, wobei ich mich in diesen Tagen häufiger fragte, ob ich mich in der Realität befand, oder eben in einem seltsamen Film. Besagter Finanzjongleur etwa ist heute untergetaucht. Ich bin noch da.

Irgendwann kam einmal die Stunde der Parlamentäre, und man hat sich mal auf Augenhöhe zusammengesetzt und vernünftig miteinander geredet, persönliche Animositäten beigelegt. Mit dem heutigen Abstand kann ich manchmal kaum glauben, was sich da damals abgespielt hatte.

Dieser Tage macht ein anderer Whistleblower von sich reden: Rudolf Elmer, der bereits vor Jahren mit WikiLeaks operierte und nunmehr eine Datei mit Steueroptimierern an die Datenschleuder übergeben hat. Zeigs ihnen, Rudolf!

15. Januar 2011

Landgericht Hamburg läßt Strauß-kritisches Buch passieren

2009 erschien das Enthüllungsbuch des früheren bayerischen Ministerialbeamte Wilhelm Schlötterer „Macht und Missbrauch“, in dem er den ehemaligen CSU-Chef Franz Josef Strauß krimineller Machenschaften zieh. Eine damals angekündigte einstweilige Verfügung schien nicht beantragt worden zu sein.

Gestern(!) nun gab das Landgericht Hamburg bekannt, eine einstweilige Verfügung abgelehnt zu haben. Laut Süddeutscher hatte ein Teil der Strauß-Familie beantragt, die gravierendsten Vorwürfe zu verbieten. Das wirft Fragen auf: Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung muss eine Dringlichkeit glaubhaft gemacht werden, andernfalls der Eilrechtsschutzz versagt wird. Wie kann man nach über einem Jahr eine solche Dringlichkeit plausibel machen? Der Buchinhalt wird sich doch nicht geändert haben? Auch das Strafverfahren, das Mitte 2009 gegen Schlötterer wegen Verleumdung initiiert wurde, scheint nicht in Schwung gekommen zu sein.

Als ich gestern den Vorsitzenden Richter Buske, der aller Wahrscheinlichkeit nach an dem Verfahren beteiligt war, bei einer anderen Verhandlung sah, machte er einen äußerst gut gelaunt Eindruck. Vielleicht ist es für grantelnde Bayern nicht immer sinnvoll, via fliegenden Gerichtsstand in Hamburg verbieten zu lassen.

2009 hatte ich andere Prioritäten als die Strauß-Forschung. Den streisandigen Hinweis auf das Strauß-Buch nehme ich jedoch zum Anlass, eine Lücke in meinem Bücherschrank zu füllen … ;-)

14. Januar 2011

Maschmeyer hat es schon wieder getan!

Am Landgericht Berlin ließ ein Hamburger Anwalt dem Hamburger Sender NDR für seinen Hannoveraner Mandanten verbieten, die „Michael Moore“-Szene aus der Drückerkönig-Doku künftig zu verbreiten, meldet SPON.

Die Frage, ob für eine Veröffentlichung eine stillschweigende Einwilligung vorlag oder ob aufgrund überwiegendem Berichtsinteresse der Öffentlichkeit die Szene gezeigt werden muss, kann unterschiedlich beantwortet werden. Für die streitbaren Geschäfte von Maschi ist die Szene nicht erheblich – jeder hat das Recht, ein Interview abzulehnen, insbesondere ein aufgenötigtes, zumal in dem Zeitpunkt auch nicht bei einer öffentlichen Veranstaltung (sondern davor). Maschi wäre es allerdings anzuraten gewesen, bereits bei den Aufnahmen einer Verwendung deutlich zu widersprechen, was das Untersagen im Vorfeld ggf. vereinfacht hätte.

Wie gesagt, es gäbe über Maschi und den AWD eine Menge substantiiertere Vorwürfe als das Verweigern eines Interviews, die im Zweifel wichtiger gewesen wären. Unter PR-Gesichtspunkten hat es der NDR allerdings goldrichtig gemacht. Und statt den Ball flach zu halten, tritt Maschi nun auch noch nach. Da kann man halt nix machen.

UPDATE: Interview mit dem DLF-Interview mit dem NDR-Justiziar Klaus Siekmann

Demzufolge hatte Maschi der BILD sein Interview gegeben, ohne zuvor den Film gesehen zu haben. Beim Interview ist übrigens kein Autorenname angegeben …

13. Januar 2011

NDR widerspricht Maschmeyer

Der NDR hat eine Chronologie der Interviewanfragen ins Netz gestellt. Maschi hatte sich ja in der BILD („Verhör“) darüber beklagt, dass man ihn nicht ordentlich um ein Interview gebeten hätte.

Maschis Anwalt moppert, weil die Bildrechte beim letzten Interviewversuch verletzt worden seien. Hier stellt sich wieder die alte Frage, ob das widerspruchslose Dulden einer TV-Aufnahme als stillschweigende Einwilligungserklärung zu werten ist (eher nicht), und ob Berichtsinteresse der Öffentlichkeit an Aufnahmen besteht, bei denen der prominente Interviewpartner Desinteresse signalisiert. Darüber wird zu reden sein.

So verdienstvoll der Film sein mag, man hätte die Sendezeit auch mit einer Analyse des AWD-Systems verwerten können, das aus Menschen Drücker macht, die fähig sind, ihre Mitmenschen hemmungslos in den Ruin treiben. So etwa der ORF – Report vom 21.10.2008: